Das Evangelische Zentrum für Entwicklungsbezogene Filmarbeit
Nein, durchgestylte James-Bond-Exotik kommt in diesen Filmen nicht vor. Die Helden kämpfen zwar ebenfalls häufig ums Überleben, aber nicht gegen das Über-Böse, sondern gegen einen bedrückenden Alltag aus Not, Elend, Restriktion und Hoffnungslosigkeit — Happy End dennoch keineswegs ausgeschlossen.
von Ilse Preiss
Die Geschichten der kleinen Triumphe spielen in Haiti oder Kambodscha, in Burkina Faso, Mosambik oder der Mongolei, im Iran oder in Tadschikistan, Ländern also, in die sich das "große" kommerzielle Kino selten verirrt.
Den Blick auf diese anderen Welten zu eröffnen und auch in Zeiten allgemeiner Mittelknappheit zu erhalten, ist die Aufgabe von EZEF, dem Evangelischen Zentrum für Entwicklungsbezogene Filmarbeit. Mit drei Menschen auf zwei Personalstellen wider das allgemeine Desinteresse an der "Dritten" Welt? Bernd Wolpert, Leiter des EZEF, bleibt dabei: "Es ist wichtiger denn je, den Stimmen aus dem Süden bessere Chancen bei uns im Kino und im Fernsehen einzuräumen. Und wer soll das tun, wenn nicht wir?"
Zu tun gibt es in der Stuttgarter Kniebisstraße mehr als genug. Zehn bis fünfzehn neuen Spiel- und Dokumentarfilmen für die Bildungsarbeit hilft EZEF jedes Jahr auf den deutschen Markt. Allein 1999 begutachtete die Fachstelle rund 70 Film- und Medienprojekte, für die die Autoren Förderung durch den ABP (Ausschuss für entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik) beantragt hatten. Dazu kommt die fachliche Beratung von Vorhaben, die finanziell von kirchlichen Werken wie Brot für die Welt oder dem Evangelischen Missionswerk in Deutschland unterstützt werden. Bernd Wolpert und seine beiden Mitarbeiterinnen Angela Ehni und Marianne Zdunek beraten Antragsteller und Produzenten, vermitteln den Filmemachern Kontakte zu Ko-Produzenten, Fernsehredaktionen und Verleihfirmen.
Auch auf der Publikumsseite ist EZEF aktiv: Die Fachstelle lädt ein zu medienpädagogischen Seminaren, organisiert Fortbildungen für Lehrer und Multiplikatoren, vermittelt Referenten und Referentinnen für die Bildungsarbeit. In der Kniebisstraße werden bundesweite Tourneen vorbereitet, bei denen die Regisseure ihre Filme selbst vorstellen und mit Zuschauern diskutieren können. Und EZEF sorgt dafür, dass "seine" Filme bei den wichtigen Treffs der Szene vertreten sind. Nicht zu vergessen: das "Kerngeschäft", der Vertrieb von audiovisuellen Medien — vorwiegend Videos, aber auch Diaserien — an konfessionelle und andere Medienzentralen sowie der überregionale Verleih von 16mm-Filmen.
Diese Fülle an Aufgaben ist nur durch Kooperationen zu bewältigen. Beim Vertrieb beispielsweise arbeitet EZEF seit Jahren mit FWU zusammen, dem Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht. Gute Kontakte bestehen zu den Organisatoren von Filmtagen und zu Redaktionen und Verleihern, die bereit sind, entwicklungspolitische Inhalte ins Programm zu nehmen. Bernd Wolpert: "Das ist unser Kapital. Nur dadurch können wir so viele Projekte entscheidend unterstützen und voranbringen."
Vor allem Autorinnen und Autoren aus dem Süden wissen diese Art von Hilfestellung zu schätzen. EZEF fördert besonders Produktionen aus Afrika. Das EZEF, so Wolpert nicht ohne Stolz, "hat derzeit sicher die meisten neueren afrikanischen Spielfilme im Verleih". Denn in Ghana, Mali, Togo oder Zimbabwe arbeiten Filmschaffende nicht nur unter schwierigen Bedingungen, sie tun sich auch schwer mit dem Zugang zum deutschen Markt. Ihre Produktionen treffen hier auf ein eher zurückhaltendes Publikum. Wolpert: "Die Festivals zeigen, dass das Interesse am afrikanischen Film durchaus da ist. Aber es wird sich wohl nicht so schnell zu einer Welle entwickeln, wie wir das im Fall von China erlebt haben."
Generell, berichtet Bernd Wolpert, werde es zunehmend mühsamer, "schwierige Themen unterzubringen". Unter dem Druck der Wirtschaftlichkeit bleibt auch in Programmkinos immer weniger Platz für inhaltlich anspruchsvolle Werke. Mehrfach musste EZEF in den letzten Jahren die Erfahrung machen, dass es zwar gelang, "gute Filme zu politisch wichtigen Themen" in die Kinos zu bekommen, diese dort aber nur wenig Zuschauerresonanz fanden, "trotz sehr positiver Presse". Reaktion des EZEF: noch mehr Engagement.
