Das Forschungsinstitut IFPRI
Eine "Blaue Revolution" zeichnet sich heute ab, in deren Verlauf mit neuen Methoden hochproduktiv Fisch in Aquakulturen gezüchtet wird. Sie wird vergleichbar sein mit der "Grünen Revolution", die in den sechziger Jahren begann und zu Umwälzungen in der Landwirtschaft führte.
von Thomas Veser
Mit neu gezüchtetem Hochleistungssaatgut und verbesserten Anbautechniken wurden damals die Ernteerträge gewaltig gesteigert. Allerdings ist die Grüne Revolution zunächst auch einige Irrwege gegangen und war nicht überall erfolgreich. Wird die Blaue Revolution ähnliche Fehler machen oder aus den Fehlern der Vergangenheit lernen?
Mehr als zwei Jahrzehnte nach ihrem Beginn hatte die Grüne Revolution vor allem in asiatischen Ländern die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft sichtbar gesteigert. Dank neuer Hybridsorten als Saatgut, besserer Bewässerung, Düngung, Anwendung von Pflanzenschutz und moderner Anbautechnik wurden insbesondere in Indien und Indonesien weitaus höhere Erträge als zuvor erzielt. Food security, die dauerhafte Sicherung der Ernährung, lag für diese Länder damals in Greifweite.
Die Grüne Revolution war nicht zuletzt das Ergebnis koordinierter Forschung und politischer Unterstützung. Zur Abstimmung untereinander bei der internationalen Forschung für die Nahrungserzeugung und zum wechselseitigen Informationsaustausch war im Jahr 1971 CGIAR gegründet worden, die in Washington ansässige "Konsultativgruppe für internationale Landwirtschaftsforschung", deren erste Sitzung in der Zentrale der Weltbank stattfand, und die sich neben den Mitgliedsbeiträgen aus Weltbankmitteln finanziert. Um CGIAR herum entstanden in den Folgejahren eine Reihe von Ablegern für spezielle Aufgaben, insbesondere das 1975 in Washington gegründete internationale Forschungsinstitut für Nahrungsmittelpolitik (IFPRI), das im April diesen Jahres seine Welternährungskonferenz in Ugandas Hauptstadt Kampala abhielt, an der rund 500 Delegierte aus 50 Ländern teilnahmen.
IFPRI bemüht sich um "nachhaltige Lösungen zur Beendigung von Hunger und Armut", so die Selbstdarstellung. Es zählt heute 80 Forschungsleiter, ist in fünf Entwicklungsländern mit Büros vertreten und beansprucht zunehmend eine globale Forschungs- und Beratungsrolle. An seiner Spitze steht der Göttinger Agrarwissenschaftler Joachim von Braun. Neben IFPRI sind heute 15 weitere Forschungsinstitute in CGIAR zusammengeschlossen. Zu den bekanntesten zählen das in Mexiko ansässige CIMMYT, das sich der Mais- und Weizenforschung widmet, das internationale Reisforschungsinstitut IRRI auf den Philippinen und das World Fish Center in Malaysia.
Der Dachverband CGIAR übernimmt die Rolle eines wissenschaftlichen Komitees, das nach Billigung der Arbeitspläne den einzelnen Forschungsinstituten die vereinbarten Budgets überweist. Alle Einrichtungen, die im CGIAR wie in einem wissenschaftlichen Club zusammengeschlossen sind, bewahren dabei ihre Unabhängigkeit. Während die übrigen 15 Zentren technologische und biologische Forschungsschwerpunkte gewählt haben, konzentrierte sich das IFPRI von Anfang an auf politische Entwicklungen.
Als IFPRI gegründet wurde, zeichnete sich bereits ab, dass nicht alles an der Grünen Revolution rosig war. Von den Forschungsergebnissen profitierten vor allem große Agrarunternehmen, die sich teure Bewässerungsanlagen, Dünger und Pflanzenschutzmittel leisten und jedes Jahr neues hybrides Saatgut kaufen konnten. Aber die Schädlinge wurden resistenter gegen die chemischen Mittel, die deshalb in immer größeren Mengen eingesetzt werden mussten und die Umwelt belasteten. Kleinbauern hingegen, die sich all das nicht leisten konnten, hatten mit den neuen Sorten in Jahren mit Dürre oder Schädlingsbefall nicht selten einen Totalausfall ihrer Ernte zu verzeichnen oder erlitten infolge der Hybridsorten starken Ertragsrückgang, wenn sie versuchten, Saatgut aus ihrer Vorjahrsernte abzuzweigen. Die Grüne Revolution benötigte also Kurskorrekturen. Deshalb sollte sich IFPRI - finanziert vor allem mit Beiträgen der US-amerikanischen Stiftungen Rockefeller Foundation, Ford Foundation und der kanadischen Entwicklungsagentur CIDA - vorrangig auf die Schaffung geeigneter politischer Rahmenbedingungen konzentrieren, und bei der Forschung nicht mehr nur den Ertrag, sondern auch die Dürre- und Schädlingsresistenz des Saatguts ins Visier nehmen.
