Roden für den Krieg
Liberias Präsident Charles Taylor behandelt die Einkünfte aus dem Holzeinschlag wie seine persönliche Kriegskasse. Seit der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im März 2001 Sanktionen gegen Liberias Diamantenhandel verhängt hat, ist Taylor auf diese Geldquelle dringend angewiesen. Er unterstützt damit unter anderem die Rebellen in Sierra Leone. Konzerne, die an der Abholzung verdienen, fördern deshalb die Fortdauer der Gewalt in Westafrika. Diese Quelle der Kriegsfinanzierung zu verstopfen, würde den Armen dort mehr helfen als die mageren lokalen Einkommen aus der Holzwirtschaft.
von Patrick Alley
Charles Taylor, der Präsident von Liberia, nennt das Holzunternehmen Oriental Timber Company (OTC) seinen "Pfefferbusch" - ein liberianischer Ausdruck für etwas sehr Persönliches und Wertvolles. In Liberias derzeitiger politischer Lage bedeutet das auch: Komm mir nicht zu nahe - oder trage die Konsequenzen. Da verschiedene im Staatshaushalt nicht aufgeführte Einnahmequellen, wie etwa die Diamanten, weniger hergeben als früher, ist es sehr wahrscheinlich, dass Taylor nun die gesamte liberianische Holzindustrie als seinen Pfefferbusch ansieht.
Die OTC ist ein Paradebeispiel für ein weltweit tätiges Tropenholzunternehmen, das Kriege und Nachkriegszustände in schwachen Staaten ausnutzt. Solche Unternehmen streben nach einer hohen Kapitalrendite, ohne Rücksicht zu nehmen auf die sozialen, ökonomischen und ökologischen Kosten für die Länder, in denen sie tätig sind.
In der internationalen Politik setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass es beim illegalen Holzeinschlag nicht nur um Bäume geht. Es handelt sich nicht bloß um ein Umweltproblem. Die Holzindustrie liefert oft die Mittel für Korruption und ist eine wichtige Einkommensquelle für die Finanzierung von politischen und militärischen Konflikten. Der Raubbau zerstört die Lebensweise von Menschen, die in oder an Wäldern leben, und die Grundlage für ihren Lebensunterhalt. Menschen, die in Holzkonzessionsgebieten leben, werden unvermeidlich ärmer. Man nimmt ihnen das Holz, mit dem sie ihre Häuser bauen und ihrer Mahlzeiten kochen. Andere Produkte des Waldes wie Heilmittel, Gemüse, Honig und Fleisch werden knapp. Die Entwaldung verändert örtliche Ökosysteme, Überschwemmungen und Trockenheiten beeinträchtigen die Landwirtschaft. Gleichzeitig verkaufen korrupte Eliten die Ressourcen des Landes an überwiegend ausländische Kunden und opfern die Rechte der Bevölkerung den Privilegien korrupter Unternehmen. Und natürlich wird auch die Umwelt geschädigt.
Es wäre gut, wenn man Liberias Holzpolitik schildern könnte, doch die gibt es nicht. Offenbar betrachtet das derzeitige Regime, und speziell Charles Taylor, die Naturschätze nicht nur Liberias, sondern der ganzen Region als sein persönliches Bankkonto. Taylor hat das im Strategic Commodities Act, dem Gesetz über strategische Güter, verankern lassen, das dem Präsidenten der Republik Liberia das alleinige Recht zuschreibt, "alle Handelsverträge oder -abkommen mit ausländischen oder inländischen Investoren zur Nutzung der strategischen Güter der Republik Liberia auszufertigen, zu verhandeln und abzuschließen". Zu den strategischen Gütern zählen Bodenschätze, Holz und sogar das Kunstgewerbe.
Der Krieg, den Taylor in Sierra Leone geschürt und unterstützt hat, sollte ihm die Diamantenfelder sichern. Gleichzeitig schloss er Abkommen, um aus dem Wald seines Landes Kapital zu schlagen. Seit die Vereinten Nationen (UN) Anfang 2001 Sanktionen gegen Diamantenexporte verhängt haben, sind Holz und das Schiffsregister des Landes seine wichtigsten Einnahmequellen. Die statistisch erfasste Produktion des Jahres 2000 hatte einen Weltmarktpreis von mindestens 187 Millionen US-Dollar, nach Regierungsangaben waren es aber nur 6,7 Millionen. Selbst wenn man die Produktionskosten großzügig veranschlagt, scheint der Verbleib von rund 100 Millionen US-Dollar ungeklärt. Das Land kann nach wie vor seine Kriegsmaschinerie finanzieren und für seine Eliten beträchtlichen Wohlstand schaffen, während laut einem UNICEF-Bericht vom März 2002 über 80 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben, 85 Prozent erwerbslos sind, nur 39 Prozent der Erwachsenen Lesen und schreiben können und die Kindersterblichkeit bei 117 pro 1000 Geburten liegt.