So wurde die Präsenz bei Veranstaltungen wie den "Französischen Filmtagen" oder Cine Latino in Tübingen und Stuttgart verstärkt. So versucht sich EZEF häufiger in laufende Kampagnen "einzuklinken", im vergangenen Jahr beispielsweise in die Kampagne gegen Kinderarbeit in der Teppichindustrie. Vor allem: Die Fachstelle macht mehr Werbung in eigener Sache. Und: Sie sucht den direkteren Draht zum "Kunden". Dazu soll demnächst unter anderem der Verleihkatalog auf der Homepage zugänglich gemacht werden. Bernd Wolpert: "Wer bei uns über einen interessanten Film liest, will den dann auch direkt bestellen können." Das Medium Internet eröffnet sogar Einsparmöglichkeiten: Die Arbeitshilfen zu den Filmen, bisher in teuren Kleinauflagen gedruckt, könnten künftig einfach zum Download bereitgestellt werden.
Apropos neue Medien: Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen in Österreich und der Schweiz testet man derzeit in einem Pilotprojekt das Trägermedium DVD. Spielfilme gab es beim EZEF bislang stets sowohl im Video- als auch im 16mm-Format. Auch wenn sich Videos bei den Entleihern klar als "Renner" entpuppten: Sie erreichen weder von der Bildqualität noch von der Vorführatmosphäre her das Niveau der 16mm-Filme. Er hoffe, sagt Bernd Wolpert angesichts der hohen Kosten, man werde sich das "kleine Kino" so lange leisten können, "bis wir eine gleichwertige Alternative gefunden haben..."
Evangelisches Zentrum für Entwicklungsbezogene Filmarbeit Das EZEF wurde 1982 als Fachstelle des Ausschusses für entwicklungspolitische Bildung und Publizistik (ABP) gegründet. Seit 1994 gehört es zum Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP). Bis Ende 2001 hat der ABP noch Mittel für die Personal- und Sachkosten bewilligt; wie das EZEF im neuen Evangelischen Entwicklungsdienst EED verortet wird, ist derzeit noch nicht klar. |
EZEF — FilmtippsDas Seil:Im Mittelpunkt steht der Straßenjunge Tugulder, der für eine Diebesbande in Ulan Bator arbeitet. Ein Blick hinter die Kulissen der rapiden gesellschaftlichen Veränderungen in der Mongolei. (70 min, OmU, 16mm/VHS) Die Reise zur Sonne:In Istanbul begegnen sich Mehmet aus der Westtürkei und Berzan aus einem kurdischen Dorf. Mehmet gerät in eine Razzia, wird für einen Kurden gehalten, verliert Arbeit und Wohnung. Berzan wird bei einer Demonstration getötet. Mehmet bringt den Leichnam des Freundes in dessen Heimatdorf zurück. (104 min, OmU, 16mm/VHS; Auszeichnungen: Blauer Engel und Friedensfilmpreis der 49. Internationalen Filmfestspiele Berlin, Preis der Internationalen Filmkritik und Publikumspreis des International Istanbul Filmfestival, Europäischer Templeton Filmpreis 1999; "Film des Jahres 1999" der Jury der Evangelischen Filmarbeit) Ein Mal im Leben ins Kino:Der Kurzfilm erzählt spannend und authentisch, was Triwheni, sein Freund Mohan und andere Kinder nach ihrer Verschleppung in einer nordindischen Teppichknüpferei erleben und durchleiden, ehe sie befreit werden. (26 min, VHS) Die kleine Verkäuferin der Sonne:Sili, ein gehbehindertes Mädchen, stellt das Vorrecht der Jungen in Frage, in den Straßen von Dakar Zeitungen zu verkaufen. Kurzfilm aus dem Senegal zwischen realistischer Alltagsbeschreibung und märchenhaften Episoden. (45 min, 16mm/VHS; ausgezeichnet mit dem Hauptpreis der Internationalen Filmtage der Menschenrechte in Nürnberg) Die große Schatzkiste:Die Beiträge aus Südafrika, Tansania, Mexiko, Tibet und den Philippinen zu einer Reihe von insgesamt zwölf Filmen über die Zukunftshoffnungen und —ängste von Kindern in zwölf Ländern. (Ausgezeichnet mit dem Prix Jeunesse des Kinderfilmfestivals in München |
Deutscher Menschenrechts-Filmpreis 2000amnesty international Deutschland, Pro Asyl, mehrere kirchliche Werke und Einrichtungen wie der Kirchliche Entwicklungsdienst in Bayern und Medienorganisationen haben den "Deutschen Menschenrechts-Filmpreis 2000" ausgeschrieben. In unterschiedlichen Kategorien werden Filme von Profis und von Amateuren ausgezeichnet. Eingereicht werden können selbstproduzierte Dokumentarfilme, Trickfilme, Videoclips, Experimental- und Spielfilme. Die Filme müssen bis zum 1. Oktober eingesandt werden. Weitere Informationen sind unter der Telefonnummer: 0911-430 42 11 oder im Internet unter www.menschenrechts-filmpreis.de zu erhalten. |
aus: der überblick 03/2000, Seite 119
AUTOR(EN):
Ilse Preiss:
Ilse Preiss ist freie Journalistin.