Der Südafrikaner Don Edkins und ein bewegender Film über Aids
Don Edkins produziert Dokumentarfilme, um im Publikum Diskussionen auszulösen. In seinem jüngsten Film, in dem sein Sohn die Regie führt, lässt er HIV-Infizierte aus Lesotho von ihrem Leben erzählen und fängt die Reaktionen darauf ein. So erreicht er, dass auch heikle Themen zum Gegenstand offener Debatten werden.
von Michaela Ludwig
Don Edkins ist aufgebracht. Er telefoniert mit Anwälten, Botschaftsangehörigen, südafrikanischen Beamten. Denn er wollte den von ihm produzierten Film "Frag' mich, ich bin positiv" zusammen mit dem Regisseur und den Hauptdarstellern in Deutschland vorstellen. Doch die drei Hauptdarsteller wurden bei ihrer Ausreise aus Südafrika festgenommen (siehe Kasten), und Don Edkins und sein Sohn Teboho, der den Film gedreht hat (es ist sein Erstling), reisen nun allein durch Deutschland und nehmen die Auszeichnung für "Frag' mich, ich bin positiv" auf dem Afrika-Festival in Würzburg entgegen.
Im Film fahren drei junge Männer aus Lesotho mit dem mobilen Kino in abgelegene Bergdörfer des südafrikanischen Königreichs und zeigen einen Film, in dem sie selbst die Hauptrolle spielen. Sie erzählen von ihrer HIV-Infektion und diskutieren mit den Zuschauern. Film und Film im Film verschwimmen, werden eins in den Augen des Betrachters und werden dann wieder auseinandergerissen. Das ist Absicht: "Der Zuschauer kann sich dem, was auf der Leinwand passiert, kaum noch entziehen. Er beginnt darüber nachzudenken", erklärt Don Edkins, der Dokumentarfilmer und Produzent. Eigentlich war sein Plan, die Zuschauer in Deutschland Teil eines weiteren Filmes werden zu lassen. Doch daraus wird nichts: Die drei Hauptdarsteller fehlen.
Sie sitzen zu der Zeit in südafrikanischer Untersuchungshaft. Edkins ist besorgt: "Sie müssen zweimal am Tag ihre Medikamente nehmen, müssen sich ausgewogen ernähren und dürfen nicht frieren." Ironie des Schicksals, versucht Edkins doch mit Filmen wie diesem die Menschen im südlichen Afrika über Aids und Aids-Prävention zu informieren. Die Zahl der HIV-infizierten Menschen südlich der Sahara wird auf 25 Millionen geschätzt.
"Frag' mich, ich bin positiv" ist der letzte von 38 experimentellen Musik-, Kurz- und Dokumentarfilmen zum Thema HIV/Aids aus der Reihe "Steps for the Future", die in Lesotho, Namibia, Mosambik, Südafrika, Sambia und Simbabwe gedreht wurden. Die Idee dazu hatte der heute 51-jährige Edkins vor drei Jahren. "Wir packen zwei Probleme dieser Region beim Schopf: AIDS und die schlechten Ausbildungsmöglichkeiten für junge, einheimische Filmemacher", erklärt er die Formel des Erfolgs. Seitdem knüpft er Kontakte zwischen nichtstaatlichen Organisationen und jungen Filmemachern aus dem südlichen Afrika, erfahrenen Filmemachern, Produzenten und Sendeanstalten aus Europa sowie internationalen Geldgebern. Weil die Beiträge in Kooperation und auf hohem Qualitätsniveau produziert werden, laufen sie auf namhaften Dokumentarfilm-Festivals wie dem Silverdocs- und Sundance-Festival in den USA sowie auf Fernsehkanälen wie arte und BBC (in Australien und in Südafrika).
Die ersten Fragen nach der meist tödlich verlaufenden Immunschwächekrankheit kamen Edkins, als er mit seiner Frau Marianne und den Söhnen Teboho und Max in Lesotho lebte und für Sesotho Media and Development (SMD) arbeitete. Das Projekt geht Entwicklungsfragen über die Medien an und wird von "Brot für die Welt" gefördert. In kleinen Teams fuhren Edkins und seine Mitarbeitenden im Geländewagen über das Land. Auf Dorfplätzen, in Schulen oder Gemeindehäusern bauten sie ihre Leinwand auf und schlossen Videoprojektor und Tonanlage an. Den Strom holten sie sich über den Automotor. Mit dem mobilen Kino zeigten sie Filme über Menschenrechte, Demokratie und Umweltschutz. Im Anschluss stellten die Menschen Fragen, Diskussionen entbrannten.