Holz spielte in Taylors Aufstieg zur Macht während des Bürgerkriegs der neunziger Jahre eine wesentliche Rolle. Auch danach lieferte es neben den Einkünften aus dem Diamantenhandel einen Großteil der benötigten Mittel für die Ausrüstung und den Unterhalt seiner Streitkräfte und der berüchtigten Rebellen der RUF (Revolutionary United Front) in Sierra Leone. Es bestehen wenig Zweifel, dass die RUF direkt Taylors Kommando unterstand und teilweise noch immer untersteht.
Im Bürgerkrieg in Liberia in den neunziger Jahren kämpfte Charles Taylors NPFL (National Patriotic Front of Liberia) gegen den damaligen Präsidenten Samuel Doe. Über lange Zeit hatte die NPFL die Kontrolle über einen Großteil des Staatsgebiets einschließlich der meisten Wälder. Wie in vielen Kriegen ist Holz eine leicht zugängliche Einkommensquelle. Ein Baum kann auf dem Weltmarkt zwischen 1000 und 2000 US-Dollar einbringen, wenige Arbeitskolonnen mit einer Kettensäge können somit in kurzer Zeit Hunderttausende Dollar erwirtschaften.
Zunehmend spezialisieren sich organisierte Verbrechernetze darauf, Geschäftsverbindungen und Marktkenntnisse für den Verkauf von Ressourcen aus Kriegsgebieten anzubieten. Im Falle Liberias trat als einer der ersten Profiteure der niederländische Geschäftsmann Gus Kouwenhoven auf den Plan, der aus Sierra Leone nach Liberia kam. Der gerissene Geschäftemacher, dessen Verbindungen zur Rüstungsindustrie bekannt sind, witterte viele Chancen in dem konfliktgeplagten Land, wenn es ihm gelänge, sich auf die Seite des Siegers zu stellen. Und er wählte richtig: Kouwenhoven half bei der Ausfuhr von in Taylors Gebiet geschlagenem Holz und leistete so einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung des Kriegs. Nach Taylors Sieg und seiner Wahl zum Präsidenten 1997 hatte Kouwenhoven eine gute Position, um in Liberia Geld zu machen. Er war es, der die OTC einführte.
Diese gehört zur indonesischen Djan Djanti-Gruppe und ist die größte Holzgesellschaft in Liberia. Aber sie ist nicht die einzige und hat auch nicht als einzige Verbindungen zu Parteien im regionalen Krieg und zu Taylor selbst. Um in Liberia Holzeinschlagsrechte zu erhalten, soll die OTC Taylor drei bis fünf Millionen US-Dollar gezahlt haben. Sie kam Ende 2000 nach Liberia und begann innerhalb von drei Monaten mit dem Holzeinschlag - eine beachtliche logistische Leistung.
Laut dem Bericht der Sachverständigengruppe der UN für Sierra Leone vom Dezember 2000 importierte die OTC Waffen und baute Straßen, auf denen Menschen und Material in den Krieg nach Sierra Leone transportiert wurden. Gus Kouwenhoven war direkt an Waffenlieferungen beteiligt. Später berichtete die Sachverständigengruppe, dass die Muttergesellschaft der OTC in Singapur, Borneo Jaya Pte Ltd., 500.000 US-Dollar an die Waffenhandelsgesellschaft San Air überwiesen habe. Deren Inhaber ist Sanjivin Ruprah, ein in Kenia ansässiger britischer Staatsbürger, der für Waffengeschäfte in ganz Afrika bekannt ist. Gegen ihn läuft derzeit in Belgien ein Verfahren wegen Waffenhandels. Viele Schiffe, die Liberia anlaufen, um Holz der OTC zu exportieren, entladen zuerst Waffen. Obwohl in der Region jetzt Frieden herrscht, wird diese Praxis fortgeführt; Global Witness weiß von solchen Vorfällen im Dezember 2001 und im Januar 2002.
