Monika Huber in Nahost
Monika Huber ist Geschäftsführerin der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE) für den Programmbereich. Anfang September besuchte sie mit einer von Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul geführten Delegation des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und des Auswärtigen Amtes (AA) Israel, Palästina und Jordanien.
Gespräch mit Monika Huber
Das Gespräch führte Uwe Kerkow
Welchem Zweck diente die Reise in den Nahen Osten, und worin bestand ihre Aufgabe?
Ein neuer zentraler Schwerpunkt der Arbeit des BMZ ist ja die Friedensförderung, die Konfliktbearbeitung und die Konfliktprävention. Zudem ist Palästina ein wichtiger Kooperationspartner der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Im Zuge dessen wollte sich Frau Wieczorek-Zeul vor Ort über Möglichkeiten weiterer Konfliktminderung in der Region informieren und einige der Partner kennenlernen, die vom BMZ oder von deutschen Nichtregierungsorganisationen (NROs) unterstützt werden. Neben den Vertretern des BMZ und des AA waren der zuständige Abteilungsleiter der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit und ein Vorstandsmitglied der Kreditanstalt für Wiederaufbau und jemand aus der Geschäftsführung der deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft dabei. Aus dem Bundestag ist Dagmar Schmidt (SPD) als Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit mitgekommen. Ich habe die kirchlichen Entwicklungsorganisationen vertreten - und auch die NROs.
Wie sieht denn das deutsche Partnerfeld in Palästina aus?
Das BMZ unterstützt in Palästina hauptsächlich Projekte der Regionalentwicklung und der Trinkwasserversorgung aber auch die berufliche und die schulische Aus- und Weiterbildung. Auf der Westbank und im Gaza-Streifen gibt es eine Reihe von sehr großen Projekten, durch die das Partnerfeld entsprechend geprägt wird. Frau Wieczorek-Zeul hat zum Beispiel einen Brunnen eingeweiht, der einen Teil der Stadt Hebron versorgen wird eine für ganz Palästina bedeutsame Aktivität. Außerdem gibt es noch eine Reihe von Maßnahmen im Bereich der Wirtschaftsförderung für kleine und mittlere Unternehmen. Ein weiteres großes Projekt, das wir besichtigt haben, ist die Sanierung der Altstadt von Bethlehem, die ja auch im Bezug auf das Jahr 2000 sehr bedeutsam ist.
Welche Projekte betreiben denn die nichtstaatlichen Partner dort?
Diese Frage ist etwas kompliziert zu beantworten. Denn die Reise war eine Ministerreise und wurde eigentlich ohne unsere Beteiligung geplant. Wir haben nachträglich versucht, Gespräche mit Partnern der Zentralstellen in das Programm mit aufzunehmen. Da Frau Wieczorek-Zeul aber ohnehin über ausgezeichnete und langjährige Kontakte vor allem zu den palästinensischen Behörden verfügt und es im Vorfeld auch viele Anregungen zu Treffen mit kirchlichen Einrichtungen gegeben hatte, war es nicht ganz leicht, die entwicklungspolitischen Aktivitäten unserer Partner noch in dem engen Programm unterzubringen.
Wir hatten aber an zwei Stellen Begegnungen mit Partnern der EZE. Einmal gab es ein Gespräch mit dem Probst Ronecker von Jerusalem, zu dem zusätzlich israelische und palästinensische Organisationen eingeladen waren darunter auch der YMCA Ost-Jerusalem und der Lutherische Weltbund Jerusalem.
Diskutiert wurde vor allem die Lage der Palästinenser nach dem Regierungswechsel in Israel. Frau Wieczorek-Zeul ist am Anfang der Reise sehr stark von dem Gedanken der Konfliktprävention ausgegangen. Für die Partner und uns, die schon sehr lange auf diesem Sektor arbeiten, geht es jedoch schon lange nicht mehr um die Vorbeugung von Konflikten. Wir suchen derzeit eher nach praktischen Möglichkeiten, den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern beständiger zu machen. In dem Gespräch mit der Ministerin haben Partner zum Beispiel darauf hingewiesen, daß interreligiöse Dialoge schon immer von ihnen gestaltet worden sind. Für das BMZ ist es dagegen eine neue Idee, solche Arbeit als Beitrag zur Friedenskonsolidierung eventuell zu unterstützen.
Frau Wieczorek-Zeul ist als Ministerin sehr engagiert. Sie arbeitet sich gezielt in die Problematik ein und nimmt ihr Engagement als eine politische Aufgabe bewußt wahr. Ich habe sie als sehr offen erlebt, den Partnern zugewandt und mit Interesse an den Aktivitäten der NROs und der Zivilgesellschaft.
Das zweite intensive Gespräch mit zivilgesellschaftlichen Akteuren fand in Bethlehem statt. Dort hatte die lutherische Kirche in ihrem Begegnungszentrum eine Diskussion mit den verschiedensten Frauenvertreterinnen organisiert. Viele von ihnen kamen aus NROs auch von unseren Partnerinnen waren einige gekommen.
