Deutschlands erster Genozid
Die deutschen Kolonialtruppen unter von Trotha beendeten den Krieg gegen die Herero grausam, indem sie die Menschen in die Omaheke-Wüste trieben und die Wasserstellen besetzt hielten. Den guerillakrieg-führenden Nama war schwerer beizukommen. Die Gefangenen wurden interniert, deportiert und starben in Konzentrationslagern. Am 12. Januar jährte sich zum hundersten Mal der Beginn des deutschen Vernichtungskriegs in Namibia.
von Jürgen Zimmerer
Mit den Worten: “Wir sind uns unserer geschichtlichen Verantwortung in jeder Hinsicht bewusst, sind aber auch keine Geiseln der Geschichte”, lehnte Bundesaußenminister Joschka Fischer im Oktober 2003 in Windhoek eine offizielle Entschuldigung für den Völkermord an den Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen zwischen 1904 und 1908 ab. Gleichzeitig wollen die Vertreter der Herero weiterhin auf Wiedergutmachung gegen Deutschland klagen, sollte die Bundesrepublik nicht zu einer außergerichtlichen Einigung bereit sein.
100 Jahre nach dem Beginn des Krieges wird immer noch um die Interpretation und die Aufarbeitung einer kolonialen Vergangenheit gerungen, von der viele Deutsche kaum etwas wissen. Denn schließlich dauerte das deutsche Kolonialreich nur dreißig Jahre; eine im europäischen Vergleich derart kurze Zeitspanne, dass sich bei vielen der Eindruck aufdrängt, es sei nur eine unbedeutende Episode der deutschen Geschichte geblieben. Wo die koloniale Amnesie dennoch durchbrochen wird, herrscht oft noch das nostalgisch-idealisierende Bild eines romantischen Siedlerlebens oder einer technisch-zivilisatorischen Mission in Afrika vor.
In der Kolonie Deutsch-Südwestafrika sah die Realität aber ganz anders aus. Zwar wurden in der Tat Brunnen gegraben und Straßen gebaut, was als positive Infrastrukturmaßnahmen schon immer gerne zur Rechtfertigung kolonialen Engagements herangezogen wurde, allerdings auch Land vermessen und in Kataster eingetragen - ein bürokratisches Symbol der Aufteilung ehedem gemeinschaftlich genutzter Flächen in Privateigentum. Vor allem aber wurde der Arbeitszwang eingeführt und Massenmord verübt.
Insgesamt waren die Veränderungen innerhalb von nur dreißig Jahren deutscher Herrschaft gravierend. Mit der Ankunft von nur drei Beamten hatte die deutsche Präsenz im Mai 1885 begonnen. Im Jahr 1915, als Deutsch-Südwestafrika von südafrikanischen Truppen erobert wurde, lebten fast 15.000 Europäer, mehrheitlich Deutsche, im Land. Die Grundlagen für eine Siedlergesellschaft waren gelegt und der Großteil des afrikanischen Grundeigentums in den Besitz der Farmer, der Minen- und Bergwerksgesellschaften und des kolonialen Staates übergegangen. Die traditionelle Wirtschafts- und Sozialstruktur der indigenen Gesellschaften war weitgehend zerstört und die Ethnien im Süden und im Zentrum des Schutzgebietes aufgelöst. Die afrikanische Bevölkerung - zuvor freie, selbständig wirtschaftende Bewohnern ihres Landes - war zu besitzlosen, für ihr Überleben auf abhängige Arbeit angewiesene Untertanen des Deutschen Reiches geworden. Die Gründe für diesen raschen Wandel lagen zum einen in der deutschen Konzeption des kolonialen Staates als eine rassische Privilegiengesellschaft, in deren Zentrum bürokratische Kontrolle, umfassende Planung und ins Totalitäre gehende Überwachung standen, zum anderen im großen Kolonialkrieg von 1904 bis 1908, der als Katalysator dieser Veränderungen wirkte.
Wer in der Nacht vom 11. auf den 12. Januar 1904 in Okahandja, einer Stadt im Zentrum Namibias, den ersten Schuss abgab, ist in der Forschung umstritten. Provokationen deutscher Offiziere, insbesondere die Androhung von Gewalt gegenüber Samuel Maharero, dem obersten traditionellen Herrscher, stießen bei den Herero auf eine gesteigerte Bereitschaft zum Kampf - zumal sich im Hereroland die Folgen der deutschen Kolonialherrschaft immer stärker bemerkbar machten.
