Kirchliche Hilfswerke in Tansania
Tansania ist ein Schwerpunktland der kirchlichen Entwicklungshilfe in Afrika - für den EED und Brot für die Welt ebenso wie für mehrere Missionswerke. Und eines der Schwerpunktthemen im Engagement deutscher Kirchen für Tansania ist die Bekämpfung von Aids.
von Bernd Ludermann
Daher hat ein Vorfall vom vergangenen März bei ihnen wenig Freude ausgelöst. Christliche und muslimische Geistliche haben sich, so berichten tansanische Zeitungen, auf einem von der Regierung organisierten Aids-Forum, an dem auch Tansanias Präsident Mkapa teilnahm, strikt gegen den Gebrauch von Kondomen ausgesprochen. Ihn zu erlauben, komme einer Billigung der Promiskuität gleich.
Nun mag diese Stellungnahme zum Teil darin begründet sein, dass protestantische Geistliche, darunter lutherische, gemeinsam mit katholischen und muslimischen aufgetreten sind und auf deren Vorstellungen Rücksicht genommen haben. Diese Bischöfe sprechen auch nicht unbedingt für den ganzen lutherischen Klerus, und ihre Worte stehen im Widerspruch zur Aids-Arbeit mancher Gruppen aus der eigenen Kirche. Doch ein Versprecher scheinen sie nicht gewesen zu sein. Tansanias Lutheraner gelten als konservativer in der Sexualethik als die im südlichen Afrika und als weniger offen im Vergleich zu den Anglikanern in ihrem Land. Damit stehen sie nicht allein: Pfingstkirchen, die eine sehr strenge Sexualmoral propagieren, haben unter anderem wegen Aids großen Zulauf. Klare moralische Leitsätze können in armen Ländern populär sein, vor allem in Zeiten sozialer Umbrüche.
Und sie können die Aids-Vorbeugung erschweren. Nachfragen aus Deutschland sind daher berechtigt. Doch man sollte den Blick nicht auf die Haltung zu Kondomen verengen, als würde sich daran die Aids-Prävention entscheiden. Deren Erfolg in Uganda scheint zum Beispiel weniger im Gebrauch von Kondomen begründet zu sein als darin, dass junge Menschen erst später und mit weniger Partnern Geschlechtsverkehr haben. Moral kann insoweit auch helfen. Ebenso wichtig wie die Information über geschützten Sex, wenn nicht wichtiger, sind zwei andere Fragen: Helfen Kirchen, Tabus zu brechen, die das Gespräch über Sexualität erschweren? Und gehen sie gegen die Unterordnung der Frau an? Wenn Frauen gar nicht entscheiden können, zum Beispiel vom Mann ein Kondom zu verlangen oder Intimität zu verweigern, dann hilft Aufklärung wenig. Mit Frauen in Entscheidungspositionen tut sich die lutherische Kirche Tansanias aber nicht leicht. Auch dazu sind Nachfragen berechtigt.
Grund genug also für deutsche Werke, den Partnern in Tansania ihre Bedenken offen mitzuteilen. Besonders geeignete Foren dafür scheinen der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) und der Lutherische Weltbund (LWB) zu sein. Dort ist man in der Debatte vorangekommen: Auf der weltweiten Konsultation des ÖRK im November und der afrikaweiten des LWB im Mai haben afrikanische Kirchen offen eingeräumt, sie hätten früher und mutiger Tabus angehen müssen. Und sie haben erklärt, dass sie trotz des Plädoyers für sexuelle Enthaltsamkeit keine wirksame Methode der Aids-Prävention verurteilen. Damit sind Kondome unausgesprochen gebilligt. Einige lutherische Bischöfe Tansanias scheinen das anders zu sehen. Doch vielleicht sind ihre harschen Worte ein Zeichen, dass ihre Position ganz langsam unhaltbar wird.
aus: der überblick 02/2002, Seite 109
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".