Alter Wein in neuen Schläuchen
Seit die Konservativen 2002 zurück an der Macht sind, rückt Afrika und bilaterale Hilfe wieder ins Zentrum der Entwicklungszusammenarbeit Frankreichs. Der Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttoinlandsprodukt ist gestiegen. Auf der internationalen Bühne verkauft sich Präsident Jacques Chirac als Anwalt für Afrika. Aber warum nimmt Frankreich seine alte Perspektive wieder neu ein?
von Nathalie Gillet
Die französische Entwicklungszusammenarbeit - die militärische, administrative, kulturelle und wirtschaftliche Kooperation mit einschließt - betritt neue Pfade, nachdem sie lange durch Undurchschaubarkeit und Vorgehensweisen gekennzeichnet war, die noch von der Kolonialzeit geprägt waren. Die Regierungszeit des sozialistischen Premierministers Lionel Jospin hatte eine selbstkritische Phase eingeleitet und die große Reform von 1998 angestoßen. Danach sollten die Hilfe effektiver, die französische Glaubwürdigkeit wieder hergestellt und die Beziehungen mit den früheren Kolonien normalisiert werden - wenn auch der Preis dafür ein größerer Abstand zu Afrika bedeutet. Und schließlich sollte die Basis gelegt werden für eine neue Partnerschaft, die eine gute Verwaltung und Regierungsführung der Länder zum Ziel hat.
Zusammengefasst: Es wird angestrebt, was der frühere Präsident François Mitterrand bereits 1990 in seiner Rede in La Baule, einer Stadt im Nordwesten Frankreichs, angekündigt hatte, ohne es umzusetzen. Während dieses "16. Gipfel der Staatschefs Frankreichs und Afrikas" sprach Mitterrand über die Verbindung zwischen Demokratie und Entwicklung, die Notwendigkeit, die afrikanischen Regimes zu demokratisieren und künftig die französische Hilfe an eine demokratische Entwicklung zu knüpfen. Die Rückkehr der Konservativen an die Macht im April 2002 hat Afrika wieder in den Mittelpunkt der Entwicklungszusammenarbeit gestellt und einen diplomatischen Aktivismus wieder auf die Tagesordnung gebracht.
Die erste konkrete große Tat im Rahmen der Reform von 1998 war, das Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit dem Außenministerium zuzuordnen. Eine höchst symbolische Geste, da das Entwicklungsministerium faktisch ein Ministerium für das französischsprachige Afrika war. Die Entwicklungshilfe und die afrikanischen Fragen gehören seither in den Kompetenzbereich der Außenpolitik, und die französische Zusammenarbeit wird heute von einem für die Zusammenarbeit und Frankophonie Beigeordneten Minister verwaltet, der dem Außenminister unterstellt ist.
Die zweite weitreichende Neuerung war die geographische Erweiterung des Aktionsradius der Zusammenarbeit. Er war lange geprägt durch eine Bevorzugung der Pays du champ (Länder des Einflussbereichs), will heißen, der früheren französischen Kolonien, dem französischen pré-carré, jenem Bereich der Welt, der in der Kolonialzeit Frankreich vorbehalten war. Die nun erfolgte Erweiterung zur Zone de Solidarité Prioritaire (Zone höchster Solidarität, ZSP) umfasst 54 Länder. Theoretisch berücksichtigt diese vor allem, welche wirtschaftliche Kriterien die von der Zugehörigkeit zu dieser Zone profitierenden Länder erfüllen müssen und wie ihre Regierungsführung sein soll. Neun kleine Staaten, darunter einige Steuerparadiese, sind auf diese Weise endgültig aus der Zone ausgeschlossen worden, während Jemen und der Sudan später hinzu gekommen sind.
