Sklaverei ist heute weltweit verboten. Trotzdem müssen Millionen Menschen als Sklaven leben. Nur wenige sind Opfer traditioneller Formen der Abhängigkeit - etwa die Sklaven religiöser Kultstätten in Ghana. Eine viel größere Zahl wird von Armut in Ketten gehalten. In Westafrika zum Beispiel verkaufen Eltern ihre Kinder für die Arbeit auf Kakao-Plantagen. In Brasilien und China geraten Bauern, die verzweifelt Lohnarbeit suchen, in Betriebe, wo sie praktisch umsonst arbeiten müssen. In Indien und Pakistan ist die Schuldknechtschaft weit verbreitet: Gegen einen Kredit verpflichten Menschen sich oder ihre Kinder, für den Gläubiger zu arbeiten. Hungerlöhne und Wucherzinsen sorgen dafür, dass die Kredite nie abgezahlt werden können. An einer weiteren Form der Sklaverei sind reiche Länder unmittelbar beteiligt: am Frauen- und Kinderhandel für das Sex-Geschäft. Hunderte Frauen aus Osteuropa werden jedes Jahr allein nach Westeuropa verschleppt und zur Prostitution gezwungen.
Viele dieser modernen Formen von Sklaverei sind illegal; die Geschäfte laufen im Dunkeln ab. Wie viele Menschen als Sklaven leben müssen, kann daher nur grob geschätzt werden. Ihr Leben ist sogar billiger als zu den Hochzeiten des Sklavenhandels nach Amerika. Damals war ein Sklave eine teure Investition; heute sind die Meisten leicht ersetzbar. Zudem lag die Sklaverei damals offen zutage. Heute wird sie verborgen, sodass die Grenze zwischen Sklaverei und freien, aber ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen oft verschwimmt.
Ohnehin sind die Ursachen der modernen Sklaverei ganz ähnliche wie die von extremer Ausbeutung. Beides wird von großer sozialer Ungleichheit begünstigt und tritt da auf, wo die Opfer weder auf die Hilfe der Mitbürger zählen noch den Schutz des Rechts in Anspruch nehmen können. Das gilt für indische Schuldknechte und westafrikanische Kindersklaven, aber auch für "illegal" Zugewanderte in Deutschland oder den USA. Wer das Ausländerrecht als Gesetz zum Schutz vor Ausländern begreift, sollte daher bedenken: Wo dieses Recht Menschen den Gang zum Gericht erschwert, hilft es den Sklavenhändlern und -haltern.
DIE REDAKTION