"Die Leute bestürmten uns, ob wir nicht einen Film über HIV/Aids hätten", erzählt Edkins. "Sie hatten unterschiedliche Geschichten über die Krankheit gehört und wollten mehr darüber wissen. Zu der Zeit hatten wir keine eigenen Filme, nur welche aus Uganda." Aber Uganda war weit entfernt, zu weit für die Zuschauer. Außerdem versuchten die meisten Filme zu belehren. Das funktioniert nicht. "Wenn man den Leuten sagt: Mach das, tu das nicht, dann pfeifen sie drauf. Sie sollen selbst Fragen stellen, sich die Informationen holen", erklärt Edkins. "Wir wollen den Entscheidungsprozess in die Hände der Menschen legen. Sie müssen sagen: Ich will es wissen." Sie brauchen aber auch Information: "Sie sagen, sie wissen nicht, was Aids ist, obwohl sie letzte Woche gerade ihren Bruder beerdigt haben."
So begann Don Edkins Filme zu produzieren, in denen die Menschen ihre Dörfer, ihre Landschaften, ihre Kleidung und ihre Sprache wiedererkennen. Sie zeigen eine neue Umgangsweise mit der Krankheit. In "Frag' mich, ich bin positiv" erzählen Männer von dem Leben mit HIV/AIDS, wie sie Frauen kennen lernen, wie sie mit ihnen schlafen. "Viele Infizierte haben sehr wertvolle Dinge in ihrem Leben gefunden", sagt Don Edkins. "Wir müssen zuerst gegen Stigmatisierung und Diskriminierung angehen."
Edkins Filme sind wie Briefe, die, mit Botschaften gespickt, von einem Menschen abgeschickt werden, um mit dem anderen ins Gespräch zu kommen. Sie sagen Dinge, die man sich normalerweise nie erzählen würde. Der Betrachter wird provoziert, Fragen zu stellen und seine Sicht der Dinge darzustellen. Wie in dem Film "Goldwidows" von 1990, in dem die Ehefrauen der Wanderarbeiter, die in südafrikanischen Goldminen arbeiten und nur alle paar Jahre einmal nach Hause kommen, sich ihren Frust, ihre Hoffnungen und Wünsche von der Seele reden. Als Don Edkins den Film den Ehemännern in der südafrikanischen Minenstadt zeigte, war ihm etwas mulmig zumute. Doch die Männer baten ihn, nun einen Film über sie zu machen. So entstand "The Colour of Gold" im Jahr 1992. Mit beiden Filmen im Gepäck fuhr Edkins zurück nach Lesotho und zeigte ihn Männern und Frauen gemeinsam. "Die Leute begannen, ohne Unterlass zu reden. Sie diskutierten über Beziehungen, darüber, wie sie sich gegenseitig behandeln", erzählt er begeistert. "Unsere Filme sollen den Menschen die Möglichkeit geben, auch über schwierige Themen zu diskutieren."
In seinen Filmen über Aids und über den Versöhnungsprozess im südlichen Afrika ("Landscape of Memory", 1998) agieren die Betroffenen selbst. Edkins lässt sie ihre Geschichten erzählen. Sie lernen dabei, ihre eigene Sicht der Dinge ernst zu nehmen.
So wie Don Edkins heute gegen die sozialen und politischen Folgen der Apartheid kämpft, hat er zuvor einen Kampf gegen sie geführt. Die Fotografie und später der Dokumentarfilm waren seine Werkzeuge. Dabei sind Arbeit und Leben bei dem Südafrikaner eng mit den politischen Entwicklungen in seiner Heimat verknüpft.
Als 16-Jähriger klebte Don Edkins in Kapstadt Plakate mit dem Slogan Black Majority rule now ("Herrschaft der schwarzen Mehrheit sofort!"), die Polizisten zwei Straßen hinter ihm. Schmunzelnd erzählt er, wie seine Karriere als Fotograf mit einem gänzlich unpolitischen ersten Auftrag begann: In einem Kaufhaus fotografierte er Kinder mit dem Heiligen Nikolaus.
Als er 1976 den Einberufungsbefehl für den Krieg gegen Angola erhielt, bestieg Edkins das nächste Flugzeug und landete in Luxemburg. Über Deutschland und Kanada kam er nach Guatemala, wo er gemeinsam mit seiner Frau Marianne in einem Radio-Projekt für Maya-Frauen (Indigenas) erste Erfahrungen mit Medien und Entwicklungsarbeit sammelte. Drei Jahre später zogen Don und Marianne mit ihrem Sohn Teboho nach Lesotho. "Dort gab es keine Apartheid: Menschen wurden wie Menschen behandelt", sagt er.
Hier konnten sie beim Aufbau eines integrierten Dorfentwicklungsprojekts von ihren Erfahrungen in Guatemala profitieren. Sie erkannten, wie wichtig es war, den Menschen auch in abgelegenen Landesteilen Wissen zugänglich zu machen: "Die Menschen rissen sich um Information. Nur damit werden sie in die Lage versetzt, selbst ihre Geschicke in die Hand zu nehmen." So gaben die beiden eine Zeitschrift heraus zu Themen wie Gesundheit oder Landwirtschaft.
