Birmas Armee setzt die eigene Bevölkerung als Sklaven bei Trägerdiensten und Bauarbeiten ein
Wenn Birmas Militärdiktatur im Osten des Landes eine Offensive gegen Rebellen startet, zwingt die Armee Bauern, als Hilfskräfte zu dienen. Sie müssen die Munition und den Proviant über Bergpfade schleppen und können froh sein, wenn sie nicht von Soldaten oder Minen umgebracht werden. Auch beim Straßen- und Eisenbahnbau und für die Ernte auf den eigenen Feldern setzt Birmas Militär Zwangsarbeit ein. Das verstößt gegen die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation. Doch die Nachbarländer weigern sich, Sanktionen gegen Rangun zu unterstützen.
von Bertil Lintner
Saw Tha Ku war erst 21, aber sein Gewissen war schon schwer belastet: Als Soldat der birmanischen Streitkräfte musste er allen Befehlen gehorchen, die ihm von Offizieren erteilt wurden. Doch als Angehöriger der Karen - einer von Birmas vielen ethnischen Minderheiten - konnte er nicht weiter schweigen, als seine Einheit eine Gräueltat nach der anderen in dem Grenzgebiet zu Thailand beging, in dem seine Volksgruppe lebte. Er beschloss, nach Thailand zu fliehen.
Dort wurde er von Mitarbeitern der Karen-Menschenrechtsgruppe befragt, einer nichtstaatlichen Organisation (NGO), die seit Jahren Menschenrechtsverletzungen der birmanischen Armee dokumentiert. Was Saw Tha Ku zu sagen hatte, war eigentlich nichts Neues. Aufsehen erregte jedoch, von einem ehemaligen Soldaten der birmanischen Streitkräfte das Eingeständnis zu hören, dass er selbst an der Rekrutierung von Zwangsarbeitern für das Militär teilgenommen hatte. Das bewies auch, dass die Berichte zahlreicher Flüchtlinge aus Birma, die jetzt in Lagern in Thailand leben, nicht übertrieben waren. In Birma, das seit 1962 vom Militär regiert wird, gibt es eine moderne Form der Sklaverei. Und trotz der Zusagen des Landes an die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die die Praxis scharf kritisiert hat, bestehen kaum Zweifel daran, dass diese Zwangsarbeit unvermindert fortbesteht.
Laut Saw Tha Ku zwang seine Einheit regelmäßig Dorfbewohner, ein oder zwei Mal im Monat für jeweils drei oder vier Tage Zwangsarbeit zu leisten. Die Menschen wurden gezwungen, Bäume zu fällen und die Wurzeln und Stümpfe auszugraben, um so Platz für Einrichtungen der Streitkräfte zu schaffen, die sie dann bauen mussten. In der Erntezeit mussten sie die Ernte der Streitkräfte einholen. Saw Tha Kus Offizier sagte ihm: "Hab kein Mitleid mit ihnen. Du bist Soldat, und wie ein Soldat musst du sie zwingen." So zwang Saw Tha Ku die Dorfbewohner, für ihn und seine Einheit zu arbeiten.
Sowohl Frauen als auch Männer werden zur Zwangsarbeit für die Streitkräfte herangezogen. Die Karen-Menschenrechtsgruppe schreibt in einem Bericht vom Oktober 2001 über die Situation in den überwiegend von Karen bewohnten Distrikten Papun und Nyaunglebin in Ostbirma, dass Männer in der Regel die meiste Schwerstarbeit leisten; doch manchmal sind die Männer bereits für andere Zwangsarbeiten herangezogen, und dann werden auch die Frauen zusammengetrieben. Sie stehen als Erstes vor der schweren Entscheidung, ob sie ihre kleinen Kinder zu Hause lassen oder mitnehmen sollen. Auch wer kleine Kinder hat, ist nicht von Zwangsarbeit befreit. Selbst Frauen, die ein Kind stillen, werden zur Arbeit auf die Felder geschickt, wo sie stets der Gefahr ausgesetzt sind, vergewaltigt zu werden.
