Der faire Handel ist professionell geworden
Der faire Handel hat in Deutschland einen weiten Weg zurückgelegt. Angetreten ist er in den 1970er Jahren, um die herrschende Welthandelsordnung anzuprangern und Ansätze eines gerechteren Austauschs zwischen Nord und Süd praktisch aufzuzeigen. Wenig später war es eine Frage der Solidarität mit der Revolution in Mittelamerika, fairen Kaffee aus Nikaragua zu trinken, statt das anregende Getränk von Kapitalisten zu kaufen.
von Bernd Ludermann
Die Revolutionäre haben ihre europäischen Unterstützer inzwischen enttäuscht. Die konsumkritischen Töne der 1980er Jahre (Jute statt Plastik) sind verklungen. Und die Debatten über eine neue Weltwirtschaftsordnung haben an Pathos verloren gerade im Süden selbst. Heute wird hart um kollektive geistige Eigentumsrechte gerungen oder um die juristische Klassifizierung einzelner Agrarsubventionen Fragen, die nur Fachleute durchschauen. So musste das politische Eintreten für weltweite Gerechtigkeit sich teilweise professionalisieren und zur Lobby-Arbeit werden.
Der faire Handel hat seine eigene Professionalisierung durchlaufen. Seine Vorkämpfer, darunter zahlreiche kirchliche Gruppen, Verbände und Werke, haben gelernt, zum Nutzen der Partner im Süden deren Produkte zu vermarkten. Statt um Weltrevolution und Konsumkritik geht es nun um Marktforschung, Verpackungsdesign und nicht zuletzt Genuss. Das gepa Fair Handelshaus, das vor dreißig Jahren von kirchlichen Werken und Verbänden gegründet wurde und in diesem Mai Jubiläum feiert, ist dafür ein Beispiel. Es stellte 1992 einen Kaffee-Produktmanager ein, der sich heute mit Grausen daran erinnert, dass Kaffeebauern in den 1980ern miese Bohnen lieferten nicht zuletzt weil die gepa ihnen gar nicht sagen konnte, was für Kaffee sie haben wollte. Inzwischen ist die stolz darauf, dass ihr Kaffee in Geschmackstest stets gut abschneidet.
Der EED und Brot für die Welt und von katholischer Seite Misereor mühen sich um den Absatz fairer Waren nicht zuletzt in den Kirchen selbst. Gleichzeitig mischen sie sich zu Fragen des Welthandels ein. Auch die fairen Händler scheinen sich neuerdings wieder stärker dem Einfluss auf den unfairen, jedoch bei weitem größten Teil des Handels zuzuwenden. Das ist zu begrüßen. Unter anderem weil auch kenntnisreiche Lobbyisten nur politisch Gehör finden, wenn sie auf Unterstützung in der Gesellschaft verweisen können. Die kann der faire Handel fördern: Dass er ein kleines Stück Gerechtigkeit unmittelbar praktiziert, ist auch eine überzeugende Einladung zu politischem Engagement.
aus: der überblick 01/2005, Seite 105
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".