Vom Aufstieg der philippinischen Zuckerindustrie und ihrem Niedergang
Der Zuckerrohranbau und seine Verarbeitung haben die Wirtschaft der Insel Negros geprägt. Für die Arbeiter ist von den Gewinnen wenig abgefallen. Und seit die Weltmarktpreise für Zucker stark gefallen sind, ist der Erwerbszweig in der Krise. Ob es sinnvoll ist, die Zuckerproduktion mit Schutzzöllen am Leben zu halten, ist fraglich, denn das bedeutet höhere Kosten für Industriezweige, die Zucker verbrauchen - zum Beispiel die Getränkeindustrie.
von Dr. Günter Spreitzhofer
Reynel "Huggy" Hugnatan ist der Michael Jordan von Bacolod. Und Ruel "Bebing" Brauo wohl bald sein Nachfolger, wie Raol Ildefonso, schwerbewaffneter Wachmann vor den rostigen Toren der Ma-ao Sugar Central, mit glänzenden Augen erzählt. Im altehrwürdigen Zuckermuseum von Negros Okzidental in Bacolod haben die Negros Slashers, 1998 Basketball-Champion der philippinischen First Southern Conference, mittlerweile ein Ehrenzimmer mit Trophäen und Spielerporträts bekommen. Dazu eine grelle Ehrentafel vor der Kathedrale San Sebastian, mit den besten Wünschen für das neue Millennium.
Sonst bleibt wenig zu feiern, denn die glorreichen Zeiten der Zuckerbarone scheinen so sehr Vergangenheit wie die vergilbten Aufnahmen prunkvoller Haciendas der frühen zwanziger Jahre, als die ehemalige spanische Kolonie zum weltgrößten Zuckerproduzenten aufstieg. Der klassizistische Prunkbau in zartem Hellrosa – mit steinernen Zuckerarbeitern anstelle griechischer Gottheiten am Sims – ist zum kuriosen Symbol der Vergangenheit geworden: Von 1925 bis 1970 Sitz der Gouverneure von Negros, liegt er heute längst nicht mehr im Zentrum der rasch wachsenden 300.000-Einwohner-Stadt und verschwindet eingezäunt unter tropischer Blumenpracht. Das ehemalige Kapitol schläft einen Dornröschenschlaf.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Negros vom tropischem Regenwald überwuchert. Dann brachte Nicholas Loney die ersten Maschinen für Zuckerproduktion und legte damit den Grundstein zum Aufstieg von Zucker als wichtigstes Cash-Crop der Philippinen. Seitdem veränderten zunächst die ersten Zucker-Monokulturen und danach auch andere koloniale Anbauprodukte wie Kaffee und Kakao die Landschaft am Fuß des Kanlaon-Vulkans. Im späten 19. Jahrhundert entstand die Planter-Miller-Kooperation: Die Zuckerrohrpflanzer (Planters) verpflichteten sich, die Hälfte ihres Landes mit Zuckerrohr zu bepflanzen, und erhielten dafür 50 bis 70 Prozent des Ertrages; die Zuckerfabrikanten (Millers) profitierten zu 30 bis 50 Prozent und garantierten im Gegenzug den Abtransport des Zuckerrohrs. Dazu legten sie ein privates – ausschließlich güterorientiertes – Schienennetz von über 700 km über die Insel.
Solange beide Seiten profitierten, lief die Zusammenarbeit gut. Die Exporterlöse der Zuckerverfrachtungen nach Japan, China, Australien, Großbritannien, Kanada und vor allem in die USA sorgten für einen Zuckerboom, der die Haciendas der wenigen Zuckerbarone mit dem Luxus der Alten Welt füllte. Doch der eigentliche Aufstieg zur Zuckerweltmacht kam aber erst einige Jahrzehnte später. Der enorme Anstieg der Exporte nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt sich zum Beispiel in den Produktionszahlen der Großplantage Hacienda San Ildefonso de Minulman. Noch 1945 produzierte sie in fünf Zuckerfabriken 12.884 Tonnen, 1958 waren es in 25 Fabriken bereits 1.313.081 Tonnen.
