Eugenia Duran Apostol nimmt die Herrschenden auf den Philippinen aufs Korn - schon seit den Zeiten des Diktators Marcos
Eugenia Duran Apostol ist keine Revolutionärin. Auf die Barrikaden zu steigen ist nicht ihre Sache, obwohl sie durchaus an der einen oder anderen Kundgebung teilgenommen hat. Stattdessen war die Waffe der heute knapp 76-jährigen Filipina immer das geschriebene Wort - und das bis heute. Denn ihr Rückzug in die wohlverdiente Pension Anfang der neunziger Jahre sollte nicht von Dauer sein: Vor zwei Jahren griff sie erneut zur Feder.
von Brigitte Voykowitsch
Hätten die Filipinos nicht 1998 Joseph Estrada zum Staatspräsidenten gewählt und hätte dieser sich nicht als völlig korrupter und den freien Medien feindlich gesinnter Politiker erwiesen, Apostol wäre wohl einfach Pensionärin geblieben. Mit Interesse, aber ohne direktes Engagement hätte sie das politische Geschehen sowie die Arbeit der von ihr mit gegründeten Publikationen verfolgt.
Denn an Hobbies mangelt es Apostol nicht. Reisen sind eines, klassische Tänze - auf den Philippinen auch als ballroom dancing bekannt - ein anderes. Dreimal die Woche geht Apostol mehrere Stunden tanzen. Das hält fit, versichert sie. Doch mit dem reinen Privatleben war es im Sommer 1999 vorbei. Als Präsident Estrada mit einem Werbeboykott des Philippine Daily Inquirer und einer Millionenklage gegen die Manila Times zwei der kritischsten Medien zum Schweigen zu bringen versuchte, reagierte Apostol mit den Worten: "Wir befinden uns in einem nicht erklärten Kriegszustand." Und als passionierte Verfechtern der Pressefreiheit war sie nicht bereit, diesen tatenlos hinzunehmen.
Freilich wollte Apostol diesmal keine weitere englischsprachige Zeitung lancieren und damit abermals die Mittelklasse und Oberschicht bedienen. Der frühere Filmschauspieler Joseph "Erap" Estrada hatte mit seinem auf der Leinwand erworbenen Robin Hood-Image zunächst die Herzen und 1998 schließlich auch die Stimmen der mittellosen Filipinos für sich gewonnen. Eben diese Menschen wollte Apostol nun erreichen und über das von Luxus, Machtmissbrauch und Korruption geprägte Leben des Präsidenten informieren. Ein gut Teil der Elite des Landes war sich darin einig, dass Estrada gehen müsse; Apostol wollte diese Ansicht durch seriöse Berichterstattung auch in der ärmeren Bevölkerungsschicht verbreiten.
Pinoy Times nannte sie ihre neue, in Tagalog publizierte Zeitung, die in diesem Herbst ihr zweijähriges Bestehen begeht. Ihre Reporter setzte Apostol auf Estradas zwielichtige Geschäfte und Affären an - Affären um seine Häuser, seine Konkubinen und sein Geld. Sie selbst machte sich ungeachtet ihres hohen Alters auf, um aus ihrem Wagen heraus möglichst unauffällig die Villen des Präsidenten zu fotografieren. "Wir entblößen nicht die Frauen, wir stellen die Politiker bloß", sei das Motto der Pinoy Times gewesen, erzählt Apostol und fügt mit einem verschmitzten Lächeln hinzu: "In erster Linie ging es natürlich um Estrada."
Wie groß ihr Beitrag zum Sturz von Estrada war, könne sie nicht sagen, erklärt Apostol. Immerhin stieg die Auflage der Pinoy Times von anfänglich 30.000 rasch auf 170.000. Dank der hohen Auflage konnte sich die Pinoy Times ausschließlich über den Verkauf finanzieren; Interessenten für bezahlte Anzeigen es gab kaum, wollte sich doch niemand aus der Geschäftswelt mit dem noch amtierenden Präsidenten anlegen. In den Monaten zur Jahreswende 2000/2001, als das Amtsenthebungsverfahren gegen Estrada lief, konnten sogar zwischen 300.000 und 400.000 Exemplare täglich verkauft werden. Selbst jene Bevölkerungsgruppen, die noch nach dem erzwungenen Abgang von Estrada und der Machtübernahme von Gloria Macapagal Arroyo ihrem einstigen Helden nachtrauerten, waren zunehmend an der seriösen politischen Berichterstattung der Pinoy Times interessiert. Sie waren bereit, sich kritisch mit der Person Erap Estrada auseinanderzusetzen, der, wie Apostol es formuliert, "nicht nur wie ein Reicher lebte, sondern auch trank, wie es nur Reiche können".
"Eggie" nennen ihre Freunde und Kollegen Apostol liebevoll, wohl wissend, dass der aus der Schulzeit stammende Spitzname über die Entschlossenheit und Courage dieser Frau hinweg täuscht. "Eggie" sieht das gelassen. Unter dem Diktator Ferdinand Marcos hat sie den Sprung in die politische Berichterstattung geschafft: Anfang der achtziger Jahre entschloss sie sich nach einer rund drei Jahrzehnte langen Tätigkeit bei Frauenmagazinen und Frauenbeilagen großer Zeitungen plötzlich zum Kampf gegen Marcos. Dass sie Esprit hatte und auch die, wie sie sagt, "Frauenecke" mit gesellschaftspolitischen und kritischen Inhalten zu füllen wusste, hatte sie da längst bewiesen.
