Wasserpolitik in Tansania und der Einfluss der Weltbank
Kostendeckung wird im tansanischen Wasserministerium groß geschrieben. Dies ist eine Folge schlechter Erfahrungen mit kostenloser Wasserversorgung unter Präsident Nyerere (1961-1985).
von Bernd Ludermann
Die Behörden, denen die Wasserwerke unterstanden, ließen damals aus Geldmangel die Leitungen und Anlagen verfallen, erklärt Damas Shirima im Wasserministerium in Dar es Salam. Die Regierung wandelte daraufhin 1995 die Versorgungsbetriebe in autonome Einheiten um, die ihre Einnahmen selbst verwalten. Für Aufbau oder Grundsanierung der Anlagen gibt der Staat Kapital, aber Betrieb, Wartung und Unterhalt müssen aus den Wasserpreisen gedeckt werden. In armen Dörfern sollen entsprechend preiswerte Techniken eingesetzt und von Dorfkomitees betrieben werden; bis zu 5 Prozent der Investition müssen die Einwohner selbst aufbringen.
Das ist für Arme eine große Belastung, zumal Trinkwasser in Landgebieten oft teurer ist, als aus dem städtischen Leitungsnetz. Der Ethnologe und entwicklungspolitische Berater Frank Bliss hält deshalb das Prinzip der Kostendeckung und Selbstbeteiligung für falsch. Es führt dazu, dass reichere Gemeinden mehr Investitionen und eine bessere Infrastruktur erhalten, schreibt er in der Zeitschrift Entwicklung und Zusammenarbeit im Dezember 2005.Er fordert, die Armutsbekämpfung ins Zentrum zu stellen. Das heißt man sollte die Wasseranlagen genau wie Straßen aus Steuern unterhalten und notfalls auch die Betriebskosten staatlich bezuschussen.
"Diese Wahl können Sie treffen, wenn Sie Geld haben, entgegnet Ato Brown, der leitende Ingenieur des Wasserprogramms der Weltbank für Ostafrika. Die meisten afrikanischen Länder können das nicht. Sie geben schon über die Hälfte des Staatshaushalts für Bildung aus und noch einmal rund ein Zehntel für Gesundheit. Vier Fünftel des Kapitals, das Tansania in den kommenden Jahren in die Wasserversorgung stecken will, stammt aus Krediten der Weltbank oder staatlicher Entwicklungshilfe. Kein Geber würde der Regierung zusagen, über zwanzig Jahre laufend Subventionen für die Wasserversorgung zu zahlen, warnt Brown. Solche Subventionen erklärte der Bericht des UN-Millenniumsprojekts unter Jeffrey Sachs Anfang 2005 für erforderlich.
Und wenn sich jemand kein Wasser leisten kann? Die Ärmsten können 5000 Liter pro Monat gratis erhalten, erwidert Shirima. Verantwortlich dafür seien aber die lokalen Gemeinschaften: Die Regierung kann gar nicht feststellen, wer die Ärmsten sind.
Die Projekte tansanischer NGOs und Kirchen folgen in puncto Kostendeckung ähnlichen Grundsätzen. Streit hat hingegen die Privatisierung des Wasserversorgers in Dar es Salam ausgelöst. Die Regierung übertrug 2003 den Betrieb von dessen Anlagen, kleine Reparaturen sowie den Gebühreneinzug dem Konsortium CityWater unter Führung des britischen Konzerns BiWater. Das Leitungsnetz blieb in staatlichem Besitz, seine Sanierung und Erweiterung eine Aufgabe des Staates.
Der tansanische Zweig der internationalen NGO ActionAid hat den Gebern und insbesondere der Weltbank vorgeworfen, dass sie die Regierung zu der unpopulären Entscheidung praktisch genötigt hätten. Ato Brown bestreitet das. Doch das ist wenig glaubhaft. Die Wasserwerke Dar es Salaams waren unstrittig in einem desolaten Zustand: Der Verfall der Infrastruktur sowie schlechtes Management minderten die Einnahmen, und das führte zum weiteren Verfall der Infrastruktur und des Managements. Um diesen Teufelskreis zu brechen, waren hohe Investitionen nötig, die nur von den Gebern kommen konnten. Die jedoch, so heißt es im Wasserministerium, signalisierten implizit, aber klar, dass sie nur nach einer Privatisierung helfen würden.
