Schwedische und afrikanische Museen arbeiten partnerschaftlich zusammen
Zeitgemäße Museen müssen ganz normalen Bürgern in ihrer Umgebung dienen. Wie können sie das in verschiedenen Kulturen? Mit einem regen Austausch von Ideen, Kenntnissen sowie Fachkräften und gemeinsamen Ausstellungen versuchen schwedische und afrikanische Museen, ihre Rolle in der Gesellschaft neu zu bestimmen.
von Elisabeth Olofsson
Wer braucht ein Museum und wozu? In Europa halten wir ein Museum für selbstverständlich, jede Stadt oder jeder Ballungsraum, vielleicht sogar jedes Dorf sollte sein eigenes Museum haben. Die Institution des Museums im westlichen Teil der Welt hat eine lange Geschichte. Die meisten von uns erwarten, dass wir in einem Museum etwas über unsere Vergangenheit lernen und uns die alten Kunstwerke und wertvollen Objekte ansehen können. Ein Museum ist ein Ort, wo Geschichte erhalten bleibt und gelehrt wird. .
In unserer heutigen, sich rasch wandelnden Welt ist es notwendig, die Rolle des Museums immer wieder neu festzulegen, um den Menschen einer jeden Gesellschaft besser zu dienen. Eine Methode, die Aufgabe des Museums neu zu bestimmen, ist die Zusammenarbeit mit Kollegen von verschiedenen Museen und aus verschiedenen Ländern. In Schweden findet solche Zusammenarbeit im "Schwedisch-Afrikanischen Museumsprogramm" (SAMP) statt. SAMP ist ein anfangs von der staatlichen schwedischen Entwicklungshilfe-Agentur SIDA finanziertes Netzwerk, das Museen in schwedischen und afrikanischen Ländern zusammenführt. Es hilft, eine institutionelle Partnerschaft zu stiften, die über bloße Unterstützung hinausgeht. Es gibt einen Anstoß zu konkretem Handeln, mit dem sich die Museen selbst verändern. Schließlich will SAMP einen echten Austausch zwischen einem schwedischen Museum und einem Museum in einem afrikanischen Land in die Wege leiten und nicht lediglich Hilfe für ein afrikanisches Museum leisten.
Die Idee, SAMP zu gründen, kam von Alpha Oumar Konare, der 1984 zu Besuch in Stockholm war. Zu dieser Zeit war er Vizepräsident des Internationalen Rats der Museen (ICOM); heute ist er der erste demokratisch gewählte Präsident der Republik Mali. Im Mai 1989 entwickelten Museumsfachleute bei einem einwöchigen Treffen in Schweden das Konzept von SAMP weiter. Afrikaner und Schweden schilderten einander ihre pädagogischen Methoden und Ideen und entwickelten neue Konzepte im Hinblick auf die mitgebrachten Ausstellungsstücke zum Thema "Tod - ein Teil des Lebens".
Jetzt, im Jahr 2001, nehmen an diesem Programm für die Weiterentwicklung von Museen durch fachkundigen Austausch 13 schwedische Museen teil (drei Nationalmuseen, sieben Regionalmuseen und drei kommunale Museen) sowie 14 afrikanische Museen aus elf Ländern und vier Museen aus Inselstaaten im Indischen Ozean. Afrika wird vertreten durch Benin, Botswana, Kenia, Madagaskar, Mosambik, Namibia, Südafrika, Swasiland, Tansania, Sambia und Simbabwe sowie die Inselstaaten Madagaskar, Seychellen, Komoren und Reunion. Um den Austausch innerhalb von SAMP weiter zu entwickeln und zu erleichtern, hat man sich auf verschiedene Formen der Fortbildung konzentriert. Kürzlich sagte ein Fachmann; SAMP sei in sich selbst schon Fortbildung, nicht im Sinne von Kursen und UnterrichtsstUnden, sondern der gesamte Ansatz dieses Austauschprogramms bedeute Fortbildung.
