Interview mit dem EED-Aufsichtsratsvorsitzenden, Präses Nikolaus Schneider
Nikolaus Schneider ist Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und seit November 2005 Vorsitzender des Aufsichtsrates des EED. Der 1947 geborene Stahlarbeiter-Sohn hat nach dem Theologiestudium als Gemeinde- und Diakoniepfarrer in Duisburg und Moers gearbeitet, war dann Superintendent des Kirchenkreises Moers und wurde 1997 Oberkirchenrat und Vize-Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. 2003 trat er die Nachfolge von Präses Manfred Kock an.
Gespräch mit Präses Nikolaus Schneider
Wie sind Sie zum Engagement für kirchliche Entwicklungsarbeit gekommen?
Meine Beziehung zum kirchlichen Entwicklungsdienst (KED) geht bis in meine Studentenzeit Ende der 1960er Jahre zurück. Ich hatte schon während des Theologiestudiums großes Interesse an den Kirchen in Afrika und Asien und an einem gerechten Ausgleich zwischen armen und reichen Ländern. Kirche ist immer weltweit zu verstehen. Dann kam schnell die Frage dazu: Was kann man tun, damit arme Länder eine wirklich selbsttragende Entwicklung erreichen können und eine Partnerschaft auf Augenhöhe entsteht? Nach dem Vikariat war ich als Gemeindepfarrer und Superintendent für Partnerschaften mit Gemeinden und Kirchenkreisen in Asien und Afrika mitverantwortlich, auch für deren Projekte. Später, als rheinischer Vizepräses, war ich Vorsitzender des Ökumenischen Studienwerks in Bochum. Es ist jetzt Teil des EED, die Verhandlungen darüber habe ich mit geführt. Daher stammt der enge Kontakt zum EED.
Wie beurteilen Sie die Arbeit des EED in den ersten fünf Jahren nach seiner Gründung?
Im EED sind mehrere eigenständige Werke zusammengeführt worden. Das neue Werk musste erst zusammenwachsen, unterschiedliche Kulturen mussten zusammenfinden. Insgesamt ist das erstaunlich gut gegangen.
Wo sehen Sie für die kommenden Jahre die dringendsten Aufgaben der Projekt- und Programmarbeit des EED im Süden?
Eine ist, die Finanzstrukturen, das Rechnungswesen der Partner des EED zu stärken. Sie sollten ihren Haushalt besser als jetzt dokumentieren können. Damit will ich nicht sagen, dass bei den Partnern Korruption und Unterschlagung üblich sind, auch wenn sie im Einzelfall vorkommen mögen. Es geht darum, dass die Partner selbst und der EED die Verwendung der Mittel besser übersehen und nachvollziehen können. Eine weitere dringende Aufgabe ist, die Kooperation mit anderen Werken und mit den Landeskirchen in der Projektarbeit zu verbessern.
Sie meinen Projekte von Kirchenpartnerschaften?
Ja, von Partnerschaften der Gemeinden und Kirchenkreise. Auch mit den Missionswerken muss die Zusammenarbeit enger werden. Die alte Arbeitsteilung zwischen Mission und Entwicklung gilt nicht mehr, die Missionswerke sind auch in der Entwicklungsarbeit engagiert. Da müssen die Absprachen verbessert werden. Und eine ganz wichtige Aufgabe ist nach meiner Ansicht mehr Gerechtigkeit im Welthandel. Mit seiner Auslandsarbeit kann der EED die Verhandlungsfähigkeit der Partner in Fragen des Welthandels und der Welthandelsorganisation stärken.
Die Regeln des Welthandels sind auch ein Thema der Inlandsarbeit des EED, also von Bildungs- und Lobbyarbeit. Wo sehen sie hier dringende Aufgaben?
Wir müssen am Entwicklungsbegriff arbeiten. Zum Beispiel müssen wir klar machen, welches Interesse wir selbst daran haben, dass arme Länder sich entwickeln. Entwicklungsarbeit ist die beste Friedensarbeit, das gilt nach wie vor, da gibt es gar kein Vertun. Auch als Mittel gegen internationalen Terrorismus ist Entwicklung notwendig.
Aus den ärmsten Ländern kommen kaum Terroristen.
Die Ideologen des Terrors kommen aus der gebildeten Mittel- und Oberschicht. Aber ihre Terror-Strategie würde ohne das weit verbreitete Gefühl von Armut und Unterlegenheit in vielen islamischen Ländern nicht funktionieren. Das ist vergleichbar mit der russischen Revolution: Lenin stammte aus der Oberschicht, aber ohne die Not und den Unmut der Bauern hätte er keine Gefolgschaft gefunden.
Sollte der EED dann mehr in muslimischen Ländern arbeiten? Und sollten die Entwicklungswerke in der Projektarbeit das Verhältnis der Religionen stärker aufgreifen?
