Zum Tod von Dr. Badal Sen Gupta
Badal Sen Gupta ist am 5. Dezember 2006 in Dhaka unerwartet gestorben. Der langjährige Mitarbeiter des kirchlichen Entwicklungsdienstes war ein Wanderer zwischen den Kontinenten, zwischen den Kulturen, zwischen Visionen und handfester Praxis. Neues zu suchen zog sich durch sein Leben.
von Manfred Wadehn
Badal wurde 1938 in Kalkutta geboren – als sechstes von sieben Kindern einer Familie, die aus der Gegend von Dhaka im damals noch ungeteilten Bengalen (heute Bangladesch) zugewandert war. Mit 18 Jahren ging er nach England und Deutschland, um auf Wunsch seines Vaters Metallurgie und Gießereitechnik zu lernen. Flensburg, Lübeck und Kiel waren die ersten Stationen, in London machte er widerwillig den Studienabschluss. Die Liebe zog ihn zurück nach Kiel; er heiratete und begann dort ein – diesmal selbst gewähltes – Studium der Volkswirtschaft und Soziologie. Das Diplom machte er in Erlangen, seine Doktorarbeit hieß "Sozialer Wandel im ländlichen Indien. Lokale Selbstverwaltung / Genossenschaft". Dieses Thema sollte ihn sein Leben lang nicht mehr loslassen. Das Potenzial zu Veränderungen bei Menschen, in Gemeinwesen und Organisationen blieb für Badal der Angelpunkt für menschliche Entwicklung. Seine Arbeit in Entwicklungsprojekten, der Dialog mit Partnern und seine Beratungstätigkeit kreisten um human potential development, seine Schlüsselidee für selbstbestimmte Entwicklung.
Forschungsaufträge brachten Badal mit "Brot für die Welt" und der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE) in Kontakt. 1973 stellte ihn die EZE in Bonn für die Südasienarbeit ein. Er war eine Idealbesetzung: Der Beruf entsprach dem Lebensinteresse, Badal konnte sich darin für seine Vision einer menschenwürdigen Entwicklung für die Armen einsetzen. Als Leiter des Südasienreferats prägte er wichtige Konzepte der Programmarbeit. Integrierte ländliche Entwicklung, die Beteiligung der Armen an der Gestaltung der Projekte und die Delegation von Entscheidungen waren Kernelemente im Partnerdialog und in der Förderung.
In der Zeit in Bonn heiratete Badal zum zweiten Mal, zwei Söhne wurden geboren. 1987 bis 1992 führte Badal eine Verbindungsstelle der EZE in Indien mit Sitz in Bangalore; es folgte – wieder in Bonn – der Aufbau des Referats für Fachberatung bei der EZE, die 2001 im Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) aufging. Mit dem "Ruhestand" ab 2002 hörte das Lehren und Beraten keineswegs auf, im Gegenteil: Befreit von administrativen Pflichten konnte Badal sich ganz selbst gewählten Beratungsprozessen im Süden und insbesondere der Nachwuchsbildung bei Entwicklungsorganisationen widmen. Südafrika und Indien/Bangladesch waren die Schwerpunkte seiner Reisen. Bei einer solchen Beratungsreise im Dezember 2006 hat ihn in Dhaka der Tod ereilt – fast dort, wo sein Lebenskreis begonnen hatte.
Badal Sen Gupta war ein charismatischer Netzwerker. Ob im Norden oder im Süden – es ging ihm darum, Menschen zusammenzubringen, die Visionen und ein Engagement für Gerechtigkeit teilten. In den späten 1970er Jahren war er Mitinitiator des Rührberger Kreises, einer offenen Gruppe von Menschen, die den kirchlichen Entwicklungsdienst unter dem ökumenischen Motto "Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung" kritisch begleiteten (und die gerne kochten). Die Dialogue Group in Indien, der Badal angehörte, vereinte Aktivisten aus der basisnahen Entwicklungsarbeit. Kritisches Analysieren, visionäres Denken und zielgerichtetes Handeln standen auf ihrer Tagesordnung. In den Selbstbestimmte Entwicklungsprozesse waren das Lebensthema von Badal Sen Gupta.
1990er Jahren hat Badal einen Süd-Süd-Dialog und den Austausch zwischen Indien und Südafrika in Gang gesetzt, der noch immer Bestand hat.
Vernetzen ist verbunden mit Zutrauen. Viele Erinnerungen ranken sich darum, dass Badal Menschen zutraute, ihre Rolle gut wahrzunehmen, dass er ihnen ermöglichte, ihre Fähigkeiten in das gemeinsame Vorhaben einzubringen. Aus vielen seiner Ideen ist Wirklichkeit geworden, an vielen Orten.
Badal achtete sehr auf Sprache. Sein Deutsch war perfekt. Es war verbunden mit der Fähigkeit, Worte und Begriffe neu zu bilden, eine Begabung, die eher bei Menschen anzutreffen ist, die in mehreren Sprachen zu Hause sind. Badal liebte es auch, Geschichten zu erzählen und Erlebnisse auszumalen. Und er konnte seine Gedanken in sehr poetischer Weise vortragen. Der bengalische Dichter Rabindranath Tagore und der libanesische Maler, Philosoph und Dichter Khalil Gibran standen ihm ebenso Pate wie die Baul, die Volkssänger aus seiner bengalischen Heimat.
In einem Interview, das sein Freund M.C. Raj für eine Festschrift zu Badals 60. Geburtstag mit ihm geführt hat, sagte Badal: "Was ist das nächste in meinem Leben? Ich möchte auf Reisen gehen und den legendären Baul in Bengalen suchen – den Sänger, den Tänzer, den Philosophen der einfachen Worte, den universalen und doch tief in unserer Kultur Verwurzelten, den Sozialaktivisten. Ich will seinem Weg folgen hin zum Ufer des Flusses, auf dessen anderer Seite das befreite Land liegt. Vielleicht kommt der Fährmann und holt den Baul und mich auf die andere Seite."
Der Fährmann ist gekommen. Gott behüte Dich, Badal, auf Deinem Weg! Wir vermissen Dich.
aus: der überblick 01/2007, Seite 176
AUTOR(EN):
Manfred Wadehn
Dr. Manfred Wadehn ist Mitarbeiter des EED
und dort zuständig für die Koordination der
internationalen finanziellen Förderung. Er hat
lange mit Badal Sen Gupta zusammen gearbeitet
und war ihm auch persönlich verbunden.