Die OTC ist nicht das einzige Unternehmen, das zu Taylors Kriegsanstrengungen beiträgt, und Kouwenhoven ist nicht der einzige Kriminelle, der sich für Liberia interessiert. Im Juni 2001 stürmte die italienische Polizei nach der Beschwerde einer Prostituierten, die um ihren Lohn geprellt worden war, ein Zimmer im Hotel Europa in Mailand. Sie verhaftete Leonid Minin, einen israelischen Staatsbürger ukrainischer Herkunft, der in flagranti mit mehreren anderen Prostituierten angetroffen wurde. In seinem Besitz fanden sich neben Kokain Diamanten im Wert von mehreren Millionen Dollar und Tausende von Dokumenten mit Details unter anderem zu seinen Waffen- und Holzgeschäften in Liberia.
Minin ist einer der Makler, die Kriege in Afrika möglich machen. Nachforschungen von Global Witness in der Demokratischen Republik Kongo, in Liberia, Angola und Sierra Leone haben ergeben, dass eine kleine Zahl von Personen - vielleicht weniger als vierzig - den Waffennachschub nach Afrika koordiniert und dafür Diamanten, Holz und andere Ressourcen erhält. Minin war Präsident des Exotic Tropical Timber Enterprise (ETTE), eines Unternehmens, das laut der UN-Sachverständigengruppe an der Beschaffung "einer hohen Summe nicht verbuchten, nicht im Haushalt erfassten Einkommens für Präsident Taylor" beteiligt war.
Den Dokumenten, die in Minins Hotelzimmer gefunden wurden, ist zu entnehmen, dass er Anfang 2000 ein Waffengeschäft vermittelte zwischen Aviatrend, einem Unternehmen des ehemaligen russischen Testpiloten Valery Cherny mit Sitz in Moskau, und dem damaligen Staatschef von Côte d'Ivoire, Robert Guei. Bei dem Geschäft ging es um 10.500 AK47-Sturmgewehre, um RPG-26-Raketenwerfer, Scharfschützengewehre und mehr als 8 Millionen Magazine Munition. Die Waffen waren für Liberia bestimmt. Vor diesem Geschäft hatte Minin im August 1999 ein Abkommen mit John Bestman getroffen, dem liberianischen Finanzminister; es bestätigte, dass die liberianische Regierung der ETTE 2 Millionen US-Dollar schuldete. In dem Abkommen steht nicht, für welche Dienste die Regierung die Summe schuldete, wohl aber, dass sie durch die Befreiung Minins von allen Steuern auf seine Holzgeschäfte zurückgezahlt werden sollte. Zwar gibt es keine Dokumente, die einen direkten Zusammenhang zwischen beiden Geschäften belegen; aber dass Minin mit der liberianischen Regierung sowohl Holz- als auch Waffenhandel trieb und beide Vereinbarungen innerhalb von sechs Monaten getroffen wurden, spricht für eine Verbindung zwischen beiden.
Minins in der Schweiz ansässige Firma Limad Ag vermittelte auch ein Holzgeschäft im Wert von 2,5 Millionen US-Dollar zwischen den Brüdern Cooper aus Liberia, den Betreibern der Inland Logging Company, und der China National Aero-Technology Import and Export Corporation, die Flugkörper, Kampfjets und Wehrtechnik vertreibt. Minins Dokumente belegen zudem die in der Holzindustrie grassierende Korruption. Laut einem von seinem Vertreter in Monrovia am 17. Mai 2000 versandten Fax bot er an, Bob Taylor "gegen 100 Prozent Steuernachlass auf Teakholz und die Erlaubnis zur Forstbewirtschaftung und eine gute Beziehung im Allgemeinen" zwei Lastwagen zu beschaffen. Bob Taylor ist der Bruder des Präsidenten Liberias und Leiter der Forstentwicklungsbehörde, die Liberias Holzindustrie kontrolliert. Ein anderes Fax führte unter "Ausgaben Liberia" eine Position "15.000,00 [US-Dollar] Taylor" auf.