Der stetige Zuzug deutscher Siedler, Betrügereien deutscher Händler und insgesamt das ausgesprochene Herrenmenschentum, das einige der Weißen an den Tag legten, führten zu wachsenden Spannungen. Vor allem Vergewaltigungen von Herero-Frauen durch Kolonialisten, die von den traditionellen afrikanischen Eliten nicht mehr geahndet werden konnten, brachten die Bevölkerung nicht nur gegen die Deutschen auf, sondern untergruben zugleich die Stellung der afrikanischen Herrscher. Letztere konnten ihrer Pflicht zur Verteidigung ihrer Untertanen nicht nachkommen, da das koloniale Rechtssystem es afrikanischen Autoritäten nicht erlaubte, über Weiße zu richten, während deutsche Gerichte Verbrechen an Afrikanern und Afrikanerinnen kaum ahndeten.
Erschwerend kam 1896 der Ausbruch der Rinderpest im südlichen Afrika hinzu. Binnen relativ kurzer Zeit starben bis zu 95 Prozent der Herden. Ferner rafften sich rasch ausbreitende Epidemien die Menschen dahin. Sie forderten Tausende von Opfern und führten zum Zusammenbruch des die traditionellen Eliten stützenden Wirtschafts- und Patronagesystems. Mit der Erosion der sozialen und politischen Strukturen sank nicht nur die Fähigkeit, sich gegen die zunehmenden Übergriffe von Weißen zu verteidigen; durch die allgemeine Verarmung wurden Herero zudem erstmals gezwungen, ihre Arbeitskraft im größeren Stil an weiße Farmer und Unternehmer sowie an die Kolonialverwaltung zu verkaufen. Parallel zur Schwächung der Herero stiegen die Forderungen der Siedler nach Land, wurden Schulden rücksichtloser eingetrieben, traten die Weißen insgesamt unverschämter auf. Die Lage spitzte sich zu.
Der Krieg selbst begann mit einem militärischen Erfolg der Herero. Sie konnten die Deutschen aus weiten Teilen des Landes vertreiben und töteten auf entlegenen Farmen mehr als 100 Siedler, schonten dabei entgegen der zeitgenössischen Gräuelpropaganda jedoch ausdrücklich Frauen, Kinder und Missionare. Nur die festen Ortschaften konnten von den Deutschen verteidigt werden, ehe sich das militärische Blatt durch zunehmende Verstärkung aus dem Deutschen Reich wendete. Rücksichtslos setzte die Schutztruppe auf Vergeltung, trieb durch von ihr verübte Massaker selbst noch unbeteiligte Hererogruppen zum Kriegseintritt. Von Rachegefühlen geprägte Prophezeiungen, man werde unter den Herero “aufräumen, aufhängen, niederknallen bis auf den letzten Mann, kein Pardon” geben, wurden so laut, dass der langjährige Gouverneur Leutwein vor “unüberlegten Stimmen” warnte, “welche die Hereros nunmehr vollständig vernichtet sehen wollen”. Aber ein Volk von 60.000 bis 70.000 Menschen lasse sich “nicht so leicht vernichten”, zudem brauche man die afrikanischen Arbeitskräfte.
Allerdings hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr das Sagen, da mittlerweile der Große Generalstab in Berlin die Führung des Feldzuges übernommen hatte. Darin und in der Entscheidung, Generalleutnant Lothar von Trotha als lokalen Kommandeur zu entsenden, liegt eine entscheidende Weichenstellung auf dem Weg zum Völkermord. Von Trotha sah den Konflikt als Teil eines grundsätzlichen “Rassenkrieges”, in dem es gälte, “die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut” zu vernichten.
Spätestens seit Sommer 1904, nach der so genannten Schlacht am Waterberg, führte die Schutztruppe unter seinem Kommando einen genozidalen Vernichtungskrieg gegen die Herero, ermordete bei ihren Verfolgungsritten Frauen und Kinder, Junge und Greise. Schon dabei müssen sich entsetzliche Szenen abgespielt haben: “Kranke und hilflose Männer, Weiber und Kinder, die vor Erschöpfung zusammengebrochen waren, lagen, vor Durst schmachtend, in Massen … im Busch, willenlos und ihr Schicksal erwartend”, berichteten Schutztruppensoldaten. Wo die nachfolgenden deutschen Einheiten auf Herero trafen, kam es zu willkürlichen Erschießungen, wie Hauptmann Bayer schrieb: “Hin und wieder fiel rechts und links ein Schuss im Dornbusch, wenn unsere Patrouillen auf Nachzügler stießen.”
