In Benin hilft ein kirchlicher Sozialdienst Kommunen bei der Abfallentsorgung
von Hans Spitzeck
Müll, Müll und nochmals Müll. Alle Städte Benins sind voll davon: Cotonou, Porto Novo an der Küste und auch Malanville im Norden des Landes. Zumeist ungeregelt und wild sammelt sich der Müll in Flussniederungen, Überschwemmungsgebieten und sonstigem Brachland. Einiges zergeht schnell, anderes rostet langsam oder vermodert wie Papier. Plastik aber überdauert und sammelt sich an. Vor allem die kleinen schwarzen Plastiktüten werden vom Wind leicht davongetragen. In ihnen sammelt sich Wasser, sie bilden damit eine Brutstätte für Insekten auch für die Überträger von Malaria und Dengue-Fieber. Außerdem gefährden die Tüten Kühe und Schafe, weil die sie verschlingen und beim Wiederkäuen an der Plastikmasse verenden können.
Die Menge an nicht verrottenden Abfällen hat in Benin infolge des Bevölkerungswachstums und der Verstädterung zugenommen nicht zuletzt in den Klein- und Mittelstädten im Landesinneren. Denn in Ermangelung eines leistungsfähigen Müllentsorgungssystems und aufgrund des geringen Umweltbewusstseins werden Hausabfälle in der Regel in der Nachbarschaft "entsorgt". Sie bilden dann, besonders in der Regenzeit und wenn die Flüsse über die Ufer treten, einen Herd für die Ausbreitung von Krankheiten.
Seit die Verwaltung in Benin vor fünf Jahren dezentralisiert worden ist, fallen der Schutz der Umwelt und die Abfallentsorgung in die Verantwortung der Städte und Gemeinden. Doch die sind damit überfordert. So mancher Bürgermeister fragt sich besorgt, ob die Dezentralisierung nichts weiter war als die Demokratisierung des Mangels.
Zugleich aber schafft die Dezentralisierung Raum für Initiative von unten und intelligente lokale Lösungen. In den Städten tauchen immer mehr Müllsammelbehälter auf. Man sieht Männer mit Handkarren durch die Städte ziehen und den Müll abfahren. Sie sind in kleinen Genossenschaften organisiert und leben von ihrer Arbeit. Eine geregelte städtische Müllabfuhr entsteht, wenn auch langsam und mit noch ungelösten Problemen. Für die Abfuhr der Abfälle müssen die Bürgerinnen und Bürger bezahlen. Trotzdem liegt in Kandi im Nordwesten Benins die Quote der erfassten Haushalte bereits bei 80 Prozent.
Bethesda, der Sozial- und Entwicklungsdienst des Rats der evangelischen Kirchen Benins, hat das Müllproblem zu einem seiner Themen gemacht. Bethesda ist Träger des großen evangelischen Krankenhauses in Cotonou, einer Spar- und Kreditgenossenschaft zur Absicherung im Krankheitsfall und eben eines Entwicklungsprogramms, das seinen Schwerpunkt auf Stadthygiene und städtisches Umweltmanagement legt. Seit 2002 ist die unabhängige nichtstaatliche Organisation in kirchlicher Trägerschaft staatlich anerkannt und registriert. Sie bietet unter anderem Stadtverwaltungen technische Beratung in Fragen der Müllentsorgung an zum Beispiel in Abomey Calavi.
Dort hat die Stadtverwaltung Anfang Mai diesen Jahres in einer kleinen Zeremonie 30 neue Handkarren an Müllsammler übergeben. Das trägt nicht nur dazu bei, ein drängendes hygienisches Problem zu lösen, sondern schafft auch Arbeitsplätze. Anderntags berichtete das staatliche Fernsehen in den Hauptnachrichten über das Ereignis.
