Politik mit dem Kochtopf
Die Aktion "Mahlzeit" gehört zu den Projekten, mit denen Brot für die Welt auf Wunsch seiner Partner im Süden im Norden Bewusstsein für globale Fragen schaffen und Verhaltensänderungen anregen möchte. Schirmfrau der Ernährungskampagne ist Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.
von Alyson L. Greiner
Noch vor 50 Jahren bedeutete "gut essen", genügend und einigermaßen abwechslungsreich zu essen. Heute können hierzulande die meisten zu jedem Zeitpunkt essen so viel und vor allem was sie wollen. Gleichzeitig ist der Anteil unseres Einkommens, den wir für unsere Verpflegung ausgeben, so gering wie noch nie. Dass unsere Lebensmittel so billig sind, verdanken wir auf der einen Seite der industriellen Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie, die immer bessere Verfahren entwickelt hat, teure Rohstoffe durch günstigere synthetische Nachbauten zu ersetzen.
Auf der anderen Seite wird die billige Nahrung durch ein Wirtschaftssystem ermöglicht, das die Ausbeutung von Menschen und natürlicher Ressourcen nicht in Rechnung stellt. Mit dem Projekt "Mahlzeit" will Brot für die Welt ein neues Qualitätsbewusstsein fördern. Qualität bedeutet nicht nur, dass Lebensmittel gesund sind und gut schmecken. Qualität bedeutet auch, dass beim Anbau, der Weiterverarbeitung und dem Handel soziale und ökologische Mindeststandards berücksichtigt werden.
Konkret geht es bei "Mahlzeit" darum, auf die Zusammenhänge zwischen unseren Essgewohnheiten und dem Problem der Ernährungssicherung in Entwicklungsländern aufmerksam zu machen. Ein hoher Anteil der landwirtschaftlichen Produktion in den Ländern des Südens befriedigt vornehmlich Konsumwünsche der Verbraucher in den Industrieländern. Das geht häufig auf Kosten der Menschen und der Umwelt in Entwicklungsländern. Der Transport von Lebensmitteln rund um den Globus und die aufwändige Weiterverarbeitung von Lebensmitteln verbrauchen viel Energie und belasten die Umwelt.
Ein chilenischer Apfel beispielsweise reist mehr als 10.000 Kilometer, bevor er in unserer Obstschale landet. Die Exportfrüchte werden meist in Monokultur auf riesigen Plantagen kultiviert, was einen vergleichsweise hohen Einsatz von Dünger und Pestiziden erfordert. Außerdem werden nur die Sorten angebaut, die hohe Erträge abwerfen. Die Beschränkung auf wenige Hochleistungssorten reduziert aber auf absehbare Zeit die Artenvielfalt und beeinträchtigt die Stabilität des Ökosystems.
"Mahlzeit" will den Verbrauchern in Deutschland Alternativen aufzeigen. Die Kampagne richtet sich dabei vor allem an zwei Zielgruppen: Zum einen soll die breite Öffentlichkeit angesprochen werden. Denn jeder Einzelne kann durch seine Einkaufsgewohnheiten dazu beitragen, dass die landwirtschaftliche Produktion, die Verarbeitung und der Handel von Lebensmitteln den Bedürfnissen der Menschen und der Umwelt besser gerecht werden. Zum anderen werden gezielt Multiplikatoren aus Großküchen, Kantinen und Gastronomie informiert. Als Großkunden können sie den Verbrauch von ökologisch angebauten und fair gehandelten Produkten in der Gemeinschaftsverpflegung erhöhen. Sicher wird die Umstellung einer Großküche nicht auf einen Schlag erfolgen. Mit vertretbarem Aufwand können Kantinen oder Gastronomiebetriebe jedoch Aktionswochen durchführen, bei denen fair gehandelte, regionale beziehungsweise ökologisch hergestellte Produkte angeboten werden.
Für die begleitende Öffentlichkeitsarbeit stellt Brot für die Welt verschiedene Medien wie Tischaufsteller, Plakate und eine Rezeptsammlung zur Verfügung, die nach Jahreszeiten geordnete Rezepte für Großküchen vorschlägt. Zudem wurde ein Servicetelefon eingerichtet, bei dem sich interessierte Küchenleiterinnen, Küchenleiter oder Multiplikatoren über die Möglichkeiten der Teilnahme an dem Projekt informieren können.
