Neue Schwerpunkte angekündigt
Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) wird für seine zukünftige Arbeit teilweise neue Schwerpunkte setzen. Das erklärte Konrad von Bonin, Vorstandsvorsitzender des EED, am 4. Juni auf der Jahrespressekonferenz des neu gegründeten Hilfswerkes in Bonn. In den nächsten Wochen würden rund 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den ehemaligen kirchlichen Entwicklungswerken in Stuttgart, Hamburg, Hannover und Bonn "zusammen kommen, um das neue Werk zu formen und dem kirchlichen Entwicklungsdienst ein gemeinsames Profil zu geben".
von Uwe Kerkow
Wie dringlich es nach wie vor ist, die globale Verantwortung und damit auch die Notwendigkeit von Entwicklungszusammenarbeit im Bewusstsein der Menschen zu verankern, haben, so von Bonin, die Diskussionen um das Thema HIV/AIDS in besonderem Maße bewiesen: Mit dem Ergebnis der UN-Aids-Sondergeneralversammlung könne man zwar zufrieden sein. Doch dürfe der in New York beschlossene Fonds nicht aus den Mitteln des bisherigen BMZ-Haushaltes gespeist werden, da dies nur auf Kosten von anderen Bereichen der Armutsbekämpfung möglich sei.
Von Bonin betonte außerdem die Verantwortung der Privatwirtschaft. Es gehe einerseits darum, "konkrete Modelle zu finden, wie auch die deutsche Wirtschaft zu mehr Initiative gebracht werden kann". Darüber hinaus mahnte von Bonin "ein Umdenken zur globalen Mitverantwortung bei der Privatwirtschaft" an. Das betreffe insbesondere die Pharmaindustrie, deren Gewinne sich nicht aus jenen Geldern speisen dürften, die im Aids-Fonds für den Ankauf von Medikamenten ausgewiesen seien.
Der EED-Vorstandsvorsitzende kündigte eine deutsche Kampagne zur Aids-Problematik an, die der EED zusammen mit Brot für die Welt, dem Deutschen Institut für ärztliche Mission (DIFÄM) und weiteren Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit auflegen werde. "Der EED fördert nicht nur Projekte im Kampf gegen Aids", stellte von Bonin klar, "sondern wird in Zukunft sein Engagement darauf lenken, den Armen Zugang zu bezahlbaren Medikamenten zu ermöglichen."
Um dieses Ziel zu erreichen, müsse jedoch das internationale TRIPs-Regelwerk geändert werden. Das Abkommen zu den handelbaren Rechten auf geistiges Eigentum (Trade-Related Intellectual Property Rights) und die daraus resultierende Patentierung gentechnisch veränderter Organismen und lebenswichtiger Medikamente schränke das Recht auf Ernährung ein und gefährde das Recht auf Gesundheit. Abgesehen davon sei es problematisch, in diesem Zusammenhang von geistigem Eigentum zu sprechen. "Menschenrechte dürfen nicht durch internationale Handelsabkommen in Frage gestellt werden", lautete das Fazit von Bonins.
Zur finanziellen Situation des EED referierte Hartmut Bauer, Vorstandsmitglied des EED und zuständig für Finanzen und Zentrale Dienste. Er kritisierte die Politik der rot-grünen Bundesregierung, die die Mittel des BMZ ursprünglich um 400 Millionen Mark hatte kürzen wollen. Nach scharfen Protesten von Nichtregierungsorganisationen und Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul wurde die Kürzung dann auf 200 Millionen zurückgenommen. "Das Ergebnis wird also kein anderes sein, als in der mittelfristigen Finanzplanung vom vorigen Jahr vorgesehen ist", stellte Bauer fest.
Die kirchlichen Zentralstellen, die politischen Stiftungen und die Nichtregierungsorganisationen seien damit getröstet worden, dass die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nicht gekürzt werden. Doch dann habe sich herausgestellt, dass die Osteuropaförderung vom nächstem Jahr an nicht mehr aus dem Osteuropatitel finanziert wird, sondern aus eigenen Mitteln bestritten werden muss. "Dies bedeutet praktisch eine Kürzung des Kirchentitels von rund zehn Millionen Mark was man erst im Nachhinein erfährt", bedauerte Bauer. Angesichts bewaffneter Konflikte, unter anderem im Kaukasus, wiesen derartige Maßnahmen in eine völlig falsche Richtung. Zum Glück sind die Beiträge der Gliedkirchen in diesem Jahr wieder angestiegen, so dass der Rückgang der staatlichen Mittel fast vollständig ausgeglichen werden kann.
Insgesamt hatte der EED im Jahr 2000 ein Mittelaufkommen von 268,9 Millionen Mark, wovon 187,8 Millionen Mark für Programme in Afrika, Asien und Lateinamerika und für überregionale Aktivitäten ausgegeben worden seien. 8,9 Millionen wurden für die Osteuropa- und GUS-Programme aufgewendet und 11,3 Millionen für die Inlandsarbeit. Der kirchliche Anteil an diesen Leistungen habe 37,7 Prozent betragen.
Diese Entwicklung nahm Wilfried Steen, Vorstandmitglied des EED und zuständig für Entwicklungspolitik und Programme im Inland, zum Anlass, noch einmal auf die Bedeutung hinzuweisen, die der Inlandsarbeit zukommt. "Die Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit des EED wendet sich besonders an die eigenen Mitgliedskirchen und -organisationen", betonte Steen, "die in ihrem Engagement für Nord-Süd-Fragen nicht nachlassen sollen".
Dass es gelingen könne, Menschen für globale Solidarität zu begeistern, zeige die Entschuldungskampagne, die nicht zuletzt von evangelischen Kirchen, Gemeinden und Gruppen mit getragen werde und nun mit tatkräftiger Unterstützung des EED unter dem Titel "Erlassjahr.de" weiter geführt wird. "Die Entschuldung der ärmsten Länder macht zu langsame Fortschritte", begründete Steen diesen Entschluss. Auch müsse erwogen werden, weitere hoch verschuldete Länder in die Entschuldung mit einzubeziehen. Auch das Aktionsprogramm 2015 zur Bekämpfung der absoluten Armut werde in Zukunft vom EED energisch propagiert werden, damit die Chance gewahrt bleibe, die hoch gesteckten Ziele auch zu erreichen.
aus: der überblick 03/2001, Seite 122
AUTOR(EN):
Uwe Kerkow :
Uwe Kerkow ist freier Journalist in Bonn.