In Lesotho, einem Rückzugsgebiet des bewaffneten Armes des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), war Edkins von 1986 bis 1988 und erneut nach 1994 Fachkraft von Dienste in Übersee (DÜ, jetzt Teil des EED). "Die Arbeit, das Leben, die Begegnungen: Alles war sehr politisch", erzählt er begeistert. Nachdem die südafrikanische Regierung die Grenzen geschlossen und ein Militärregime in Lesotho installiert hatte, wurde das Leben schwer für Don und seine Familie. Inzwischen zu Viert, zogen sie in Mariannes Heimat, nach Deutschland. In der Medienwerkstadt Freiburg erlernte Don das Handwerk des Dokumentarfilmens. Er hatte zeitweise einen Inlandsvertrag von DÜ, produzierte die deutschen Fassungen südafrikanischer Filme für die Solidaritätsgruppen und drehte seine ersten eigenen Filme.
Die Arbeit in den Solidaritätsgruppen und für die Kampagnen gab Don und Marianne das Gefühl, auch aus der Ferne etwas bewirken zu können. Die Zeit in Deutschland war nicht verloren, im Gegenteil. "Es war wichtig, aus unserer Arbeit mal rauszukommen: Die ganze Armut, die Situation der Wanderarbeit zwischen Lesotho und Südafrika. Es kann deprimieren, wenn man keine Lösung sieht", gibt er zu. "In Deutschland konnten wir wieder Luft holen." Und, typisch Don Edkins: "Außerdem gab es gute Partys". Pläne für die Zukunft schmiedete er nicht: "So war es immer in unserem Leben. Wenn wir einen Ort gefunden hatten, an dem wir bleiben durften, dann konnte es ewig so laufen."
Das änderte sich, als am 11. Februar 1990 die Bilder von der Freilassung Nelson Mandelas über den Bildschirm in seinem Freiburger Wohnzimmer flimmerten. "Wir wussten, das Ende der Apartheid war da!", erzählt Don Edkins, und seine Augen leuchten. "Ich wollte unbedingt zurück. Ich wollte wählen!" Es war an der Zeit, mit seiner Frau und den Söhnen über Lesotho nach Südafrika zurückzukehren, um in seiner Heimat als Dokumentarfilmer und Produzent Entwicklungsarbeit zu leisten.
Heute lebt und arbeitet Don Edkins in Kapstadt. Das nächste Projekt ist in Planung: eine Filmreihe zum Thema Demokratie, für die er wie im "Steps"-Projekt Filmemacher, Sendeanstalten und praktische Entwicklungsarbeit zusammenbringen will. Die Gespräche über die Finanzierung laufen mit der Weltbank.
Eine DVD, die vom Evangelischen Zentrum für entwicklungsbezogene Filmarbeit (www.ezef.de) bezogen werden kann, enthält acht Filme des "Step"-Projekts ("Ask me. I am positive" allerdings nicht).
HauptdarstellerEingebuchtet statt ausgereistDie drei Hauptdarsteller des Films "Frag' mich, ich bin positiv" Thabiso Motsusi, Thabo Rannana und Moalosi Thabane aus Lesotho reisten statt nach Deutschland in südafrikanische Haft. Sechs Tage, vom 27. Mai bis 2. Juni, wurden sie in der südafrikanischen Polizeistation Kempton Park festgehalten. Den Grund dafür lieferte ein Beamter des Bundesgrenzschutzes: Er hatte die Pässe der drei Männer als möglicherweise gefälscht eingeschätzt und der Fluggesellschaft geraten, die Männer nicht zu befördern, obwohl sie Visa, Einladungsschreiben unter anderem von Brot für die Welt und Versicherungsschutz vorweisen konnten. Daraufhin verhaftete die südafrikanische Polizei die Männer unter dem Vorwurf, sie seien Südafrikaner, die mit falschen Pässen aus Lesotho versucht hätten, in die Bundesrepublik auszureisen. Thabiso Motsusi, Thabo Rannana und Moalosi Thabane wurden erst freigelassen, nachdem die Regierung Lesothos eine eidesstattliche Erklärung über die Richtigkeit der Pässe abgegeben hatte. In einem Brief an Innenminister Schily zeigt sich Cornelia Füllkrug-Weitzel, die Direktorin von "Brot für die Welt", "bestürzt, wie Gäste von Brot für die Welt von deutschen Behörden behandelt werden". Sie fordert eine angemessene Entschuldigung bei den drei Männern. Michaela Ludwig |
aus: der überblick 03/2004, Seite 120
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Michaela Ludwig:
Michaela Ludwig hat Germanistik und Soziologie studiert und arbeitet als freie Journalistin in Hamburg mit dem Schwerpunkt Entwicklungszusammenarbeit und Ostafrika.