Nicht einmal Kinder und alte Menschen werden verschont. Das berichten die Karen-Menschenrechtsgruppe und zahlreiche andere Menschenrechtsorganisationen, darunter der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Birma. Sie haben festgestellt, dass Prügel sowie Vergewaltigungen und Hinrichtungen von Zwangsarbeitenden weit verbreitet sind. Selbst Kinder im Alter von 10 oder 11 Jahren und 60-jährige werden zur Arbeit gezwungen. Die Kinder werden oft herangezogen, wenn ihre Eltern krank sind oder auf ihren eigenen Feldern arbeiten müssen. Manche Offiziere beschweren sich, wenn Kinder zur Arbeit geschickt werden - nicht weil sie Mitleid haben, sondern weil Kinder keine vollwertigen Arbeitskräfte sind.
Niemand wird für die Arbeit bezahlt, und alle müssen ihre Verpflegung selbst mitbringen. Freigebig verteilen die Soldaten nur Beleidigungen und Schläge mit Stöcken und Gewehrkolben. Maung Htun Shwe, ein 35-jähriger Dorfbewohner von den Karen-Bergen nahe der Grenze zu Thailand, hat einem westlichen Flüchtlingshelfer seine Erfahrungen erzählt: "Sie (die birmanischen Soldaten) gaben uns kein Wasser, und man kann nicht darum bitten, Wasser in ihren Kantinen trinken zu dürfen. Wir konnten kein eigenes Wasser mitnehmen, denn wir mussten alle ihre Sachen tragen, und die Lasten waren so schwer, dass wir nichts für uns selbst tragen konnten. Ich hatte nichts mit als die Kleidung, die ich am Leib trug, und es war Tag und Nacht nass, ich wurde ständig von Insekten gebissen. Die Lasten waren sehr schwer, und wir verloren unsere Kraft, einige wurden krank. Als wir zurückkamen, konnte ich nicht mehr gehen."
Der Grund, warum Zivilisten praktisch als Sklaven für die Streitkräfte eingesetzt werden, ist einfach: In den zerklüfteten Bergen der Region gibt es wenig oder gar keine Infrastruktur, und die Streitkräfte, die das Land seit vier Jahrzehnten unangefochten beherrschen, betrachten die Zivilisten als ihr Eigentum, das nach Belieben genutzt und misshandelt werden kann. Die birmanischen Streitkräfte benötigen tausende von Trägern, um ihr expandierendes Netz von Militärlagern zu versorgen - die Lager befinden sich häufig in abgelegenen Bergregionen. Manchmal müssen Dorfbewohner etliche Tage im Lager bleiben und sich bereithalten für den Fall, dass die örtliche Armee-Einheit woanders hin marschieren muss. In der Regel nehmen Militärs Wege im Dschungel, auf denen keine Autos oder Lastwagen fahren können. Nach der Arbeit wird den Trägern entweder gesagt, sie sollten selbst nach Hause zurückfinden, oder sie werden erschossen.
Anfang Februar diesen Jahres wurden zwanzig Karen in einem Fluss nahe der Grenze zu Thailand tot aufgefunden. Ihre Augen waren verbunden, Hände und Füße gefesselt, und ihre Kehlen waren durchschnitten; viele Körper trugen Stichwunden. Die thailändische Polizei fand, dass die Opfer von einer Bande Arbeitsvermittler getötet worden seien. Die hätten die Opfer als Arbeiter nach Thailand gelockt und ihnen nach Erhalt der Vermittlungsgebühren die Kehle durchgeschnitten. Doch anderen Berichten zufolge waren die Opfer Träger der birmanischen Streitkräfte, deren man sich entledigt hatte, als sie nicht mehr gebraucht wurden. Das wäre, wenn es zutrifft, nicht das erste Mal gewesen. Leichen mit hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen treiben häufig den Fluss Moei hinunter, der die Grenze zwischen Birma und Thailand bildet. Ihnen die Hände zu fesseln und sie in den Fluss zu stoßen, ist leichter und weniger lästig, als sie zu erstechen, und billiger, als sie zu erschießen.
