Neue Wege durch die Krise
Als Binnenland ist Mali vom reibungslosen Verkehr zu Häfen im Ausland abhängig. Als die Route nach Abidjan blockiert war, galt es Alternativen zu finden. Diese können auf Dauer von Nutzen sein.
von Bakary Coulibaly
Mali hängt als Binnenland für seinen Handel vom freien Verkehr zu geeigneten Häfen ab. Der wichtigste befindet sich rund 1200 Kilometer entfernt von Malis Hauptstadt Bamako in Abidjan, Côte d'Ivoire. Er ist zwar nicht der nächstgelegene (dies wäre Conakry in Guinea), aber der am besten ausgestattete Hafen. Deshalb wurden bis zur politisch-militärischen Krise, die seit September 2002 zur faktischen Teilung Côte d'Ivoires geführt hat, rund drei Viertel der Waren für und aus Mali dort umgeschlagen.
Nachdem Rebellen den Norden von Côte d'Ivoire besetzt hatten und die Grenze kaum noch passierbar war, sah sich Mali vom Außenhandel weitgehend abgeschnitten. Malis Konsumenten ergriff die Furcht, dass die Preise lebenswichtiger Güter ins Unermessliche steigen würden. Schließlich hatten zuvor pro Woche mehr als 200 weit überladene Lastwagen aus dem Nachbarland Benzin, Holz, Baustoffe, Nahrungsmittel und andere wichtige Konsumgüter gebracht.
Doch die Stimmung war schlechter als die Lage. Denn schon nach den ersten größeren Umwälzungen in Côte d'Ivoire im Dezember 1999 hatten Malis Ölmanager Vorkehrungen getroffen, und Verträge mit Senegal und Togo abgeschlossen, um von dort mehr Öl und Benzin beziehen zu können. Und sie hatten, als im September 2002 im Nachbarland erneut Unruhen ausbrachen, bereits beträchtliche Vorräte gehortet. Ferner nahmen hunderte von Tanklastwagen, die Côte d'Ivoire nicht durchqueren konnten, den Weg nach Mali über Ghana und Burkina Faso. So blieben sogar die Preise an den Tankstellen relativ stabil.
Leider waren nicht alle so weitsichtig wie die Ölhändler. Der Preis für Zement, der vorwiegend aus Côte d'Ivoire bezogen wird, zog deutlich an. Der Zwischenhandel nutzte die günstige Gelegenheit, um die Preise hochzutreiben. Bis zur zweiten Jahreshälfte 2003 konnte er in Kartellmanier die Preise hochhalten, obwohl die Zementimporteure sich längst auf dem togolesischen und senegalesischen Markt versorgten.
Die Hauptsorge der malischen Behörden hatte der Versorgung mit Waren des Grundbedarfs wie Reis, Zucker, Milch oder Weizenmehl gegolten. Deshalb wurden Gesandte nach Mauretanien, Guinea, Togo und Ghana geschickt, um über günstige Konditionen in den Häfen und beim Transport durch diese Länder zu verhandeln. Dank des raschen Handelns der Verwaltung gab es während der gesamten ivorischen Krise in Mali keine Versorgungsengpässe.
Zu Beginn der Rebellion im Nachbarland hatten malische Kaufleute im Hafen von Abidjan noch große Vorräte an Reis, Zucker, Mehl und Stahlnetzen für Betonbauten, gelagert, die plötzlich blockiert waren. Das Erste, worum man sich kümmern musste, war also die Verwaltung dieser Vorräte. Mali schickte deshalb eine Verhandlungskommission nach Abidjan. Diese erreichten einen Verzicht auf die teuren Hafengebühren, die eine lange Lagerung nach sich gezogen hätte. Dann ging es darum, neu zu regeln, wie die Waren nach Mali gelangen sollten, entweder über eine erneute Verschiffung zu einem anderen Hafen oder auf dem Landweg über Ghana. Beides erwies sich allerdings als sehr teuer und die Beteiligten zogen es vor, die Waren in Abidjan zu lassen, bis bessere Tage kämen. Die ließen allerdings lange auf sich warten.