Die Vereinbarungen der Anfangsjahre wurden allzu bald geflissentlich missachtet. Die fünfziger und sechziger Jahre wurden die goldene Zeit einiger Zuckertycoone, deren Einfluss bis in das Umfeld des philippinischen Präsidenten reichte. Roberto Benedicto und andere Protegées von Präsident Marcos beuteten das Land nach Verhängung des Kriegsrechts 1972 hochoffiziell aus, bis ein auslaufendes Handelsübereinkommen mit den USA der geschützten Zuckerindustrie erstmals die Spielregeln des freien Marktes aufzeigte: Der bis 1974 mit Quoten garantierte Zugang zum amerikanischen Markt wurde aufgehoben.
Selbst in Boomjahren bekamen Saisonarbeiter gerade genug zum Überleben, ansonsten gar nichts – ein System der sozialen Ausbeutung, das bis 1985 einige Tycoone mit schmutzigweißer Weste in blütenweißen Cadillacs hervorbrachte. Dann fielen die Weltmarktpreise für Zucker so rapide, dass sich nicht einmal mehr das Schneiden der Ernte rechnete. Zusätzlich sorgte die zunehmende Attraktivität des Zuckerersatzstoffs HFCS (High Fruktose Corn Syrup) und synthetischer Süßstoffe vor allem beim Haupthandelspartner USA für schwindendes Interesse an südostasiatischem Zucker. Die Strukturschwächen der philippinischen Zuckerindustrie traten überdeutlich zu Tage: veraltete Produktionstechniken, fehlende Marktorientierung eines lange geschützten Bereiches sowie Monopolisierung durch das Marcos-Regime. Auch heute noch liegt der Hektarertrag bis zu 40 Prozent niedriger als auf vergleichbaren Zuckerplantagen in Indonesien oder Indien.
Ein Viertel der insgesamt einer Million Sacadas, der Tagelöhner auf den Plantagen, die vielfach als Wanderarbeiter aus anderen Teilen des Inselarchipels der Visayas saisonal zuzogen, war mit einem Sensenschlag arbeitslos; die Dumaan wiederum, die festen Arbeitskräfte einer Hacienda und de facto im Besitz des Hacienderos, gerieten noch tiefer in die Schuldenfalle. Im Vorgriff auf den Lohn der nächsten Saison wurden sie mitsamt ihren Familien traditionell auch in Zwischenerntezeiten von den Hacienderos versorgt.
Weil es keine Notprogramme der Regierung gab und die Hacienderos sich weigerten, ihr Land dem Getreideanbau zu öffnen, zogen viele Negrenser in die Berge, um sich den Guerillas der National People’s Army (NPA) anzuschließen, die nicht nur gegen die Regierung kämpfte, sondern bald den Status einer Sozialinstitution einnahm. Auch in den Städten kam es zu gewalttätigen Übergriffen. Antonio Fortich, streitbarer Bischof von Bacolod, organisierte nach 1985 Lebensmittelverteilungen, fand daraufhin seinen Bischofspalast brennend wieder und überlebte einige Bombenattentate – die Todesschwadronen, Privatarmeen der Hacienderos, bekämpfen seitdem Gewerkschafter und Landreformer mit allen Mitteln. Die Insel galt stärker denn je als das Armenhaus der Philippinen, und Corazon Aquino kündigte nach ihrer Wahl zur Staatspräsidentin eine umfassende Landreform an – doch die Cojuangcos, Aquinos Verwandte, besaßen die Hacienda Luisita, mit 16.000 ha die größte Zuckerplantage der Philippinen, was den Reformwillen rasch beendete.
Die staatlich festgelegten Mindestlöhne interessierten die Pflanzer auch weiter nicht. So bestimmten wenige Männer über Wohl und Wehe der gesamten Insel: Sieben Prozent der Pflanzer besitzen die Hälfte aller Ländereien. Gleichzeitig waren bis in die neunziger Jahre zwei Drittel der Kinder auf Negros unterernährt – 85 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, was die Filipino National Food Authority (NFA) im vergangenen November zu Hilfsprogrammen für arbeitslose Zuckerarbeiter veranlasste.
