Förderung von Journalisten und Medien in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
Deutschland war einst das wichtigste Geberland für Medienhilfe. Doch in den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Projekte beständig abgenommen, während gleichzeitig ständig betont wurde, wie wichtig unabhängige Medien für eine demokratische Entwicklung sind. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) lässt deshalb derzeit die Medienförderung verschiedener deutscher Organisationen untersuchen.
von Manfred Oepen
Erstmals seit 17 Jahren will das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) untersuchen, wie es seine Medienförderung in Entwicklungsländern verbessern kann. Dafür liegt seit Januar 2003 eine Studie mit einer Bestandsaufnahme der deutschen Medienzusammenarbeit vor. Darauf aufbauend soll die Kohärenz, Koordination, Effizienz und strukturelle Wirksamkeit der Medienförderung des BMZ analysiert werden, um anschließend die Zusammenarbeit verbessern zu können.
Für Aufklärung, politische Bildung und den Demokratisierungsprozess in Entwicklungsländern, so die Bundesregierung, spielt die Stärkung unabhängiger Medien und die Fortbildung von Journalisten eine wichtige Rolle. Außerdem werden Projekte der Finanziellen und Technischen Zusammenarbeit in den Bereichen Armutsbekämpfung, Umweltschutz und Gesundheit durch den gezielten Einsatz von Entwicklungskommunikation und Medien unterstützt, um Bewusstseinswandel und Verhaltensänderungen herbeizuführen.
Die Bundesregierung nimmt für sich in Anspruch, bei der Medienhilfe im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit nach Umfang und Qualität den ersten Platz unter allen Industrieländern einzunehmen. So wurden in über 30 Jahren mehr als 20.000 Hörfunk-, Fernseh- und Printjournalisten, Techniker und Manager qualifiziert.
Bis Anfang der neunziger Jahre blieb Deutschland einer der gewichtigsten global player der Medienförderung, doch seit dem Höchststand im Jahr 1981 mit 104,6 Millionen DM (umgerechnet circa 52 Millionen Euro) sind die staatlichen Zuwendungen bis zum Jahr 2001 kontinuierlich bis auf 20 Millionen Euro abgesunken. In diesem Zeitraum wurden die mit Medienhilfe befassten Organisationseinheiten in den relevanten deutschen Institutionen wie der Friedrich Ebert Stiftung (FES) und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) aufgelöst. Die GTZ hat die Anzahl ihrer Massenmedienprojekte von zeitweise über 70 auf heute vier reduziert. Dies führte auch zum Verlust von wertvollem Erfahrungswissen. Gleichzeitig wurden jedoch Medien verstärkt eingesetzt, um Projekte durch Entwicklungskommunikation als eine integrale Komponente des Projektmanagements zu unterstützen was aber nicht unter dem Titel "Medienförderung" erfasst wurde.
Der Niedergang der Medienförderung wird von Kennern des Sektors als "hausgemacht" bezeichnet, so der im letzten Jahr verstorbene Doyen der deutschen Medienzusammenarbeit Reinhard Keune. Der Medienexperte der FES und ab 1998 Vorsitzende des IPDC (Intergovernmental Programm for the Development of Communication der UNESCO) kommt zu dem Urteil, dass die politische Ebene das "Vertrauens- und Kompetenzpotenzial verschenkt, wenn sie sich nicht wenigstens pflegerisch um dieses Erbe kümmert". Nach Ansicht des Politologen Professor Stefan Brüne, Autor der letzten Querschnittsanalyse des Sektors aus dem Jahre 1988, hat die Bundesregierung in den letzten zehn Jahren alle Trends "verschlafen" und eine Politik der "Selbst-Provinzialisierung" betrieben. Die gesicherten Erkenntnisse der Entwicklungskommunikation werden konzeptionell nicht berücksichtigt und nutzbar gemacht. Nach wie vor gilt eine "Leitlinie zur Medienförderung" aus dem Jahr 1987, die nie aktualisiert oder ersetzt wurde. Das relativ geringe Fördervolumen steht, so das zuständige BMZ-Referat, nicht mehr im angemessenen Verhältnis zu der hohen Bedeutung, die unabhängigen Medien für die Demokratieförderung zugesprochen werde.