Manchmal werden zehntausende Dorfbewohner für größere Projekte der Armee zusammengetrieben. Das größte Infrastrukturprojekt, bei dem Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, war der Bau einer Eisenbahn von der Stadt Ye in Südostbirma nach Tavoy, 177 Kilometer weiter südlich. Der Bau begann im Oktober 1993, und nach Schätzungen wurden allein in der trockenen Jahreszeit von Oktober 1993 bis April 1994 120.000 bis 150.000 Menschen zur Zwangsarbeit an der Eisenbahn herangezogen. Laut einem neuen Buch der australischen Flüchtlingshelferin Hazel Lang musste jede Familie in der Region an dem Bau und den anschließenden Reparaturen mitarbeiten. Das reichte vom Entfernen des Laubwerks über das Vorbereiten und Einebnen des Bodens und das Zertrümmern von Steinen bis zum Schneiden und Verlegen von Schwellen und Schienen.
Die Eisenbahn wurde offiziell Anfang 1998 fertig gestellt. In den fünf Jahren Bauzeit gelang es tausenden von Dorfbewohnern, nach Thailand zu fliehen, wo sie in Flüchtlingslagern aufgenommen wurden. Männer, Frauen und Kinder berichteten dort von Misshandlungen auf den Baustellen, die von schwer bewaffneten Sonderbataillonen der leichten Infanterie streng beaufsichtigt wurden. Die Arbeiter schliefen und aßen in den Lagern auf dem Boden unter Plastikplanen, es gab keine Gebäude für sie. Verwandte, die nicht zur Zwangsarbeit herangezogen waren, mussten den Arbeitern Nahrungsmittelpakete schicken, da diese für ihre Nahrung selbst sorgen mussten. Viele - die genaue Zahl ist nicht bekannt - starben in dem stickig heißen Dschungel an Malaria und anderen Krankheiten.
Die zunehmende Präsenz der birmanischen Streitkräfte entlang der Eisenbahnlinie hatte auch Auswirkungen auf die Kontrolle des Militärs über das Gebiet. Dorfbewohner wurden ihres Lebensunterhalts beraubt, ihre Ernten wurden von den Streitkräften geraubt und ihre Tiere von Soldaten geschlachtet, die Essen verlangten. Viele Dorfbewohner wurden aus Gebieten umgesiedelt, in denen Rebellen einer Volksgruppe die Zentralregierung in Rangun bekämpften. Wenn sie sich den Umsiedlungsbefehlen der Streitkräfte nicht fügen wollten, wurden ihre Häuser abgebrannt und einige Dorfbewohner erschossen, um ein Exempel zu statuieren.
Die Eisenbahn von Ye nach Tavoy ist nicht das einzige Beispiel eines solchen massenhaften Einsatzes von Zwangsarbeit. Einige Jahre wurden Zehntausende von Dorfbewohnern für den Bau der Eisenbahn zwischen der Stadt Aungban und Loikaw in Ostbirma zusammengetrieben. Etliche starben dabei an Krankheit und Hunger. Die Linie heißt im Volksmund "Todeseisenbahn". Zwangsarbeit wurde auch eingesetzt, um riesige Staudämme und Kanäle in Zentralbirma zu bauen und Straßen im ganzen Land zu reparieren. Und bei Offensiven gegen Kämpfer von Volksgruppen, die gegen die Zentralregierung rebellieren, verpflichten die Streitkräfte stets Zivilisten als Träger. Manche müssen Lasten von bis zu 60 Kilogramm tragen - etwa Verpflegung für die Soldaten und Munition -, während andere gezwungen werden, als menschliche Minenräumer vor den Truppen herzugehen, um das Gelände von Sprengsätzen freizumachen. Wenn sie bei der Explosion einer Mine ums Leben kommen, werden sie einfach im Dschungel liegen gelassen. Wenn sie "nur" verstümmelt sind, werden sie in der Regel von den Soldaten erschossen.