Insgesamt haben mindestens sieben von 25 Holzgesellschaften, die in den Halbjahres- und Jahresberichten der Forstentwicklungsbehörde erwähnt sind, direkte Verbindungen entweder zum Waffenhandel oder zur Finanzierung bewaffneter Milizen. Es gibt Hinweise, dass Anfang 2002 viele dieser Milizen von den liberianischen Streitkräften (AFL) entwaffnet wurden, aber auch, dass Männer aus diesen Milizen zur Abwehr von Rebellenangriffen aus Guinea rekrutiert wurden.
Weitere Unternehmen, die laut den UN in Waffenhandel verwickelt sind, sind die Royal Timber Company (RTC), die ebenfalls von Kouwenhoven geführt wird und untrennbar mit der OTC verbunden ist, sowie Salami Molawi Incorporated (SMI) unter der Leitung von General Cocoo Dennis. Dieser ist aus seinen Tagen bei der NPFL auch unter dem Namen "General Quick-to-Fire" (General Schnellschuss) bekannt. Während des Kriegs war er dafür zuständig, die Unterbringung der Söldner aus Burkina Faso und ihren Transport durch Côte d'Ivoire nach Liberia zu organisieren. Der Inhaber von SMI, Mohammed Salami, wird mit dem Waffenhandel über den Hafen von San Pedro in Côte d'Ivoire in Verbindung gebracht.
Die Holzindustrie Liberias ist vor allem wegen ihrer Verwicklungen in den regionalen Konflikt, insbesondere in die jüngsten blutigen Kriege in Sierra Leone, in die Schlagzeilen geraten. Die UN-Sachverständigengruppe für Sierra Leone wurde beauftragt, die Verbindung zwischen dem Diamantenhandel und dem Handel mit Waffen zu untersuchen. Sie fand heraus, dass Liberia die RUF unterstützt und gesteuert, ihre Diamanten vermarktet und ihr Waffen geliefert hat. Dieser Bericht beleuchtete erstmals auch die Rolle der Holzindustrie in dem Krieg und veranlasste den Sicherheitsrat der UN, die Sanktionen gegen Liberia von Waffen auf Diamanten und auf ein Reiseverbot für mehrere Führungspersonen aus Politik, Militär und Wirtschaft auszudehnen.
Der Sicherheitsrat beschloss außerdem die Einberufung einer weiteren Sachverständigengruppe, die sich mit Liberia befassen sollte. Deren erster Bericht vom März 2001 bestätigte, dass das Taylor-Regime weiterhin die RUF unterstützte, Waffen importierte und Diamanten verkaufte, und er enthielt weitere Beweise für eine Verbindung der Holzindustrie mit Waffenhandel und Krieg. Obwohl es im Sicherheitsrat Unterstützung für die Verhängung von Sanktionen gegen Holzexporte aus Liberia gab, wurden diese unter anderem von Frankreich, China (den zwei größten Importeuren liberianischen Holzes), Tunesien und Mali blockiert.
Die internationale Gemeinschaft steht nun vor einem Dilemma. Im Januar 2002 hat Sierra Leone den Krieg offiziell für beendet erklärt, nachdem zwischen Mai 2001 und Januar 2002 die zweitteuerste Intervention in der Geschichte der UN 47.076 RUF-Kämpfer und andere Kombattanten entwaffnet hatte. Im Mai 2002 haben Wahlen stattgefunden, und die UN-Mission in Sierra Leone (UNAMSIL) soll schrittweise abgebaut werden. Viele Beobachter sehen jedoch in Liberia weiterhin eine große Bedrohung für die regionale Stabilität. Man nimmt an, dass die RUF größere Waffenbestände versteckt hält und ein harter Kern weiter mit der Armee Liberias (AFL) in Liberia kämpft. Eine unter dem Namen Independent RUF bekannte Splittergruppe hat sich gebildet.
Vertreter von Global Witness haben im April 2002 in Sierra Leone heutige und frühere Mitglieder der RUF befragt. Deren Führungspersonen mit Sitz in Sierra Leone haben ihre Kommunikationsausrüstung behalten, die sie im Zuge des Entwaffnungsprozesses nicht abgeben mussten. Die UN haben zwar große Mengen an Waffen eingesammelt, der RUF aber nicht die Möglichkeit genommen, untereinander und mit anderen zu kommunizieren. In einer Hütte in Kailahun steht ein führender RUF-Offizier nach wie vor in Funkkontakt mit dem Präsidentenbüro in Monrovia, also mit Taylor selbst.
