Gefahr durch Pestizide weltweit zurück drängen
Wer in der Landwirtschaft Pestizide anwendet, ist sich über die Gefährlichkeit der Stoffe im Klaren, setzt das Gift maßvoll ein, trägt selbstverständlich Schutzkleidung und entsorgt die Kanister ordnungsgemäß. Dieses Bild würden die Hersteller wohl gern zeichnen. Die Wirklichkeit ist anders:
von Detlef Brockes
Pflanzen- und Insektengifte werden ausgebracht, ohne die ökologischen Folgen zu bedenken. Und gerade unter Armutsbedingungen fehlt es oft an grundlegenden Schutzvorkehrungen: Unausgebildetes Personal hantiert mit den Stoffen, leere Kanister dienen anschließend als Trinkwasserbehälter. Die Folge: Jede Minute wird irgendwo auf der Erde ein Mensch durch Pestizide geschädigt. Drei Viertel der tödlichen Vergiftungen finden in den Entwicklungsländern statt, obwohl dort nur ein Viertel der Chemikalien eingesetzt wird.
Den Pestizidgebrauch weltweit zurück zu drängen - dafür setzt sich das internationale Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) ein, dessen deutscher Zweig seinen Sitz in Hamburg hat. Die Strategie von PAN: zum einen über die Risiken der Pestizide aufklären, zum anderen Alternativen für die Anwender aufzeigen.
Zu den Unterstützern von PAN in Deutschland zählen Brot für die Welt, Misereor, die Evangelische Jugend Deutschlands, der Ausschuss für Entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik (ABP) und das Referat Kirchlicher Weltdienst im Nordelbischen Missionszentrum.
Eine kirchliche Einrichtung war es auch, die vergangenes Jahr im Rahmen der PAN-Kampagne "Cotton Connection" ausgezeichnet wurde - als erste Institution überhaupt in Deutschland. Das Haus am Schüberg, eine Tagungs- und Bildungsstätte im Nordosten Hamburgs, verwendet seit einigen Monaten Bettwäsche aus umwelt- und sozialgerecht erzeugter Baumwolle. Laken und Bezüge für die 50 Betten entsprechen den Empfehlungen von PAN: Die Baumwolle stammt aus kontrolliert biologischem Anbau (in diesem Fall in einem israelischen Kibbuz), ist also ohne synthetische Pestizide, Düngemittel, Wuchsstoffe und Entlaubungsmittel hergestellt. Gesponnen und gewebt wurde auf der Schwäbischen Alb, anschließend wurde der Stoff umweltschonend gefärbt, sodass er sich in die farbliche Gestaltung der Zimmer am Schüberg einfügt. Schließlich - denn der Teufel steckt wie immer im Detail - musste noch eine Wäscherei gefunden werden, welche die Bettwäsche schonend behandelt. "Unsere Gäste sind durchweg begeistert", sagt Hauswirtschaftsleiterin Petra Steinert. "Für uns steht fest, dass wir nach und nach weiter auf Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau umstellen werden."
PAN begleitet Einrichtungen wie das Haus am Schüberg mit einem "Umstellungsleitfaden" und nennt zum Beispiel Anbieter von Baumwollstoffen. "Ziel unserer Kampagne ist es, viele Institutionen zur Nachahmung anzuregen und auf diese Weise Vorbilder zu schaffen", erklärt PAN-Mitarbeiterin Susan Haffmans.
Die "Cotton Connection" ist aber nur ein Schwerpunkt von PAN. Andere Arbeitsfelder sind zum Beispiel Pestizidexporte in Entwicklungsländer oder Pestizidrückstände in Nahrungsmitteln und im Trinkwasser. Zu einschlägigen Gesetzen und Verordnungen nimmt PAN regelmäßig Stellung.
Dem internationalen Pesticide Action Network, 1982 gegründet, gehören inzwischen mehrere hundert Organisationen in etwa 60 Ländern an. Auf eine hierarchische Struktur mit einer Zentrale an der Spitze hat PAN verzichtet, die regionalen und nationalen Gliederungen arbeiten eigenständig und pflegen eine Kooperation von Gleichrangigen.
PAN Deutschland ist als gemeinnütziger Verein konstituiert und wurde 1984 ins Leben gerufen - nach einer Bundestagsanhörung zum Pestizidexport in die Dritte Welt. "Wichtiges Motiv war, dass Deutschland eine große Mitverantwortung für die weltweiten Auswirkungen der Pestizidexporte trägt: Deutsche Firmen zählen zu den Spitzenreitern des Exports", heißt es in einer PAN-Broschüre.
Seit den achtziger Jahren seien durchaus "positive Entwicklungen angestoßen" worden, resümiert die Organisation. Zum Beispiel sei das deutsche Pflanzenschutzgesetz verbessert worden, in einigen europäischen Ländern gebe es Pestizidreduktionsprogramme, Pestizidexporte seien nicht mehr bedenkenlos möglich und Entwicklungshilfe-Organisationen hätten begonnen, ihre Praxis beim Chemikalieneinsatz zu überdenken. Jedoch: Ein "grundlegender Politikwandel" - hin zu landwirtschaftlicher Produktion und Schädlingsbekämpfung auf umwelt- und sozialverträgliche Weise - ist nach Einschätzung von PAN noch nirgends erreicht.
Weitere Informationen:
Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.,
Nernstweg 32, 22765 Hamburg,
Tel. 040/39 91 91 00,
Fax 040/390 75 20,
e-mail: pan-germany@t-online.de
Internet: www.pan-germany.org
aus: der überblick 02/2000, Seite 114