Birmas Militär hat immer bestritten, Zwangsarbeit einzusetzen. Es behauptet, es gebe in der birmanischen und buddhistischen Kultur eine lange Tradition, zum Wohle der Gemeinschaft "Arbeit zu spenden". Im Dezember 1997 schrieb die offizielle, vom Militär herausgegebene Zeitschrift Burma Perspectives: "Freiwilliger Dienst im Interesse der Gemeinschaft ist eine tief verwurzelte und alte birmanische Tradition. Sie beruht auf unserer Auffassung, dass der Mensch nicht von anderen isoliert leben kann und dass er, wenn er im Leben erfolgreich sein will, ein Gleichgewicht herstellen muss zwischen dem, was gut für ihn selbst ist, und dem, was gut für alle ist. ... Seit Anbeginn ihrer Geschichte haben die Burmesen diesen starken Gemeinschaftsgeist und -dienst unter Beweis gestellt. Wir geben bereitwillig Hab und Gut, Zeit und Arbeitskraft für das Wohl der Menschen in der Gemeinschaft."
Solchem pseudophilosophischen Unsinn haben die birmanischen Militärherrscher sogar noch eine juristische Auslegung hinzugefügt, die den Einsatz von Zwangsarbeitern begründen soll: Bei Gesprächen mit ausländischen Diplomaten, die die Praxis kritisieren, haben sich birmanische Regierungsvertreter häufig auf ein Gesetz aus dem Jahre 1908 berufen. Es erlaubt Dorfräten, Zivilisten zu öffentlichen Arbeiten heranzuziehen. Es ist jedoch nie richtig erläutert worden, warum ein altes britisches Kolonialgesetz noch heute gelten soll. Außerdem gibt das Gesetz den Dorfräten zwar das Recht, Menschen zu "Zwangsdiensten für öffentliche Zwecke ohne Diskriminierung aufgrund der Geburt, Rasse, Religion und Klasse" heranzuziehen. Doch das ist etwas völlig anderes als der massenhafte Einsatz von Zwangsarbeit, der zu einer schweren Belastung für Millionen Menschen in ganz Birma geworden ist.
In Wirklichkeit verstößt der Einsatz von Zwangsarbeitern gegen die erste Verfassung Birmas aus dem Jahre 1947, und die steht über dem Kolonialgesetz von 1908 - selbst wenn dieses, wie das Militär behauptet, Zwangsarbeit erlauben würde. In Artikel 19 Punkt 2 der Verfassung heißt es klar, dass "Zwangsarbeit in jeder Form und unfreiwillige Dienstverhältnisse verboten sind außer als Strafe für ein Verbrechen, für das eine Person ordnungsgemäß verurteilt worden ist".
Die heute praktizierte Zwangsarbeit als tief verwurzelte Tradition zu bezeichnen, ist auch eine völlige Verzerrung der birmanischen Geschichte. Der birmanische Historiker Ko Ko Maung schreibt, dass im alten Königreich - vor der britischen Eroberung im 19. Jahrhundert - zwar ein Drittel der Bevölkerung in Arbeitseinheiten für den Monarchen organisiert waren und für ihre Arbeit kein Geld erhielten. Aber ihnen wurde Land zur Bewirtschaftung zugewiesen, von dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten und für das sie keine Steuern zahlten. Die Sklaverei gab es nur für Verbrecher und ihre Abkömmlinge, die als Arbeitskräfte an buddhistische Klöster vergeben wurden.