In jüngster Zeit wurde die Diskussion um die Rolle der Medien für Entwicklung und Demokratie neu belebt. Parallel zu den erwähnten BMZ-Bemühungen organisierten kirchliche Einrichtungen wie der "Evangelische Entwicklungsdienst" (EED) und dessen Fachstelle "Eine Welt Medien" unter Leitung des Catholic Media Council (CAMECO) 2002 die Tagung "Praxis und Perspektiven der deutschen Medien- und Journalistenförderung". Und die Weltbank veröffentlichte die Studie The Right to Tell (Das Recht auf freie Meinungsäußerung) über die Rolle der Medien im wirtschaftlichen und demokratischen Entwicklungsprozess.
Unter welchen Bedingungen aber ist Medien- und Kommunikationsplanung für Entwicklung überhaupt sinnvoll und machbar? Statt sich an hohen, oft unrealistischen Zielen zu orientieren, beispielsweise am Zugang zu Massenmedien im gesamten Entwicklungsprozess, sollte sich eine strategische Planung auf das Kommunikationsverhalten einzelner Akteure konzentrieren, die spezielle öffentlichkeitswirksame Aufgaben lösen wollen. Eine solche Planung bezieht gesellschaftlich relevante Gruppen wie Kirchen, nichtstaatliche Organisationen (NGOs), Verbände, Kooperativen oder Bürgerbewegungen mit ein, die sich für Akzeptanzwerbung, Organisations- und Managementberatung oder Klientenbetreuung einsetzen. Community communication-Ansätze nutzen nicht nur traditionelle Basismedien, sondern auch Massenmedien und die neuen Informationstechnologien ganz pragmatisch, wenn es beispielsweise gilt, mit deren Unterhaltungswert an Verhaltensänderungen von Menschen zur Vermeidung von HIV/Aids zu erreichen. Der traditionelle Journalismus in den oft staatlich reglementierten Massenmedien erhält zunehmend Konkurrenz durch das Internet und die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Dezentralisierung und begrenzte Zensurmöglichkeiten führen dabei längerfristig zu einer Pluralisierung der gesamten Medienlandschaft. Schon jetzt gibt es vor allem in Lateinamerika und im südlichen Afrika zahlreiche Hörfunkstationen, die Programmteile digital über das Internet recherchieren, empfangen und senden. Die Hörer solcher Sendungen beteiligen sich daran oft über Internet-Clubs, die in den Räumen der Sender eingerichtet wurden.
Die deutsche Medienzusammenarbeit war und ist gekennzeichnet von der Verschiedenartigkeit ihrer Ansätze und Akteure. Betrachtet man GTZ-Projekte, wird deutlich, welchen Bedeutungsverlust die klassische Medienförderung erlitten hat. Heute werden Medien nicht mehr per se gefördert, sondern in den Dienst von Entwicklungskommunikationsstrategien gestellt, die Projekte der Armutsbekämpfung, des Umweltschutzes oder der Gesundheitsfürsorge unterstützen sollen. Allerdings hat dies zur Folge, dass die spezielle Rolle der Medien und der Kommunikation vernachlässigt wird. Dies gilt auch für die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), deren Medienförderung seit dem Förderhöhepunkt Anfang der neunziger Jahre ebenfalls kontinuierlich zurückgeht und heute nur noch einem Anteil von weniger als 1 bis 2 Prozent an der gesamten Finanziellen Zusammenarbeit entspricht.
Die spezifischen Stärken der politischen Stiftungen wie der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) liegen in der Zusammenarbeit mit journalistischen Interessenverbänden, der politischen Lobbyarbeit und der Mediengesetzgebung. Unter dem Zwang der Einsparungen musste auch die FES in den vergangenen Jahren einen wesentlichen Teil der internationalen Medienprojekte zurückfahren. Gleichwohl ist Medienarbeit in vielen Entwicklungsländern weiterhin Bestandteil der gesellschaftspolitischen Arbeit. Die FES sieht einen Schwerpunkt ihrer Arbeit darin, dabei zu helfen, dass Gesetze, Verordnungen und Regeln geschaffen werden, die den Medien Unabhängigkeit von politischen und wirtschaftlichen Einflüssen gewährleisten und zu ihrer Vielfalt und Professionalität beitragen. Eine besondere Rolle spielen dabei die Förderung von "Medien von unten" (community media) und Gender Mainstreaming (die Vermittlung der Idee der Gleichberechtigung von Frauen und Männern) in den Medien.