Von den 130 Grenzübergängen zwischen Liberia und Sierra Leone sind nur 12 mit Personal besetzt, so dass Zivilisten und auch Bewaffnete in beide Richtungen ungehindert über die Grenze können. Regelmäßig dringen liberianische Truppen nach Sierra Leone vor, und wenn sie gefasst werden, erklären sie sich kampfesmüde und geben ihre Waffen ab. Bei Gelegenheit werden sie dann wieder auf freien Fuß gesetzt, ohne dass beobachtet wird, was sie danach tun. Die damit verbundenen Risiken liegen auf der Hand.
Liberia selbst ist Ziel von Angriffen aus Guinea und von den Rebellen der LURD (Liberians United for the Return of Democracy), die kurz zuschlagen und dann fliehen und mit diesen Attacken bis zum Stadtrand von Monrovia großen Schaden verursacht haben. Die LURD haben auch die Holzindustrie im Visier, um Taylors Einkommensquellen zum Versiegen zu bringen. Einem Überfall von LURD-Rebellen in Vaye Town im März fielen keine Menschen zum Opfer, aber eine Woche später starben fünfzehn Arbeiter bei einem Angriff auf eine Holztransporterkolonne in Gbarnga. Hinter den LURD steht zweifellos Guineas Präsident Conté. Diese Kriegsfront ist ein Produkt des persönlichen Hasses zwischen Taylor und Conté.
Taylor führt diesen Krieg regelmäßig als Argument dafür an, dass die UN das Waffenembargos aufheben müssten. Unter normalen Umständen wäre sein Argument durchaus stichhaltig. Liberia ist das Ziel bewaffneter Angriffe, und ein souveräner Staat hat das Recht, sich zu verteidigen. Aber Taylors Unterstützung für ähnliche Angriffe auf Sierra Leone in den vergangenen Jahren hat gezeigt, dass er nicht der Mann ist, dem man weitere Waffen anvertrauen sollte. Der UN-Sicherheitsrat hat Anfang Mai das Waffenembargo und die anderen Sanktionen gegen Liberia um ein Jahr verlängert. Und Liberias Bürger leiden weiter unter bewaffneten Angriffen - vor allem wegen der gescheiterten Strategie ihres Präsidenten.
Einige Anzeichen deuten darauf hin, dass Taylor immer verzweifelter Geld braucht. Sein Regime baut auf Günstlingswirtschaft, und er kann für die Loyalität seiner Streitkräfte oder politischen Verbündeten nicht länger bezahlen. Die Einkommen aus dem Schiffsbestand werden einer unabhängigen Prüfung unterzogen, die Diamanteneinkommen sind deutlich gesunken, und mit Holzeinnahmen allein kann er weder seinen verschwenderischen Lebensstil noch seine Armee finanzieren.
Um dieses Problem zu lösen, scheint er allerdings eine neue Strategie zu haben: Die jüngsten angeblichen Angriffe der LURD auf Tubmanville und Kakata sind nicht, was sie zu sein scheinen. Vielmehr haben offenbar einigen AFL-Einheiten freie Hand, anstelle einer Bezahlung ein bestimmtes Gebiet zu plündern. Die Taylor-Milizen kommen in eine Stadt, feuern ein paar Schüsse in die Luft, um die Anwohner zu vertreiben, und haben dann freie Bahn beim Plündern des Ortes. Nach Bekanntwerden des "Überfalls" werden andere AFL-Einheiten entsandt, um die Rebellen zu vertreiben; in Wirklichkeit dürfen sie nun plündern, was ihre Kollegen zurückgelassen haben.
Ist das bloß eine neue Verschwörungstheorie? Es scheint nicht so. In den zwei genannten Beispielen trafen die AFL-Milizen am Tag vor den vermeintlichen Rebellenangriffen ein und zeigten sich bemerkenswert gut informiert über die Guerillataktik. Wenn sie nach einem angeblichen Sieg über die Guerilla wieder abziehen, hat es meist sehr wenige Tote gegeben - und die sind ortsansässige Zivilisten, keine LURD-Kämpfer. Bei vielen dieser Angriffe hat niemand die LURD gesehen. Diese innere Destabilisierung liefert Taylor auch einen Grund, den Ausnahmezustand zu verhängen; darin sehen viele einen möglichen Vorwand für die Verschiebung der für 2003 angekündigten Präsidentschaftswahlen.