Die vom birmanischen Militär praktizierte moderne Sklaverei hat in der birmanischen Kultur und Geschichte eindeutig keine Vorläufer. Sie kann auch nicht mit einer verzerrten Auslegung einiger alter Gesetze aus der Kolonialzeit gerechtfertigt werden. Es handelt sich schlicht und einfach um Sklaverei und um eine eindeutige Verletzung der von der ILO festgeschriebenen Normen. Die ILO hat das birmanische Regime im Jahre 1998 wegen des verbreiteten Einsatzes von Zwangsarbeit verurteilt. Ihr Bericht kam zustande, nachdem eine Untersuchungskommission über 300 Zeugen in Nachbarländern Birmas befragt und über 10.000 Seiten Beweismaterial geprüft hatte. Birmas Militärregierung tat den Bericht der ILO als "gegenstandslos" ab und lehnte zunächst eine Zusammenarbeit mit der Kommission ab.
Das veranlasste den Verwaltungsrat der ILO am 28. März 2000 dazu, Artikel 33 der ILO-Verfassung heranzuziehen und Sanktionen gegen Birma zu empfehlen. Birma ist Mitglied der ILO und hat 1955 auch das Übereinkommen über das Verbot der Zwangsarbeit aus dem Jahre 1930 ratifiziert. Noch nie zuvor, auch nicht in den Jahren des Kalten Krieges oder beim Kampf um die Abschaffung der Apartheid in Südafrika, war Artikel 33 gegen einen Mitgliedstaat herangezogen worden. Dass dies nun geschah, war ein bedeutender Schritt in der internationalen Kampagne zur Abschaffung aller Formen der Sklaverei, die heute noch vorkommen.
Sanktionen könnten bedeuten, dass den UN-Organisationen jede Hilfe für Birma untersagt würde und dass alle Mitgliedsländer der ILO ihre Beziehungen zur Regierung in Rangun überprüfen müssten. Um Sanktionen zu vermeiden, hat die Militärregierung das Gesetz von 1908 abgeschafft und Zwangsarbeit zu einer Straftat erklärt. Ferner hat sie die ILO eingeladen, in Birma unabhängige Untersuchungen vor Ort vorzunehmen.
Dies erwies sich als schwerer Fehler. Vor Ankunft des ILO-Untersuchungsteams im Oktober 2001 hatten Offiziere der Streitkräfte das Land bereist und Dorfbewohnern Konsequenzen angedroht für den Fall, dass sie sich bei ihren Aussagen nicht an die offizielle Linie hielten, wonach Zwangsarbeit nunmehr der Vergangenheit angehörte. Die Mitglieder des ILO-Teams waren zwar zum Schweigen über ihre Erkenntnisse verpflichtet, bis ein offizieller Bericht erstellt war. Dennoch sagten sie nach ihrer Rückkehr aus Birma, dass sie "sehr beeindruckt" seien vom Mut der Dorfbewohner, mit denen sie zusammengetroffen waren. Einer nach dem anderen hatten sie die Wahrheit gesagt. Die Veränderungen waren rein kosmetischer Art, und die Zwangsarbeit ist nicht abgeschafft worden.
Die Karen-Menschenrechtsgruppe führte Ende 2001 lange Interviews mit Dorfbewohnern in den Bergen Ostbirmas. Sie kam nicht nur zu dem Schluss, dass Zwangsarbeit weiterhin von den Dorfbewohnern verlangt wird, sondern auch dass "die Dorfbewohner niemanden haben, bei dem sie sich darüber beschweren können". Viele Dorfoberhäupter, die die Karen-Menschenrechtsgruppe in den Distrikten Papun und Nyaunglebin befragt hat, gaben entweder an, sie hätten die neuen Anordnungen aus Rangun gar nicht gesehen, oder sie hätten diese zwar gesehen, jedoch keine Anzeichen dafür, dass sie auch umgesetzt würden.
Auf die Frage, ob die Zwangsarbeit in seinem Gebiet abgenommen habe, meinte ein Dorfoberhaupt aus Mone, in seinem Gebiet leisteten die Dorfbewohner immer noch Trägerdienste für die Streitkräfte und würden zu anderen Aufgaben zwangsverpflichtet. Maung Sein, ein 40-jähriger Dorfbewohner, erklärte, dass "sie uns immer zu loh ah pay (Zwangsarbeit) zwingen. Zuvor haben sie es wontan - Trägerdienste - genannt, doch jetzt nennen sie es loh ah pay. Sie haben den Namen geändert. Sie sagten, wenn sie es Trägerdienste nennen, sei das grob. Den neuen Namen gibt es seit November 2000."
Es ist fraglich, ob diese Namensänderung die ILO und die internationale Gemeinschaft beeindruckt. Und seit dem Besuch der ILO-Delegation sind neue Berichte über mehr Zwangsarbeit aus Birma herausgelangt. Ende 2001 berichtete die Menschenrechtsstiftung der Shan - einer anderen ethnischen Minderheit in Birma -, dass hunderte von Dorfbewohnern in Kehsi Mansam gezwungen worden seien, eine 60 Kilometer lange Straße in dem Gebiet zu reparieren. Der örtliche Militärbefehlshaber hatte an 17 Dörfer eine schriftliche Verfügung gesandt und jedes Dorfoberhaupt aufgefordert, 15 Arbeiter für umschichtige Arbeiten an der Straße abzustellen. Jede Schicht von rund 250 Dorfbewohnern musste fünf Tage arbeiten, für ihre Verpflegung selbst sorgen und die Arbeitswerkzeuge wie Hacken, Messer, Spaten und Sägen selbst mitbringen. "Nicht nur dass die Dorfbewohner für ihre Arbeit nicht bezahlt werden, sie werden auch noch beschimpft und geschlagen, während sie arbeiten", berichtet die Shan-Menschenrechtsstiftung.
Wie lange wird diese Form moderner Sklaverei noch hingenommen? Viel hängt davon ab, was die ILO mit ihrem neuesten und vernichtenden Bericht über Zwangsarbeit in Birma tun wird. Doch die meisten von Birmas Nachbarländern sind offensichtlich aus politischen Gründen nicht bereit, den Empfehlungen der ILO zu folgen. Seit 1997 gehört Birma der Association of Southeast Asian Nations (Verband Südostasiatischer Nationen, ASEAN) an, zu dem auch Thailand, Malaysia, Singapur, Indonesien, Brunei, die Philippinen, Vietnam, Laos und Kambodscha gehören. Diese regionale Organisation hat die Nichteinmischung in das, was sie als "innere Angelegenheiten" von Mitgliedstaaten ansieht, zu ihrem wichtigsten Grundsatz gemacht. Auch Birmas mächtiger Nachbar und Verbündeter im Norden, China, hat stets versucht, internationale Maßnahmen gegen das Regime in Rangun zu verhindern. Selbst das demokratische Indien im Westen hat es vorgezogen, Birma nicht zu scharf zu kritisieren. Denn es glaubt, dass Birma dadurch noch stärker in die Arme seines Erzfeindes China getrieben würde.
Das birmanische Regime und seine schändlichen Praktiken können aufgrund geopolitischer Erwägungen fortbestehen. Das sind schlechte Nachrichten für die Menschen in Birma. Sie müssen vielleicht noch viele Jahre hilflos und isoliert leiden - so wie die 36-jährige Naw Mu Lay. Sie berichtet, wie sie in ihr Dorf zurückkehrte, nachdem es vom Militär verwüstet worden war: "Ich kann etwas über die Zeit sagen, als ich zornig war, als ich zurückkam und sah, dass mein Reis verbrannt war. Ich hatte keinen Reis zu essen. Ich wollte weinen, aber ich konnte nicht weinen. Ich wollte lachen, aber ich konnte nicht lachen."
aus: der überblick 01/2002, Seite 49
AUTOR(EN):
Bertil Lintner:
Bertil Lintner ist Journalist bei der in Hongkong erscheinenden Zeitschrift "Far Eastern Economic Review". Er ist Autor mehrerer Bücher über Birma, zuletzt: "Burma in Revolt: Opium and Insurgency Since 1948".