Die neue ökumenische Allianz "ACT-Development" wird die Entwicklungsarbeit der Ökumene stärker sichtbar machen, erklärt Cornelia Füllkrug-Weitzel. Die Direktorin von "Brot für die Welt" und der Diakonie Katastrophenhilfe war Mitglied des Komitees, das die Gründung von ACT-D vorbereitet hat. Sie hat sich dort für eine enge Verbindung der Allianz zum ÖRK eingesetzt und ist in den ersten Exekutivausschuss von ACT-D gewählt worden.
Gespräch mit Cornelia Füllkrug-Weitzel
Welchen Nutzen erhoffen Sie von ACT-Development (ACT-D)?
Vor allem, dass das ökumenischen Engagement in der Entwicklungsarbeit besser sichtbar wird. Der Name ACT-D ist zwar noch vorläufig, denn es ist noch offen, wie ACT-D und ACT-International (ACT-I) zusammengehen und wie sie heißen werden. Ich gehe aber davon aus, dass beide am Ende gemeinsam unter dem Namen ACT arbeiten werden. Die Mitgliedsorganisationen von ACT-D haben sich zum so genannten Co-Branding verpflichtet, das heißt sie werden neben ihrem eigenen eingeführten Namen die Marke "ACT" führen. Das wird die weltweite Zusammengehörigkeit kirchlicher Entwicklungswerke besser sichtbar machen.
"Brot für die Welt" ist in Deutschland doch eine bekannte Marke und wird durch das Co-Branding kaum prominenter.
Es wird aber deutlich, in welchem Verbund wir arbeiten – also dass wir nicht selbst in anderen Ländern Projekte umsetzen, indem wir uns für unsere Ideen jeweils schicke Partner suchen und sie wieder in die Wüste schicken, wenn die nächste Mode in der Entwicklungszusammenarbeit es verlangt. Sondern wir arbeiten mit starken und kompetenten Partnern rund um die Welt verlässlich und auf gleicher Augenhöhe zusammen. Wir erarbeiten in ACT-D gemeinsam die den jeweiligen Aufgaben angemessenen Methoden und Strategien. Es ist unsere Besonderheit, dass starke Werke im Süden, die teilweise Jahrzehnte alt sind, ihre Erfahrung und Kompetenz und die Sicht aus der Region authentisch einbringen. Manche andere Hilfswerke nennen sich international, haben aber im Süden nur abhängige Niederlassungen der Zentrale im Norden.
Soll die größere Sichtbarkeit der ökumenischen Entwicklungsarbeit auch dazu dienen, ihren Einfluss etwa bei den Vereinten Nationen zu erhöhen?
Sicher. Einige Organisationen, die in Hinsicht auf Finanzmittel oder Mitglieder viel unbedeutender sind als die Ökumene, treten auf globaler Ebene sehr lautstark auf. Sie werden in Leitmedien wie CNN unverhältnismäßig stark wahrgenommen, weil sie einen international bekannten großen Namen haben. Wir hingegen sind bisher nur im eigenen Land jeweils unter unserem nationalen Namen bekannt.
Im Vorfeld der Gründung von ACT-D wurde der ökumenischen Entwicklungsarbeit unter anderem unzureichende Koordination bescheinigt. Hoffen Sie, dass sich dies jetzt bessert?
Ja. Eins der Hauptziele von ACT-D ist, dass wir gemeinsam über unsere Ziele und Prioritäten diskutieren und darüber, wo Hilfe besonders nötig ist. ACT-D soll nicht die Mittel seiner Mitgliedsorganisationen kanalisieren. Aber in der Diskussion miteinander wird deutlich werden, wo mehr Mittel gebraucht werden und wo vielleicht aus historischen Gründen überproportional viel Hilfe hin fließt. Auch die Koordination der Ansätze in einem Land halte ich für sehr wichtig: Wenn die Hilfswerke untereinander und mit den lokalen Partnern, zum Beispiel für die Aids-Bekämpfung oder in der Frage von Landreformen, die Strategie abstimmen und sich einigen, wo und wie größere Veränderungen erzielt werden sollen, dann können wir meiner Meinung nach sehr viel mehr bewirken als mit einer Summe einzelner, unverbundener Projekte.
ACT-D soll anders als ACT-I nicht selbst Geld weiterleiten und keine gemeinsamen Spendenappelle herausgeben?
Das ist zur Zeit der Stand der Verabredungen. ACT-D ist nicht als Instrument der Spendenwerbung gegründet und es soll kein Geld über ACT-D weitergeleitet werden. Gemeinsame Spendenappelle sind nicht geplant. Den Kirchen und Werken im Süden wird ACT-D allerdings beim Fundraising sehr helfen, weil das Netzwerk Kontakte zu Gebern erleichtert – etwa zu den EU-Delegationen im Land. Von Fall zu Fall mögen auch Mitglieder von ACT-D gegenüber internationalen Organisationen wie den UN oder großen Stiftungen gemeinsam auftreten. Aber ACT-I stellt für eine Notlage den Gesamt-Hilfsbedarf fest, stellt einen Appell zusammen und leitet großenteils auch die Mittel weiter. Ein solcher Koordinationsmechanismus wird ACT-D in absehbarer Zeit sicher nicht werden.
Was heißt dann Koordination? Wenn zum Beispiel in einem Land viele Mitglieder von ACT-D umfangreiche Hilfe leisten, wäre dann "Brot für die Welt" bereit, sich zu deren Gunsten zurückzuziehen?