Ein SAMP-Projekt benötigt bestimmte Voraussetzungen: Es sollte neue Initiativen in professionellen Methoden und Arbeitsweisen einschließen; ein neues Publikum und neue Mitarbeiter ansprechen; das Element des Austauschs von Ideen durch das ganze Projekt hindurch sichtbar machen. Die Partner-Museen setzen also ihre Arbeit gemeinsam um, zuerst in Schweden, dann in Afrika oder umgekehrt. Weiter gehört dazu ein transparentes, alle Ausgaben einschließendes Budget, wobei keine Kapitalinvestitionen innerhalb des zu SAMP gehörenden Teil des Budgets erlaubt sind. Jedes einzelne SAMP-Projekt muss von den beiden zusammenarbeitenden Museen festgelegt werden und sollte vorzugsweise in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Vereinigungen durchgeführt werden. Auf lange Sicht sollte das Projekt alle Museumsmitarbeiter einschließen und sich auf alle Teilbereiche der Museumsarbeit auswirken.
SAMP ist heute ein Netzwerk von rund 500 Museumsfachkräften, die Ideen und Erfahrungen austauschen. Zu dem Netzwerk gehören Museumsdirektoren, Spezialisten in akademischen Fächern wie Kunstgeschichte, Archäologie, Ethnologie, Ethnografie, Geschichte und Naturwissenschaften, ferner Beamte, die für Bildung und Information zuständig sind, Fachkräfte wie Fotografen, Tischler und Präparatoren und schließlich Sekretärinnen und Computerexperten.
Ein SAMP-Projekt kann etwa so aussehen wie das folgende zwischen einem schwedischen Museum und einem Museum in Benin. Ziel dieser Partnerschaft zwischen dem Musee Historique d'Abomey in Benin und dem regionalen Museum von Östergötland in Linköping, Schweden, ist die Erhaltung des architektonischen Erbes. Dass Paläste innerhalb des Gebietes des Palastes von Abomey erhalten und restauriert werden müssen, gab den Anstoß zu dieser Idee. In Östergötland hatte man Interesse daran, seine Kompetenz und Arbeitsmethoden in einem Restaurierungs-Workshop anzubieten. Als das Datum für den Workshop näherrückte, wurde den Fachleuten jedoch klar, dass sie nicht wirklich dieselbe professionelle Sprache sprachen und ihre Erwartungen sehr unterschiedlich waren.
Als ersten Schritt legten beide Seiten in einem Seminar dar, wie sie dachten und arbeiteten, und bereiteten so den gemeinsamen Boden für ein besseres Projekt. Die Fachleute in Benin entwarfen einen Plan für die Erhaltung und für Methoden künftiger Restaurierung. Währenddessen wurden verschiedene Wege untersucht, wie man die Gesellschaft mit einbeziehen könnte. Im Museum in Linköping gibt es eine kleine Gruppe junger Leute, die kleinere Happenings im Museum organisieren. Diese Idee wurde in Benin aufgegriffen. Dort bildete sich eine Gruppe junger Leute, die ebenfalls Aktivitäten in dem Museum planten.
Im Jahre 1999 trafen sich die zwei Gruppen in Benin und ein Jahr darauf Schweden. Die jungen Schweden wohnten bei den Familien der Freunde in Benin und beim Gegenbesuch in Schweden wohnten die Beniner bei den schwedischen Familien. Beide Gruppen präsentierten sich in Videofilmen und Vorträgen. Die Benin-Gruppe führte ein Theaterstück über die Ereignisse um König Gezos Krönungsfeierlichkeiten auf und zeigte, wie diese Geschichte heute unter jungen Leuten gesehen wird. Wenn Jugendliche anderen Jugendlichen die Geschichte des Ortes erzählen, bedeutet das vielleicht eine ebenso gute Aufarbeitung der Geschichte wie die physische Restaurierung eines Gebäudes. Im Jahre 2001 werden mindestens zwei Gebäude restauriert: das Grabmal von König Agonglo und das Grabmal der Ehefrauen von König Gezo. Vorher wird überlegt, wie man die Gemeinden der Umgebung einbeziehen kann. Drei Wochen lang werden Handwerker, Architekten und Techniker aus ganz Benin und Schweden zusammenarbeiten und dabei traditionelle Materialien und Arbeitsmethoden verwenden.
