Ein mühsamer Hürdenlauf
Nach der Unabhängigkeit hat Indien seine Energieversorgung von internationalen Konzernen unabhängig gemacht und dann auf heimische Energieträger gesetzt, vor allem auf Kohle. Der Ausbau der Energie-Infrastruktur wurde zentral geplant, und mit Hilfe von Subventionen sollte die Energie auch Armen zugänglich gemacht werden. Inzwischen aber behindern die dadurch entstandenen Strukturen Reformen für eine zukunftsfähige Energieversorgung.
von Pooja Mehrotra
Die Energiepolitik Indiens ist nach der Unabhängigkeit 1947 Teil der Entwicklungsstrategie des Landes und Ausdruck der politischen Bestrebungen einer demokratischen Gesellschaft gewesen, die die koloniale Herrschaft gerade hinter sich gelassen hatte. Notwendigerweise erhielten Überlegungen der Verteilungsgerechtigkeit deshalb Vorrang vor Effizienz. Dies ist nun zu einer mächtigen Hürde für Reformen geworden - vor allem seit eine stärkere Marktorientierung politisches Gewicht erlangt hat.
Als Indien 1947 unabhängig wurde, stand dem Land lediglich eine Stromversorgung in Höhe von 1360 Megawatt (MW) installierter elektrischer Leistung zur Verfügung (das entspricht der Leistung eines einzigen deutschen Großkraftwerkes; Anm. d. Red.). Diese waren den Metropolen und wichtigsten Städten vorbehalten. In den Dörfern gab es keinen elektrischen Strom, was 85 Prozent der Bevölkerung von der Stromversorgung ausschloss. Die Ölindustrie wurde von multinationalen Unternehmen beherrscht, deren Vorstellungen sich deutlich von den in den Regierungsplänen formulierten Zielen unterschieden. Unter anderem deshalb bestimmte die Denkweise, die in der "Entschließung zur Industriepolitik" von 1956 zum Ausdruck kommt, bis in die frühen neunziger Jahre die Trends der indischen Energiepolitik. Nach diesem Denken sollte die Befehlsgewalt über die wirtschaftliche Entwicklung bei der Regierung bleiben.
Als Konsequenz daraus wurde in großem Umfang in den Ausbau der Infrastruktur zur Energieversorgung, in die Erschließung und Ausbeutung von Erdölvorkommen, in Kohlebergwerke und - in jüngerer Zeit - auch in unkonventionelle Formen der Energieerzeugung investiert, ohne solche Kosten über entsprechende Einnahmen auszugleichen. Infolge dieser Politik nahm zwar die heimische Energieerzeugung und -versorgung stark zu. Die Energieunternehmen, die dafür sorgten, wuchsen schnell, aber ihre Liquidität reichte nicht aus, und sie zeigten Schwächen im Wettbewerb. Weil die Gestaltung der Energiepreise in den Händen der Regierung verblieb, förderten Subventionen die Entstehung einflussreicher Interessengruppen, die heute ein Haupthindernis auf dem Wege zu einer sachlich begründeten Preisbildung sind.
Die Vervierfachung der Rohölpreise in den Jahren 1973-74 nach Verknappung des Ölangebots durch die OPEC musste an die Konsumenten weitergereicht werden. Die Regierung beschloss aber, den Preis für Petroleum nicht zu erhöhen, weil die Armen auf diesen Brennstoff angewiesen waren. Folglich mussten die Verbraucher anderer Erdölerzeugnisse den gesamten Preisauftrieb verkraften. Die Benzinpreise wurden entsprechend stärker angehoben als die für andere Ölprodukte, weil nur die relativ Wohlhabenden private Automobile besaßen. Diese Form der Quersubventionierung ist fortgesetzt worden und wird voraussichtlich Probleme verursachen, wenn die Ölpreise ab April 2002 nicht mehr von der Regierung kontrolliert werden.