Die Politik propagiert derzeit die wirtschaftliche Neuorientierung auf Rattanmöbel und Garnelenzucht, angeblich potenzielle Exportschlager und Hoffnungsperspektive für Negros. Einer Zukunft mit Penaeus monodon, der schwarzen Tigergarnele, sehen die gestandenen Pflanzer allerdings mit Argwohn entgegen. Der Arbeitskräftebedarf der Keramikfabriken Bacolods ist begrenzt, und auch der Tourismus kommt nicht in Gang. Die Zuckerbarone bevorzugen Florida und philippinische Binnentouristen die Küstenressorts. Einseitige Monokulturen haben Bodenerosion, Rodung und den Verlust der Biodiversität vorangetrieben und zur Ausrottung von über einem Drittel der Schnecken- und Vogelarten auf Negros beigetragen. Die heißen Schwefelquellen sind verlassen, und Edwin Gatia vom Negros Mountaineering Club (NMC) hat wenig zu tun. Auch das herbstliche Masskara-Fest konnte Negros noch keine andere Identität geben: Von den jährlich zwei Millionen Touristen auf den Philippinen verschlägt es nur einen Bruchteil nach Negros Okzidental.
450.000 Hektar, mehr als die Hälfte der Landfläche, sind heute immer noch dem Anbau von Zuckerrohr gewidmet, und nach wie vor schuften Zuckerarbeiter auf den Feldern. Negros produziert auch heute noch 60 Prozent des philippinischen Zuckers. Winter ist Erntezeit, doch Winter heißt immer noch Nachttemperaturen von 30 Grad Celsius. Auf den abgeernteten Felder lodern noch Glutnester, die nach der Ernte die letzten dürren Stängel verbrennen sollen. Traktoren mit riesenhaften Sonnendächern ackern durch die kahlen Weiten, einige wenige Wasserbüffelkarren plagen sich durch die Staubwolken hinter uralten Lastwagen, die sich auf kerzengeraden Schlaglochpisten vollbeladen den Weg bahnen. Über den rostigen Schornsteinen der HPS, der Hawaiian-Philippine Sugar Co., schweben weiße Rauchfahnen. Beißend-süßlicher Geruch liegt in der Luft und mischt sich mit den bläulichen Abgasen der vollbesetzten Jeepneys, pittoresken Relikten der US-Besatzer, die die einzige Anbindung der Werkssiedlung zur Hauptstraße bieten. Es gibt eigene Schulen, eigene Basketballplätze, eigene Werksmärkte wie den Pepsi Hope Market, wo Softdrinks den Rekordtiefstpreis von fünf Pesos kosten und trotzdem niemand mehr kauft. No money, sagt Corejo und presst sich wieder ein feuchtes Tuch gegen das Gesicht: It stinks.
Ohne Genehmigung der Werksverwaltung in Silay City gibt es keinen Zutritt, erklärt der Mann mit Spiegelbrille am Stacheldrahtzaun grimmig, bevor er sich wieder dem Kartenspiel mit seinen Kollegen widmet. Die Runde hockt im Schatten eines knallroten LKW-Oldtimers, der unter der Last des Zuckerrohres knapp vor den rettenden Eisenbahnkränen zusammengebrochen ist. Achsbruch, you know, vor drei Wochen. Wie von Geisterhand betrieben schwanken plötzlich Schmalspur-Waggons hinter pfeifenden Dampfloks vorbei. Baujahr 1920, Henschel 0-6-0. Diese blau-schwarz lackierten Ungetüme, im Zweiten Weltkrieg vor den Japanern im Dschungel erfolgreich verborgen, versehen noch heute fauchend ihren Hochsaisondienst. 180 km Streckenlänge hat das Schienennetz der HPS, gar 349 km das der Victorias Milling Company (VMC), das längste der Welt, das mittlerweile mit Hilfe von Radar ferngesteuerte Transportbewegungen erlaubt.
1919 von Don Miguel Ossorio gegründet, war die VMC die modernste Anlage ihrer Zeit. Mit eigenen Forschungsabteilungen und Hafenanlagen wurde die VMC 1929 zum ersten regelmäßigen Zuckerexporteur in die USA. 1946 nahm die VMC die Produktion wieder auf und expandierte weit über den eigentlichen Zuckermarkt hinaus: Man engagierte sich im Agrobusiness (Schweine- und Rinderzucht, Düngerproduktion, Aquakulturen), im Schiffszubehör, in der Lebensmittelweiterverarbeitung, sogar in Management und Consulting. Die sogenannte VMC Walkers Mill, vom australischen Konzern Walkers Limited technisch aufgerüstet, machte das Unternehmen zur führenden Zuckerfabrik des Landes – ein Modernisierungsprogramm, das nach der Liberalisierung des Zuckermarktes 1993 zur Überlebensstrategie wurde. Der permanente Verfall der Zuckerpreise zwang das Unternehmen, sämtliche Projekte außerhalb der eigentlichen Zuckerproduktion weitgehend einzustellen: Schulen, Reedereien und der gesamte Bereich des Agrobusiness wurden ausgegliedert, um mittelfristig weltweit wieder konkurrenzfähig zu werden.
