Die Krise in Simbabwe wird zur Bewährungsprobe für die Kirchen
Simbabwes Kirchenführer tun sich nach wie vor schwer damit, die Regierung Mugabe zu kritisieren. Noch Anfang des Jahres sicherten die Kirchen des Kirchenrats von Simbabwe (ZCC) dem Staatsoberhaupt ihre Unterstützung bei der Landreform zu. Sie verurteilten zwar die ausufernde Gewalt bei den Farmbesetzungen, nannten aber nicht die Verantwortlichen beim Namen. Erst nachdem die Katholische Bischofskonferenz im Mai Mugabe und seine Regierung für die Gewaltwelle verantwortlich gemacht hatte, fanden auch die Kirchen des ZCC deutliche Worte und stellten klare Forderungen an wichtige Kabinettsmitglieder. Aber die Kirchen sind in dieser Frage nicht einig.
von Reinhard Veller
Leicht geht in der Fülle der schlechten Nachrichten aus Simbabwe unter, worum es im Augenblick geht. Man könnte den Eindruck gewinnen, als sei ein lange überfälliger Kampf um Simbabwes Farmland entbrannt. Dem ist aber nicht so. In Simbabwe geht es zunächst nicht um Land, es geht vielmehr um Macht. Dabei spielt die Landfrage eine zentrale Rolle im Kampf der Regierung Mugabe um den Machterhalt. Der simbabwische Politikwissenschaftler Makumba hat es jüngst so formuliert: Mugabe führt den Machtkampf mit drei Waffen - mit Land, Rassismus und Gewalt.
Doch von der Erkenntnis, dass die Regierung die Landfrage nur aus politischem Kalkül einsetzt, sind Simbabwes Kirchen zum Teil ziemlich weit entfernt. Sie bringen Mugabe in der Frage der Landverteilung weitgehend Sympathien entgegen. Die rassistischen Tiraden des Präsidenten scheinen sie aber zu überhören. Beim Thema "Gewalt" allerdings sind die Kirchen derzeit hellwach und melden sich unüberhörbar in der Öffentlichkeit zu Wort.
Die Lösung der Landfrage in Simbabwe ist eigentlich nicht strittig. Überspitzt könnte man sagen: Südafrika hat ein Landproblem, vielleicht auch Namibia, Simbabwe jedoch nicht. Für diese These spricht, dass es vor der jetzigen Politisierung der Landverteilung in Simbabwe keine Morde an weißen Farmern gab. Neben den insgesamt relativ entspannten Rassenbeziehungen in Simbabwe gab es auch in der Landfrage kaum Kontroversen. Über die Notwendigkeit einer Landreform bestand seit einiger Zeit ein Konsens, der auch die weißen Farmer einbezog. Seit der großen Landkonferenz 1998 herrschte zudem Klarheit über die Finanzierung des Unternehmens. Mit dem Erstarken einer ernst zu nehmenden Opposition, den herannahenden Wahlen und einer Abstimmung über einen Verfassungsentwurf im Jahr 1999 wurde die Einigung über die Landreform von der Regierung jedoch einseitig aufgekündigt. An die Stelle einer Landreform, die dauerhaft hätte sein können, traten die spektakulären Farmbesetzungen unter Führung der Kriegsveteranen, dann das fasttrack- -Programm mit seinen sofortigen Landzuteilungen.
Dass sich die Kirchen in Simbabwe zunächst mit öffentlichen Stellungnahmen zurückhielten, liegt auch daran, dass sie anders als die Kirchen in Kenia, Südafrika oder Namibia keine starke Tradition eines prophetic ministry, eines prophetischen Amtes haben. Am häufigsten tritt noch die Katholische Bischofskonferenz und ihre Kommission für Frieden und Gerechtigkeit (CCJP) mit Verlautbarungen an die Öffentlichkeit und macht ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung deutlich. In Krisenzeiten allerdings haben die Kirchen in der Kolonie Rhodesien und später im unabhängigen Simbabwe am Ende noch immer deutliche Worte gefunden und dabei auch den Konflikt mit den Regierenden nicht gescheut. Das war zuletzt nach den Food Riots, den Unruhen wegen der Erhöhung der Lebensmittelpreise im Jahr 1998 der Fall, als die Kirchen in ökumenischem Konsens öffentlich Stellung nahmen. Der damals veröffentlichte Hirtenbrief scheute sich nicht, die Ursachen und die Verantwortlichen für den wirtschaftlichen Niedergang zu benennen und der Regierung gründlich ins Gewissen zu reden. Es scheint, als halten die Kirchen in diesem Jahr die Zeit für gekommen, erneut mit der Regierung in einen Dialog einzutreten. Das Thema: die nicht endende Gewaltwelle auf den Farmen, in den Vorstädten und in den Betrieben als ein Mittel in der politischen Auseinandersetzung.