In den späten sechziger Jahren wurden die ländlichen Gebiete an die Stromnetze angeschlossen und die Strompreise dort ähnlich subventioniert. Damit wollte man der Grünen Revolution zum Durchbruch zu verhelfen, für die große Mengen Wasser benötigt wurden. Die Bauern konnten nun elektrische Pumpen zur Förderung von Grundwasser zu niedrigen Kosten betreiben. Diese Politik hatte Erfolg und die Grundwasserreserven wurden im großen Maßstab genutzt. In vielen Gegenden hatte das aber Raubbau an den Grundwasserreserven zur Folge. Außerdem wurden die staatlichen Elektrizitätsversorger in den einzelnen Bundesstaaten geschwächt, weil die von ihnen zu leistenden Subventionen eine große finanzielle Belastung bedeuteten und damit gleichzeitig ihre Verantwortung für die Rentabilität unterhöhlt wurde.
Im Rahmen ihrer Reformbemühungen seit 1991 versuchte die Regierung, die Subventionen abzuschaffen oder verlangte zumindest, dass die Bundesstaaten diese übernehmen und nur bestimmte Konsumentengruppen stützen sollten, sofern sie das für wünschenswert oder gerechtfertigt hielten. Aber die starke Bauernlobby behinderte Fortschritte in dieser Richtung. Immer wieder konnte sie eine Vertagung solcher Maßnahmen durchsetzen.
Interessanterweise haben die reichsten Landwirte am meisten von den Subventionen profitiert. Dank der 700 Millionen Landbewohner in Indien waren sie nämlich in der Lage, wirksamen politischen Druck auf die Regierung auszuüben, um den Status quo aufrecht zu erhalten. Mittlerweile besteht die Tendenz, die Energiepreise in den meisten Bundesstaaten unabhängig von Delhi zu regulieren. Diese institutionelle Veränderung wird zu einer sachgerechteren Gestaltung der Preise führen; aber die Veränderungen werden nicht über Nacht geschehen, noch werden sie ungehindert vonstatten gehen.
Weil das Preisgefüge verzerrt und die einheimische Industrie lange Jahre vor Konkurrenz geschützt war, haben die Unternehmen die Kosten einer geringen Effizienz über Preiserhöhungen auf die Konsumenten abwälzen können. Das änderte sich jedoch in den neunziger Jahren im Zuge der wirtschaftlichen Liberalisierung, in deren Folge sich die Energieeffizienz im industriellen Sektor stetig verbesserte, in einigen Fällen sogar rapide. Das Energieeinsparungsgesetz, das derzeit im Parlament beraten wird, wird solche Fortschritte noch beschleunigen. Denn das Gesetz erlaubt es der Regierung, Anreize zu schaffen oder regulierende Maßnahmen zu ergreifen, um die Energieeffizienz in jeder Branche zu verbessern.
Auf die von ausländischen Konzernen beherrschte Ölindustrie übte die Regierung nach der Unabhängigkeit Druck aus, sodass diese Unternehmen in den fünfziger Jahren drei Raffinerien in Indien selbst bauten. Das führte jedoch nicht wie erwartet zu einer Preissenkung bei Ölprodukten, weil die Entscheidungsgewalt über die Preisgestaltung bei den Ölmultis verblieb. Aber immerhin schaffte es die Regierung, dass die Ölfirmen nach Fertigstellung der Raffinerien ab 1960 Rohöl anstelle von raffinierten Produkten importierten. Aber wegen wachsender Ölnachfrage wurden trotzdem die Devisen knapp. Deshalb schloss die Regierung eine Barter-Vereinbarung, ein Warentauschgeschäft, mit der Sowjetunion ab, die Rohöl im Austausch gegen indische Waren liefern sollte. Als die multinationalen Konzerne diesen Schritt ablehnten, beschloss die indische Regierung, das Land aus dem Würgegriff der ausländischen Konzerne zu befreien und auf eigene Staatsunternehmen zu setzen.
Schon 1956 war das indische Unternehmen Oil and Natural Gas Corporation (ONGC) mit technischer Unterstützung der Sowjetunion gegründet worden. Die Entdeckung des Erdgasfeldes Cambay im Jahre 1958 war der erste bedeutende Schritt auf dem Weg zur nationalen Kontrolle über die Erkundung und Ausbeutung von Öllagerstätten. 1970 begann die ONGC mit Ölbohrungen in dem unter dem Meeresboden liegenden Gebiet Alibet Bed West Struktur.