Bei der KAS hat es eine Fokussierung der Medienangebote gegeben: In den siebziger und achtziger Jahren wurde stark auf das Mittel der Fernerziehung via Medien gesetzt, Ausbildungsstätten gefördert und Programmaustausch sowie Kooperation mit kommunalen Radios organisiert. Da hier parallel ein kompetentes Angebot seitens kirchennaher Organisationen bestand, zog sich die Stiftung zurück. Heute versucht die KAS, die Medien- und Politikangeboten enger zu verknüpfen, nicht zuletzt im Rahmen des Medienprogramms Lateinamerika und der Behandlung von Fragen der politischen Kommunikation.
Die Kirchen wiederum sehen ihr Potenzial zur Medienförderung vor allem im Rahmen ihrer Basisorientierung, der Armutsbekämpfung und der langfristigen Zusammenarbeit mit Partnern. Der Schwerpunkt liegt auf dem Hörfunk, insbesondere der Unterstützung von Basisradiostationen. Vorrangige Themen sind ländliche Entwicklung, Stärkung benachteiligter Gruppen, Menschenrechte, Friedens- und Konfliktarbeit, Gesundheitsvorsorge und Ausbildung.
Nach Angaben von CAMECO sind aber für die meisten kirchlichen Hilfswerke Kommunikation und Medien kein Förderschwerpunkt. In der Regel fließen zwischen 2 und 5 Prozent der Gesamtausgaben der Hilfswerke in Medienprojekte, wenn diese zur aktiven Partizipation der Bevölkerung beitragen und als Instrumente des gesellschaftlichen Dialogs die kulturellen, sozialen und politischen Aufgaben der Kirchen unterstützen. Die Mittler der katholischen Hilfswerke sind vorwiegend Diözesen und pastorale Hörfunksender, aber auch Netzwerke von Basisradiostationen wie der lateinamerikanische Verband für Rundfunkerziehung ALER (Asociación Latinoamericana de Educación Radiofónica). Der EED stellt den Aufbau unabhängiger Medien in den Zusammenhang der Förderung von mehr Mitsprache in der Zivilgesellschaft. Als Zielgruppen gelten Multiplikatoren, Basisgruppen, NGOs, Entscheidungsträger und Medienschaffende. Im Vordergrund stehen Programme der ländlichen Entwicklung, der Gesundheitsvorsorge, der Ausbildung sowie des Erhalts der natürlichen Lebensgrundlagen.
Während der Umfang der Technischen und der Finanziellen Zusammenarbeit im Medienbereich in den letzten Jahren deutlich reduziert wurde, zeichnet sich der Bereich der Journalistenfortbildung durch eine weitgehende Kontinuität aus. Das Zentrum für Hörfunk- und Fernsehfortbildung der Deutschen Welle (DWFZ) und das Internationale Institut für Journalismus (IIJ) von InWEnt (Internationale Weiterbildung und Entwicklung, hervorgegangen aus der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung und der Carl-Duisberg-Gesellschaft), die wegen ihrer fachlichen Qualität und der guten personellen Betreuung weltweit einen guten Ruf genießen, können derzeit als das wesentliche Standbein der deutschen Medienförderung bezeichnet werden. Sie verfügen über eine große Erfahrung und ein internationales Netzwerk berufserfahrener Journalisten. Die Professionalität der Kursteilnehmer und ihre Position in führenden Massenmedien ihrer Herkunftsländer unterscheiden die zwei Fortbildungszentren von vielen anderen Organisationen mit ähnlichen Angeboten. Sie werden selbst in autoritären Ländern als neutrale, nichtstaatliche Einrichtungen angesehen. Das Stipendium in Deutschland bietet die wertvolle zusätzliche Erfahrung der "gelebten Demokratie". Insofern bilden DWFZ und IIJ Journalisten "für die Zeit nach den autoritären Regimen" aus.