Wenn man die Liste der Länder der ZSP genauer unter die Lupe nimmt, kommt man freilich nicht umhin, einige kritische Überlegungen anzustellen. Erstens ist ein Großteil der "Länder des Einflussbereichs" unter ihnen. Zweitens ließ man das Kriterium der guten Regierungsführung für einige unter ihnen einfach unter den Tisch fallen: So gehören auch Länder wie Tunesien, Kamerun oder Kuba zur ZSP. Und schließlich ist die Zugehörigkeit von Gabun und Südafrika wegen deren Wirtschaftskraft nicht zu rechtfertigen; zumal andere Länder wie Mauritius und die Seychellen deswegen seit 2002 nicht mehr dazugehören.
Auf institutioneller Ebene hat die Reform außerdem die Verwaltungen in der Direction Générale de la Coopération Internationale et du Développement (Generaldirektion internationaler Zusammenarbeit und Entwicklung, DGCID) zusammengefasst, einer Art Generalstab der Zusammenarbeit. Mit einem Etat von 1,43 Milliarden Euro 2002 und mehr als 500 Beamten in der Zentrale entwickelt und realisiert die DGCID die technische, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit in den Ländern der ZSP. Dazu gehören: 164 Services de Coopération et d'Action Culturelle (Kooperationsdienste für Zusammenarbeit und kulturelle Aktivitäten, SCAC) im Bereich der Botschaften, 159 kulturelle Zentren in 90 und 272 Schulen in 52 Ländern verwaltet durch die Agence pour l'enseignement français à l'étranger (Agentur für die französische Schulbildung im Ausland, AEFE, zuständig) sowie 27 Forschungszentren für Sozial- und Geisteswissenschaften.
Das klassische System der französischen Entwicklungsberater, die die Beamten in den afrikanischen Verwaltungen ersetzten, ist passé: Das Kontigent hat sich von etwa 20.000 im Jahr 1980 auf derzeit etwa 2300 reduziert; sie heißen jetzt "technische Assistenten". Ihre Funktion hat sich stark verändert: Sie sind jetzt Spezialisten, die im Normalfall für eine begrenzte Zeit und eine spezielle Mission von ihrem ursprünglichen Arbeitgeber beurlaubt werden.
Seit Dezember 2002 arbeitet ein weiteres Organ hinzu gekommen, die öffentliche Agentur France Coopération Internationale (FCI), ein Verbindungsstück zwischen der französischen Verwaltung, Experten und Antragstellern. Es geht darum, Partnerschaften zu etablieren und Expertenwissen mit regionalen Schwerpunkten zu bilden. Diese neue Struktur will besser auf die Ausschreibungen der multilateralen Institutionen in einem Umfeld der Konkurrenz mit anderen Geberländern reagieren können.
Um einen intensiveren Kontakt mit der Zivilgesellschaft und mehr Transparenz zu schaffen, ist aus der Reform von 1998 außerdem der Haut Conseil de la Coopération Internationale (Hoher Rat der Internationalen Zusammenarbeit, HCCI), hervorgegangen. Seit 1999 arbeitet dieser mit nichtstaatlichen Organisationen (NGOs), lokalen, unternehmerischen, parlamentarischen und universitären Institutionen zusammen und ist ein Beratungsorgan mit dem Auftrag, die Regierung und die Öffentlichkeit über Fragen der Zusammenarbeit zu informieren. Sein offener und direkter Ton hat die Diplomaten von Beginn an so gestört, dass er fast schon aufgelöst worden wäre.