Der Raubbau an Liberias Wäldern wäre nicht möglich, wenn es keinen Markt für das Holz gäbe. Zum Glück für Taylor ist die Nachfrage nach tropischem Hartholz nahezu unersättlich. Frankreich kauft seit Jahren, auch während des Bürgerkriegs, Holz aus Liberia; vermeintlich achtbare Firmen wie Rougier importierten es bereits 1991. China ist zu einem Großimporteur von Holz aus aller Welt geworden, seit es 1999 den Holzeinschlag im eigenen Land wegen der von der Entwaldung bedingten riesigen Überflutungen verboten hat. 1999 importierte China noch kein liberianisches Holz, Ende 2000 war das Land der größte einzelne Importeur. Dabei nimmt es keine Rücksicht auf die ökologischen oder sonstigen Folgen, die im eigenen Land solche Sorgen bereiten. Griechenland, Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und Belgien importieren alle liberianisches Holz und unterstützen so das Taylor-Regime und seinen Machtmissbrauch.
Zufällig führen Frankreich und China den Widerstand an gegen Sanktionen, die den Holzexport treffen sollen. Sie argumentieren, solche Sanktionen hätten unter humanitären Gesichtspunkten schädliche Folgen wie den Verlust von Arbeitsplätzen und Einkommen. Frankreich versichert immer wieder, es würde die Verhängung von Holzexport-Sanktionen befürworten, wenn die Verbindungen zwischen Holzindustrie und Waffenhandel belegt wären. Obwohl die UN-Sachverständigengruppe und andere diese Verbindungen nachgewiese
N haben, blockiert Frankreich weiterhin Holzexport-Sanktionen.
Frankreich wie China betonen, dass ihre Holzimporte aus Liberia im Weltvergleich gering sind und mit ihrem Widerstand gegen Holzexport-Sanktionen nichts zu tun haben. Tatsächlich hatte liberianisches Holz 2001 den nicht unbedeutenden Anteil von 16 Prozent an den französischen Tropenholzimporten. Und China versucht, so viel tropisches Hartholz wie nur möglich einzuführen.
Als Folge von all dem kaufen die Firmen, deren Namen immer wieder im Zusammenhang mit illegalem Holzeinschlag und Holz aus Kriegsgebieten auftauchen, weiter liberianisches Holz. Eine der weltgrößten Käuferinnen von Tropenholz, die DLH Nordisk, rühmt sich ihres Umweltethos und spendet für Amnesty International Dänemark. Aber trotz des Aufruhrs um den liberianischen Holzhandel stellte die Firma erst im Juli 2001, nach einem von Global Witness, Greenpeace und der dänischen Umweltorganisation Nepenthes angeregten offenen Brief und einer entsprechend schlechten Presse, den Kauf liberianischen Holzes ein. Sie gab bekannt, sie werde das erst wieder kaufen, wenn der UN-Sicherheitsrat grünes Licht gebe. Aber schon zwei Monate später importierte sie wieder Holz aus Liberia. Sie hatte die Öffentlichkeit belogen und setzte sich weiter über die eigenen erklärten Unternehmensziele hinweg. Mehr noch, die zweimonatige Handelsunterbrechung fiel zusammen mit der Regenzeit in Liberia, in der die Holzindustrie dort praktisch zum Stillstand kommt.
ATIBT (Association Technique Internationale des Bois Tropicaux), der internationale Fachverband der Holzindustrie, behauptet ebenfalls, ökologisch und sozial verantwortlich zu handeln. Seine Mitglieder aber sind am illegalen Holzeinschlag in Kamerun und anderswo beteiligt und kaufen liberianisches Holz. Auf entsprechende Vorwürfe reagiert ATIBT, indem es "extremistische" nichtstaatliche Organisationen verdammt und sich seiner Bündnisse mit "respektablen" Organisationen wie dem World Wildlife Fund (WWF) rühmt. Diese Erklärung hat der WWF aber zurückgewiesen. Die Holzindustrie wird kaum selbst eine Lösung für das Problem des Holzes aus Kriegsgebieten finden, solange ihre Führung nicht ihre Haltung ändert.