Diese Veranstaltung war besonders interessant, weil Probleme der rechtlichen Situation und der Gleichstellung von Frauen in Palästina angesprochen wurden. Auch die Frage der Demokratieentwicklung in Palästina wurde aufgegriffen. Denn wenn man nur die Palästinensische Autonomiebehörde im Blick hat, entgeht einem die Tatsache, daß sich in Palästina Demokratie auch noch entwickeln muß und daß wir unsere Partner auch darin fördern. Das betrifft vor allem Frauenrechte, aber auch Land- und Minderheitenrechte.
Gibt es denn im Bereich der Friedensförderung bereits gezielte Projektarbeit oder handelt es sich beim deutschen Beitrag in diesem Zusammenhang vor allem um politische Dialoge?
Die erfolgreiche Bearbeitung von Konflikten hängt ja mit der Wasserfrage eng zusammen. Und die knappen Wasservorräte waren auch Thema der politischen Gespräche, die auf dieser Reise nicht nur in Israel, sondern auch in Palästina und Jordanien mit den entsprechenden politischen Gremien geführt wurden.
Aber es gibt auch einige kirchliche Ansätze, den Frieden im Nahen Osten auf Projektebene konsolidieren zu helfen. Zum Beispiel betreibt das Berliner Missionswerk die Schule Talitha Kumi für palästinensische Kinder und versucht vorsichtig, Dialogprogramme durchzuführen. Dabei wird sie von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung unterstützt, und das BMZ wird sicherlich prüfen, ob es einen solchen Ansatz in die Förderung aufnehmen kann.
Ein weiteres interessantes Projekt wird von der Friedrich-Ebert-Stiftung gefördert: Es handelt sich dabei um ein regionales Entwicklungsprojekt im Norden Israels nördlich von Haifa , wo versucht wird, innerhalb eines regionalen Ansatzes Israelis und Palästinenser zur Zusammenarbeit zu bewegen. Die israelische Gesetzgebung, die Bestimmungen und Verfahrensweisen stellen jedoch eine große Hürde für die diese Form der Zusammenarbeit dar. Interessant fand ich das Projekt vor allem wegen der konkreten gemeinsamen Aktivitäten, da daran gezweifelt werden muß, ob man den Frieden im Nahen Osten nur durch Dialog, durch miteinander reden, erreichen kann. Auf lokaler und regionaler Ebene kann Frieden auch gefördert werden, indem bestimmte Fragen einvernehmlich geklärt werden. Auch die Entwicklung von Selbstbewußtsein und Gestaltungskraft der Palästinenser im Bezug auf ihre eigene Gesellschaft und ihren eigenen Staat kann dem Dialog und dem Zusammenleben förderlich sein.
Wie schätzen sie den derzeitigen Stand des Friedensprozesses im Nahen Osten ein? Wie ist die Stimmung vor Ort?
Es gibt natürlich überhaupt keine Alternative dazu. Tatsache ist aber, daß in den palästinensischen Gebieten weiter Häuser unter fadenscheinigen Vorwänden abgerissen werden und die israelische Siedlungspolitik auch unter Barak zum Teil fortgesetzt wird. Wenn man vor Ort ist und zum Beispiel sieht, wie versucht wird die arabische Bevölkerung aus Jerusalem zu verdrängen, dann erhebt sich die Frage, ob der Terminus Frieden nicht zu euphorisch ist, um den Prozeß zu beschreiben. Das gilt auch für den Umgang mit der arabischen Minderheit in Israel und für viele andere Maßnahmen, die die Entwicklung Palästinas und damit auch die Vertrauensbildung erschweren. Uns ist eine Menge von solchen Vorfällen berichtet worden unter anderem auch von der deutschen Vertretung in Ramallah. Die Abwesenheit von unmittelbarer schrecklicher Gewalt ist ja noch kein wirklicher gemeinsamer Weg. Ich glaube, daß zu einem wirklichen Frieden noch viel fehlt, obwohl es schon einen erheblichen Unterschied zwischen der alten und der neuen israelischen Regierung gibt, was den Fortgang des Friedensprozesses angeht. Die neue Regierung legt sich ja auch mit den Siedlern an... Man muß auch bedenken, daß sich die israelische Gesellschaft sehr verändert hat. Neue Einwanderungsgruppen gewinnen an Einfluß, die es so früher nicht gegeben hat und die sich jetzt machtvoll einbringen.
Dagegen stehen die liberalen Israelis, die noch immer für einen nicht-religiösen Staat eintreten. Es wird sich zeigen, ob sie sich genug für die Rechte der palästinensischen Bevölkerung einsetzen, so daß der Frieden Gestalt annehmen kann.
aus: der überblick 04/1999, Seite 128