Das Engagement des EED ergibt sich aus der Analyse der Notlagen und aus der Strategie des EED und seiner Partner. Viele unserer Partner arbeiten auch mit Muslimen. Und als kirchlich gebundener Dienst ist der EED für Fragen des friedlichen Zusammenlebens der Religionen auf allen seinen Arbeitsfeldern sensibel und arbeitet in diesem Bereich.
Ein Ziel der Inlandsarbeit des EED ist, in den Landeskirchen bekannt zu werden. Ist das gelungen?
Mit unterschiedlichem Erfolg. In den Kirchenämtern und unter den entwicklungspolitisch Engagierten ist der EED natürlich bekannt. Aber er muss in den Kirchen noch stärker verwurzelt werden. Vielen Gemeinden ist der EED noch nicht so sehr im Bewusstsein.
Was kann man tun, um das zu ändern?
Das ist eine gute Frage. Ich sehe zwei Ansatzpunkte: Erstens die Kooperation mit den Gemeinden und Kirchenkreisen, die Partnerschaften haben. Durch gemeinsame Arbeit lernt man sich besser kennen. Zweitens sollten die Gemeinden permanent über die Arbeit des EED und über entwicklungspolitische Anliegen informiert werden. So werden die Ansprechpartner in den Gemeinden zu Botschaftern des EED vor Ort.
Geriete der EED dann nicht in Konkurrenz zu Brot für die Welt?
Diese Konkurrenz besteht sowieso. Warum sollen nicht dieselben Personen beide Werke vertreten? Wer in den Gemeinden für die Arbeit von Brot für die Welt zuständig ist, kann auch über den EED und seine Anliegen informieren.
In der rheinischen Landeskirche scheint der Kirchliche Entwicklungsdienst (KED) recht gut verankert zu sein. Die KED-Beiträge sind hoch...
In dieser Hinsicht bin ich nicht sehr stolz auf unsere Landeskirche. Der Anteil ihrer KED-Leistungen am Kirchensteueraufkommen geht zwar nicht zurück, wohl aber die Leistungen in absoluten Zahlen. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass viele Gemeinden Partnerschaften haben und die Mittel dafür ebenfalls knapp werden. Da ist die Versuchung sehr groß, den Mangel bei eigenen Partnerschaftsprojekten aus KED-Mitteln auszugleichen. In der rheinischen Landeskirche entscheiden die Gemeinden, nicht die Landessynode, über die Beiträge zum KED. Das Hemd ist manchen da näher als der Rock.
Sehen Sie dringende Aufgaben beim Thema Strukturen des EED bzw. des KED?
Das Entscheidende ist, für eine zuverlässige, stabile Finanzierung des EED als Gemeinschaftswerk des kirchlichen Entwicklungsdienstes zu sorgen. Das hat hohe Priorität.
Sie erwarten, dass die KED-Beiträge weiter sinken?
Ja, das erwarte ich. Das größte Problem ist aber ihre Zuverlässigkeit. Bisher entscheidet jede Landeskirche jedes Jahr, wie viel sie für die Gemeinschaftsaufgabe KED bereitstellt. Man spricht jetzt darüber, diese Beiträge in eine verbindliche Umlage umzuwandeln. Das hieße allerdings, dass die EKD-Umlage steigen müsste, die Landeskirchen müssten also einen höheren Anteil ihrer Einnahmen an die EKD überweisen. Da die Einnahmen sinken, passt das nicht in die Landschaft. Aber andererseits: Kann man die Finanzierung einer langfristigen Gemeinschaftsaufgabe immer neuen jährlichen Entscheidungen überlassen?
Die Bundesregierung stellt dem EED wachsende Mittel für Projekte zur Verfügung, die Kirchen müssen aber die Verwaltungskosten tragen. Besteht die Gefahr, dass der EED wegen des Rückgangs der KED-Mittel das nicht mehr kann und die Bundesmittel nicht ausschöpft?
Diese Gefahr besteht. Genau dieses Problem meine ich, wenn ich eine zuverlässige Finanzierung anmahne. Es wäre sehr ärgerlich, wenn die staatliche Entwicklungshilfe endlich steigt, und wir könnten das Geld nicht nutzen, weil die nötigen KED-Mittel fehlen. Das habe ich auch im Januar der Synode unserer Landeskirche gesagt.
Ist das Verhältnis des EED zu Brot für die Welt noch ein Diskussionspunkt?
Auf einen Zusammenschluss beider Werke hat vor allem der Rat der EKD gedrängt, aus guten Gründen: Das soll Synergieeffekte bringen und Geld sparen. Ich bin mir aber nicht sicher, wie viel wirklich gespart wird, wenn Einheiten eine gewisse Größe überschreiten. Der EED und Brot für die Welt haben in ihrem Verhältnis zueinander einen modus vivendi gefunden. Die Zusammenarbeit beider Organisationen auf der Arbeitsebene ist gut. In dieser Frage brauchen wir jetzt erst einmal Ruhe. Man darf nicht andauernd nur über die Veränderung von Strukturen diskutieren.
aus: der überblick 01/2006, Seite 103
AUTOR(EN):
die Fragen stellte Bernd Ludermann