Als Ergebnis der vorläufigen BMZ-Studie wurden zwei wesentliche Felder für zukünftige Untersuchungen empfohlen: erstens die entwicklungspolitische Medienfortbildung bei DWFZ und IIJ. Dieser Bereich bietet sich an, weil die Medienfortbildung eine Konstante der Medienförderung darstellt, die regelmäßig hinsichtlich ihrer Relevanz, Aktualität und Langzeitwirkungen überprüft werden sollte. Die Medientechnologien und die Zusammenhänge, in denen sie in den Partnerländern produziert werden und wirken, sind einem stetigen Wandel unterworfen. Daher soll sich die Evaluierung (Wirkungskontrolle) auf Maßnahmen in Deutschland und Wirkungen in den Partnerländern erstrecken. Dazu werden Länderbeispiele und Tracer-Studien (Studien über die Auswirkungen der Fortbildungsmaßnahmen) notwendig sein. Zweitens sollte die Rolle der Medien für die Demokratieförderung, Zivilgesellschaft und Good Governance (gute Regierungsführung) analysiert werden, weil diese Felder eine hohe Aktualität besitzen und über die spezifische Funktion von Medien zwar viel postuliert, aber wenig konkret geforscht worden ist. Hierzu werden Länderstudien nötig sein, weil es kaum empirische Erhebungen zu den erfolgsbestimmenden polit-ökonomischen und sozio-kulturellen Rahmenbedingungen von Kommunikation und Medien im Entwicklungsprozess gibt.
Die Auswertung der Ergebnisse der geplanten Querschnittsanalyse soll das BMZ zukünftig unterstützen, ein neues Sektorpapier zu erarbeiten, das die Felder Medienförderung und Entwicklungskommunikation auf dem aktuellen Stand von Theorie und Praxis integrieren und das Dokument "Medienförderung" aus 1987 ersetzen soll. Das BMZ erwartet, mit einem einheitlichen Medienkonzept die langfristigen Wirkungen der Maßnahmen erhöhen zu können. Eine weitere Effizienzsteigerung erhofft das Ministerium von der verbesserten Koordination und verstärkten Kooperation der Durchführungsorganisationen.
Medienarbeit mit Müllsammlern in IndonesienDie Mauer des Schweigens durchbrechenDie pemulung, die Müllsammler in Indonesien bestreiten ihr Überleben, indem sie unter anderem Papier, Plastik oder Metall aus dem Abfall klauben. Sie leisten durch ihre Selbstbeschäftigung im informellen Recycling-Sektor wichtige ökologische und ökonomische Beiträge. Dennoch werden die pemulung als Ausgestoßene und Entwicklungshemmnis betrachtet. Eine Kultur des Schweigens umgibt sie, gekennzeichnet durch Diskriminierung und Mangel an Kommunikation mit dem Rest der Gesellschaft. Wie diese Isolierung durchbrochen werden kann, zeigt die Kommunikationsstrategie ihm Rahmen eines Projekts der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in der Stadt Bandung, das in den neunziger Jahren von der Armutsbekämpfung bei Müllsammlern zur Integration von Recycling in die Abfallwirtschaft gelangte. In der ersten Phase (1991-1993) wurden vor allem Straßentheater der Sammlern selbst und Videofilme zur Dokumentation einsetzt, um der Stimme der pemulung Gehör zu verschaffen. Das Theater stärkte ihr Selbstwertgefühl, weil sie sich damit besser ausdrücken und mehr Kontakte zu anderen Gruppen der Gesellschaft sammeln konnten. Der brasilianische Philosoph und Erziehungstheoretiker Paulo Freire nannte diesen Prozess Bewusstwerdung: die Entdeckung des Selbst und des eigenen Umfeldes hilft, die Kultur des Schweigens zu brechen. So gelangten die Müllsammler allmählich von einer 'Die da'- zu einer 'Wir hier'-Orientierung. Aus dem Videomaterial wurde ein Fernsehfilm über das Leben und die Arbeit der Sammler geschnitten, den das private indonesische Bildungsfernsehen TPI 1992 gesendet hat mit praxisnahen Ratschlägen, um das Recycling zu fördern und mehr Umweltbewusstsein zu schaffen. Die zweite Phase (1994-2000) erforderte eine komplexere Kommunikationsstrategie auf der lokalen und der kommunalen Ebene. FOCUS genannte Recycling-Gruppen in drei Pilotgebieten in der Stadt Bandung nutzten Basismedien wie