Schließlich und nicht zuletzt gehört zu dem institutionellen Verbund der finanzielle Arm der französischen Zusammenarbeit: die Agence Française de Développement (Französische Entwicklungsagentur, AFD), die dem Wirtschafts- und Finanzminister unterstellt ist. Die AFD ist eine öffentliche Institution, die vergünstigte Kredite oder Zuschüsse zur Finanzierung von Projekten oder Entwicklungsprogrammen anbietet. Sie verwaltet etwa 677 Millionen Euro an Hilfe (die überseeischen französischen Departements und Territorien sind hier nicht berücksichtigt) und ist in etwa 60 Ländern aktiv. Zu ihren Prioritäten gehören: Wasserversorgung, ländliche Entwicklung, Gesundheit, Umweltschutz und der Privatsektor. Im allgemeinen wird dabei das Fachwissen französischer Unternehmen bevorzugt. Eine Tochtergesellschaft der AFD, die PROPARCO (Société de promotion et de participation pour la coopération économique), unterstützt den privaten Sektor mit Privatfonds und Vermittlung von Risikokapitalanlagen in Bereichen mit hohen Chancen, aber auch hoher Gefahr des Scheiterns.
Derzeit gehen 85 Prozent der Darlehen in nur fünf Länder - Marokko, Tunesien, Südafrika, die Dominikanische Republik und Vietnam. Eine so starke Konzentration ist für die AFD mit einem hohen Risiko verbunden, falls eines dieser Länder den Schuldendienst nicht leisten kann. Deswegen wurde ihr jetzt die Vergabe von Krediten auch an Länder außerhalb der ZSP gestattet. Sie darf heute auch im östlichen Mittelmeer (insbesondere in der Türkei, in Syrien und im Libanon) sowie im Mekong-Tal (Thailand und Südchina) aktiv werden.
Dagegen wurden im kleinsten Arbeitsbereich der Zuschüsse drei Gruppen von Empfängerländern festgelegt. Diese sind nahezu identisch mit den Gruppen, die das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) nach folgenden Kriterien unterteilt: Schwerpunktländer, Partnerländer, potenzielle Kooperationsländer. Unter all diesen Ländern bleibt aber bei der AFD das französischsprachige Afrika insgesamt eine bevorzugte Zone.
Die erste Gruppe, Pays de concentration, umfasst 13 Länder, deren Unterstützung Vorrang hat: darunter Senegal, Benin, Burkina Faso, Mali, Kamerun, Tschad und Madagaskar (Togo, Zentralafrika, und Kongo-Brazzaville wurden wegen schlechter Regierungsführung aus dieser Gruppe herausgenommen). Frankreich ist bei diesen Ländern unter den drei größten Geldgebern weltweit und setzt dabei gleichzeitig Schwerpunkte in mehreren Bereichen.
In der zweiten Gruppe befinden sich die 12 "Länder verstärkter Zusammenarbeit" - Pays de coopération renforcée -, in denen Frankreich nur in einem oder zwei Sektoren aktiv ist. Zur dritten Gruppe schließlich gehören die 30 restlichen Länder, die man "Länder für gelegentliche Zusammenarbeit" (Pays opportunistes) nennt, in denen die AFD keine Niederlassungen hat, aber punktuell aktiv wird. Damit unterscheidet sich diese dritte Gruppe von der dritten Gruppe nach deutscher Einteilung: In letzterer sind die Länder versammelt, die noch nicht von der deutschen Entwicklungshilfe profitieren, die aber in deren Genuss kommen könnten, sofern sie sich für politische Reformen engagieren.
Die Rückkehr der Konservativen an die Macht hat die französische Politik der Zusammenarbeit neu ausgerichtet. Während die sozialistische Mannschaft anstrebte, die Zusammenarbeit zu "ent-afrikanisieren" und die öffentliche Entwicklungshilfe (Aide Publique au Développement, APD) zwischen 1992 und 2000 zurückschraubte, dreht das Team von Jacques Chirac die Tendenz um, jedoch bei gleichzeitiger Beibehaltung des Reformkurses von 1998.