Deshalb entschloss man sich schließlich, Schiffe, die weitere Fracht für Mali brachten, in andere Häfen wie Tema in Ghana, Lomé in Togo und Conakry in Guinea umzuleiten, wenngleich der Transport von diesen Häfen nach Bamako bis zum Doppelten dessen kostet als über die - nun gesperrte - Route Abidjan-Bamako.
Würde der Hafen von Abidjan für lange Zeit ausfallen, könnten die anderen Nachbarstaaten davon profitieren. Es ist bereits geplant, die Verbindung Bamako-Kankan (im Westen Guineas) zu einer Asphaltstraße auszubauen, was die Transportkosten wieder senken würde. Außerdem haben die Behörden Guineas günstige Bedingungen für die Erweiterung malischer Warenlager im Hafen Conakry gewährt.
Weniger beachtet, aber nicht weniger betroffen sind Malis Exporte. Côte d'Ivoire war der wichtigste Abnehmer für malische Produkte wie lebendes Vieh, Kartoffeln und Speiseöl (Palmöl). Während sich für Transportwege Ausweichrouten finden lassen, sind neue Märkte nicht so leicht zu erschließen.
Ein im Dezember 2003 veröffentlichter Bericht einer Kommission, die damit beauftragt war, die Auswirkungen der ivorischen Krise auf die Wirtschaft Malis zu untersuchen, zählt auf, welche Bereiche des Wirtschaftslebens vom Versiegen des Verkehrs auf der Achse Abidjan-Bamako betroffen sind. Er erwähnt unter anderem einen deutlichen Rückgang der Staatseinnahmen, der Exporteinnahmen, des Verkehrsaufkommens, der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion, des Handels und der Einnahmen von Banken und Versicherungen. Einbußen gab es auch im Bausektor und bei öffentlichen Arbeiten. Die Staatsausgaben nahmen hingegen zu. Nicht zuletzt war auch die öffentliche Sicherheit betroffen: Mehr Fahrer wurden unterwegs ausgeraubt, mehr Ladungen geplündert. Schließlich belasteten auch die Sammeltransporte das Staatssäckl, die organisiert werden mussten, um rückkehrwillige Malier aus Côte d'Ivoire zu repatriieren.
Der ivorische Hafen Abidjan hat mittlerweile sein Quasi-Monopol für den Transit nach Mali verloren: Im zweiten Drittel 2003 waren nach Tema und Conakry die Häfen Lomé, Dakar und Cotonou die wichtigsten Importhäfen für Mali
Für irgendetwas ist das Unglück immer gut, sagt ein Sprichwort in Mali. Die Krise in der Côte d'Ivoire wird zu einem raschen Ausbau der Straßen und zur Erschließung des Binnenlands Mali beitragen. Der Straßenbau in Mali konzentriert sich jetzt darauf, den Zugang zu mehreren Seehäfen zu verbessern. Zur Zeit werden in großem Umfang Aufträge zum Bau von Straßen zu den Häfen Conakry, Dakar und der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott vergeben.
Mali wickelt mehrere dieser Straßenbauprojekte im Rahmen nachbarschaftlicher und regionaler Zusammenschlüsse ab, denen es angehört. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft UEMOA. Mali profitiert auch vom Straßenbauprogramm der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS), das eine Straße von Timbuktu im Norden Malis zur 350 Kilometer entfernten malisch-mauretanischen Grenze vorsieht. Die Verbesserung der Route Kita im Westen Malis nach Saraya im Osten Senegals - rund 320 Kilometer lang - wird vom Europäischen Entwicklungsfonds mit gut 9 Millionen Euro finanziert. So wird - nicht zuletzt als Folge der Krise - die regionale Zusammenarbeit verstärkt und sich die verkehrstechnische Isolation Malis in den nächsten Jahren verringern.
aus: der überblick 01/2004, Seite 41
AUTOR(EN):
Bakary Coulibaly:
Bakary Coulibaly, studierte Journalismus an der Universität von Santiago de Cuba. Zur Zeit arbeitet er als Journalist für die regierungsnahe malische Tageszeitung "L'Essor".