Ein anderes Projekt im Nayuma Museum in Limulunga, Sambia, und im Skelleftea Museum in Schweden sammelt Berichte über die örtliche Geschichte und stellt sie in Dokumentationen zusammen. Die beiden Museen haben das als gemeinsamen Bedarf erkannt, weil beide Gesellschaften sich rasch verändern. Man informiert sich wechselseitig über Arbeitsweisen und Training, und in einigen Dörfern der Umgebung von Nayuma wurden bereits örtliche Geschichtsgruppen gebildet. Eine Gruppe in Nayuma lebender Frauen hat angefangen, ihre Lebensgeschichten zu erzählen. Diese Erzählungen wurden auf Kassetten aufgenommen und anschließend abgeschrieben. Auf die gleiche Weise verfuhr Skellefta.
Dabei kam der Vorschlag für eine Ausstellung auf. Es wurde eine Arbeitsgruppe in Nayuma gegründet, wo das Personal beider Museen eine Wanderausstellung in zweifacher Ausfertigung fertigte, eine für Sambia und eine für Schweden. Die Frauen beteiligten sich an der Ausstellung, indem sie Stoffe als Hintergrund für Fotos und Texte webten. Nach diesem Beitrag für die Ausstellung musste man den Frauen zwangsläufig Gelegenheit geben, einander zu treffen. Drei schwedische Frauen reisten zu ihren "Schwestern" in Nayuma und im gleichen Jahr kamen drei Frauen aus Nayuma nach Skelleftea. Man kann die Wirkung solcher Besuche schwer einschätzen, aber Auswirkungen gibt es bestimmt. Der Titel dieser Ausstellung "Weit weg und doch dasselbe" hat eine tiefere Bedeutung und wirkt sich immer noch auf die Partnerschaft aus. .
Das SAMP-Netzwerk nutzt verschiedene Kommunikationsmittel wie E-Mail, Internetseiten, Rundbriefe und Treffen. Alle Museen, die an SAMP teilnehmen, stehen über E-Mail miteinander in Kontakt, und viele haben Seiten im Internet. Zusätzlich zu den zahlreichen Treffen, welche von den jeweiligen Partnern organisiert werden, gibt es ein jährliches Treffen für alle Museen, die an SAMP teilnehmen. Treffen spielen eine wichtige Rolle neben anderen Arten von Kommunikation. Professor Ki-Zerbo, ein bekannter Historiker und Politiker aus Burkina Faso, fragte 1997 bei einer Partnerschaftskonferenz in Stockholm: "Wie kann man mit jemandem zusammenarbeiten, den man gar nicht kennt?"
Bei der Jahreshauptversammlung in Swasiland im August 1997 wurde das Thema "Gesellschaftliche Erfordernisse des SAMP- Projekts" diskutiert. Die Vertreter der Museen sagten, es sei nicht nur möglich, sondern sie hätten auch die Pflicht, die Gesellschaft als ganze anzusprechen, wenn ein SAMP-Projekt festgelegt wird.
In Swasiland war SAMP einen großen Schritt vorangekommen. Daran anknüpfend trafen sich im August 1998 rund 70 Fachleute im Stockholmer Freiluftmuseum Skansen, um die künftige Verankerung der Museen in der Gesellschaft zu diskutieren. Als Diskussionsbasis waren Thesenpapiere zum Thema "Museen ohne Wände" verfasst worden. Erstmals konnte auch die Öffentlichkeit an der Konferenz teilnehmen. Immer wieder betonten Teilnehmer die Pflicht der Museen, in erster Linie gewöhnlichen Menschen zu dienen.
