Abschied und Neubeginn
Dem Neubeginn geht meist ein Abschied voraus. Freud und Leid können dabei sehr unterschiedlich verteilt sein. Man kann alte Zöpfe freudig abschneiden oder muss schweren Herzens Abschied nehmen. Ein Neubeginn kann mit Aufbruchstimmung oder auch mit Mühsal verbunden sein. Manchmal ist aber auch der Abschied schwer und der Neubeginn dennoch hoffnungsvoll. Wie zum Jahreswechsel beim überblick: Redaktion und Vertrieb mussten Abschied nehmen von der Breklumer Druckerei, die nun nicht mehr existiert. Dieser kirchlich geprägte Familienbetrieb hat die Mission dieser Zeitschrift verstanden und war ihr 30 Jahre lang in Druck und Vertrieb ein guter Partner und Ratgeber.
Aufbruchstimmung hat die neue Druckerei mitgebracht, die MHD in Hermannsburg, ebenfalls ein aus christlichem Engagement hervorgegangener mittelständischer Betrieb. Sie hat der konservativ an Aufklärung durch das Wort hängenden Redaktion kurzerhand ein neues Kleid für das Blatt geschneidert. Die hat schnell Gefallen daran gefunden und hofft, dass das aufgefrischte Erscheinungsbild nun auch den Leserinnen und Lesern gefällt.
Auch wenn der überblick jetzt schöner anzusehen ist: An der Substanz hat sich nichts geändert. Und auch weiterhin soll in jedem Heft ein Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet und von Autoren aus aller Welt diskutiert werden. (Selbst-)Kritik ist dabei ausdrücklich erwünscht. Die Leserumfrage vom Ende letzten Jahres hat eindeutig ergeben, dass der überblick dafür geschätzt, abonniert und gelesen wird.
Einen neuen Auftritt hat nur eine Minderheit angemahnt, aber auch so viel solide Zufriedenheit darf eine Redaktion nicht träge machen. So wird nun einladender präsentiert, was zum Denken anregen soll. Denn heute muss erst einmal der Kampf um die Aufmerksamkeit gewonnen werden, auch bei neugierigen und motivierten Lesern. Und weil die neuen elektronischen Kommunikationsformen auch andere Geschwindigkeiten mit sich bringen, ist die Internet-Präsenz schon im letzten Jahr attraktiver und benutzerfreundlicher geworden und inzwischen Quelle vieler neuer Kontakte für die Redaktion.
Wenn dieses Heft gedruckt wird, nimmt die Redaktion schon wieder Abschied von Zentralasien. Sie muss sich mit der gleichen Energie ins nächste Thema stürzen. Weil bei der Konzeption und Gestaltung der Hefte aber meist das Interesse eher noch wächst und neue Beziehungen geknüpft werden, ist so ein Abschied auch immer ein bisschen traurig. Dafür ist das Anliegen, diesen fremden Ländern und ihren dramatischen und nur manchmal erfreulichen Transformationsprozessen Aufmerksamkeit zu verschaffen, nun in anderen, interessierten Händen.
Abschied nehmen mussten wir im Januar von einem unserer prominentesten Leser: Johannes Rau. Ich lese den überblick immer, hat er gesagt, und dann gebe ich ihn an meinen Neffen weiter. Und als ihn einst James Jonah damals Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und heute auch ein überblick-Bezieher fragte, was das für eine Zeitschrift sei, da hat er geantwortet Eine der besten. Sein Interesse, sein Engagement, seine klugen und mahnenden Worte werden uns, wie vielen anderen auch, fehlen.
Renate Wilke-Launer
aus: der überblick 01/2006, Seite 1