Der Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Entwicklungsdienstes
Neugier, gibt er lächelnd zu, galt schon im Elternhaus mehr als Tugend denn als Laster. Seine Lust auf Neues, sein ungebrochenes Interesse an Anderen und Anderem sind es denn auch vor allem, die ihn noch einmal den Sprung wagen lassen: Dr. Konrad von Bonin wechselt zum 1. September 2000 aus dem Leitungskollegium des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Fulda an die Spitze des neuen Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) in Bonn. Zwei völlig verschiedene Welten das weiß er. Aber: "Ich bin ein Mensch ohne große Ängste und ohne Vorbehalte. Das hilft in solchen Situationen".
von Ilse Preiss
Den schwierigen Entstehungsprozeß des EED vergessen, nein, das darf man seiner Meinung nach keineswegs. Aber ebensowenig darf die Vergangenheit die zukünftige Arbeit der neuen Organisation überlagern: "Die Entscheidung zum Zusammenschluß ist gefallen. Jetzt müssen wir es schaffen, daß daraus etwas Ganzes wird", blickt der designierte EED-Vorsitzende nach vorne. Und signalisiert allen Beteiligten seine Bereitschaft zum offenen Gespräch: "Ich kann gut zuhören." Gerade sein Moderationstalent, seine Fähigkeit, verschiedene Positionen zusammenzubringen, bewogen den EED-Aufsichtsrat, ihn auf dieses Amt zu berufen. Bonin: "Ich gehe auch an diese Aufgabe ganz undogmatisch heran."
Offenheit und Unvoreingenommenheit bestimmten die berufliche Laufbahn des mittlerweile 56jährigen. Sie verzeichnet einige attraktive Stationen und verlief von Anfang an alles andere als "klassisch". Konrad von Bonin, geboren in Pommern, aufgewachsen in Schleswig-Holstein, studierte Rechtswissenschaften in Berlin, Freiburg und Hamburg. Schon die Tätigkeit als Gerichtsreferendar unterbrach er, um in den USA einen "Master of Comparative Law" zu erwerben keine Selbstverständlichkeit, erst recht nicht Ende der 60er Jahre.
Nach der Rückkehr arbeitete er ab 1970 als wissenschaftlicher Assistent an der FU in Berlin, "mitten drin in der Studentenbewegung". Er unterrichtete (unter anderem Internationales Wirtschaftsrecht), baute vor allem aber die Studienberatung des Fachbereichs auf "eine der ersten, die es in Deutschland gab". Und er bereitete seine Promotion (1979) vor. Thema: "Zentralbanken zwischen politischer Autonomie und funktioneller Unabhängigkeit".
Den Doktortitel noch nicht in der Tasche, wechselte Bonin den Arbeitgeber: 1978 wurde er Studienleiter an der Evangelischen Akademie Hofgeismar. Den vom "pommerschen Pietismus" Geprägten reizte die dortige Tradition, "gesellschaftliche Fragen mit juristischen Implikationen" unter die Lupe zu nehmen. Die erste von ihm organisierte Tagung rückte die Frage des politischen Asyls für Verfolgte aus der Dritten Welt in den Blickpunkt. Unter seiner ägide gab es in Hofgeismar den ersten Vortrag über die Ujamaa-Bewegung in Tansania Startschuß für den Aufbau einer Tagungsreihe zur "Entwicklungspolitischen Länderkunde", die den Ruf der Tagungsstätte mit begründete.
Die Entwicklungspolitik ließ den Juristen nie wieder richtig los, auch deshalb nicht, weil er in diesen Jahren Werner Simpfendörfer kennen und schätzen lernte. "Ich habe unendlich viel von ihm gelernt, was Entwicklungsverantwortung und Ökumene angeht. Er war mein Lehrer und einer meiner wichtigsten Freunde", sagt Konrad von Bonin über den leider viel zu früh verstorbenen Theologen und Autoren.
Sein Wissen brachte von Bonin ab 1984 ("mitten in der Zeit der großen Friedenskirchentage") erfolgreich am neuen Arbeitsplatz in Fulda ein: Im Leitungsgremium des Kirchentags übernahm er die Aufgaben des Studienleiters. Hinter "Planung, Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation des thematischen Programms" verbirgt sich, was viele für das "Salz in der Suppe" dieser Mammutveranstaltungen halten: der "Markt der Möglichkeiten" und die Foren.