Die Korrekturen zeigten Wirkung. In Südindien, so fand IFPRI heraus, brauchten Kleinbauern zwar mehr Zeit, um sich Zugang zu neuem Saatgut, Dünger und angemessener Ausrüstung zu verschaffen; dafür erzielten sie proportional deutlich höhere Ernteerträge und verbuchten im Vergleich zu früher zwei- bis dreimal so hohe Einkommen. IFPRI- Forschungsergebnisse trugen häufig dazu bei, dass Landwirte in Entwicklungsländern ihre Skepsis gegenüber den neuen Sorten überwanden.
Für Afrika allerdings zieht der aus Großbritannien stammende IFPRI-Agroexperte Peter Hazell bezüglich der Grünen Revolution vier Jahrzehnte nach ihrem Beginn eine ernüchternde Bilanz: "Sie hat dort im Grunde genommen noch gar nicht stattgefunden." Die größten Erfolge habe die Grüne Revolution in Gegenden mit ausreichend Wasser gezeigt, Afrikas Landwirtschaft findet indessen überwiegend in Trockenbaugebieten statt. Zudem, so Hazell, hätten die asiatischen Staaten von Anfang an durch gezielte Investitionen in ihre Landwirtschaft wesentlich günstigere Rahmenbedingungen geschaffen. Mit klar strukturierten Strategien habe man nicht nur einen leistungsfähigen Agro-Forschungssektor aufgebaut, sondern den Landwirten systematisch Zugang zu Saatgut, Technologie und Darlehen verschafft. Das habe die Privatindustrie schließlich ermutigt, ebenfalls in die Landwirtschaft zu investieren. Und um bei üppigen Ernten den Preisverfall für landwirtschaftliche Produkte zu verhindern, hätten die Regierungen "Überschüsse zu staatlich garantierten Mindestpreisen aufgekauft und die Farmer damit vor dem Ruin bewahrt".
Nur ein einziges Mal, betont Hazell, könne man in Afrika eine Erfolgsgeschichte verzeichnen: Im Süden und Osten Afrikas hätten während der achtziger Jahre angebaute hybride Maissorten dort zu wahren Rekordernten geführt. Als jedoch die staatliche Subventionierung von Saatgut und Dünger im Zuge der Strukturanpassungsprogramme gestrichen werden musste, "ging diese Erfolgsgeschichte sang- und klanglos zu Ende".
Bei der sich abzeichnenden Blauen Revolution wird nach IFPRI-Einschätzung die Fischzucht in Aquakulturen eine Schlüsselrolle übernehmen. Nach einer im Oktober 2003 von IFPRI zusammen mit dem World Fish Center veröffentlichten Prognose werde bis 2020 fast das gesamte Wachstum der Fischindustrie in Entwicklungsländern stattfinden. Zudem würden im Jahr 2020 nach Gewicht gemessen 77 Prozent des weltweiten Fischkonsums in den Ländern des Südens stattfinden und 79 Prozent des Fischs dort gezüchtet oder gefangen werden. Dann "müssten die Staaten Afrikas", mahnt der Wasserwissenschaftler Mark Rosegrant, "wie damals Asien die zentrale Rolle übernehmen". Angesichts anhaltenden Politikversagens macht Rosegrant aus seiner Skepsis freilich keinen Hehl.
Doch durch weitere Verbesserungen der Zuchtmethoden sieht Mark Rosegrant gute Chancen, die Ernährungslage deutlich zu verbessern, ohne (vorerst) dabei Gentechnik einzusetzen: "Die herkömmlichen Methoden sind erfolgversprechend, sie erlauben bei steigenden Mengen an Zuchtfisch die Produktionskosten zu senken." Um jedoch bei einer Ausweitung der Aquakultur Schäden für Umwelt und benachbarte Landwirtschaftsbetriebe zu vermeiden, müsse erheblich in Technik zur Abwasserreinigung investiert werden. Schon jetzt müssten "strenge Umweltschutznormen" geschaffen und deren Umsetzung garantiert werden.
Kleinzüchter könnten sich freilich diese kapitalintensiven Investitionen nicht leisten, schränkt Rosegrant ein. Für sie sieht er Chancen bestenfalls in bislang nicht für Fischzucht genutzten Gewässern, etwa Reisfeldern, Bewässerungskanälen und Wasserspeichern.
Literatur
www.worldfishcenter.org/Pubs/fish-to-2020/fish-to-2020.htm
aus: der überblick 02/2004, Seite 16
AUTOR(EN):
Thomas Veser:
Thomas Veser ist freier Journalist und schreibt für mehrere Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er ist spezialisiert auf Afrika.