Nach dem Ölpreisschock von 1973/74 wurden die Verringerung der Ölimporte und mehr Sicherheit bei der Versorgung als vorrangig erachtet. Deshalb ergriff man folgende Maßnahmen: Erstens wurde die Produktion erhöht und die Erschließung heimischer Ölreserven intensiviert. Zweitens wurde ein spezielles Preisbildungssystem geschaffen, um den heimischen Markt von den Schwankungen der Weltmarktpreise zu isolieren und stabile Inlandspreise zu garantieren. Drittens wurde 1975 die Vereinigung zur Entwicklung von Einsparprogrammmöglichkeiten bei Benzin gegründet, um Bewusstsein dafür zu wecken, dass der Ölverbrauch verschwenderisch ist und die Umwelt geschützt werden muss. Die Vereinigung sollte außerdem brennstoffsparende Technik entwickeln und anwenden.
Bald wurde der Bedarf an zusätzlichen privaten Investitionen spürbar, da die Nachfrage nach Ölprodukten ständig anstieg und der Staat das nötige Geld für die Erschließung neuer Reserven nicht aufbringen konnte. Ausschreibungen aber blieben über Jahre erfolglos. Erst im Jahr 1995 war die Regierung in einer neunten Verhandlungsrunde bereit, mittels Gemeinschaftsunternehmen das Risiko für private Investoren zu reduzieren und die ONGC als Partner und Risikoträger anzubieten. Gegenwärtig werden etwa zehn Prozent des gesamten Öls und Erdgases von Privatfirmen und Gemeinschaftsunternehmen gefördert und aufbereitet. Um die heimische Öl- und Erdgasproduktion noch mehr zu steigern, führte die Regierung 1997 die "Neue Erschließungs- und Lizenzpolitik" ein und bot den Firmen Lose zu attraktiven Bedingungen an.
Bei Raffinerien lässt die Regierung seit 1987 private Investitionen zu. Das erste Gemeinschaftsunternehmen zwischen einer privaten und einer halbstaatlichen Firma wurde 1996 zugelassen. Ab 1998 benötigten private Unternehmen keine staatlichen Lizenzen mehr, um Raffinerien zu betreiben. Deren Raffineriekapazität beträgt derzeit rund 112 Millionen Tonnen Öleinsatz im Jahr.
Um die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zu schließen, wurden 1993 private Parallelmärkte unter anderem für Petroleum und verflüssigtes Erdgas zugelassen. Der Vertrieb wurde dereguliert und privaten Anbietern gestattet, diese Produkte zu importieren und ohne Preisbindung zu vermarkten. Den privaten Anbietern ist es zwar gelungen, im kommerziellen und industriellen Bereich konkurrenzfähige Strukturen aufzubauen; bei der Belieferung von Privathaushalten haben sie jedoch keine merklichen Fortschritte gemacht. Das liegt an den Subventionen, die die Regierung mittels der staatlichen Preisregulierung bei Verkäufen an Endverbraucher weiterhin ausschüttet. Da die städtischen Märkte mit Flüssiggas ausreichend versorgt sind, vermarkten private Anbieter Flüssiggas nur in ländlichen Regionen. So profitieren nur Verbraucher in den Städten von den Subventionen für Flüssiggas, während die arme Landbevölkerung ihren privaten Lieferanten Marktpreise zahlen muss.
Subventionen und Quersubventionen haben nicht nur zu Verwerfungen im Preisgefüge geführt, sondern auch zur Energieverschwendung. Der Mangel an politischem Willen, die Preise etwa bei Dieselkraftstoff zu erhöhen - was wegen der Bauernlobby politisch heikel ist -, hat zu gefährlich hohen Defiziten im staatlichen Haushalt für den Ölsektor geführt. Dabei war man ursprünglich davon ausgegangen, dass die Subventionspolitik durch eine Mischkalkulation kostenneutral zu haben sei. Darüber hinaus hat die Preisbindung nur wenig Anreize geliefert, die Produktivität zu steigern und Energieverluste zu mindern; sie hat den Wettbewerb abgewürgt und das Land von den Weltmärkten abgeschnitten. Weil sich Investitionen in der Ölbranche nicht bezahlt machten, wurden Forderungen nach Deregulierung lauter. Die Regierung entwickelte dafür zwar Pläne, setzte sie aber zunächst nicht um.
