Was hat das Engagement in Genf dem EED und seinen Partnern gebracht?
Im Dezember 2003 tagte in Genf der erste Teil des UN-Weltgipfels über die Informationsgesellschaft (WSIS). Der EED und einige seiner Partner haben sich während der Vorbereitung und auf dem Gipfel selbst an den Debatten beteiligt. Was konnten sie angesichts der komplizierten Verhandlungsprozesse mit ihren begrenzten Mitteln erreichen? Hat sich der Aufwand gelohnt?
von Glenine Hamlyn
Im Vorlauf des Weltgipfels über die Informationsgesellschaft (WSIS) drohten die Verhandlungen sich auf Fragen der Technologie zu konzentrieren. Wichtige Ziele der zivilgesellschaftlichen Gruppen - darunter des EED und seiner Partner - waren daher, die Menschenrechte in den Mittelpunkt zu rücken und eine stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft zu erreichen. Im November 2001 lud die World Association for Christian Communication (WACC), ein Partner des EED, zu einem Treffen über den geplanten Weltgipfel ein. Zu dem Zeitpunkt hatten sich die Pläne der Vereinten Nationen (UN) in der entwicklungspolitischen Landschaft noch gar nicht herumgesprochen. Unter den Eingeladenen waren der EED und weitere seiner Partner. Daraus ging die Kampagne für Kommunikationsrechte (CRIS, Communication Rights in the Information Societ) hervor; sie wurde zum Katalysator für eine starke Vertretung der Zivilgesellschaft auf dem Weltgipfel.
Das Engagement von EED-Partnern hat aber weit über diese Kampagne hinausgereicht. So hat das internationale Frauennetzwerk ISIS-International Wesentliches zur Berücksichtigung von Gender-Gesichtspunkten in den Verhandlungen beigetragen. Die Association for Progressive Communications (APC), die sich für die demokratische Nutzung der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien einsetzt, übernahm die Moderation der elektronischen Foren der Zivilgesellschaft für den WSIS und gab mit Unterstützung des EED ein Heft zur Lobbyarbeit in Bezug auf diese Technologien heraus, das im Handumdrehen vergriffen war. Der lateinamerikanische Verband der Bildungsradios (ALER), der Weltverband der Basisradios (AMARC) und die Katholische Medienberatungsstelle (CAMECO) veranstalteten gemeinsam während des Gipfels ein Forum zum Thema Basismedien. In Zusammenarbeit mit anderen organisierte die WACC ein ebenfalls ganztägiges Forum über Kommunikationsrechte. Beide Veranstaltungen waren gut besucht.
Und der EED? Wie sollte er sich in diesem Geflecht positionieren, zumal nur eine Stelle für die Beschäftigung mit dem Thema zur Verfügung stand, deren Hauptaufgabe nicht Lobbyarbeit ist, sondern die Bearbeitung der Projekte internationaler Kommunikationspartner? Die Haltung der Bundesregierung bei dem Gipfel zu beeinflussen, musste der EED dem deutschen zivilgesellschaftlichen Koordinierungskreis überlassen, der die Aufgabe trotz dünner entwicklungspolitischer Präsenz kompetent erfüllt hat. Es gab aber andere Wirkungsmöglichkeiten. Mit unseren Partnern wurde ein Dialog geführt, der als gemeinsames Ringen um Ziele und Inhalte der CRIS-Kampagne und des allgemeinen zivilgesellschaftlichen Engagements auf dem WSIS bezeichnet werden kann. Es wurden Mittel zur Verfügung gestellt, um Menschen aus Entwicklungsländern zu Veranstaltungen der Kampagne und zum Gipfel einzuladen. Der EED wirkte zudem an einer Vernetzung kirchlicher und ökumenischer Stellen aktiv mit.
Mit dem Gipfel im Dezember wurde die erste Phase des WSIS abgeschlossen. Ein Folgegipfel ist für November 2005 vorgesehen. Der EED hat seine Partner jetzt gebeten, ihre Erfahrungen auszuwerten. Hat sich der Aufwand gelohnt? Was haben sie selbst davon? Fanden sie das Engagement des EED sinnvoll, und könnten sie sich andere Formen dafür vorstellen?
Die erste Frage haben alle Partner bejaht. Der Einfluss der Zivilgesellschaft auf die offiziellen Abschlussdokumente sei insgesamt gering gewesen, aber das war zu erwarten. Immerhin, so mehrere der Befragten, fanden Artikel 19 der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Recht auf freie Meinungsäußerung) sowie der Begriff "Kommunikationsrechte" Eingang in das Grundsatzdokument des WSIS. Die Bedeutung von Basis-medien für eine inklusiv gestaltete Informationsgesellschaft wurde anerkannt und hat konkreten Ausdruck in einer Zusage der Schweizer Regierung und der UNESCO gefunden, in Senegal, Mali und Mosambik in den Aufbau von Basismedienzentren zu investieren.
Und was haben die EED-Partner selbst von ihrem Engagement? Eine größere Vernetzung, so hieß es mehrheitlich, werde der künftigen Advocacy-Arbeit zugute kommen. So begrüßt die APC neue Partnerschaften mit Organisationen in Europa und im Iran.
Die WACC geht davon aus, dass sie durch ihr Engagement international neue Bekanntheit gewonnen hat. Anriette Esterhuysen von APC nennt "größeres Selbstvertrauen in der Advocacy-Arbeit" als zentralen Gewinn. Von ähnlichen Lernerfahrungen spricht Christoph Dietz von CAMECO. AMARC freut sich darüber, dass sechs Regierungen (die Schweiz, Großbritannien, Dänemark, Kanada, die Niederlande und Schweden) größere Investitionen im noch näher zu bestimmenden Bereich Building Digital Opportunities (Digitale Möglichkeiten eröffnen) unterstützen wollen.
Der EED hat viel von und mit den Partnern gelernt. Dies ermöglicht eine noch qualifiziertere Bearbeitung von Projekten im Bereich der Kommunikation und hat unseren Beitrag zur entwicklungspolitischen Öffentlichkeit überhaupt erst möglich gemacht. Der WSIS hat auch einen optimalen Rahmen geboten, um die Stärken mehrerer Partnerorganisationen vor allem im Lobbybereich kennen zu lernen und Partnerschaft unmittelbar zu praktizieren. Die APC, so Anriette Esterhuysen, habe die Gelegenheit geschätzt, auf gleicher Augenhöhe mit einer Geberorganisation zu diskutieren.
Mehrere Partner legen dem EED Lobby-Arbeit in Deutschland insbesondere mit dem Ziel nahe, die internationale Gemeinschaft zur Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung von Infrastruktur für Informationstechnik in Entwicklungsländern zu bewegen. Hierzu, so AMARC, könnte eine Arbeitsgruppe aus Geberorganisationen und der Zivilgesellschaft einen Finanzierungsvorschlag erarbeiten. Ob und wie der EED diese Anregungen in der zweiten Phase aufnehmen kann, wird sich zeigen. Vielleicht wird die erwähnt stärkere ökumenische Zusammenarbeit in dieser Hinsicht eine Hilfe sein.
aus: der überblick 01/2004, Seite 144
AUTOR(EN):
Glenine Hamlyn:
Glenine Hamlyn ist Koordinatorin der Förderung internationaler Kommunikationsprogramme im "Evangelischen Entwicklungsdienst" (EED) in Bonn.