Die Regierung sät den Spaltpilz
Die Evangelische Presbyterianische Kirche Togos (EEPT) ist auf Distanz zur Regierung gegangen. Nun setzt der Staatschef sie unter Druck und versucht sie zu spalten. Das schildert Erhard Mische, der Generalsekretär der mit der EEPT verbundenen Norddeutschen Mission. Er hat im November an einem ökumenischen Besuch in Togo teilgenommen, der den Kirchen dort den Rücken stärken sollte.
Nachgeragt bei Erhard Mische.
von Bernd Ludermann
Wie hat Staatspräsident Eyadema auf die Hirtenbriefe der Kirchen reagiert?
Ein Teil unserer ökumenischen Delegation hat Eyadema sowie drei Minister und den Parlamentspräsidenten im November gesprochen. Da hat der Staatspräsident die Kirchen wegen der Hirtenbriefe scharf angegriffen, vor allem die EEPT. Er hat zwei Personen herausgegriffen: den Generalsekretär der Methodisten, Pastor Lawson, und vor allem den Synodalsekretär der EEPT, Pastor Adubra.
Droht sich der Konflikt zuzuspitzen?
Ja, davon bin ich überzeugt. Der Druck auf unsere Partnerkirche wächst weiter. Das Synodalkomitee der EEPT hat im Januar beschlossen hat, dass die Kirche künftig nicht mehr offiziell an Gottesdiensten mitwirken wird, die im Rahmen staatlicher Feiertage begangen werden. Zum Beispiel an den Feiern, mit denen jedes Jahr die Machtübernahme des Staatspräsidenten von 1967 begangen wird. An einem Gottesdienst dazu hat in der Vergangenheit die EEPT immer teilgenommen. Nach dem Beschluss der EEPT hat Eyadema den Moderator eingeladen und gewarnt, er könne für die Sicherheit der Kirche nicht mehr garantieren. Für die Kirche ist es jetzt wichtig, dass sie zusammenrückt und ihre Einheit festigt, obwohl eine Gruppe von Pastoren dem Präsidenten Eyademas nahe steht.
Ist da Geld im Spiel?
Mit Sicherheit. Die Wahl von Pfarrer Touleassi zum Moderator 1990 war zum Beispiel das Ergebnis von Bestechung. Nach einer Amtszeit wurde er abgewählt, und das hat Eyadema der Kirche eigentlich nie verziehen. Auf Seite des Staatspräsidenten steht heute eine Gruppe von Pastoren um Touleassi. Sie ist in der EEPT eine Minderheit. Das Synodalkomitee, der repräsentative Ausschuss der Synode, trägt voll und ganz den neuen Kurs. Wenn die EEPT nun aber offen auf Distanz zu Eyadema geht, was sie früher nicht getan hat, dann sind die Konsequenzen noch nicht zu überblicken. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die EEPT sich spaltet.
Sind Vertreter der EEPT von Repression bedroht?
Ja. Das Leben von Franck Adubra war zum Beispiel im April vergangenen Jahres akut gefährdet.
Wie kann man die Kirchen in dieser Lage von außen unterstützen?
Erstens kann man über unsere Regierungen und Botschaften einen gewissen Schutz erwirken. Zweitens versuchen wir die Regierungen in Deutschland und Frankreich dafür zu gewinnen, sich erneut für die Demokratisierung in Togo einzusetzen. Die EKD und die Fédération Protestante in Frankreich haben Anfang Februar einen entsprechenden Brief an ihre jeweiligen Außenminister geschrieben. Frankreich ist bisher Eyadema-freundlicher aufgetreten als die Europäischen Union, scheint aber nun ein gemeinsames Vorgehen mit Deutschland zu erwägen. Drittens müssen wir in Togo unsere Solidarität mit unserer Partnerkirche öffentlich ausdrücken, auch durch Präsenz. Wir müssen zeigen: Die EEPT hat eine ökumenische Gemeinschaft hinter sich. Das war ein Ziel des Delegationsbesuchs im November. Viertens sollten wir unseren Partnern sagen, wie wichtig in dieser Lage die Einheit der Kirchen ist. Hier werben wir einerseits darum, dass sich die EEPT nicht spalten lässt. Andererseits bitten wir die verschiedenen Kirchen, enger zusammenarbeiten. Da es um die Zukunft Togos geht, sollte auch die Muslime und einige der charismatischen Kirchen mit ins Boot geholt werden, zumindest die größte und etablierteste, die Assemblée de Dieu.