Jetzt ist eine weitgehende Deregulierung der Treibstoffbranche für den 1. April 2002 vorgesehen. Nach diesem Stichtag ist es jedem Unternehmen freigestellt, Kraftstoffe zu vermarkten und bis zu 20 Millionen Rupien (umgerechnet etwa eine Million Euro) in Raffinerien oder eine andere industrielle Energie-Infrastruktur zu investieren oder jährlich bis zu drei Millionen Tonnen Rohöl zu produzieren. Der Erfolg der Deregulierung hängt jedoch davon ab, ob anschließend genug Wettbewerb am Markt herrschen wird. Dazu müssen Fragen des Zugangs zu Pipelines, der Vertriebsstrukturen und der Umsatzsteuertarife geklärt werden. Auch nach der Deregulierung plant die Regierung, Subventionen - wenngleich geringere - beizubehalten, um sicherzustellen, dass alle sich die zum Leben notwendige Energie leisten können. Da jedoch kein System für den zielgenauen Einsatz der Zuschüsse beschlossen wurde, wird es wieder zu Subventionsmissbrauch kommen.
Aufgerüttelt durch die Energiekrise in den neunziger Jahren, hat die Regierung die Frage der Sicherheit der Energieversorgung neu aufgeworfen und strebt verstärkt eine Diversifizierung der Energieversorgung an. Zu diesem Zweck war bereits 1989 die ONGC Videsh Ltd, eine hundertprozentige Tochter der ONGC, gegründet worden. Die Firma ist im Ausland tätig, wo sie potenzielle Öllagerstätten erkundet und erschließt sowie Ölförderung betreibt. Das Unternehmen ist an der Erkundung von Projekten in Sachalin und im Kaspischen Becken beteiligt. Zudem ist es in Gemeinschaftsunternehmen zur Erkundung von Vorkommen im Irak und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) eingestiegen. Schließlich hält es Anteile an einem Gasprojekt in Vietnam und einem Ölfeld im Oman. Ferner gibt es Pläne für Erdgaspipelines von Bangladesch und dem Iran aus nach Indien - letztere durch Pakistan.
Um umwelt- und gesundheitsschädliche Folgen des Ölverbrauchs zu vermindern, hat die Regierung Grenzwerte für die Schadstoffanteile in Ölprodukten erlassen, die in Indien vermarket werden. So wurde im April 1995 mit der stufenweisen Einführung von bleifreiem Benzin begonnen und der Anteil an Schwefel und Benzol in den Kraftstoffen seit 1997 schrittweise gesenkt. Der Oberste Gerichtshof hat inzwischen weitere Maßnahmen für die Luftreinhaltung in den indischen Metropolen vorgeschrieben.
Der Ölpreisschock von 1973-74 führte vor allem zu einer stärkeren Förderung der heimischen Kohle. Wo immer möglich sollte Öl die Kohle ersetzen. Der Kohleeinsatz als Rohstoff in der chemischen Industrie und bei der Herstellung von Düngemitteln wurde gefördert. Und die Investitionen in die Förderung, den Transport und die Nutzung von Kohle stiegen kräftig an. Es wurden neue Märkte geschaffen für den Kohleeinsatz bei der Juteproduktion, der Papierherstellung und in anderen Industrien, aber auch in den Haushalten. Das führte vor allem zu vermehrtem Abbau minderwertiger Kohle aus dem Tagebau. Beim Untertage-Bergbau war die Förderung dagegen rückläufig, weil mangels Forschung und Entwicklung veraltete Technik eingesetzt wurde.
Die Verstaatlichung der Kohleindustrie in den frühen siebziger Jahren war eine Reaktion auf den dringenden Bedarf an großen, kapitalintensiven Investitionen, um wissenschaftlich fundierten Bergbau zu ermöglichen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. 1993 wurde jedoch deutlich, dass die Branche dereguliert werden musste. Denn es waren Privatinvestitionen seitens der Eisen- und Stahlindustrie, der Kohleaufbereitung sowie der Kraftwerksbetreiber und entsprechende Förderung nötig, damit diese ihren Eigenbedarf decken konnten. Wenn die jetzt vorliegende Ergänzung zum Verstaatlichungsgesetz von 1973 verabschiedet wird, ist der Kohlebergbau für private Unternehmen weitgehend geöffnet. Zuvor gab es zu wenig private Investitionen und als Folge eine wachsende Abhängigkeit von Kohleimporten. Nachdem die Eisenbahn alle Dampfloks ausgemustert hat, sind die Stromerzeuger zum Hauptabnehmer von Kohle geworden.