2002 hat der Beigeordnete Minister für Entwicklungszusammenarbeit, Pierre-André Wiltzer, in Form eines Zehn-Punkte-Programms eine Wegbeschreibung für die französische Zusammenarbeit entworfen: Erstens das Volumen der APD zu vergrößern, zweitens der bilateralen Hilfe mehr Gewicht zu geben, drittens die Zusammenarbeit mit Afrika auszubauen, viertens, die einseitige Hilfe durch Partnerschaft zu ersetzen, fünftens, eine Dezentralisierung der Entwicklungszusammenarbeit einzuleiten, sechstens, die Partnerschaft mit der Zivilgesellschaft hervorzuheben, siebtens Freiwilligenvereine zu bestärken, achtens, französisches Expertentum in der Zusammenarbeit zu verstärken, neuntens, die Effektivität der Instrumente zu verbessern sowie zehntens, die Frankophonie und die kulturelle Vielfalt voranzubringen.
Das vom Präsidenten der Republik verkündete Ziel heißt, 2007 ein Hilfsniveau von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und später von 0,7 Prozent zu erreichen, wie es die Staatengemeinschaft im Rahmen der Vereinten Nationen (UN) zugesagt hat.
Während die sozialistische Regierung die Multilateralisierung der Hilfe vor allem in Form gemeinsamer Hilfe von Ländern der Europäischen Union (EU) bevorzugt hatte, hat die derzeitige Regierungsmannschaft im Haushaltsjahr 2004 einen Anteil der bilateralen Hilfe von 72 Prozent vorgesehen. Damit wird auf eine bessere Kontrolle und größere Flexibilität der Nutzung gezielt. Außerdem wird die Programmhilfe der Projekt bezogenen Hilfe vorgezogen.
Es gibt aber allerdings noch andere Erklärungen, warum die Entwicklungshilfe gestiegen ist, die eher statistischer Natur sind. Unter Entwicklungshilfe wird nämlich auch ein bi- und multilateraler Schuldenerlass verbucht - für das Jahr 2004 ist ein Rekordbetrag von zwei Milliarden Euro vorgesehen (verglichen mit 388 Mio im Jahr 2002). Unter den bilateralen Geldgebern ist Frankreich das Land, das den größten Schuldenerlass bewilligt hat. Er macht etwa 30 Prozent der französischen Hilfe für 2004 aus.
So gerechnet, steht Frankreich deutlich besser da, als wenn nur freigegebene Hilfe im üblichen Sinne gerechnet worden wäre. All jenen, die das für bloßes Zahlenjonglieren halten, antwortet Wiltzer: "Wenn man die Last verkleinert, ermöglicht dies, die Ausgaben im Kampf gegen die Armut zu erhöhen. Es handelt sich hier also sehr wohl um eine Entwicklungshilfe und keineswegs um eine Vortäuschung falscher Tatsachen."
Es gibt auch ein besonderes System, den bilateralen Schuldenerlass zu berechnen: Mit Verträgen zur Entschuldungsentwicklung, genannt C2D (Contrats de Désendettement et de Développement), zahlen die Staaten weiter ihre Schulden ab, aber sobald die Rückzahlung erfolgt ist, überweist Frankreich die entsprechende Summe auf ein Sonderkonto der Zentralbank des entsprechenden Landes. Mit diesem Geld soll dann nachhaltige Entwicklung finanziert werden sowie der Kampf gegen die Armut durch die Vergabe umlaufender Kredite für eine Dauer von jeweils drei Jahren. Derzeit bestehen mit den Ländern Mosambik, Uganda, Tansania, Mauretanien, Burkina Faso, Mali und Benin solche Verträge. Mehr als eine Milliarde Euro wird noch für Kamerun, Guinea und Madagaskar erwartet. Insgesamt können 23 Länder, davon 16 des ZSP, von diesem Instrument profitieren.
Kurzfristig erhöht sich damit zwar der Gesamtbetrag der französischen Entwicklungshilfe, aber diese Berechnungsart kann später ins Gegenteil umschlagen. Wenn nämlich irgendwann alle Kandidatenländer ihre Verträge unterzeichnet haben und kein neuer Schuldenerlass als Hilfe verbucht werden kann, muss die Regierung große finanzielle Anstrengungen unternehmen, um ihr Versprechen einzuhalten und den 0,5-Prozent-Anteil am BIP zu erhalten.