Wie steht es denn um die ökumenische Zusammenarbeit in Togo?
Die hat sich lange auf freundliche Begrüßungen beschränkt. Die Methodisten haben bis vor kurzem der EEPT immer Staatsnähe vorgeworfen; zwischen beiden gab es große Spannungen. Dies hat sich seit der Veröffentlichung der beiden Hirtenbriefe im September des vergangenen Jahres geändert. Beide Kirchen arbeiten enger zusammen. Wie groß die Chance auf ein gemeinsames Auftreten mit den Katholiken ist, scheint offen. Wir hatten darüber ein sehr gutes Gespräch mit dem Erzbischof von Lomé. Wir haben erklärt, dass in Deutschland die Kirchen sich in wichtigen Fragen gemeinsam äußern, zum Beispiel beim Sozialwort. Da zeigte sich der Erzbischof, der erst ganz förmlich war, mit einem Mal sehr aufgeschlossen. Es gibt allerdings auf protestantischer Seite auch historisch bedingte Vorbehalte gegen eine enge Zusammenarbeit. In Gesprächen wurde uns aber signalisiert, dass man in Zukunft stärker auf die katholische Kirche zugehen werde.
Besteht die Gefahr, dass die Kirchen angesichts der Schwäche der Oppositionsparteien deren Rolle übernehmen?
Das wollen sie nicht. Die Rolle der Kirchen kann nur eine der Vermittlung zwischen verschiedensten Parteien sein. Die EEPT beginnt zur Zeit ein Programm, mit dem das Bewusstsein für Menschenrechte gestärkt und Wege zur friedlichen Bearbeitung von Konflikten gewiesen werden sollen, etwa lokaler ethnischer Konflikte oder solcher zwischen Christen und Muslimen. Diese Friedensarbeit an der Basis ist Teil eines Programms zur "Re-Dynamisierung" der EEPT, zu dem auch geistliche Schulung und die Stärkung der Kreise und Gemeinden gegenüber der Zentrale gehören. Außerdem können die Kirchen, vielleicht sogar mit den Muslimen zusammen, bei einer Wahl Beobachter stellen und mit dafür sorgen, dass es transparent, fair und gesetzmäßig zugeht. In Ghana haben die katholische Kirche, der Christenrat und die muslimische Gemeinschaft auf diesem Gebiet eine hervorragende Rolle gespielt. Sie haben immer wieder Präsident Rawlings an die Verfassung erinnert. Das hat seine Wirkung nicht verfehlt.
Gibt es Pläne für kirchliche Wahlbeobachtung in Togo?
Bisher nicht. Die Präsidentschaftswahl soll im Juni stattfinden. Dazu soll ein Wahlgremium berufen werden, in dem auch die Oppositionsparteien vertreten sein sollen. Meines Wissens gibt es aber keine Pläne, dass die Religionsgemeinschaften eine aktive Rolle als Wahlbeobachter spielen. Wir haben die Kirchen auf die Möglichkeit angesprochen.