Früher wurden die Kohlepreise kontrolliert und regelmäßig angepasst. Aber die Berechnungen enthielten keine Zuschläge für Abschreibungen und ausreichende Gewinnspannen. Das gesamte Berechnungsverfahren wurde 1996/97 verworfen, und die Preise wurden zunächst für Koks und hochwertige Kohle, im Jahr 2000 für alle Kohlearten und -produkte freigegeben. Das führte zu einem Anstieg der heimischen Preise in allen Qualitätsklassen, weshalb noch mehr Kohle importiert wurde. Die Lobby der indischen Kohleproduzenten setzte daraufhin durch, dass die Regierung die Zölle für Importkohle erhöhte und eine Anti-Dumping-Abgabe einführte, die später aber wieder zurückgezogen wurde. Die Endverbraucher, etwa die Zementindustrie, konnten bei dieser Politik kaum mit sicheren Kalkulationen für die Zukunft planen.
Auch bei der Stromversorgung gibt es zahlreiche Probleme: zu geringe Finanzreserven der staatlichen Stromversorger, schlechte Qualität der Zulieferungen, hohe Verluste bei Stromtransport und -verteilung, mangelhafte Wartung der Anlagen, unbefriedigende Nutzung der Kapazität der Generatoren und zu geringe Stromdurchleitung, um die regionalen Netze miteinander verbinden zu können. Es gibt ferner Umweltprobleme, und der Anteil der Stromerzeugung aus Wasserkraft sinkt.
Seit Beginn des Planungsprozesses im Jahre 1951 hatte die Elektrifizierung des ländlichen Raums Vorrang. In den achtziger Jahren wurden insbesondere der Bau von kleinen und kleinsten Wasserkraftwerken und die Nutzung nicht konventioneller Energiequellen wie Solarenergie und Biogas gefördert, vor allem in Gebieten, in denen große Entfernungen oder geringe Auslastung herkömmliche Anlagen unwirtschaftlich machen.
Heute haben 80 Prozent der Dörfer Strom, der aber nur zeitweise zur Verfügung steht und vielfach nur mit geringer Spannung angeliefert wird. Im Haushaltsplan der Zentralregierung für das Haushaltsjahr 2001/2 wurden Initiativen angekündigt, die Elektrifizierung der Mehrheit der verbleibenden Dörfer in den nächsten sechs Jahren abzuschließen.
Das Sinken des Anteils der Wasserkraft führte dazu, dass im siebten Fünfjahresplan die Instandsetzung und der zügige Neubau hydroelektrischer Anlagen - einschließlich kleiner, dezentraler Wasserkraftwerke - Vorrang erhielt. Dennoch ist der Anteil der Wasserkraft weiter zurückgegangen, und zwar von 43 Prozent im Jahre 1970 auf 24 Prozent in 1998/99. Ab 1998 konzentrierte sich die nationale Energiepolitik deshalb auf die schnellere Entwicklung des hydroelektrischen Potenzials und die Erhaltung eines annehmbaren Mindestanteils der Wasserkraft an der Stromerzeugung. Darüber hinaus soll die Durchleitung von Strom aus Wasserkraft zwischen Bundesstaaten und Regionen gefördert werden.
1950, vor Beginn der staatlichen Planung, befanden sich ungefähr 63 Prozent der installierten Kraftwerkskapazität in privaten Händen. Der Anteil verringerte sich ständig, und die Regierung geriet selbst zunehmend in die Rolle eines Kraftwerks- und Netzbetreibers. Die staatlichen Energieversorger hatten keine finanzielle Autonomie; sie durften weder die Tarife festsetzen noch unabhängig planen. So fuhren sie Verluste ein, weil sie den Strom für die Haushalte und die Landwirtschaft subventionieren mussten.