Das wird noch schwieriger angesichts der Sparmaßnahmen, die infolge der großen Baustelle der 2001 lancierten Staatsreformen nötig sind. Mit 155 Botschaften, 17 multilateralen Missionen, 105 Konsulaten besitzt Frankreich das zweitgrößte diplomatische Netz der Welt nach den Vereinigten Staaten und vor Großbritannien, Deutschland und Italien. Jetzt geht es darum, Verwaltungskosten zu sparen, indem man in jedem Empfängerland die unterschiedlichen Strukturen wie Diplomatie, kulturelle und Entwicklungszusammenarbeit sowie konsularische Angelegenheiten in einem Gebäude zusammenlegt, Personal einsetzt, das vielseitig verwendbar ist sowie mehr Verträge mit Ortsansässigen abschließt, die billiger sind und Posten ohne Verantwortung übernehmen. Und schließlich haben die Botschafter mehr Autonomie, um ihren Etat zu verwalten, aber müssen dafür auch transparenter und zielgerichteter agieren.
Es ist nicht zuletzt der kulturelle Aspekt, der bei der Reform des Ministeriums Geld verliert. In der Tat gibt es zahlreiche Doubletten unter den Botschaften, den Alliances françaises (Sprachschule) und den kulturellen Zentren und die vorgesehene Straffung kann sinnvoll sein. Für 2004 dürften beispielsweise die Subventionen der AEFE um mehr als 6 Millionen Euro gekürzt werden und somit auf 332 Millionen Euro kommen.
Die Subventionen für den Medienbereich bleiben dagegen stabil. Der Beigeordnete Minister hat außerdem angekündigt, zu einer ambitionierten Stipendien-Politik für ausländische Studenten zurückzukehren. 2002 und 2003 sind 220.000 ausländische Studenten nach Frankreich gekommen, 100.000 davon aus Afrika, außerdem 28.000 Doktoranten. In drei Jahren ist das ein Zuwachs von 48 Prozent.
Was humanitäre Nothilfe angeht, wird diese zu großen Teilen aus multilateralen Fonds finanziert. Um ihre Unabhängigkeit zu erhalten, bevorzugen die französischen NGOs - der Brückenkopf humanitärer Hilfe - die oft allerdings langsamere multilaterale oder private Finanzierung. Médecins sans frontières (Ärzte ohne Grenzen) etwa bekommen über 90 Prozent ihres Etats in Höhe zumeist gut über 100 Millionen Euro aus privaten Quellen und bis zu 10 Prozent aus öffentlichen Finanzierungen. Das erlaubt ihnen, auch in Ländern aktiv zu werden, die staatlicherseits keinen Vorrang haben. Die französischen NGOs befinden sich in den Einsatzgebieten in direkter Konkurrenz mit den einflussreichen angelsächsischen NGOs, die mit gigantischen Mitteln ausgestattet sind. Tatsächlich ist der Etat der fünf wichtigsten französischen NGOs zusammen genommen kaum höher als der von Oxfam und nur halb so groß wie der der amerikanischen Organisation Care.
Die Zusammenarbeit zwischen Staat und NGOs hat sich in Frankreich also langsamer entwickelt als in den USA. Um sie zu stärken, wurde im Dezember 2003 eine Reform der humanitären Soforthilfe gestartet, die auch private Unternehmen einbindet. Eine Struktur interministerieller Zusammenarbeit soll geschaffen werden. Ansonsten wird derzeit eine Organisation für ehrenamtliche internationale Solidarität angestoßen, die privatrechtliche Verträge zwischen Vereinen und Freiwilligen (ohne Altersbegrenzung) erlauben soll.