Kirche und Staat in TogoDer Streit droht sich zuzuspitzenDrei Kirchen Togos sind im vergangenen Jahr auf Distanz zur Regierung gegangen und haben sich in Hirtenbriefen für mehr Demokratie ausgesprochen. Die Kirchen haben in Togo großen sozialen Einfluss, hatten sich aber lange zu sozialen und politischen Fragen kaum geäußert. Man schätzt, dass sich von den etwa 4,7 Millionen Togolesen mehr zum Christentum bekennen als zum Islam; wie stark traditionelle Religionen sind, ist unklar. Von den traditionellen Kirchen ist die katholische die größte. Die EEPT, die aus der Arbeit der Norddeutschen Mission hervorgegangen ist, ist mit schätzungsweise 200.-300.000 Anhängern die größte protestantische Kirche. Die Methodisten sind im Wesentlichen auf eine kleine Volksgruppe im Süden des Landes beschränkt. Charismatische Kirchen wachsen seit einigen Jahren schnell. Sie und die Muslime äußern sich zu politischen und sozialen Fragen bisher kaum. Die katholische Kirche hat sich Anfang der 1990er Jahre in der Demokratiebewegung engagiert; der Erzbischof von Lomé leitete die Nationalversammlung. Nach deren Scheitern ist er stark unter Druck geraten. Danach hat sich die katholische Kirche ganz aus der Politik herausgehalten. Anscheinend auf Drängen von jüngeren Pastoren haben die Bischöfe diese Haltung nun revidiert und in ihrem Hirtenbrief im Juni unter anderem gefordert, Bedingungen zu schaffen, unter denen das Volk seine politischen Rechte und Pflichten ausüben kann. Die EEPT setzt sich mit offenen Stellungnahmen noch schneller als andere Kirchen staatlichem Druck aus, denn Staatspräsident Eyadema gehört ihr an. Dennoch hat sie in ihrem Hirtenbrief Anfang September besonders deutlich eine pluralistische Demokratie verlangt. Zudem kündigt sie dort an, im Zuge der geplanten Re-Dynamisierung der EEPT stärker auf die Veränderung der politischen Institutionen hinzuwirken und sich für die Achtung des Rechts einzusetzen. Ausdrücklich bekräftigt die EEPT "ihre Unabhängigkeit von der politischen Klasse". Der Hirtenbrief der methodistischen Kirche von Ende September geißelt besonders klar die umfassende Korruption und das Klima der Gewalt in Togo. Alle drei Hirtenbriefe verlangen faire Wahlen mit echten Alternativen. Darüber hat die Regierung sich inzwischen hinweggesetzt: Vor den Parlamentswahlen Ende Oktober hatte Eyademas Partei die unabhängige Wahlkommission ausgewechselt und das mit der Opposition vereinbarte Wahlgesetz geändert. Alle bedeutenden Oppositionsparteien boykottierten deshalb wie schon 1998 den Urnengang. Vor diesem Hintergrund ist die Brisanz der Hirtenbriefe vom Juni und September zu verstehen. Eyademas Partei gewann schließlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Warum geben die Kirchen ihre politische Zurückhaltung auf? Der wichtigste Grund ist der soziale Verfall des Landes. Hinzu kommt, dass der politische Prozess völlig festgefahren scheint. Die Regierung hat jedes Vertrauen verspielt. Aber auch die Opposition hat enttäuscht, weil sie zerstritten ist und sich immer wieder von Eyadema spalten ließ. Die Kirchen können in Togo die Bevölkerung eher mobilisieren als irgendeine Partei. Unter anderem deshalb haben Oppositionsführer die Stellungnahmen der Kirchen begrüßt: Sie hoffen, dass diese eine neue Demokratiebewegung auslösen. Genau das fürchtet das Regime. Die Kirchen und besonders die EEPT geraten so unter wachsenden Druck. Um sie von außen zu unterstützen und zur Zusammenarbeit anzuregen, ist eine ökumenische Delegation im November in Togo gewesen. Beteiligt waren erstens die Missionen, mit denen Togos Protestanten verbunden sind: Die Norddeutsche Mission und die Gemeinschaft von Kirchen, die aus der Pariser Mission hervorgegangen ist (Cevaa). Die EEPT ist mit beiden verbunden, die Methodisten Togos sind Mitglied der Cevaa. Zweitens waren die EKD und der EED - beide vertreten durch Manfred Wadehn - sowie das französische Pendant der EKD, die Fédération Protestante, an der Delegation beteiligt; außerdem der Weltrat der Kirchen, der Reformierte Weltbund, die Gemeinschaft von rund 150 afrikanischen Kirchen (CETA) und die methodistische Kirche Benins. Gemeinsam mit Vertretern der EEPT und der Methodisten Togos traf die Delegation den Staatschef, Vertreter der Oppositionsparteien und den Erzbischof von Lomé sowie die Botschafter Deutschlands, Frankreichs und der USA. Inzwischen hat sich der Konflikt weiter zugespitzt. Für den Fall, dass Eyadema dieses Jahr erneut für das Amt des Staatspräsidenten kandidiert, ist eine Krise absehbar, der auch die Kirchen Togos kaum ausweichen können. bl Eine deutsche Übersetzung des Hirtenbriefs der EEPT ist bei der Norddeutschen Mission erhältlich (info@norddeutschemission.de) |
aus: der überblick 01/2003, Seite 112
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".