Es ist auch fraglich, ob die Holzindustrie Liberias Bevölkerung größeren Nutzen bringt. Als die heutige Regierung von Liberia an die Macht kam, gingen die meisten Gefährten Taylors in die Holzindustrie, die hohe Gewinnmöglichkeiten bot. Einige investierten ihr eigenes Geld, andere suchten Investoren von außen und vermittelten Treffen mit Taylor und anderen Führungspersonen. So verdrängten Gruppen wie OTC und ETTE mit ihren einflussreichen Hintermännern einheimische liberianische Holzunternehmer. Die politisch und finanziell einflussreichen Konzerne können das Arbeitsrecht und die Forstrichtlinien umgehen. So hat die Branche einen Teil ihrer Fähigkeit verloren, die Arbeitsplätze zu schaffen, die Liberia für einen Wiederaufbau braucht.
Ende 2001 hat das Büro der UN für die Koordinierung der humanitären Angelegenheiten (OCHA) auf Verlangen des UN-Sicherheitsrats einen Bericht über die möglichen humanitären Folgen von Holzexport-Sanktionen veröffentlicht. Der Bericht behauptet, die Holzindustrie beschäftige 9000 bis 10.000 Menschen, von denen jeweils im Durchschnitt neun weitere abhängig seien. Damit wären 90.000 Menschen von Holzexport-Sanktionen direkt betroffen. Der UN-Generalsekretär Kofi Annan stellte sich öffentlich hinter den Bericht und spielte damit den Sanktionsgegnern im Sicherheitsrat in die Hände, die den Bericht als Argument gegen Sanktionen verwendeten, statt ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen offen zu legen.
Tatsächlich war der Bericht mit schweren Fehlern behaftet, und viele Mitglieder des Sicherheitsrates hielten ihn, so ein Vertreter dort, für "Blödsinn". Einer der Autoren des OCHA-Berichts räumte später gegenüber Global Witness und anderen ein, dass viele Zahlen falsch sind und um bis zu 100 Prozent neben der Wirklichkeit liegen und dass ein Großteil der Informationen von der liberianischen Regierung selbst stammt. Es ist sehr besorgniserregend, dass der UN-Generalsekretär mit einem so schlecht recherchierten Dokument an die Öffentlichkeit gehen kann.
Tatsache ist, dass Liberias Holzindustrie Anfang 2002 nur 3726 Liberianer beschäftigte - etwas mehr als ein Drittel der von OCHA genannten 10.000 Beschäftigten. Laut dem Bericht beschäftigte die OTC 2500 Personen, aber die eigenen Zahlen aus der Personalabteilung des Unternehmens wiesen zu jener Zeit nur 1100 Beschäftigte aus. Nach OCHA-Angaben erwirtschaftete die Holzindustrie im Jahr 2000 etwa 50 Millionen US-Dollar, die korrekte Zahl ist wahrscheinlich dreimal so hoch; die Regierung erhielt laut OCHA 7,7 Millionen US-Dollar, während diese selbst nur 6,7 Millionen auswies. Die liberianische Regierung und die Holzindustrie haben den OCHA-Bericht erfolgreich als Propagandainstrument benutzt, und Kofi Annan ist unfreiwillig zu ihrem Sprachrohr geworden. In Wirklichkeit wiegt der durch die liberianische Holzindustrie verursachte Schaden weit mehr als jeder Nutzen, den sie bringen mag.
Der Frieden in der Region ist eine echte Errungenschaft und zeigt, was die internationale Gemeinschaft zu leisten imstande ist. Aber der Frieden ist zerbrechlich. Um die Fehler zu vermeiden, die in Kambodscha und anderswo gemacht wurden, müssen die UN sicherstellen, dass Mechanismen eingerichtet werden, die den erneuten Ausbruch militärischer Konflikte in Zukunft verhindern. Liberias Holzindustrie ist nach wie vor untrennbar verbunden mit Taylors Waffenbeschaffungen und der Finanzierung bewaffneter Kräfte einschließlich des harten Kerns der RUF. Sanktionen der Vereinten Nationen haben viele von Taylors kriminellen Machenschaften erfolgreich gebremst. Seinen Pfefferbusch haben sie bisher nicht beschnitten.
aus: der überblick 02/2002, Seite 56
AUTOR(EN):
Patrick Alley:
Patrick Alley ist einer der Direktoren der britischen Organisation "Global Witness", die zum Zusammenhang von Krieg und Rohstoffabbau arbeitet. Sie hat unter dem Titel "Taylor-Made" im September 2001 einen Bericht über Liberia vorgelegt.