Neu ist auch der Ansatz der Co-Développement (gemeinsame Entwicklung): Zwei Projekte, die von FSP (Fonds de Solidarité Prioritaire), einem Fonds für die Länder der ZSP, der von Zuschüssen aus dem Etat des Außenministeriums gespeist wird) und AFD gemeinsam finanziert werden, sollen Migranten und die Diaspora mobilisiert werden, mit ihren Ersparnissen neue Aktivitäten zu entwickeln - wie Arbeitsplätze schaffen und Mikrokredite in ihren Herkunftsländern anregen. Dieses Vorgehen wird mit vier Ländern erprobt: Marokko, Mali, Senegal und den Komoren.
Während die frühere, linke Regierung die Entwicklungszusammenarbeit bewusst ent-afrikanisierte, macht Außenminister Dominique de Villepin sogar eine persönliche Angelegenheit daraus, Afrika wieder in den Mittelpunkt zu stellen: "Frankreich hat eine Ambition für Afrika. Wir wollen uns aktiv für die Entwicklung und für den Frieden einsetzen", betont er. Im Jahr 2002 wurde der Anteil, den Afrika in der bilateralen Hilfe einnimmt von 59 auf 64 Prozent erhöht und soll weiter steigen. Das soll auch für die multilaterale Zusammenarbeit gelten. "In den multilateralen Verhandlungsrunden", so sein Vize-Kollege Wiltzer, "plädieren wir dafür, dass die Hälfte der öffentlichen Leistungen für Afrika sein sollten."
Die nordafrikanischen Länder stehen hier an der Spitze, vor allem Marokko, das absolut das meiste Geld aus französischer Entwicklungszusammenarbeit, und Tunesien, das pro Einwohner die höchste Unterstützung erhält. Asien wird weit weniger bedacht - mit Ausnahme der drei Länder des früheren Indochina: Vietnam, Kambodscha und Laos. Besonderen Wert wird hier auf Bildung und Elitenförderung gelegt. Insgesamt stellt Frankreich für Asien im Jahr 2004 rund 65 Millionen Euro zur Verfügung, also etwa ein Zehntel seiner gesamten Beiträge. Die ehemaligen Kolonien in der Karibik erhalten noch weniger Zuwendungen.
Auf den großen internationalen Treffen für multilaterale Zusammenarbeit präsentiert sich Jacques Chirac gern als Sprachrohr der armen Länder und besonders von Afrika - etwa 2002 in Monterrey, auf dem G8-Gipfel in Kananaskis oder auf dem Gipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg. Außerdem zeigt er sich als Förderer der Maghrebstaaten in einem Europa, das sich mehr dem Osten zugewandt hat. Eine Rolle, die bei seinen afrikanischen Kollegen Anerkennung findet. Die dabei entwickelten Themen sind Unterstützung der "Neuen Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas" (NEPAD), die Erhöhung der Hilfen zur Entwicklung, die Gründung eines Weltwasserfonds, die Unterstützung eines Fonds für den Kampf gegen Aids und der Vorschlag eines Moratoriums der Subventionierung der Agrarexporte aus den Industrieländern.
Kurz gesagt, der französische Präsident sieht sich gern als Vorreiter all derer, die mit der Globalisierung nach amerikanischem Muster unzufrieden sind. Sein vorgeblicher Altruismus ist freilich nicht ganz uneigennützig, denn er trägt dazu bei, die afrikanischen Länder hinter seiner Außenpolitik zu vereinen: etwa bei der Ablehnung des Irakkrieges Anfang 2003 und vor allem beim Drängen auf kulturelle Vielfalt.
Frankreich präsentiert sich dabei als Träger einer alternativen Weltvision. Der französische Präsident ist damit ein entschiedener Befürworter einer internationalen Konvention über die kulturelle Vielfalt, die auf der Generalversammlung der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) im Jahr 2005 vorgestellt werden soll. Hier geht es darum, jedem Staat das Recht zuzuerkennen, seine kulturelle Politik selbst zu definieren, und Schutzmaßnahmen (gegen billige amerikanische Kulturimporte) zu ergreifen, die sich den Regeln der WTO entziehen.