Text, Bilder, Audios, Videos, 3D-Modelle, die einen engen Bezug zu ihrer Pionierarbeit hatten, nämlich der Mülltrennung in den Haushalten, der Kompostierung und Sondermüllerfassung in enger Kooperation mit den pemulung und dem Amt für Abfallwirtschaft. Die städtische Massenmedienkampagne berichtete über diese Aktivitäten und unterstützte sie mit genereller Umweltbildung. Eigen war der Strategie, dass alle Medien interaktiv genutzt wurden und stets darauf geachtet wurde, dass nicht nur über die Müllsammler oder die Stadtteilgruppen und deren gemeinsames Recycling berichtet wurde oder ihnen als Objekte etwas mitgeteilt wurde. Stattdessen wurden die Medien weitgehend von oder mit ihnen genutzt. So produzierten die FOKUS-Gruppen Wandzeitungen, Poster, T-Shirts, Ausstellungen, Comics und ein Video über den Fortschritt von Recycling und die Kompostierung in ihren Stadtteilen. Der Erfolg war messbar: 65 Prozent der Bewohner dieser Stadtteile erkannten Sondermüll; anderswo waren es nur 25 Prozent. Mehr als 75 Prozent wussten, dass aus organischem Abfall Kompost entstehen kann und 20 Prozent trennten den Hausmüll, anderswo dagegen nur zwischen 2 und 25 Prozent. Die städtische Massenmedienkampagne nutzte so genanntes Social Marketing, das auf strategische Allianzen mit Medien, nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) und Bildungseinrichtungen sowie den lokalen FOKUS-Gruppen baute: "Tue Gutes und sprich darüber!" lautete die Devise, also betreibe Recycling und verkünde, wie nützlich das ist. Die Profis vermittelten den Laien das nötige journalistische Handwerkszeug. So konnten diese Gruppen Beiträge schreiben für den zweimonatlichen Newsletter des Projekts, Bersih (Sauber). Auch das Netzwerk von drei Hörfunkstationen wurde einbezogen, das wöchentlich vier Stunden zum Thema Abfall und Recycling für durchschnittlich 630.000 Hörer in und um Bandung sendete. Grund- und Sekundarschulen hielten viele Recycling-Wettbewerbe ab. Vom Enthusiasmus angesteckt integrierte das Schulamt das Thema Recycling in die Curricula, für die das Projekt, von NGOs und pemulung unterstützt, Module hatte entwickeln lassen. Als Fazit ist festzuhalten, dass die Präsenz von Müllsammlern und Stadtteilgruppen in den Medien das Bild von Recycling in der Öffentlichkeit verändert hat. NGOs spielten als Mittler zwischen diesen Basisgruppen und den Entwicklungsplanern eine entscheidende Rolle, da diese in der Regel nicht 'die gleiche Sprache sprechen'. Der Zugang der nicht-privilegierten Basisgruppen zu Massenmedien und anderen öffentlichen Foren hat ihnen Selbstvertrauen, Würde und Kommunikationskompetenz verliehen. Es war ein Glücksfall, dass dieser Prozess mit der Reform-Ära nach dem Sturz des Diktators Suharto im Jahr 1998 zusammenfiel. So wurden die Kommunikationsforen unverhofft zu 'Schulen der Demokratie', in denen Teilhabe an Planungs- und Entscheidungsprozessen eingeübt wurde. Umweltbewusstsein war fast ein 'Abfallprodukt', denn für die Müllsammler, die FOKUS- oder Jugendgruppen, die am Projekt teil hatten, zählten die Kommunikationsprozesse ebenso viel wie die Medienprodukte. Das unkonventionelle Konzept hat der Armutsbekämpfung und dem Umweltschutz ein menschliches Gesicht verliehen. Für die Müllsammler ist die begonnene Hilfe zur Selbsthilfe ein Schritt auf dem Weg in der Hoffnung, dass sich Armutsbekämpfung und Umweltgedanke nicht als Slogan eines kurzfristigen Modetrends erweisen. Denn, wie es ein pemulung ausdrückte: "Ich habe keine Ahnung von 'nachhaltiger Entwicklung' oder 'Ressourcenschutz', für mich ist Recycling eine Frage des Überlebens". Manfred Oepen |
aus: der überblick 04/2003, Seite 66
AUTOR(EN):
Manfred Oepen:
Manfred Oepen ist Geschäftsführer von ACT – "Appropriate Communication in Development", einem Unternehmen, das Kommunikationskonzepte und Medienplanung für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit erstellt.