Zu Anfang des Jahres sah es zunächst nicht danach aus, als hielten die Kirchen den richtigen Augenblick für gekommen. Zunächst meldeten sich die Heads of Denominations (Führer der christlichen Konfessionen, jedoch ohne Katholiken) in einer kurzen Denkschrift zur Landreform zu Wort. Sie beklagten eine wachsende "Kultur der Gewalt", schreckten aber davor zurück, die Verantwortlichen zu benennen oder auf die verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen der chaotischen Landverteilungen hinzuweisen. Dass die Farmbesetzungen in einem höchstrichterlichen Urteil gerade für illegal erklärt worden waren, blieb ebenso unerwähnt wie die Tatsache, dass die Neuansiedlung von Familien in großem Stil mit der Vertreibung der bisherigen Farmarbeiter einhergeht. Grundsätzlich aber sicherten die Kirchen des Zimbabwe Christian Council (ZCC), des Kirchenrats des Landes, der Regierung ihre Unterstützung bei der Landreform zu.
Die Öffentlichkeit war tief enttäuscht. Beobachter meinten sarkastisch, diese Stellungnahme hätte auch aus Mugabes Parteizentrale kommen können. In der Tageszeitung Daily News erschien eine Karikatur mit dem Text: "Eine Botschaft an alle Simbabwer: Lasst uns für unsere Kirchenführer beten!" Die Zeichnung war eine beißende Kritik: Wie die berühmten drei Affen hören, sehen und sagen die Kirchenführer nichts vom staatlich geförderten Terror.
Im Mai immerhin meldete sich der ZCC erneut mit einem Executive Statement on Land Reform zu Wort. Auch dieses Papier deutet nur zaghaft den politischen Missbrauch des Themas Landverteilung an, unterstützt aber ansonsten die Neuansiedlungen. Allerdings besteht es darauf, dass - lediglich angedeutete - moralische Prinzipien eine Rolle spielen müssen ("in a morally sound and God-fearing Spirit"). Schärfer als im Januar wird der Einsatz von Gewalt verurteilt - allerdings erneut, ohne Ross und Reiter zu nennen. Dass es mit Besetzungen und der ad-hoc-Verteilung von Land nicht getan ist, deuten die Kirchen vorsichtig an: Den Landempfängern solle mit zusätzlichen Investitionen in die Infrastruktur geholfen werden, und die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen seien zu beachten. Eine Reaktion der Öffentlichkeit auf dieses Papier gab es nicht.
Dann meldete sich ebenfalls im Mai die Katholische Bischofskonferenz zu Wort. Sie veröffentlichte eine Denkschrift mit dem Titel "Toleranz und Hoffnung", die die Dinge beim Namen nennt. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass die Regierung hinter den jugendlichen Schlägerbanden steckt und dass sie für die Gewaltwelle verantwortlich ist. Das Vorgehen der Kriegsveteranen wird verurteilt, die Verwicklungen der Herrschenden in die großen Korruptionsfälle angeprangert. In klaren Worten streiten die katholischen Bischöfe dann der politischen Führung das moralische Recht ab, Simbabwe weiterhin zu regieren. Diese Stellungnahme hat viele Menschen ermutigt, und die katholischen Bischöfe haben in den Augen der Öffentlichkeit moralischen Kredit zurückgewonnen. In der Regierungspresse allerdings wurde das Papier scharf kritisiert und als einseitige Stellungnahme für die weißen Farmer diskreditiert.