"Wir müssen uns für den Aufbau einer multipolaren Welt engagieren", bekräftigt Wiltzer, "Die französischsprachigen Länder sollten als wertvolle Partner für die Förderung der französischen Sprache in der Welt angesehen werden." Unter den Institutionen, die den Einfluss des Französischen vorantreiben, ist vor allem die internationale Organisation der Frankophonie (Organisation Internationale de la Francophonie, OIF), deren Etat zu zwei Dritteln - das sind 143,6 Millionen Euro - von Frankreich aufgebracht wird. Zu ihr zählen etwa 50 Mitgliedsstaaten, die Französisch als kulturelles Erbe haben und die ihre eigene künstlerische und intellektuelle Kreativität befördern wollen.
Die französische Entwicklungszusammenarbeit hat sich sehr verändert, doch trotz der 1998 festgelegten Absicht, kohärenter und effektiver zu werden, ist es immer noch schwierig, eine globale und alles berücksichtigende Vision daraus abzulesen. Zwar hat das Außenministerium die Federführung und ist für rund 44 Prozent aller öffentlichen Ausgaben Frankreichs im Ausland zuständig. Aber immer noch rund die Hälfte der öffentlichen Entwicklungshilfe wird vom Ministerium für Wirtschaft und Finanzen verwaltet. Und das Agrarministerium ist für die Nahrungsmittelhilfe zuständig. Die Ministerien konkurrieren miteinander und schicken jeweils eigenes Personal. Der Außenminister ist entschlossen, diese mangelnde Durchsichtigkeit zu korrigieren. Seine Lösung ist, die Kontrolle über alle Dienste zu übernehmen, die auf internationaler Ebene arbeiten und sie in verschiedenen Kompetenzpools für diplomatische, ökonomische und Verteidigungsfragen zusammenzuführen.
Frankreich vollführt heute einen Spagat zwischen den hoch gesteckten Zielen von La Baule mit all den Bemühungen um Durchsichtigkeit und seinen Beziehungen zu gewissen anfechtbaren Regimen und der gaullistische Tradition der Unterstützung Afrikas. Tatsächlich geht es hier auch darum, Frankreichs Ausstrahlung und seinen Rang als mittlere Weltmacht zu erhalten. Nach wie vor bleibt das französisch sprachige Afrika ein reserviertes Territorium, auf das der neu geschaffene Hohe Rat der internationalen Zusammenarbeit nur schwer Einfluss nehmen kann. Die so genannte cellule africaine, ein Beraterkreis, der mit afrikanischen Staatschefs unmittelbar Kontakt pflegt und andere Kreise der Kooperation umgeht, ist nach wie vor beim französischen Präsidenten angesiedelt.
