Afrikas Bürger für Wahlen und gegen die Gewählten
"Die Mehrheit der afrikanischen Bürger südlich der Sahara fordert Demokratie." Diese Aussage stützt sich auf das "Afrobarometer 2005" eine gemeinsame Umfrage des Institute for Democracy in South Africa, des Ghana Centre for Democratic Development und der Michigan State University. In zwölf afrikanischen Staaten (Botsuana, Ghana, Lesotho, Malawi, Mali, Namibia, Nigeria, Südafrika, Tansania, Uganda, Sambia und Simbabwe) waren dreimal jeweils 1200 Bürger befragt worden. Die jüngsten Erhebungen fanden zwischen März 2005 und März 2006 statt und bezogen auch Benin, Kap Verde, Kenia, Madagaskar, Mosambik und Senegal ein.
von Afrobarometer
In allen 18 Ländern bekannten sich die Bürger zur Demokratie trotz feststellbarer Frustration über undemokratische Wahlen, unglaubwürdige politische Führungssysteme und Korruption. Demokratie sei "jeder anderen Regierungsform vorzuziehen". Insgesamt sprachen sich 62 Prozent der Befragten eindeutig zugunsten demokratischer Strukturen aus, 12 Prozent waren gleichgültig und nur 9 Prozent hielten eine nicht-demokratische Regierungsführung in machen Fällen für geeigneter. Die Befragten in Ghana, Kenia und Senegal waren mit 75 Prozent die stärksten Befürworter von Demokratie, gefolgt von Benin und der Republik Kap Verde mit durchschnittlich 70 Prozent. Nur in Tansania waren die Demokratie-Befürworter mit 38 Prozent in der Minderheit. Allerdings sprachen sich hier auch nur wenige gegen sie aus. Die meisten Tansanier (59 Prozent) tendierten weder in die eine, noch in die andere Richtung.
Jenseits des klaren Bekenntnisses zur Demokratie als Regierungsform gab es jedoch beträchtliche Unterschiede in der Beurteilung der demokratischen Praxis des jeweiligen Landes. Nur in der Hälfte der untersuchten Länder waren mindestens 50 Prozent der Befragten in dieser Hinsicht mit ihrer Regierung zufrieden. Am positivsten äußerten sich die Ghanaer mit 70 Prozent, gefolgt von den Namibiern mit 69 Prozent und den Südafrikanern mit 63 Prozent. In fünf der 18 Länder hatte weniger als ein Drittel der Gesamtbevölkerung an der bestehenden Regierungsform nichts auszusetzen. Dazu gehörten Simbabwe (14 Prozent), Sambia (26 Prozent), Nigeria (26 Prozent), Malawi (26 Prozent) und Madagaskar (26 Prozent).
Die Daten des Afrobarometers bestätigen, was auch andere Umfragen ergaben, dass nämlich Afrikaner, trotz weiterhin höchst unbefriedigender Lebensumstände, weiter am demokratischen Prinzip festhalten. So zeigt die von Globe Scan durchgeführte und im Januar 2004 abgeschlossene Befragung, dass in Ghana, Nigeria, Kenia, Südafrika, Simbabwe, Ägypten und der Côte d'Ivoire die Mehrheit der Befragten (Durchschnittswert 80 Prozent) der Aussage zustimmt: "Demokratie hat zwar Mängel, ist aber für mein Land die beste Regierungsform." Wiederum war nur in Tansania die Zustimmung mit 54 Prozent deutlich geringer.
"Es bedarf vieler politischen Parteien, damit die Bürger eine wahrhaft demokratische Wahl haben." Dieser Aussage stimmte die Mehrheit von Afrobarometer befragten Personen zu. In neun der zwölf schon 2002 in die Untersuchung einbezogenen Länder ist die Zustimmung sogar noch größer geworden. Dagegen ging sie in Tansania, Südafrika und Namibia zurück. Am stärksten gewachsen ist sie in Lesotho (von 31 auf 59 Prozent), wo 2002 nach Jahren bitterer Auseinandersetzungen über die vorherigen Wahlen ein neues Wahlrecht eingeführt worden war. In Simbabwe, wo Präsident Robert Mugabe des Wahlbetrugs bezichtigt worden war, stieg der Anteil der Befürworter von Mehrparteienwahlen von 55 Prozent (2002) auf 76 Prozent (2005). Mit den Wahlen selbst war die Mehrheit der Befragten in 14 Ländern im Jahr 2005 zufrieden: sie seien frei und fair oder allenfalls mit kleineren Mängeln behaftet gewesen. Unzufrieden waren dagegen die Bürgerinnen und Bürger von Nigeria (61 Prozent), Simbabwe (58 Prozent), Sambia (56 Prozent) und Malawi (51 Prozent).