Inzwischen haben auch die Kirchen des ZCC ihre Zurückhaltung gegenüber der Regierung aufgegeben. Im Rahmen einer groß angelegten Tagung im Juli zum Thema "Gewalt und Gewaltlosigkeit" versuchten sie im direkten Gespräch mit wichtigen Ministern (Innenminister Nkomo, Industrie- und Handelsminister Moyo sowie Justizminister Chinamasa), Klartext zu reden - was auch gelang. Die Kirchenführer des ZCC waren gut vorbereitet und stellten die Minister zur Rede. Sie verlangten, die Diskreditierung der Opposition als "britische Marionetten" zu beenden und den Wählerwillen ernst zu nehmen und die Angriffe auf die Justiz einzustellen; die Polizei müsse bei Ermittlungen unparteilich arbeiten. Sie prangerten Regierungspropaganda und Regierungskorruption an, sie kritisierten die Landverteilungen und machten diese erstmalig mitverantwortlich für die sich abzeichnende Getreideverknappung. Des Weiteren erklärten die Vertreter des ZCC klar und deutlich, dass sie ein Ende der Einschüchterungskampagnen erwarten sowie eine Garantie, dass die 2002 anstehenden Präsidentschaftswahlen tatsächlich frei abgehalten werden.
Die Reaktion in der freien Presse und in der Öffentlichkeit war einmütig. Endlich hatten die Kirchen mit einer Stimme unmissverständlich ein Ende der Gewalt sowie die Rückkehr zu Recht und Gesetz (rule of law) gefordert. Dass auch die Kirchen des ZCC endlich eine gemeinsame Linie gefunden hatten, wurde in einer Karikatur wie eine Auferstehung ihrer selbst dargestellt. Auf andere Auferstehungen - etwa der beiden Industrie- und Handelsverbände ZNCC und CZI - beziehungsweise auf kritische Wortmeldungen seitens der Wirtschaft zu dem Chaos in Simbabwe wartet man hingegen noch vergeblich.
Dass im "Kirchenkampf" mit dem Regime die Bäume nicht in den Himmel wachsen, wurde allerdings schon wenige Tage nach der ZCC-Tagung deutlich. Da nutzte Präsident Mugabe die Einladung der bei Harare tagenden Bischofskonferenz für das Südliche Afrika (IMBISA), um für seine Art der Landreform zu werben, so als hätte es "Toleranz und Hoffnung" nicht gegeben. Offenbar gelang es ihm, den Bischöfen seine Politik als Einsatz für die Armen zu verkaufen. Jedenfalls gab es nach seiner Rede keine Rückfragen und keine Forderungen nach dem Vorbild des ZCC. Dabei war Mugabe auf seine Weise ganz offen. Dass er mit den Landbesetzungen auf ein Ende des Einflusses der Weißen in Simbabwe abzielt, machte er deutlich. Der Karikaturist vom Zimbabwe Independent jedenfalls sah im Schweigen der Bischöfe Zustimmung zu Mugabes Konzept, ja kritiklose Unterwerfung.
Dies unterstreicht die Tatsache, dass die Kirchen zwar eine offene, aber - noch - keine gefestigte Position gegenüber der Krise Simbabwes vertreten. Starker und wohlbegründeter Protest in Denkschriften oder in der direkten Konfrontation wechselt ab mit zaghaften Stellungnahmen, die darüber hinaus wichtige Punkte völlig unberührt lassen. Dieses Schwanken mag daher kommen, dass die Kirchen die "Landreform" unterschiedlich beurteilen, je nachdem ob sie das Prinzip (gerechte Verteilung von Landbesitz) oder das gegenwärtige Geschehen (Besetzungen, Gewaltorgien auf Farmen) vor Augen haben. Sicherlich gehen die Meinungen der Bischöfe hinsichtlich der Person Mugabes auseinander. Die zur Zeit des Widerstandes gegen das Smith-Regime gewachsene Solidarität mit Mugabes Befreiungsbewegung mögen viele auch gegenüber seiner Regierung nicht aufgeben. Von daher haben einige erhebliche Schwierigkeit mit anzusehen, wie Mugabe im Kampf um die Macht das zur Disposition stellt, was Simbabwe bisher ausgemacht hat: Ein erträgliches Verhältnis zwischen Schwarz und Weiß und ein Land, das in seiner Leistungsfähigkeit in Afrika keinen Vergleich zu scheuen braucht.