Anfang der achtziger Jahre leitete Apostol, die Tochter eines wohlhabenden Arztes und einer Abgeordneten, das Magazin Mr. & Ms.. Es war noch unter dem von Marcos 1972 verhängten Kriegsrecht ins Leben gerufen worden, als jegliche Form politischer Publikationen verboten war. Doch als der Diktator 1981 die Aufhebung des Kriegsrechts ankündigte, beschloss Apostol politische Kommentare in Mr. & Ms. abzudrucken und damit die Grenzen kritischer Berichterstattung zu testen.
Die Ereignisse am 21. August 1983 veranlassten sie zu einer jähen Neuorientierung. An jenem Tag wurde der Oppositionspolitiker Ninoy Aquino Jr. bei der Rückkehr aus seinem Exil in den USA am Flughafen von Manila ermordet. Millionen Menschen nahmen an seinem Begräbnis teil. Doch die von Marcos eingeschüchterte Presse wagte es nicht, Fotos zu veröffentlichen, und selbst die Berichterstattung über das tragische Ereignis war äußerst spärlich.
Dann werden wir eben eine Sonderausgabe machen, beschloss Apostol. Wir, das waren ihr festes Team bei Mr. & Ms. sowie andere, führende Journalisten, die Artikel beisteuerten. Die Ausgabe erschien am 2. September 1983 und enthielt neben einem großen Bericht über Ninoy Aquino, den ermordeten Ehemann der späteren Staatspräsidentin Corazon Aquino, eine 16-seitige Dokumentation samt Kommentaren und Augenzeugenschilderungen über den Begräbniszug, der knapp zehn Stunden für den Weg bis zum Manila Memorial Park in Paranaque gebraucht hatte. Alle 50.000 Exemplare der ersten Auflage waren innerhalb kürzester Zeit verkauft, 250.000 mussten nachgedruckt werden. Noch im selben Monat lancierte Apostol die Mr. & Ms. Special Edition, die von da an wöchentlich Fälle von Repression und Menschenrechtsverletzungen unter dem Marcos-Regime im ganzen Land dokumentierte. "Ich glaube nicht, dass ich mir damals des ganzen Risikos bewusst war, das ich einging", sagt sie heute.
Natürlich blieb eine offizielle Vorladung nicht aus. Ein Militärkomitee forderte eine Erklärung dafür, was eine derart kritische politische Berichterstattung denn in einer Frauenzeitschrift zu suchen habe. Apostol erwiderte mit einem Beispiel aus dem Haushalt: "Die Äußerung unterschiedlicher legitimer Meinungen unterdrücken zu wollen, wäre das Gleiche, als wollte man einen Kessel fest zudecken und den Dampf nicht herauslassen. Das würde zu einer explosiven Situation führen". Ob sie damit bei den Militärs Gehör fand oder ob Marcos die wachsende Wut des Volkes unterschätzte, ob er und seine Militärs Mr. & Ms. letztlich doch nicht ernst nahmen - wer könne das schon sagen, meint Apostol. "Vielleicht hielten sie uns wirklich nur für eine Moskito-Presse, die ein bisschen stechen, aber nicht wirklich gefährlich werden kann."
1985 gehörte Eggie zu den Gründern des Philippine Inquirer. Und als Marcos im November 1985 Neuwahlen ankündigte, setzte sie sich gegen ihre skeptischen Kollegen mit einem weiteren Medienprojekt durch: Der Philippine Daily Inquirer wurde ins Leben gerufen und entwickelte sich rasch zur führenden Oppositionszeitung, die dem Diktator bald ein Dorn im Auge war. Die Medien, so glaubt Apostol heute, spielten eine wichtige Rolle im Vorfeld dieser Wahlen im Februar 1986, die Marcos durch Wahlbetrug im großen Stil für sich zu entscheiden versuchte. Wenig später zwang ihn der von Aquinos Witwe Corazon und Kardinal Jaime Sin angeführte Volksaufstand zum Rücktritt. Die Bedeutung der Medien war auch während des Verfahrens gegen Joseph Estrada und des Aufstands gegen ihn nicht zu unterschätzen, den viele allerdings nicht als Aufstand des Volkes, sondern vielmehr als Aufstand der Reichen gegen den Helden der Armen ansehen.
Wie sehr Apostol an die Rolle der Presse glaubt, zeigte sich auch 1997, als sie sich nach ihrer Pensionierung erstmals wieder zu Wort meldete. Der damalige Staatspräsident Fidel Ramos zeigte Anstalten, eine verfassungswidrige zweite Amtszeit anzustreben, und Apostol reagierte rasch. Rund ein halbes Jahr lang, bis zu den schließlich im Mai 1998 ausgerufenen Neuwahlen, gab sie das Magazin Hu! Ha! heraus, in dem äußerst kritisch das politische Geschehen im Land beleuchtet wurde.
Jetzt, nachdem die neue Präsidentin Arroyo ihr Amt angetreten hat, überlässt Apostol ihren Kollegen und Kolleginnen die tägliche Redaktionsarbeit bei der Pinoy Times und schaut nur noch gelegentlich herein. Doch wer weiß, aus welchem Anlass sie demnächst wieder zur Vollzeitjournalistin werden muss. Denn es besteht ja lediglich eine vage Hoffnung, dass sich auf den Philippinen die Dinge zum Besseren wenden. Die Armen sind weiterhin arm, die verheerende Korruption ist nicht aus der Welt geschafft. Wer also kann wissen, welchen Politiker Apostol demnächst wird bloßstellen müssen.
aus: der überblick 03/2001, Seite 84
AUTOR(EN):
Brigitte Voykowitsch:
Brigitte Voykowitsch ist freie Journalistin mit dem Themenschwerpunkt Asien und lebt in Wien.