Koordination entsteht dadurch, dass man miteinander über Schwerpunkte in einer Region und einem Land diskutiert – gemeinsam mit den Beteiligten vor Ort. Daraus ziehen dann alle ihre Schlüsse. Dazu kann auch gehören, dass Werke sich aus einem Gebiet zurückziehen und statt dessen in einer vernachlässigten Region oder auch einem vernachlässigten Sektor arbeiten – im allgemeinen Einverständnis.
Erwarten Sie auch mehr Einfluss in der Anwaltschafts-Arbeit, und wenn ja, gegenüber wem?
Zunächst gegenüber den Entwicklungsländern selbst. Wenn etwa in einem Land Menschenrechte verletzt werden oder große Ungerechtigkeit herrscht, bewirkt es weniger, wenn viele lokale oder internationale Organisationen sich je einzeln an die Regierung wenden, als wenn man das gemeinsam tut. Anwaltschaft ist aber nicht die Hauptaufgabe von ACT-D. Unter diesem Dach werden sich sicher auch Interessenten zusammenfinden, die immer wieder Anwaltschafts-Projekte gemeinsam vorantreiben. Nur haben wir nicht den Anspruch, das gesamte Feld der ökumenischen Advocacy-Arbeit abzudecken. Wir sind hier nur ein Spieler unter anderen – der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), der Lutherische Weltbund, Missionswerke und die Ecumenical Advocacy Alliance (EAA) wirken zum Beispiel mit. Die Anwaltschafts-Arbeit der Ökumene stärker zu koordinieren, ist meiner Ansicht nach eine Aufgabe des ÖRK. Der ursprüngliche Plan, dass ACT-D, ACT-I und die EAA in Zukunft eng zusammenrücken, wird übrigens nicht weiter verfolgt. Denn die Trägerschaft der EAA ist viel breiter als die von ACT-I und ACT-D, die Katholiken und Pfingstkirchen sind dabei. Daher ist einvernehmlich beschlossen worden, dass die EAA aus den Überlegungen in Richtung Schaffung einer gemeinsamen Organisation herausgehalten wird, um dieses breit fundierte Kampagnen- Instrument nicht zu schädigen.
Welche Vorhaben wird ACT-D als erstes angehen?
Wir wollen als erstes gemeinsam Kriterien für die Wirkungsbeobachtung von Projekten entwickeln. Mehrere Regierungen und die EU arbeiten an einem System der Wirkungsmessung – sie wollen Vorgaben dafür festlegen, wie nichtstaatliche Hilfsorganisationen, die staatliche Zuschüsse bekommen, über die Wirkung dieser Zuschüsse berichten müssen. Das betrifft die meisten Mitglieder von ACT-D, sie erhalten solche Zuschüsse. Zugleich arbeiten auch schon verschiedene kirchliche Werke an einer besseren Wirkungsmessung. Wenn wir dafür jetzt in ACT-D von Vornherein ein gemeinsames System entwickeln, dann muss man nicht hinterher verschiedene Systeme mühsam aufeinander abstimmen. Und vor allem können wir auf der Grundlage unseres Verständnisses von Wirkungen Einfluss darauf nehmen, wie Regierungen die Kriterien festlegen. Vermutlich werden sie technokratisch vorgehen und viel mit Zahlen operieren, während wir von der Verbesserung der Lage der Betroffenen ausgehen und diese auch an der Beobachtung und Messung beteiligen wollen. Deshalb werden wir im West-Ost-Süd-Verbund einen Rahmen für die Wirkungsbeobachtung entwickeln, der vielleicht hier und da lokal angepasst werden muss, aber im Prinzip für alle gilt. Das wird nicht zuletzt den Süd-Partnern sehr helfen: Sie sind stark daran interessiert, ihre Arbeit mit den Betroffenen zu diskutieren und zu überprüfen, ob sie ihre Ziele erreichen. "Brot für die Welt" hat die Führungsrolle für dieses Projekt der Allianz übertragen bekommen. Ein zweites Vorhaben ist, zu klären, was nötig ist, um die Kontinuität von Nothilfe zu Entwicklung zu verbessern.
Wo liegt hier das Problem?
Bisher gibt es oft für Partner, die man nach einer Katastrophe mit Nothilfe unterstützt hat, keine Anschlussfinanzierung. Denn staatliche Zuschüsse für Katastrophenhilfe stehen in der Regel nur für rund zwei Jahre zur Verfügung, auch wenn langwierige Wiederaufbau-Maßnahmen und Entwicklungsarbeit nötig sind. Die kirchlichen Werke oder NGOs, die so etwas fördern können, sind aber nicht unbedingt im betroffenen Land oder Sektor tätig oder haben dies in ihren Mehrjahresplanungen nicht als Priorität vorgesehen. Die Partner im Süden fühlen sich da manchmal allein gelassen, zumal von Katastrophen meist besonders schwache Regionen und Bevölkerungsgruppen betroffen sind, die vielleicht wenig staatliche Entwicklungshilfe erhalten. Die Zusammenarbeit von ACT-I mit ACT-D soll in solchen Fällen für eine Anschlussfinanzierung sorgen.
Das eine Netzwerk soll das andere aktivieren?
Ja, oder sie wachsen zu einem Netzwerk zusammen – je nachdem wie eng beide am Ende zusammenarbeiten.
Wie stark beteiligen sich Kirchen aus dem Süden an ACT-D?
Ziemlich gut. Das spiegelt sich auch im neu gewählten Exekutivausschuss: Dort sitzen neben einem Repräsentanten des Lutherischen Weltbunds vier Vertreter aus dem Norden, einer aus dem Osten und fünf aus dem Süden, eine weitere muss noch gewählt werden. Es war eines unserer Ziele, dass der Norden nicht dominiert.
aus: der überblick 01/2007, Seite 172
AUTOR(EN):
Die Fragen stellte Bernd Ludermann.