Entschuldung allein reicht nicht
Wilfried Steen ist Vorstandsmitglied des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) und Leiter des Ressorts Entwicklungspolitik Inland. Mit einer Delegation der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) besuchte er vom 20. bis 28. April Mosambik.
von Uwe Kerkow
Herr Steen, was war der Grund der Reise nach Mosambik?
Es ging uns darum, exemplarisch festzustellen, wie sich die geplante Entschuldung auf ein Land wie Mosambik auswirkt. Wie kann die Zivilgesellschaft an den zu fällenden Entscheidungen mitwirken? Schließlich wird sie in den Poverty Reduction Strategy Papers (PRSP) der Weltbank ausdrücklich berücksichtigt. Ist ein Einwirken denkbar, oder handelt es sich doch nur um Dekoration?
Mosambik ist eines der vier Schwerpunktländer, die vom BMZ ausgewählt worden sind, um an ihnen beispielhaft Fragen der Entschuldung zu studieren. Gleichzeitig sollen sie in den Mittelpunkt der Maßnahmen der Bundesregierung rücken. Deshalb war an der Delegation der GKKE auch das BMZ beteiligt. Außerdem waren zwei Bundestagsabgeordnete dabei, zwei Vertreter des Koordinationskreises Mosambik sowie Claudia von Monbart von der Weltbank. Besonders reizvoll war, dass Journalisten beteiligt waren. Uwe Hoering ist ein Fachjournalist, Thomas Morgenstern arbeitet heute in der Lokalredaktion der Berliner Zeitung, war aber in der achtziger Jahren als Korrespondent für ADN in Mosambik. Aus seinen Erfahrungen konnte er viel zur Geschichte des Landes beitragen. Durch das Zusammentreffen dieser verschiedenartigen Menschen waren die Diskussionen untereinander sehr spannend.
Die Frage, was Entschuldung in einem armen Land wie Mosambik eigentlich bringt, haben wir letztlich nicht beantworten können. Ich habe nach wie vor Zweifel, ob sie — so wie sie bisher durchgeführt wird — wirklich greift.
Geht die Entschuldung weit genug oder ist die Lage vor Ort so unübersichtlich, dass nicht klar ist, wo die freiwerdenden Gelder bleiben?
Von außen gesehen wirkt Mosambik wie ein Musterbeispiel für eine gelungene Konfliktbewältigung und Demokratisierung nach einem fast 20- jährigen Bürgerkrieg. Die Kirchen haben in der Versöhnungsarbeit Bedeutendes geleistet, auch die Demobilisierung hat letztlich gut funktioniert. Die Armee zählt heute noch 17.000 Mann.
Nach den ersten Eindrücken waren wir fast euphorisch: Es stellte sich heraus, das die Sozialausgaben Mosambiks von 1995 bis zum Jahr 2000 von 67 auf 178 Millionen US-Dollar gestiegen sind. Relativiert hat sich dieser Eindruck jedoch unter anderem durch die Tatsache, dass Mosambik laut Transparency International zu den zehn korruptesten Ländern dieser Erde gehört. Wenn die Sozialausgaben steigen, erhalten erst einmal die Ministerialbeamten eine vernünftige Unterbringung, und der Wagenpark wird erneuert. Dann sind die Provinzen dran. Der Lehrer und die Schule vor Ort bekommen nichts mehr ab. In der ländlichen Schule, die wir gesehen haben, sitzen die Schüler auf dem Boden, wenn es überhaupt Gebäude gibt. Es hapert auch an der Lehrerausbildung.
Außerdem funktioniert die Gewaltenteilung nicht. Die Gerichte sind nicht unabhängig, sondern stehen auf Seiten einer der beiden Parteien — meisten auf Seiten der regierenden FRELIMO. Schwierigkeiten bereitet auch die Schwäche der Zivilgesellschaft. Zwar arbeiten jene Organisationen gut, die große europäische oder amerikanische Organisationen zum Partner haben. Auch die landwirtschaftliche Genossenschaft für Frauen mit 6.000 Mitgliedern, die von der EZE gefördert worden ist, hat uns beeindruckt. Der Christenrat hat sich eine besondere Fähigkeit zur Bearbeitung von Konflikten erworben und durch seine neutrale Position Einfluss bis in die Regierung hinein. Wir haben aber auch NRO kennen gelernt, die zwar gut ausgestattet sind, die der Regierung jedoch sehr nahe stehen und deshalb zu vorsichtig und unkritisch sind.
Für die Entschuldung ist ein NRO-Bündnis aktiv, die Grupo da Divida, die Mitglied in der internationalen Jubilee-Campaign ist. Wir fanden sie ein wenig zahm. Solche Gruppierungen müssen besser ausgestattet und geschult werden, damit sie in einen ständigen und kritischen Dialog mit der Regierung treten können.
Aber Entschuldung ist nur ein wichtiger Baustein auf dem Weg in eine friedliche Zukunft Mosambiks. Und insgesamt reicht sie bisher nicht aus, da sie in Mosambik noch keine spürbaren Entlastungen gebracht hat. Wenn man bedenkt, dass circa 40 Prozent des Staatshaushaltes von ausländischen Gebern finanziert werden, kann man sich vorstellen, wie lang der Weg zu Unabhängigkeit noch ist.
Will der EED Gruppen wie die Grupo da Divida in Zukunft unterstützen?
Ja. Und darüber hinaus wird auch das BMZ Mittel bereitstellen, damit die GTZ dort Moderatoren-Schulungen durchführen kann — dass hier öffentliche Mittel fließen, können wir nur befürworten.
Welche Ergebnisse könnte das PRSP-Verfahren bringen?
Das Verfahren scheint ein Schritt in die richtige Richtung zu sein. Denn hier wird eine Bewusstseinsänderung ausgelöst, die auch die staatliche Entwicklungszusammenarbeit erfasst hat. Auch die Weltbank beschäftigt sich heute mehr mit den gesamtgesellschaftlichen Folgen ihrer Kreditpolitik. Dass Parlamentarier in Mosambik nichts über das PRSP wissen, ist ein Skandal. Nach unserem Besuch ist das jetzt anders.
Warum sind Sie aus dem Inlandsressort mitgefahren?
Auch uns wird in Zukunft sehr stark beschäftigen, wie wir die Entschuldungskampagne weiterführen wollen. Dazu ist es gut, wenn wir durch Erfahrungen vor Ort stimuliert werden. Wir brauchen einen langen Atem und müssen weiter Druck auf die Politik machen. Außerdem will der EED in Zukunft auch wieder verstärkt Exposure- und Studienreisen anbieten. Unsere Zielgruppen sind Journalisten, Politiker, NRO-Aktivisten, aber vor allem auch Menschen in den Kirchen.
aus: der überblick 02/2001, Seite 111
AUTOR(EN):
Uwe Kerkow :
Uwe Kerkow ist freier Journalist in Bonn.