Die VMC ist immer noch die Vorzeigezuckerfabrik von Negros. Regelmäßige Führungen für jedermann sind möglich, vorausgesetzt interessierte Besucher zeigen sich ohne Sandalen, Minirock oder Shorts. Ein Gästebuch ohne Eintragungen, auch wenn sich angeblich Besucher aus aller Welt die Klinken in die Hand geben. Germany and France waren zuletzt da, wie Manolo, der Türsteher (blütenweißes Hemd, schmutzigweißer Colt), stolz verkündet. Das ist Monate her, doch so lebhaft in Erinnerung, als ob es gestern gewesen wäre. Im Mini-Souvenirshop nebenan finden sich VMC-Kappen, VMC-Shirts und VMC-Feuerzeuge. No pictures, please.
Mit einem Einzugsbereich von 70.000 Hektar deckt die VMC Walkers Mill fast 60 Prozent des täglichen Zuckerbedarfs der Philippinen, könnte täglich 15.000 Tonnen Zuckerrohr verarbeiten und damit 1500 Tonnen Zucker produzieren – weiterverarbeitet 27.000 50-kg-Säcke Raffineriezucker. Nach Werksangaben ist die VMC die modernste Zuckerraffinerie Asiens, "vielleicht der Welt". Über 200 Pesos bekommen die Arbeiter für einen 8-Stunden-Tag, "viel mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen 150 Pesos", dazu Schweinefleischgeschenke zu Weihnachten, wie der distinguierte Herr Rodriguez vom VMC Public Affairs and Media Services Department nicht müde wird zu betonen. Krise? Ja, die gibt es, und zwar seit 1996, als ausländischer Billigzucker den Markt überschwemmte. Dazu kommt seit geraumer Zeit auch El Niño, der Negros extreme Trockenheit bringt und die Ernten weiter reduziert. 600 Fabrikarbeiter wurden seit 1996 entlassen, mehr als zwei Drittel der Belegschaft. Aber schauen Sie sich doch lieber unsere neue Fabrik an, neue Generatoren aus Australien, hygienischer Mundschutz des Raffineriepersonals, Helmpflicht draußen an den Entladerampen. Herr Rodriguez trägt keinen Helm. Herr Rodriguez kann wegen des unsäglichen Lärms in den Hallen leider keine unangenehmen Fragen zur Lage der Entlassenen verstehen. Herr Rodriguez hat sofort nach der Führung Dienstschluss. Sorry Sir, good bye. Die 231 Millionen US-Dollar Schulden des Betriebes hat er vergessen zu erwähnen.
Die Rollbalken der meisten anderen Zuckerfabriken auf Negros sind schon länger herunten. Lokalaugenschein in der
Maao Sugar Central, 50 Jeepney-Minuten und 17 Pesos (eine Mark) von Bacolod entfernt: Raol und seine 32 Kollegen vom Sicherheitsdienst beschützen eine rostige Fabrikruine vor der Plünderung. Uralte Oldtimer der werkseigenen MSC-Fire Brigade hinter zerborstenen Toren, und Dampflokomotiven, die der Dschungel längst wieder in Besitz genommen hat. Raol klettert auf den rostigen Tender und hackt mit einer Machete die Heizerkabine frei. Erst im Juli 1999 war das Werk geschlossen worden, das in Raols Jugend, in den Achtzigern, 900 Menschen beschäftigt hat. Dann waren es 500. Und dann finish, wie er in gebrochenem Englisch erklärt. Maybe they open next year again, they did not tell me. Hoffnung muss erlaubt sein.
Das Dilemma hat viele Gesichter: Die Mehrzahl der Zuckerfabriken ist wegen mangelnder Rentabilität und überhoher Produktionskosten geschlossen, andererseits benötigen zahlreiche weiterverarbeitende Industrien – etwa die boomende Getränkeindustrie (35 Prozent Verkaufszuwachs 1999), Zuckerwaren oder Fertigsoßen – derzeit mehr Zucker, als national erwirtschaftet werden kann. Die Philippinen, noch vor zwei Jahrzehnten unter den vier größten Zuckerexporteuren der Welt, sind zum Nettoimporteur geworden und importierten allein 1998 200.000 Tonnen Zucker, davon ein Großteil aus Thailand.