In der Öffentlichkeit und bei der Regierung hat sich dennoch der Eindruck verfestigt, dass mit der jüngsten Entwicklung die Kirchen zu einem selbstbewussten Partner geworden sind, mit dem zu rechnen sein wird. Dass es die Kirchen mit ihrer kritischen Solidarität gegenüber dem Staat nicht einfach haben werden, ist ihnen bewusst. Zum einen sind kritische Rückfragen bei Obrigkeit nirgendwo weniger beliebt als in Afrika - zumal wenn die Fragen in der Öffentlichkeit gestellt werden. Dann darf man auch nicht übersehen, dass sich ein gewalttätiges und skrupelloses Regime ganz schnell aufs Äußerste provoziert fühlen und empfindlich zurückschlagen kann. Selbst die sehr zurückhaltende Lutherische Kirche hat das im vergangenen Jahr zu spüren bekommen. Eine ihrer wichtigsten Missionsstationen (Mnene) wurde mit Terror überzogen, das Krankenhauspersonal und das Lehrerkollegium bedroht und verprügelt. Bischof Moyo musste kurzfristig nach Südafrika ausweichen, bis sich die Verhältnisse normalisiert hatten.
Zwar ist es erfreulich, dass die Kirchen Simbabwes klar und deutlich Kritik an jeglicher nationalistischen Propaganda üben; aber das kann nicht über etwaige Schwächen hinwegtäuschen. Die kirchlichen Stellungnahmen lassen nämlich drei Bereiche im Wesentlichen unbeachtet.
Da ist erstens der juristische Aspekt. Die Farmbesetzungen sind in mehreren Urteilen für verfassungswidrig erklärt worden. Die Regierung wurde - zuletzt vom Supreme Court, dem obersten Gericht - vergeblich aufgefordert, die Farmbesetzungen zu beenden und die Kriegsveteranen zurückzuziehen. Die Kirchen haben diese Rechtslage bis heute praktisch nicht zur Kenntnis genommen. Sie fordern lediglich ein Ende der Gewalt, pochen aber nicht auf eine Landreform im Rahmen der Verfassung. Über die Gründe für dieses selektive Verständnis von Verfassungsmäßigkeit kann man nur spekulieren. Vermutlich sind afrikanische Bischöfe afrikanischem Landrechtsdenken (Land gehört immer den Ahnen, die es an Kind und Kindeskinder weitergeben, aber nicht an Fremde) innerlich mehr verbunden als moderner Verfassungsmäßigkeit.
Zweitens haben die Kirchen nur am Rande zur Kenntnis genommen, dass die Neuansiedlungen mit gewaltigen Vertreibungen einhergehen. Wird eine Farm enteignet, so verlieren die Farmarbeiter Beschäftigung und Wohnung. Sie müssen die Farm praktisch sofort verlassen. Ein Beschäftigungsprogramm oder eine Landzuteilung ist für sie nicht vorgesehen. Diese wird von den Kirchen auch nicht mit Nachdruck gefordert. Man schätzt, dass bisher 70.000 Familien neu angesiedelt und gleichzeitig etwa 50.000 Farmarbeiterfamilien - etwa 250.000 Menschen - vertrieben worden sind. Dieses moralische und soziale Problem wird sich in den nächsten Monaten noch zuspitzen. Inzwischen sind 90 Prozent aller kommerziellen Farmen für eine Enteignung vorgesehen. Auf diesen Farmen leben zur Zeit etwa 200.000 Arbeiter mit ihren Familien - über eine Million Menschen. Auch hier stellt sich die Frage, warum dieses Problem die Kirchen im Grunde kalt lässt. Vielleicht sind die Kirchen auch hier dem allgemeinen Empfinden in Simbabwe näher als ihrer Verantwortung für die Entrechteten: Für die breite Bevölkerung in Simbabwe sind die Farmarbeiter keine Landsleute, sondern Ausländer - mögen sie auch seit Jahrzehnten in Simbabwe leben und arbeiten, mögen sie hier geboren sein. Trotzdem werden sie als Menschen aus Malawi oder Mosambik angesehen und zählen deswegen nicht zu denen, die von einer Landreform profitieren sollten.
