Der Einsatz für die Ernährungssicherung ist politischer geworden
Der jüngste UN-Gipfel in Johannesburg hat sich mit Schritten in Richtung "nachhaltige Entwicklung" befasst. Dieses Schlagwort ist inzwischen unter jene Zielvorgaben der Politik aufgestiegen, die nicht mehr offen abgelehnt, sondern nur noch interpretiert werden können. Doch wie immer man den Begriff versteht: Soziale Gerechtigkeit gehört dazu. Und es ist ein Kernbestandteil jeder nachhaltigen Entwicklung, allen Menschen eine ausreichende Ernährung zu sichern.
von Bernd Ludermann
Diesem Ziel ist die kirchliche Entwicklungsarbeit seit langem verpflichtet. Die Förderung landwirtschaftlicher Projekte im Süden, insbesondere von Kleinbauern, gehört zu den klassischen Schwerpunkten der Entwicklungsarbeit von Kirchen. Kaum jemand bezweifelt, dass dies den Menschen im Süden hilft.
Doch der Einsatz für die Ernährungssicherung geht längst über Projekte hinaus, er ist politischer geworden. Werke wie der EED und "Brot für die Welt" fördern Bauern im Süden nicht nur mit Geld und Beratung, sondern unterstützen auch Forderungen nach Landrechten und Landreformen - zum Beispiel in Brasilien. Damit wirken sie auf Auseinandersetzungen im Süden ein. Auch in Deutschland nehmen sie zu Streitfragen Stellung, zum Beispiel zum Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft. Ob der sinnvoll oder gefährlich ist, ist in den Kirchen umstritten. Doch die meisten Fachleute bezweifeln, dass damit in absehbarer Zeit den Hungernden geholfen werden könnte.
Ein nicht minder schwieriges Konfliktfeld betreten kirchliche Werke, wenn sie für Änderungen der deutschen und europäischen Agrar- und Handelspolitik eintreten. Das geschieht oft, wie Rudolf Buntzel erklärt, auf Wunsch von Partnern im Süden. Es kann die Werke aber in Gegensatz zu Interessengruppen in Deutschland bringen, die auch in den Kirchen vertreten sind. So sind nicht alle Kirchenmitglieder damit einverstanden, dass der EED und "Brot für die Welt" die Agrarwende, die Ministerin Künast anstrebt, im Kern unterstützen. Dennoch ist es notwendig, sich zum Anwalt derer zu machen, die im Süden unter unserer Agrarpolitik leiden. Denn diese Politik gefährdet zuweilen erfolgreiche Entwicklungsprojekte, und sie wirkt Versuchen entgegen, die Ernährung der Armen zu sichern.
Das hat Bundeskanzler Schröder in Johannesburg indirekt eingestanden, als er dort einen Abbau der Agrarsubventionen in der EU verlangte. Wenn dies ungeachtet des Widerstands aus anderen europäischen Ländern umgesetzt würde, wäre das für die Bekämpfung des Hungers ein Fortschritt. Doch wird es umgesetzt? Vielleicht ist Gerhard Schröder jetzt, wenn Sie diese Zeilen lesen, nicht mehr Kanzler, und Renate Künast hat einen Nachfolger namens Carstensen, der schon im Juli eine Agrarwende rückwärts in Aussicht gestellt hat. Doch gleich wer die Regierung stellt: Beim Thema Ernährungssicherung bleibt die Stimme der kirchlichen Werke wichtig.
aus: der überblick 03/2002, Seite 123
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".