Als sich zu Beginn der neunziger Jahre die Elektrizitätswirtschaft am Rande des Bankrotts bewegte, begann die Regierung, mit grundlegenden Reformen deren Finanzlage zu verbessern und private Beteiligungen und Investitionen zu erlauben. Doch nur wenige Unternehmen hatten genug Finanzkraft, um die organisatorischen Änderungen vorzunehmen, die nötig sind, um solche Kraftwerke privat rentabel zu betreiben. 1996 beschloss die Zentralregierung, Regulierungsbehörden auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene zu gründen. Viele Bundesstaaten haben bereits entsprechende Kommissionen ins Leben gerufen, während andere ihre eigenen Reformen zur Entflechtung der Branche in die Wege geleitet haben. Die Erfahrung zeigt, dass der Erfolg der Preisreformen neben dem politischen Willen vor allem von der Kompetenz und Unabhängigkeit der neuen Kommissionen abhängt sowie von ihrer Innovationsfähigkeit. Die wichtigste Veränderung in Delhi ist, dass die Macht, Stromtarife festzusetzen, von der Zentralregierung auf die zentrale Kommission zur Regulation des Elektrizitätsmarktes übertragen wurde. Man erwartet, das dieser Schritt die Effizienz der Stromerzeugung und die Rationalität des Energieeinsatzes verbessert.
Um die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Öl zu vermindern, wurde 1980 die "Kommission für zusätzliche Energiequellen" geschaffen, die Pläne für den Einstieg in erneuerbare Energien erarbeiten sollte. Der Ausbau dieser Energieträger wird seither stark vorangetrieben. Die politische Unterstützung der Verbreitung erneuerbarer Energien war erfolgreich: Bei Solarkochern und der Vergasung von Biomasse zum Kochen und zur Stromerzeugung sowie in der Fotovoltaik und Stromerzeugung aus Windenergie gehört Indien zu den führenden Ländern der Welt. Dennoch haben die von der Regierung geförderten Programme beispielsweise für verbesserte Kochstellen und Biogasanlagen die selbst gesteckten Ziele nicht erreicht. Das liegt vor allem daran, dass sie nicht in andere Entwicklungsaufgaben integriert worden sind. Schuld daran sind aber auch die hohen Kosten für solche Technologien, die Subventionen für herkömmliche Energieträger sowie die unzureichende Berücksichtigung erneuerbarer Energien in den Budgets für Forschung und Entwicklung. Auch strukturelle Probleme wie unzureichende Qualitätskontrollen und Wartung sowie begrenzte lokale Reparaturmöglichkeiten spielen eine Rolle. Das Ministerium hat sich zum Ziel gesetzt, den Mindestbedarf an Energie im ländlichen Raum mit erneuerbaren Energien zu decken. Dazu sollen dezentrale, vom Netz unabhängige Energiequellen für Landwirtschaft, Industrie und Haushalte in ländlichen Regionen - auch in Landstädten - erschlossen und Dörfer elektrifiziert werden, wobei eine hochwertige Stromversorgung wie die vom Netz erreicht werden soll.
In Indiens Energiepolitik wurden und werden also mit verschiedenen Ansätzen die Ziele der Versorgungssicherheit, der Minimierung des Verbrauchs und der zukunftsfähigen Energieversorgung verfolgt. Aber oftmals blockieren solche Ansätze einander wechselseitig oder stehen im Widerspruch zueinander, sodass eine integrierte Energiepolitik, die alle Sektoren umfasst, immer dringlicher wird.
Literatur
Neudoerffer, RC, Malhotra, P, and Venkata, Ramana P.: Participatory rural energy planning in India - a policy context; Energy Policy 2000
Pachauri R K.: Energy and Economic Development in India; New York 1977
aus: der überblick 04/2001, Seite 36
AUTOR(EN):
Pooja Mehrotra:
R. K. Pachauri ist Generaldirektor des Tata Energieforschungs-Instituts (TERI) in Neu Delhi, Indien. Pooja Mehrotra ist Wissenschaftler im Büro des Generaldirektors. Die Daten in diesem Artikel stammen aus Veröffentlichungen des Instituts.