Kein Respekt vor Abacha
"Der Tod ist unbestechlich" heißt es auf diesem bitterbösen Plakat aus Nigeria. Es greift oben links Gerüchte auf, daß der Militärdiktator Sani Abacha im Juni 1998 in den Armen zweier "indischer" Prostituierter gestorben sei, nachdem er Viagra genommen hatte. Die Abbildung unten nimmt Abachas Korruption aufs Korn. Er war selbst gemessen an der Allgegenwart von Korruption in Nigeria besonders dreist: Er und seine Clique schafften Milliardenbeträge beiseite. Deshalb liegt es nahe, daß Abacha noch von der Hölle aus den Tod und das göttliche Gericht mit einer Kiste voller ÖlDollars zu bestechen sucht- allerdings erfolglos: "Was nützte es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne und doch seine Seele verlöre. Mein Freund, Gott ist nicht bestechlich, und bei seinem Gericht gibt es keine Berufungsinstanz", mahnt das Poster.
von Axel Harneit-Sievers
Bemerkenswert ist die christlich inspirierte Bilderwelt dieser politischen Satire: Zunächst Abacha im irdischen? - Paradies; hinter ihm der Baum der Erkenntnis, auf seinem Schoß die Verführerin, die ihm den Apfel reicht. Grabreden für Abacha werden mit purem Zynismus zitiert - "welch ein großer Verlust für Nigeria". Schließlich Abacha vor Gottes Gericht. Als Schöffen sind engelsgleich sechs Gründerväter der nigerianischen Nation zu sehen (die Hälfte von ihnen waren übrigens Muslime). Obwohl auch sie als korrupt galten und das Land bis Mitte der sechziger Jahre an den Rand des Abgrunds führten, erinnern die Nigerianer sich heute vor allem an ihre Verdienste um die Unabhängigkeit des Landes.
Plakate wie dieses, die die jüngste Vergangenheit Nigerias aufs Korn nehmen, sind dort am Straßenrand für umgerechnet 50 Pfennige zu erwerben. Sie haben als Jahreskalender praktischen Nutzen und stellen zugleich neue Medien der Massenkommunikation in Afrika dar. Mit dieser Form populärer politischer Kunst läßt sich durchaus Geld verdie nen. Copyright-Hinweise fehlen; die Urheber ziehen es vermutlich Ihrer Sicherheit zuliebe vor, anonym zu bleiben.
aus: der überblick 04/1999, Seite 74
AUTOR(EN):
Axel Harneit-Sievers:
Axel Harneit-Sievers ist Historiker und war lange wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum Moderner Orient in Berlin. Seit März 2002 leitet er das Länderbüro Nigeria der Heinrich-Böll-Stiftung in Lagos.