Die Autoren des Afrobarometer warnen aber davor, die Befragungsergebnisse zu positiv zu bewerten, da die meisten der in die Untersuchung einbezogenen Länder relativ offen und stabil und insoweit nicht ganz repräsentativ für Afrika seien. Und dass die Befragten mit der Demokratie an sich und dem Wahlverfahren zufrieden sind, bedeutet keineswegs, dass sie ihre Regierungen auch positiv beurteilen. Fast zwei Drittel sind vielmehr der Meinung, dass die von ihnen gewählten Politiker sich herzlich wenig um das Volk scheren. 66 Prozent der Befragten gaben an, dass diese nie oder nur sehr selten auf das hören, was die Bürger ihnen sagten. Am stärksten bejahten dies die Kenianer mit 82 Prozent, gefolgt von den Sambiern (81 Prozent), Simbabwern, Tansaniern und Madagassen (77 Prozent). Kommunalpolitiker schnitten im Vergleich etwas besser ab, aber auch von ihnen fühlten sich die Befragten in 13 der Länder nicht angemessen vertreten (Sambia 76 Prozent, Kenia 73 Prozent, Simbabwe 72 Prozent). Nur in Mali war eine knappe Mehrheit von 53 Prozent gegenteiliger Meinung.
Dass die Politiker so negativ beurteilt werden, ist jedoch nichts spezifisch Afrikanisches. Gallup International hat von Mai bis Juli 2005 in 65 Ländern Interviews mit insgesamt 50.000 Menschen durchgeführt. Nur ein Drittel aller Befragten hatte das Gefühl, dass der Wille des Volkes sich in den Entscheidungen der Regierung niederschlage. Europäer, Lateinamerikaner und Ostasiaten waren in der Beurteilung ihrer Politiker zynischer als die Afrikaner, von denen immerhin 34 Prozent ihrer Regierung vertrauen. Das tun aber nur 31 Prozent der Westeuropäer, 29 Prozent der Asiaten und Pazifikbewohner, 28 Prozent der Lateinamerikaner und nur 22 Prozent der Ost- und Zentraleuropäer.
Das Afrobarometer von 2005 zeigt ferner, dass die Demokratie-Begeisterung in den zwölf seit 1999 beobachteten afrikanischen Ländern fast überall abgenommen hat. In sieben dieser Länder fiel der Anteil der Demokratie-Befürworter, in nur drei Ländern stieg er an und in zwei Ländern waren so gut wie keine Veränderungen feststellbar. In Uganda ging er von 80 auf 61 Prozent zurück, in Nigeria von 81 auf 65 Prozent, in Botsuana von 85 auf 69 Prozent und in Sambia von 75 auf 64 Prozent. Besonders frappant war der Rückgang an Stimmen für die Demokratie in Tansania (von 84 Prozent im Jahr 2000 auf 38 Prozent 2005). Die drei Länder, in denen der Anteil der "Demokraten" anstieg, waren Lesotho (40 Prozent auf 50 Prozent) Mali (von 60 auf 68 Prozent) und Südafrika (von 60 auf 65 Prozent).
Auch die Zufriedenheit mit der Regierung ging in den meisten Ländern zurück, sie fiel von 58 auf 45 Prozent. Besonders tief war der Fall in Nigeria, wo sich die mit der Wahl von Olesegun Obasanjo verbundenen Hoffnungen nicht erfüllt hatten. Bergab ging es mit der Zufriedenheit auch in Simbabwe, wo 2005 nur noch 14 Prozent positiv eingestellt waren. Anders dagegen in Ghana und Südafrika. In Ghana wuchs mit dem Abgang Jerry Rawlings (2000) die Zufriedenheit mit der Regierungstätigkeit auf 70 Prozent an. Und in Südafrika sind 52 Prozent mit dem nunmehr in der dritten Legislaturperiode regierenden ANC zufrieden.
Laut Afrobarometer ist außerdem ein Drittel aller Befragten der Ansicht, "die meisten, wenn nicht alle Staatsbediensteten seien korrupt". Das Misstrauen der Afrikaner richtet sich dabei gleichermaßen gegen Zollbeamte, Polizisten, Verwaltungsangestellte, Stadträte, Staatsbeamte, die Legislative, Judikative und, nicht zuletzt, den Staatspräsidenten. Die Mehrheit der Nigerianer hielt alle genannten Kategorien von Staatsbediensteten mit Ausnahme der Richter für korrupt. Die schlechtesten Noten bekam dabei die Polizei.
aus: der überblick 03/2006, Seite 14
AUTOR(EN):
Afrobarometer
Quelle: Program on International Policy Attitudes, "Poll of 18 African Countries Finds All Support Democracy", 28. Juni 2006.