In ganz besonderer Weise pflegt der Kirchentag mit diesen beiden Programmteilen die entwicklungspolitische und ökumenische Debatte. "Es gibt", weiß Konrad von Bonin, "kaum einen anderen Ort in dieser Gesellschaft, wo man so zusammenkommt". Und: "Ich habe Sympathie für den Geist, der in dieser Szene herrscht." Im Lauf der Jahre knüpfte er ein dichtes Netz von Kontakten, nicht nur zu den vielen entwicklungspolitischen Aktivisten und Solidaritätsgruppen, sondern auch zu kirchlichen, staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen und Initiativen in diesem Bereich.
Den nächsten Kirchentag in Frankfurt am Main wird Konrad von Bonin als Vertreter einer dieser Organisationen miterleben. An den Weichenstellungen für die Veranstaltung allerdings ist er stärker denn je beteiligt: Seit Margot Käßmann Bischöfin in Hannover ist, führt er die Kirchentagszentrale als kommissarischer Generalsekretär; zum 1. März übergibt er diese Aufgabe dann an Friederike Woldt, um anschließend dem oder der neuen Studienleiter/in zu einem problemlosen Start zu verhelfen. "Daß der Kirchentag handlungs- und entscheidungsfähig bleibt", das war die Bedingung, die der Jurist für seinen Wechsel zum EED stellte.
Umzug nach Bonn, Stichtag 1. September: "Ich werde mich umstellen müssen", erwartet von Bonin, denn der Kirchentag hat eine Sonderstellung. Da ist zum einen die "Chance, alle zwei Jahre neu anzufangen"; da ist zum anderen das Präsidium "aus freien Geistern", die "freie Debatte": "Wir sind alles andere als eine Behörde". Aber gerade, daß er beim Evangelischen Entwicklungsdienst auf eine ganz andere Welt treffen wird, sagt der immer noch Neugierige, "ist das, was mich wirklich reizt".
Die inhaltliche Arbeit steht im Mittelpunkt für den neuen Mann an der Spitze des neuen Dienstes. Doch zumindest in der ersten Zeit, ist er sich im klaren, werde es für ihn nicht nur darum gehen können, an der "großen inhaltlichen Linie" des EED zu arbeiten: "Viel wichtiger ist es für den Anfang, das immense Potenzial an Kompetenz, das bei diesem neuen Dienst vorhanden ist, fruchtbar werden zu lassen". Er will deshalb das Seine tun, "damit die Personen und Gruppierungen die Freiheit haben, das zu tun, was sie wirklich können". Es gelte, betont von Bonin, "in Chancen zu denken". Seine Blickrichtung: "Wir sollten vor allem herausfinden, was wir gemeinsam noch besser machen können, wo wir unsere Arbeit gegenseitig befruchten können."
Das gilt auch und gerade für die "ganz sicher notwendige ganz enge Kooperation" zwischen EED und Brot für die Welt. "Wir sollten überlegen, was wirklich im Interesse dieser beiden in sich gewichtigen Agencies ist", plädiert Konrad von Bonin für eine nüchtern-analytische Herangehensweise. Und: "Wir müssen mit gegenseitigem Vertrauen in die Gespräche gehen, nicht mit Mißtrauen."
Der künftige EED-Vorsitzende hält es persönlich bei allen Veränderungen mit der Maxime, "nicht an das zu denken, was mir genommen wird, sondern an das, was mir gegeben wird". Daß jedoch die EED-Gründung bei manchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der bisherigen AG KED-Organisationen ängste und Befürchtungen (auch) für die persönlichen Lebenssituationen hervorgerufen hat, kann er, selbst Vater dreier erwachsener Kinder, gut verstehen. "Das muß man ernst nehmen, damit muß man anständig, fair und sozial angemessen umgehen", umreißt er seinen Standpunkt.
Apropos Standpunkt: Der Entwicklungsdienst der evangelischen Kirche müsse in der öffentlichkeit ein klareres und deutlicheres Profil bekommen, fordert Konrad von Bonin. Wichtigste Konsequenz: "Der EED muß eine funktionierende und gute Pressearbeit leisten". Das heißt für ihn: "die Organisation stärker öffnen" und "bloß keine Vorstandsverlautbarungen". Schließlich könne der EED mit einigen Pfunden wuchern. Zum Beispiel? "Die Inlandsarbeit unsere große Stärke neben der Projekt- und Personalarbeit, die ja bei uns den inhaltlichen Kern bildet". Bei der Inlandsarbeit, findet Konrad von Bonin "haben wir beim EED doch auch Stellvertretungsfunktion. Das ist etwas Besonderes, das gerade beim EED zuhause ist."
aus: der überblick 01/2000, Seite 120