FrankreichDie Zone höchster SolidaritätDie Zone höchster Solidarität (Zone de Solidarité Prioritaire, ZSP) umfasst 54 Länder, die in besonderer Weise von der französischen Entwicklungshilfe profitieren sollen. Zu ihnen gehören überwiegend die Länder der Hochverschuldeten armen Länder (HIPC) und Länder, die traditioneller Weise zum französischen Einflussbereich gehören. Naher Osten: Jemen, Libanon, Palästinensische Autonomiegebiete Nordafrika: Algerien, Marokko, Tunesien Afrika: Äquatorialguinea, Äthiopien, Angola, Benin, Burkina Faso, Burundi, Côte d'Ivoire, D. R. Kongo (ehemals Zaire) Dschibuti, Eritrea, Gabun, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kamerun, Kap Verde, Kenia, Komoren, Liberia, Madagaskar, Mali, Mauretanien, Mo sambik, Namibia, Niger, Nigeria, Republik Kongo (Brazzaville), Ruanda, Sãno Tomé und Príncipe, Senegal, Sierra Leone, Simbabwe, Sudan, Südafrika, Tansania, Tschad, Togo, Uganda, Zentralafrikanische Republik Asien: Kambodscha, Laos, Vietnam Karibik: Dominikanische Republik, Haiti, Kuba Lateinamerika: Surinam Pazifischer Raum: Vanuatu |
2001 | 2002 | 2003 | Prognose 2004 | Veränderung 2003 / 2004 (%) | |
Ministerium für Wirtschaft, Finanzen und Industrie | 2.042 | 2.329,52 | 3.127,6 | 3.255,94 | 4,1 | Multilaterale Hilfe | 1.669,1 | 1.235,2 | 1.262,6 | 1.236,2 | - 2,1 |
Kredite und Schenkungen des Schatzamtes | -183,2 | -156,5 | -87,9 | -186,5 | -112,2 |
Schuldenerlass | 470,4 | 1.137,5 | 1.902,8 | 2.056,28 | 1 |
Diverse Garantien | 85,7 | 63 | - | - | - |
Mittel für Projekte und für Strukturanpassung | - | 50 | 50 | 150 | 200 |
Außenministerium | 1.107 | 1.703 | 1.607,1 | 1.670,7 | 4 |
Technische Zusammenarbeit | 570,9 | 577 | 584,6 | 562,2 | -3,8 |
Zahlungskredite des FSP | 129,3 | 109,3 | 120 | 140 | 16,7 |
Finanzielle Hilfe | 17 | 23,4 | 20 | 15 | -25 |
Mittel für Projekte und für Strukturanpassung | 168,7 | 166,8 | 173,3 | 178 | 2,7 |
Transport von Nahrungsmittelhilfe | 19,1 | 17,8 | 17,4 | 18,1 | 4 |
Andere Hilfe | 72,4 | 47,3 | 44,4 | 40,1 | -9,7 |
Nothilfe | 9,5 | 11,4 | 21,6 | 16,7 | -22,7 |
Multilaterale Hilfe (UN und Europäische Entwicklungsfonds) | 120 | 750 | 625,8 | 700,6 | 12 |
Französische Entwicklungsagentur (AFD) - Zahlungskredite | 47,5 | 168,9 | 28,9 | 132,4 | 358,1 |
Forschungsministerium | 350,5 | 352,6 | 356,5 | 360,4 | 1,1 |
Erziehungsministerium (Kosten durch Studenten aus Zielländer der AFD) | 451,2 | 547,4 | 638,9 | 648,5 | 1,5 |
Andere Ministerien | 301,1 | 326,1 | 337,9 | 407,6 | 20,6 |
Nahrungsmittelhilfe | 38,9 | 17 | 16,5 | 17,2 | 4,2 |
Flüchtlingshilfe | 226,3 | 260,9 | 275 | 300 | 9,1 |
Andere Hilfe | 35,9 | 48,3 | 46,4 | 90,4 | 94,8 |
Überseeterritorien (TOM) | 188,8 | 187,7 | 185 | 187,8 | 1,5 |
Verwaltungskosten | 199,6 | 206,1 | 212,3 | 218,6 | 3 |
Gesamte öffentliche Entwicklungshilfe | 4.687,6 | 5.821,4 | 6.494,2 | 6.882 | 6 |
Prozentsatz des Bruttosozialprodukts (%) | 0,32 | 0,38 | 0,41 | 0,43 | - |
Quelle: französisches Ministerium für Wirtschaft, Finanzen und Industrie
aus: der überblick 01/2004, Seite 6
AUTOR(EN):
Nathalie Gillet:
Nathalie Gillet ist Mitarbeiterin der französischen Zeitschrift "Marchés tropicaux et méditerranéens", wo sie hauptsächlich für die arabischen Länder und die bilaterale Zusammenarbeit mit Afrika zuständig ist.