Die endete dann in einem Fiasko: Tansanias Regierung kündigte Mitte 2005 den Vertrag, weil CityWater inkompetent sei und eine Reihe von Vertragspflichten verletzt habe. Das Konsortium entgegnete, es sei vor Vertragsabschluss über Bedingungen wie die Zahl der Wasserkunden und die Höhe der Leitungsverluste irregeführt worden. Ende 2005 verklagte CityWater die Regierung Tansanias in London wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung sogar auf Schadenersatz.
Doch den Schaden haben die Wasserverbraucher. Laut der Regierung hatte die Versorgung sich unter CityWater verschlechtert. Befragungen von ActionAid brachten zehn Monate nach Beginn des Vertrags Klagen an den Tag, dass die Rechnungen zuverlässiger kamen, nicht aber das Wasser. Die Firma soll sogar, wo es illegale Anschlüsse gab, ganzen Arealen das Wasser abgestellt haben auch den zahlenden Kunden.
Man hätte das Desaster wohl absehen können. BiWater hatte einen zweifelhaften Ruf, doch die Regierung hatte keine Alternative: CityWater war der einzige Bieter für den Auftrag. Beide Seiten, sagt Ato Brown, verbanden unrealistische Erwartungen mit dem Geschäft: Die Regierung wollte das Problem loswerden. CityWater dagegen wollte den Versorger rasch effizient machen, zehn Jahre Profit erzielen und dann weitersehen. Zudem seien die Wasserpreise zu niedrig gewesen. Dass die Geber wegen dieser Mängel von der Privatisierung abgeraten hätten, ist nicht bekannt.
Das Ziel der Privatisierung war nicht wie häufig in Lateinamerika oder Asien , privates Kapital für den Ausbau der Wassernetze anzulocken. Das, sagt Brown, ist in Afrika nicht realistisch. Die Beteiligung privater Firmen sollte vielmehr die Verwaltung verbessern, Korruption zurückdrängen und so die Einnahmen erhöhen. Anders als in Dar es Salam sei dieses Rezept in Kampala, der Hauptstadt Ugandas, aufgegangen. Dort, so Brown, wurde der Betrieb für vier Jahre befristet einer Privatfirma übertragen, nachdem die Wasserpreise angehoben worden waren. Dass sich danach die Wasserversorgung in Kampala verbessert hat, bestätigt Dunstan Ddamulira von ACORD in Uganda, einem Partner von Brot für die Welt. Nach den vier Jahren kam der Betrieb zurück in die Hand des Staates und ist nun effizienter als zuvor.
Doch um das zu erreichen, so wendet ActionAid ein, muss man den Betrieb nicht privatisieren. In der Tat ist es in vielen der 19 kleineren Städte Tansanias (deren Wasserwerke allerdings nicht in einem so schlechten Zustand waren wie in der Hauptstadt) gelungen, öffentliche Versorger zu reformieren. 12 davon erwirtschaften jetzt ihre Betriebskosten und 10 auch die Reparaturausgaben, sagt Damas Shirima im Wasserministerium. Auch in Dar es Salam soll der neue, öffentliche Wasserbetrieb, der nach der Kündigung des Vertrags mit CityWater als Notlösung geschaffen wurde, besser funktionieren als das Konsortium und als der öffentliche Versorger vor der Privatisierung.
Die Hilfe der Weltbank für die Sanierung der Wasseranlagen in Dar es Salam fließt nach dem Rauswurf von CityWater weiter. Der größte Teil der Weltbank-Kredite für den Wassersektor in Afrika geht an öffentliche Betriebe, sagt Ato Brown. Laut Ashfaq Khalfan, dem Koordinator des Programms Recht auf Wasser bei der Organisation Zentrum für Wohnrechte und Vertreibungen, hat die Weltbank im Wassersektor einige sinnvolle Projekte. Kritisiert wird aber, dass die Bank ständig bei Information, Konsultation und Partizipation versagt und weiterhin die Privatisierung von Wasserversorgern propagiert. Das wird in Tansania nun schwer fallen: CityWater, heißt es im Ministerium, hat uns die Augen geöffnet.
aus: der überblick 01/2006, Seite 101
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann