Aufklären oder an Gefühle appellieren?
Ohne professionelle Werbestrategien kommen große Hilfswerke heute nicht mehr aus. Das liegt zum einen daran, dass die Konkurrenz unter ihnen härter wird und die Summe der Spenden kaum wächst. Zum anderen haben sich die Gesellschaft und mit ihr das Verhalten der Spenderinnen und Spender verändert.
von Bernd Ludermann
Fällt beim Leeren Ihres Brief-kastens öfters ein Paket von Beilagen aus den Zeitschriften, darunter viele, die für Kinderpatenschaften werben? Haben Sie sich kurz vor Weihnachten über eine Flut von Spendenbriefen geärgert? Oder fragen Sie sich manchmal, warum auf Plakaten, die um Hilfe gegen die Armut in der Welt bitten, meist Kinder abgebildet sind und praktisch nie erwachsene Männer?
Dahinter stecken professionelle Werbestrategien. Ohne die kommen große Hilfswerke heute nicht mehr aus. Das liegt zum einen daran, dass die Konkurrenz unter ihnen härter wird und die Summe der Spenden kaum wächst. Zum anderen haben sich die Gesellschaft und mit ihr das Verhalten der Spenderinnen und Spender verändert. Die Zeiten, da jemand treu an "Brot für die Welt" oder wen immer spendete, weil er oder sie das aus der Gemeinde kannte und schon die Eltern es so gemacht hatten diese Zeiten gehen zu Ende. Die Bindung an Organisationen einschließlich Kirchen ist geschwunden und das Misstrauen gegen-über Institutionen gewachsen.
So wollen Spenderinnen und Spender heute informiert und umworben werden. Die Werbe-Fachleute prüfen genau, welche Gruppen man wie am besten anspricht. Sie haben etwa herausgefunden, dass Ältere eher spenden als Jüngere und mehr Frauen etwas geben als Männer. Bei allen, so sagen sie, muss man Emotionen wecken. Kinder wirken dabei am besten, für Männer spendet niemand.
Nun sind aber Hilfswerke keine Unternehmen, die alles tun können, was am Markt zieht. Sie vertreten einen ethischen Anspruch, der zu den Erfordernissen der Spendenwerbung in Spannung steht, ja damit in Konflikt geraten kann. Denn zum Anspruch von "Brot für die Welt" und vieler anderer Werke gehört es, auch denen zu helfen, für die zu sammeln nicht populär ist, und die Ursachen von Armut anzuprangern. Das ist nicht immer spendenfördernd.
Man kann von Hilfswerken erwarten, dass sie in ihrer Werbung auf Botschaften verzichten, die ihrem Anspruch zuwiderlaufen. Auch Werbe-Bilder beeinflussen schließlich unsere Sicht auf arme Länder. Man kann dagegen nicht erwarten, dass Hilfswerke sich den veränderten Erwartungen der Spender einfach entziehen. Wer das verlangt, dem sagen Werbe-Fachleute, dass das Aufrühren von Gefühlen nun einmal eher zu Spendeneinnahmen führt als Aufklärung und Verantwortungs-Appelle. Die Werbeabteilungen von Hilfswerken wie "Brot für die Welt" müssen deshalb einen Balanceakt vollziehen. Wieweit er gelingt, können Sie am Inhalt Ihres Briefkastens selbst überprüfen. Und wenn die vielen traurigen Kinderbilder Sie irritieren, dann Hand aufs Herz: Wann öffnen Sie Ihr Portemonnaie?
aus: der überblick 02/2004, Seite 87
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".