"Einkommen schaffen und Recycling sind unsere Ziele", sagt Victor Gbedo, der Leiter des Entwicklungsprogramms von Bethesda, bei der kleinen Zeremonie. Der studierte Umweltmanager verweist auf die Erfahrungen von Bethesda bei der Verbesserung der Müllentsorgung in Cotonou und Kandi. Dazu gehören Mülltrennung, Kompostierung, Wiederverwertung sowie Endlagerung von festen Stoffen. Mit dem Recycling von Hartplastik hat Bethesda in den vergangenen Jahren erste Erfahrungen gemacht. Die großen Mengen Sand, der gewichtsmäßig den größten Anteil am Abfall hat, sind aber ein Problem. Dass so viel Sand in den Hausmüll gerät, hat Bethesda nicht erwartet, und da der Sand nicht sauber ist, muss er deponiert werden. Schneller als erwartet füllen sich so die Deponien.
Nachdrücklich unterstützt Gbedo den Willen zur Gemeinwesenentwicklung. Damit kommt er bei den Müllsammlern gut an. Sie haben ihren Arbeitsplatz in der genossenschaftlich organisierten Stadtreinigung gefunden. Anschließend erläutert Gbedo, dass es darum geht, beim Zusammenspiel von Kommune, Bethesda und den Kleinstgenossenschaften wirtschaftlich selbsttragende Kreisläufe zu schaffen. Bei der Müllabfuhr ist dies in mehreren Orten gelungen.
In Kandi betreibt Bethesda zusammen mit der Stadt den Recyclinghof. Sand, Glas, Metall, Plastik, Papier, Knochen, Kompost, Kleiderreste, alte Batterien und anderer Sondermüll alles wird von Hand gesammelt, getrennt und wenn möglich wiederverwertet. Restmüll wird einmal pro Woche von einem städtischen Lkw auf die Deponie außerhalb der Stadt gebracht. Je mehr Müll erfasst und zusammengetragen wird, desto mehr bilden sich Routinen und Techniken für die Bearbeitung heraus. Für die kommerzielle Nutzung sind gewisse Mindestmengen nötig, Kleinstmengen sind ökonomisch uninteressant. Verschätzt hat sich Bethesda in Hinblick auf die Nachfrage nach Kompost. Die Qualität des gewonnenen Kompostes ist befriedigend, aber es gibt dafür in dem tropischen Land (noch) keinen Markt. So wird der Kompost auf den eigenen Beeten in der Nähe des Recyclinghofes verwendet.
Nahezu fassungslos steht der stellvertretende Bürgermeister von Kandi vor den großen Mengen alter Batterien, die sich in der mit Beton ausgekleideten Grube auf der Deponie in kurzer Frist ansammelt haben. Sie sind in Form, Farbe und Fabrikat alle gleich. Emanuel, der örtliche Projektmitarbeiter von Bethesda, erläutert: "Die Batterien stammen aus dem Baumwollanbau. Sie treiben die Spritzgeräte an, mit denen die Baumwolle gegen Schädlingsbefall und Krankheiten chemisch behandelt wird." Eigentlich müsste der Hersteller verpflichtet werden, diese Batterien zurückzunehmen.
Erst kürzlich hat der EED seine Unterstützung für das Projekt für drei Jahre verlängert. Danach muss die Stadt ohne Unterstützung von außen auskommen. Denn Bethesda will auch in anderen Städten und Gemeinden einen Beitrag zum Aufbau einer Müllabfuhr leisten. Schnell hat sich die Kompetenz der kirchlichen Organisation unter den Bürgermeistern herumgesprochen. Jede fachliche Unterstützung von außen ist ihnen recht. Umso besser, wenn sie von der Entwicklungsorganisation der Kirchen kommt. Bethesda wird Vertrauen entgegen gebracht nicht nur in fachlicher Hinsicht. Das gilt auch im Norden des Landes, wo die Mehrheit der Bevölkerung Muslime sind. Dass über diesen Weg Entwicklungshilfe aus Europa erschlossen wird, ist den Beteiligten recht und wird vom zuständigen Umweltministerium gebilligt. So kann Benin seine selbst gesteckten Ziele im Ressourcenschutz vielleicht erreichen.
aus: der überblick 03/2007, Seite 152
AUTOR(EN):
Hans Spitzeck
Hans Spitzeck ist Leiter des Referats
Öffentlichkeitsarbeit und Publizistik im EED.