Neun Musikgruppen aus neun verschiedenen afrikanischen Ländern -insgesamt waren es 47 Musiker -spielten "Musik aus den Dörfern" in Skansen und auf Bühnen in Vororten von Stockholm sowie in verschiedenen Regionen des Landes. Die afrikanischen Museen innerhalb des SAMP-Programmes hatten die Gruppen für die Veranstaltungen ausgesucht. Ihrer Auswahl lag die Idee zugrunde, dass moderne afrikanische städtische Musik der traditionellen afrikanischen dörflichen Volksmusik viel verdankt. Die Ursprünge der Musik, nicht notwendigerweise die Musiker selbst, sollten aus den Dörfern kommen. Keine der teilnehmenden Bands war jemals außerhalb Afrikas aufgetreten. Die meisten schwedischen SAMP-Museen organisierten eine Tournee für die vom Museum im Partnerland ausgesuchte Band. Der Grundgedanke für die Veranstaltung war, den Schweden zu zeigen, dass afrikanische Musikkultur heutzutage genauso aufregend und verschiedenartig ist wie Musik der westlichen Welt und ihnen klar zu machen, welche Arten von Musik derzeit in den teilnehmenden afrikanischen Ländern populär sind.
Während des Seminares in Skansen wurde eine wichtige Frage gestellt: Ist ein Austausch zwischen Museen im Norden und im Süden wirklich möglich? Ist es möglich, einen wechselseitigen nützlichen Austausch zwischen Museen ganz unterschiedlicher Kulturen, zwischen Museen mit sehr unterschiedlichen Budgets durchzuführen?
Alpha Oumar Konare beantwortete die Frage folgendermaßen: "Eine Partnerschaft kann niemals als Einbahnstraßen-Beziehung angesehen werden -dann ist es keine echte Partnerschaft. Es muss ein gegenseitiges Geben und Nehmen zu Gunsten beider Partner sein. Umeine gleichberechtigte Beziehung zwischen Nord und Süd zu formen, müssen beide Partner etwas dazu beitragen. Wir müssen gemeinsam entscheiden, was jeder Partner beisteuern soll. Wenn dies nicht geschieht, wird unser Partnerschaftsprojekt geschwächt und schließlich sterben - zum nicht wiedergutzumachendem Schaden beider Partner. Es ist nicht wahr, dass wir keinen Beiträge leisten können, auch wenn wir nicht viel Geld haben. Armut bedeutet nicht, dass wir keinen sinnvollen Beitrag zum Austausch leisten können. Die Möglichkeiten für einen Austausch von Gedanken und Ideen über das Internet scheinen unbegrenzt. Weshalb profitieren wir nicht von dieser technologischen Revolution? Wir könnten mehrere Entwicklungsschritte überspringen und somit Zeit gewinnen. Aber das Problem ist, wie ich es sehe unsere intellektuelle Faulheit. Wenn wir die nicht überwinden, ist der Austausch unmöglich."
Die SAMP-Partner können Konare darin nur zustimmen. Ein gegenseitiger Austausch ist nur dann möglich, wenn man sich viel Zeit dafür nimmt, wenn man fähig ist, immer wieder von vorn anzufangen, wenn man flexibel ist und den Willen hat, neue Ideen und Erfahrungen in ein laufendes Projekt zu integrieren.
Im Mai 2001 wird die nächste Jahreshauptversammlung in Tolagnaro, Madagaskar stattfinden. Ungefähr 60 Fachleute werden darüber diskutieren, wie man "auf die Vorfahren hört, die für die Zukunft sprechen". Themen wie Gemeinschaft, Jugend, Natur und Sprachen werden die Wegweiser sein bei der Suche nach einem Museum, das etwas für die heutige Zeit bedeutet.
aus: der überblick 01/2001, Seite 96
AUTOR(EN):
Elisabeth Olofsson:
Elisabeth Olofsson ist seit 1998 Koordinatorin des Schwedisch-Afrikanischen Museumsprogramms (SAMP). Sie ist Museologin und Ethnologin und hat an Universitäten in Schweden und Frankreich studiert.