Eine Tarifanpassung sorgte im Vorjahr für Aufregung: Mit dem Präsidentendekret EO 87, zum Schutz der heimischen Zuckerindustrie erlassen, stiegen die Preise für Importzucker um bis zu 90 Prozent, der Zuckerpreis blieb dadurch, bei stetig fallenden Weltmarktpreisen, künstlich hoch – und die Wettbewerbsfähigkeit der weiterverarbeitenden Industrien weiter niedrig: ein Teufelskreis. Macht es sozialökonomisch Sinn, rund 400.000 Arbeitsplätze in der heimischen Getränkeindustrie aufs Spiel zu setzen, um (vielleicht) etwa 600.000 Jobs in der Zuckerindustrie kurzfristig abzusichern, die zudem der philippinischen Nationalökonomie nur ein Viertel der Wertschöpfung bringt? Selbst nach der Schutztariferhöhung ist Importzucker aus Thailand immer noch billiger als die heimische Produktion. Eine Exportausweitung in den EU-Raum wiederum scheitert daran, dass die Philippinen nicht zu den AKP-Staaten gehören (einer Gruppe ausgewählter Länder aus dem afrikanischen, pazifischen und karibischen Raum), mit denen ein Handelsverträge bestehen.
Bei der Vorzeigegesellschaft VMC scheint die ungewöhnliche Wandmalerei des Angry Christ in der VMC-Werkskapelle "Hl. Josef der Arbeiter", die seinerzeit schon im Life-Magazin internationale Aufmerksamkeit erregt hat, noch ein Spur grimmiger zu blicken als sonst. Das modernistische Gotteshaus in Victorias ist eine Fertigteilbetonkonstruktion am Rande der Werkssiedlung, umgeben von wogendem Zuckerrohr. Heißer Wind. Schweigen. Der chromblitzende Leichenwagen der Silay Lasting Peace Mortuary, eine strahlendweiße Chevy-Stretch-Limousine mit Sarg und Kerzenständer, rollt fast lautlos vorbei. Sugar baby, bye, bye.
Zuckerproduktion:Überschuss auf dem WeltmarktDie Weltlagerbestände an Zucker betrugen Ende 1998 etwa 40 Prozent eines Jahresverbrauchs. Der Weltmarktpreis sinkt weiter dramatisch; 1998 betrug er zeitweise lediglich rund 15 Pfennig pro Pfund, verglichen mit 1,20 Mark Mitte der siebziger Jahre. Die Preissenkungen einiger Produzenten - zur Reduzierung der Lagerbestände - und die zögernde Nachfrage sorgten für eine weitere Verschärfung des Preisdrucks. Zunehmendes Gesundheitsbewusstsein und die Konkurrenz anderer Süßstoffe wird den Zuckerverbrauch auch im Jahr 2000 stagnieren lassen. In den meisten westlichen Industriestaaten ist der Verbrauch von Zucker rückläufig, Treibstoff-Alkohol aus Zucker gilt aus ökologischen Gründen (Monokulturen!) nicht mehr als nachhaltige Alternative. Die hohen Zuckerüberschüsse innerhalb der EU sind nur durch drastische Ausfuhrsubventionen abzusetzen. In Deutschland lag der Selbstversorgungsgrad 1998 bei 145 Prozent. Trotz eines leichten Anstiegs des Zuckerkonsums auf jährlich 33,5 Kilogramm pro Person blieb hier die Kluft zwischen der Produktion (4100 Millionen Tonnen.) und dem Verbrauch (2800 Millionen Tonnen) enorm. gs |
aus: der überblick 02/2000, Seite 76
AUTOR(EN):
Dr. Günter Spreitzhofer:
Dr. Günter Spreitzhofer hat Geografie und Anglistik in Wien studiert. Er hat zahlreiche Studienreisen nach Asien unternommen und ist freier Mitarbeiter an Forschungsprojekten der Universität Wien, zuletzt zum Thema "Migration in Megastädte der Dritten Welt". Demnächst erscheint sein Buch "Metro-Jakarta: Zwischen Nasi und Nike".