Seit Beginn der Kampagne im Oktober 2000 haben über 1.200 Großküchen, Bildungseinrichtungen, Multiplikatoren aus Verbänden, Kirchengemeinden und kommunalen Beratungsstellen die "Mahlzeit"-Materialien angefragt. Auch die Homepage, die umfangreiche Infos für die unterschiedlichen Zielgruppen bereitstellt, verzeichnet zahlreiche Besucher. Auf der imega 2000, einer Messe für Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung in München, veranstaltete Brot für die Welt im Oktober 2000 ein Fachforum, auf dem die Inhalte der "Mahlzeit"- Kampagne vorgestellt wurden und Experten Tipps für die Praxis gaben. Im November dieses Jahres wird Ingrid Hess, die Küchenleiterin der Evangelischen Akademie Bad Boll, im Namen der "Mahlzeit"-Kampagne auf der Pro Sanita in Stuttgart von ihren Erfahrungen bei der Umstellung einer Küche in einem großen Tagungshaus berichten. Zahlreiche Redaktionen, darunter viele Fachmedien aus dem Bereich Gastronomie und Großküche, haben das Projekt "Mahlzeit" vorgestellt und die Thematik aufgegriffen.
Insgesamt hat die Kampagne die ja vor der BSE- und MKS-Krise begonnen hatte - in der Öffentlichkeit ein großes Echo gefunden. Schwieriger ist es jedoch, einzelne Küchen dazu zu bewegen, Aktionswochen durchzuführen oder sich ganz umzustellen. Die Küchen des Kreiskrankenhauses Plochingen und die Hugo Boss AG in Metzingen haben beispielsweise "Mahlzeit"-Aktionswochen durchgeführt. Sie konnten sich jedoch bislang nicht zu einer dauerhaften Umstellung entschließen.
Bereits vollzogen hat diesen Schritt die Kantine des Landeskirchenamtes im Rheinland. Im Mai 2001 wurde dort die Küche umgestellt und dies mit "Mahlzeit"-Materialien begleitet. Fleisch und Geflügel werden jetzt von einem regionalen Metzger bezogen, der die Schlachttiere nur von Höfen aus der nächsten Umgebung kauft, die keine Massentierhaltung betreiben. Gemüse, Eier und Käse verwendet die Küche soweit möglich in Bio-Qualität. Hintergrund für diese Umstellung war ein Beschluss der Landessynode im Rheinland, der dazu aufruft, sich in konkreten Schritten für eine Wende in der Agrarpolitik einzusetzen und den ökologischen Landbau zu fördern.
Mit Öffentlichkeitsarbeit allein ist bei den Küchen nur sehr langsam etwas zu bewegen. Gefragt sind engagierte Küchenleiter, eine Geschäftsführung, die die Umstellung mitträgt, und eine systematische Planung. Ein Projekt wie "Mahlzeit" kann Anregungen geben und Unterstützung anbieten. Die Entscheidung über den Einsatz ökofairer Produkte wird dann in den interessierten Einrichtungen und Haushalten gefällt.
"Die Kampagne trägt dazu bei", so der Pressesprecher Klaus Rieth von Brot für die Welt, "in unserer Gesellschaft ein Klima für diese Veränderungen zu schaffen". Täglich fragen Menschen bei Hilfswerken wie Brot für die Welt an, wie sie dazu beitragen können, Armut und Ungerechtigkeit im Süden zu verringern. Das Projekt "Mahlzeit" bietet ihnen die Möglichkeit, etwas ganz Konkretes zu tun.
Aufgrund der guten Resonanz in der Öffentlichkeit und der Tatsache, dass Veränderungen des Lebensstils einen langen Atem brauchen, wird die Kampagne "Mahlzeit" bis Ende 2004 weitergeführt. Die Schwerpunkte dieser zweiten Projektlaufzeit werden gerade erarbeitet.
Weitere Informationen:
Projektstelle Mahlzeit
FAKT, Franziska Krisch
Gänsheidestr. 43
70184 Stuttgart
Telefon: 0711 / 21095-25
Fax: 0711 / 21095-55.
Homepage:
www.projekt-mahlzeit.de
aus: der überblick 03/2001, Seite 128
AUTOR(EN):
Alyson L. Greiner:
Alyson L. Greiner ist Herausgeberin des "Journal of Cultural Geography" und lehrt an der "Oklahoma State University".