Porträt von Cornelia Füllkrug-Weitzel, der Direktorin der Hauptabteilung Ökumenische Diakonie im Diakonischen Werk der EKD
von Ilse Preiss
Wer durch die langen Flure im Hauptgebäude des Diakonischen Werkes in Stuttgart schlendert, trifft mindestens so viele weibliche wie männliche Angestellte. Die neue Mitarbeiterin im provisorischen Büro 226 erregt dennoch besondere Aufmerksamkeit: Cornelia Füllkrug-Weitzel ist designierte Direktorin der Hauptabteilung Ökumenische Diakonie die erste Frau auf der Führungsebene der Organisation. Am 1. Januar übernimmt die 44jährige die Verantwortung unter anderem für Brot für die Welt, die Katastrophenhilfe, die Stipendiatenarbeit sowie die Bereiche Menschenrechte, Kirchen helfen Kirchen und Hoffnung für Osteuropa. Die neue Chefin freut sich ganz offen auf das "große Handlungsspektrum", zumal sie auf ihrem beruflichen Werdegang die meisten Aufgabengebiete schon kennengelernt hat.
Ihr breiter beruflicher Hintergrund, schätzt Cornelia Füllkrug-Weitzel, sei wohl ein mitentscheidendes Kriterium gewesen, als es um die Vergabe "einer der attraktivsten Stellen im kirchlichen Entwicklungsbereich" ging. Sie hat sich intensiv mit Entwicklungspolitik und Menschenrechten beschäftigt, kennt die Strukturen in den Landeskirchen und in der EKD aus eigener Anschauung, hat praktische Erfahrungen mit der Ökumene und in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Breit angelegt hatte Cornelia Füllkrug-Weitzel bereits ihre Ausbildung: Neben Theologie studierte sie Politikwissenschaft und Pädagogik.
Die Pfarrerin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg arbeitete unter anderem als Referentin für Menschenrechtsfragen im Kirchenamt der EKD. Sie war Mitglied der Kommission "Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung" des ÖRK und gehörte dem Vorstand der "Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten" des ÖRK an. Als stellvertretende Leiterin des Berliner Missionswerkes verantwortete sie den gesamten Inlandsbereich, also die Zusammenarbeit mit der Presse, den Kirchengemeinden, Partnerschaftsgruppen, kirchlichen Werken sowie außerkirchlichen Gruppen.
In der Tat: Die Vita liest sich, als hätte Cornelia Füllkrug-Weitzel zielgerichtet auf ihre neue Position hingearbeitet. Hat sie aber nicht. "Ich wäre von mir aus nie auf die Idee gekommen, mich für diese Stelle zu interessieren", versichert sie glaubhaft. Doch sie bemerkte rasch, "wie sehr sich meine Interessen und Qualifikationen in dieser Aufgabe bündeln". Die enge Verzahnung zwischen der Arbeit im Inland und dem Engagement im Ausland schätzt die neue Direktorin besonders an ihrem Zuständigkeitsbereich: "Bewußtseinsänderungen hier bei uns sind notwendiger denn je."
Ein Weg zu diesem Ziel: Öffentlichkeitsarbeit. Ein Beispiel daraus: Spendenwerbung. Die werde "leider immer aggressiver", beobachtet Cornelia Füllkrug-Weitzel mit Sorge, weil immer mehr auch profitorientierte Organisationen auf einen begrenzten Markt drängen. Um so wichtiger ist die Wahl der richtigen Mittel. Gerade weil Brot für die Welt und die Katastrophenhilfe von Spenden abhängen, gilt für deren neue Direktorin: "Wir werden unsere ethischen Kriterien nicht aufgeben. Sie markieren Grenzen, an die wir uns bewußt halten wollen". Den Medien und über sie den Spendern müsse die Notwendigkeit dieser Grenzen plausibel gemacht werden: "Die Empfänger materieller und finanzieller Hilfen sollten eine wirkliche Chance haben, ihre Würde wahren zu können".
Sie weiß, "daß wir in unserer Spendenwerbung moderner werden müssen, um nicht allzuviel Boden zu verlieren". Aber sie ist fest entschlossen, "dabei unseren eigenen Prinzipien treu zu bleiben". Im Vordergrund stehen "die Interessen und der Bedarf derer, denen wir helfen wollen". Schließlich habe die Ökumenische Diakonie seit langem begriffen, daß Helfenwollen allein noch nicht zu guter und sinnvoller Hilfe führt "vor allem dann nicht, wenn unsere Spendenbereitschaft auch dadurch motiviert ist, den Überfluß hierzulande zu beseitigen."
Ein anderer Weg zum langfristigen Ziel der Bewußtseinsänderung: Kampagnen. Zum Beispiel die gegen Kinderarbeit oder die für Fairen Handel. Füllkrug-Weitzel: "Sie müssen neben den spendenbezogenen Aktionen stehen". Ob es um die "Querschnittsaufgabe Menschenrechte" geht oder um das Eintreten für eine nachhaltige Entwicklung wichtig sind Vermittlungskompetenz und Glaubwürdigkeit. Genau da schließt sich für Cornelia Füllkrug-Weitzel der Kreis: "Der gute Ruf der Ökumenischen Diakonie hängt mit ihren hohen, ethisch motivierten Standards zusammen".
Und er hängt ab von denen, für die sich die neue Chefin der Hauptabteilung in der Einarbeitungszeit bis zu ihrem Amtsantritt besonders viel Zeit nimmt: den über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie lerne gerade "viele hoch motivierte und engagierte Menschen und ihre Perspektiven" kennen, beschreibt Cornelia Füllkrug-Weitzel ihre momentane Tätigkeit. Ihr ist es wichtig, "daß die Mitarbeitenden ihre Fähigkeiten einbringen", daß Ideen nicht von oben nach unten delegiert, sondern gemeinsam entwickelt werden. Miteinander reden "das kommt meiner Arbeitsweise sehr entgegen".
Ob das eine spezifisch weibliche Herangehensweise sei? Nein, kontert Cornelia Füllkrug-Weitzel, "für mich einfach eine ganz normale". Und wie sie sich so fühle in den männerdominierten Gremien? Auch das sei für sie ziemlich normal, "ich bin das gewohnt seit dem Jungengymnasium." Frauenförderung stehe nicht ohne Grund schon lange ganz oben in der Prioritätenliste von Entwicklungsprojekten: "Frauen helfen jeder Organisation nach vorne".
aus: der überblick 04/1999, Seite 121
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Ilse Preiss:
Ilse Preiss ist freie Journalistin.