Zu guter Letzt lässt das Schicksal der weißen Farmerfamilien die schwarzen Kirchen kalt. Was mit diesen weißen Familien geschieht, wird nirgendwo reflektiert. Lediglich die Denkschrift "Toleranz und Hoffnung" ermahnt die Verantwortlichen, im Rahmen der Landverteilungen nicht altes Unrecht durch neues zu ersetzen. Die emotionale Distanz der schwarzen Kirchen zu den weißen Farmern lässt sich allerdings leichter erklären. Letztere haben immer schon isoliert und in ihrer eigenen Welt gelebt. So gibt es nur wenige schwarze Kirchenführer, die persönliche Beziehungen zu den früheren als Kolonialherren betrachteten Rhodies hatten. Hinzu kommt, dass es zufolge der jetzt laufenden Propagandawelle gar keine weißen Simbabwer gibt. Es handele sich bei ihnen um "ein paar Ausländer", so Mugabe auf der Katholischen Bischofskonferenz, um Kinder derjenigen, die den Vorvätern das Land gestohlen haben. Differenzierte Betrachtungen haben da keinen Platz. Es passt einfach nicht ins Bild, dass die jetzige Farmergeneration vielfach hier geboren ist und sich bewusst als Simbabwer versteht. Es stört auch, wenn jemand daran erinnert, dass ein Großteil dieser Farmer ihren jetzigen Besitz erst nach der Unabhängigkeit des Landes erworben hat.
Diese Einschränkungen bedeuten keine Fundamentalkritik an der gegenwärtigen öffentlichen Rolle der Kirchen in Simbabwe. Wie das Beispiel des ZCC zeigt, können Kirchen innerhalb von Wochen detailliert Stellung nehmen und ihren Standpunkt gegenüber den Verantwortlichen mit Nachdruck vertreten. Zuletzt haben sie das in der Verfassungsfrage getan. Ausgehend vom Zimbabwe Christian Council und den Heads of Denominations hatte sich seit 1997 eine Initiative für eine Erneuerung der simbabwischen Verfassung entwickelt. Das hat zwar zunächst zu keiner neuen Verfassung, wohl aber zu einer starken Opposition und der ersten demokratischen Alternative zur Regierung Mugabe geführt.
Eine Woche in SimbabweChronik des alltäglichen TerrorsSamstag, 19. Mai: Hundert Veteranen demonstrieren in der Stadt Karoi gegen einen Richter und bringen die laufende Gerichtsverhandlung zum Stillstand. Ihr Vorwurf: Der Richter habe zugunsten weißer Farmer geurteilt. Im Parlament räumt ein Vertreter der Regierungspartei ein, dass mit Massenprotesten zu rechnen ist, falls sich die wirtschaftliche Situation nicht bessert. Eine Besserung ist aber zur Zeit nicht in Sicht: Seit Februar sind tausend Farmen - 21 Prozent der Ackerfläche - infolge von Besetzung oder von Landumverteilungsmaßnahmen aus der landwirtschaftlichen Produktion genommen. Folglich wird Simbabwe 400.00 bis 600.000 Tonnen Mais in diesem Jahr einführen müssen, während das Land in den neunziger Jahren 300.000 Tonnen Mais pro Jahr exportieren konnte. Die nach dem Eindringen von Veteranen geschlossenen Büros der SOS-Kinderdörfer in Harare werden wieder geöffnet. Trotz der Demarchen des deutschen und österreichischen Botschafters muss SOS auf Weisung der Veteranen einen entlassenen Mitarbeiter wieder einstellen. Sonntag, 20. Mai: Der exklusive Harare Club wird von Veteranen gestürmt; der Manager kann sich in Sicherheit bringen. Montag, 21. Mai: Veteranen erzwingen die Entlassung eines ehrenamtlichen Funktionärs der Oppositionspartei MDC (Movement for Democratic Change), der bei einer internationalen Firma angestellt war. Zwei Sicherheitsleute des MDC-Präsidenten Tsvangirai werden gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt; sie waren seit Wochen in Haft, ohne dass Anklage gegen sie erhoben worden wäre. Dienstag, 22.Mai: Tausend Veteranen besetzen das Zentrum der Stadt Msvingo, nachdem die Regierungspartei ZANU-PF (Zimbabwe African National Union - Patriotic Front) die Bürgermeisterwahl dort überraschend deutlich verloren hat. Eine Jugendgruppe der ZANU-PF terrorisiert Teile der Provinz Mashonaland-Central. Die Bewohner werden gezwungen, Vieh abzugeben und Zwangsbeiträge zu entrichten. Wer als Sympathisant der MDC identifiziert wird, wird zusammengeschlagen, sein Besitz verwüstet. Aus Furcht vor Übergriffen übernachten einige Dorfbewohner inzwischen im Freien. Der Direktor der deutschen Firma Timpo wird in die Provinz-Zentrale der ZANU-PF verschleppt. Noch bevor er der üblichen und allgemein bekannten reeducation (Schläge, Folter, Erpressung) unterzogen wird, gelingt es dem Stellvertreter des deutschen Botschafters, über Kontakte auf höchster Ebene seine Freilassung zu erwirken. Mittwoch, 23. Mai: In einem der laufenden Gerichtsverfahren wegen Wahlfälschung berichtet die Generalsekretärin des International Rehabilitation Council for Torture, Inge Genefke, als Zeugin über die Ergebnisse ihrer medizinischen Untersuchungen im Bezirk Marondera Ost. Bei zehn Gewaltopfern aus dem Wahlkampf 2000 hat sie eindeutige Spuren von Folter festgestellt. Eine Delegation von Amnesty International (AI) wirft der Regierung Zimbabwes vor, an Menschenrechtsverletzungen in großem Umfang beteiligt zu sein; dazu gehören politisch motivierter Mord, Entführung, Folter, Vergewaltigung sowie Köperverletzung. Als besonders irritierend prangert AI die vom Präsidenten verkündete Amnestie für alle während des Wahlkampfes verübten Verbrechen an. Der AI-Bericht ist aber nicht vollständig. Weitere Instrumenten politischer Einschüchterung waren in den letzten Monaten Bombenanschläge auf eine oppositionelle Zeitung und auf Büros der Opposition, die mehrfache Besetzung und Durchsuchung der MDC-Zentrale, nächtliches Eindringen in Wohnungen von MDC-Politikern sowie willkürliche Verhaftungen. Donnerstag, 24. Mai: 200 Veteranen und Anhänger der ZANU-PF zerstören das Haus des MDC-Abgeordneten Madzimure in Harare. Sein Sohn wird leicht verletzt, ein Wachmann schwer. Madzimure sitzt zur selben Zeit im Parlament. Der Angriff dauert zwei Stunden; von der Polizei ist nichts zu sehen. Später erklärt sie, Kollegen hätten die Ermittlungen aufgenommen und zwei Verdächtige verhaftet. Schon in der Nacht zuvor war das Haus von etwa 15 Männern angegriffen worden, die mit Steinen und Stöcken bewaffnet waren. hnlich war es Wochen zuvor zwei anderen Abgeordneten aus Harare und Chitungwiza sowie ihren Familien ergangen. Freitag, 25. Mai: Richter Devittie am Obersten Gericht ordnet die Aufnahme des Verfahrens gegen zwei Personen an, die im Wahlkampf 2000 zwei Mitarbeiter der Opposition mit einer Benzinbombe umgebracht hatten. Nach dieser Verfügung reicht er seinen Rücktritt bei Präsident Mugabe ein. Devittie hat zuvor schon in drei Verfahren wegen Wahlfälschung der Opposition Recht gegeben und den Wahlausgang annulliert. Der MDC-Kandidat für die Kommunalwahlen in Plumtree, J. Sithole, wird für 24 Stunden entführt und gefoltert, bevor er fliehen kann. Die ZANU-PF gibt bekannt, Sithole sei zu ihnen übergelaufen. Bei der Wahl am 27. Mai gewinnt er dennoch die Mehrheit für die MDC. Samstag, 26. Mai: Verteidigungsminister Mahachi, einer der engsten Vertrauten des Präsidenten, stirbt bei einem Verkehrsunfall. Kurz zuvor war B. Gezi, der Minister für Jugend, Arbeitsplätze und Beschäftigung, gegen einen Baum gerast. Gezi galt unter der Bevölkerung als einer der Hoffnungsträger und ganz wichtigen jungen Leute in der Regierungspartei. Da nach allgemeiner Überzeugung arrangierte Verkehrsunfälle die Handschrift des Geheimdienstes tragen, lösen die Todesfälle heftige Spekulationen aus. Reinhard Veller |
aus: der überblick 03/2001, Seite 90
AUTOR(EN):
Reinhard Veller:
Dr. Reinhard Veller ist seit 1998 Pastor der internationalen evangelischen Martin-Luther-Gemeinde in Harare, Simbabwe, und Dozent am "United Theological College" von Simbabwe. Zuvor hat er 14 Jahre lang als Referent für das anglophone Afrika in der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM) in Wuppertal gearbeitet.