Deutsche Soldaten besetzten anschließend systematisch die bekannten Wasserstellen entlang des Wüstensaums, und Anfang Oktober ordnete von Trotha in seiner berüchtigten Proklamation zudem an, alle aus der Omaheke-Wüste zurückkehrenden Herero zu erschießen: “Die Hereros sind nicht mehr deutsche Untertanen. Sie haben gemordet und gestohlen, haben verwundeten Soldaten Ohren und Nasen und anderer Körperteile abgeschnitten, und wollen jetzt aus Feigheit nicht mehr kämpfen. ... Das Volk der Herero muß jedoch das Land verlassen. Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr (große Kanone) dazu zwingen. Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen.”
Weiter präzisierte er, dass zur Wahrung des guten Rufes der deutschen Soldaten der Befehl zum “Schießen auf Weiber und Kinder so zu verstehen” sei, “daß über sie hinweggeschossen wird, um sie zum Laufen zu zwingen.” Er “nehme mit Bestimmtheit an, daß dieser Erlaß dazu führen” werde, “keine männlichen Gefangenen mehr zu machen, aber nicht zu Grausamkeit gegen Weiber und Kinder” ausarte. Diese würden “schon fortlaufen, wenn zweimal über sie hinweggeschossen” werde. Einziges Rückzugsgebiet war aber die Omaheke, wo als Folge dieses Befehls Tausende, wenn nicht Zehntausende, verdursteten.
Von Trothas Befehl wurde zwar im Dezember 1904 aufgehoben, da war der Völkermord jedoch bereits zum größten Teil geschehen. Vor allem taktische Gründe machten diesen Kurswechsel nun nötig, inhaltlich teilten maßgebliche Kreise zumindest der deutschen Militärführung das Vorgehen von Trothas, wie der folgende Brief des deutschen Generalstabschefs von Schlieffen an Reichskanzler von Bülow beweist: “Daß er (von Trotha) die ganze Nation vernichten oder aus dem Land treiben will, darin kann man ihm beistimmen. … Der entbrannte Rassenkampf ist nur durch die Vernichtung oder vollständige Knechtung der einen Partei abzuschließen. ... Die Absicht des Generals v. Trotha kann daher gebilligt werden. Er hat nur nicht die Macht, sie durchzuführen.”
Vor allem brauchte man die Truppen inzwischen im Süden des Landes, wo die Nama den Kampf gegen die Schutztruppe aufgenommen hatten, die noch bis zur Schlacht am Waterberg die deutsche Schutztruppe mit einem Hilfskontingent unterstützt hatten. Sie fürchteten nun, dass man nach dem Sieg gegen die Herero auch sie entwaffnen würde, wie sie als Siedlerforderung in den deutschen Zeitungen lesen konnten. Im Unterschied zu den Herero führten sie jedoch einen Guerillakrieg, der die deutsche Armee an den Rand einer militärischen Niederlage brachte.
Wiederum blockierte die deutsche Armee Wasserstellen und zerstörte systematisch die Nahrungsgrundlagen der afrikanischen Bevölkerung. Vor allem aber setzte sie auf Massendeportation der Bevölkerung, um so den Kämpfern den Rückhalt bei ihren Leuten zu nehmen. Diese Massendeportationen weisen bereits auf die dritte Phase des Genozids, die Inhaftierung der überlebenden Herero und Nama in Konzentrationslagern, so der zeitgenössische Ausdruck.
Eingerichtet unmittelbar nach der Aufhebung des Schießbefehls des Generals von Trotha, fungierten sie als Internierungslager nicht nur für Kombattanten, sondern auch für Frauen, Greise und Kinder. Bereits darin zeichnet sich ein Unterschied zu Kriegsgefangenenlagern europäischen Typs ab. Wer arbeitsfähig war, musste entweder für die Schutztruppe oder die Verwaltung Zwangsarbeit leisten. Privatpersonen konnten sich Arbeitskräfte abholen, größere Unternehmen richteten eigene Camps ein.
Zugleich hoffte man die Gefangenen, indem man sie in den Lagern “zur Arbeit erzog”, disziplinieren und auf ihre neue “Rolle” als Arbeitskräfte in der Nachkriegszeit vorbereiten zu können. So schrieb der Nachfolger Leutweins als Zivilgouverneur, von Lindequist: “Die Heranziehung der Hereros zur Arbeit während der Kriegsgefangenschaft ist für dieselben sehr heilsam, ja es ist geradezu ein Glück für sie, daß sie, bevor ihnen die volle Freiheit zurückgegeben wird, arbeiten lernen, da sie sonst sich voraussichtlich weiter arbeitsscheu im Lande herumtreiben und, nachdem sie ihren ganzen Rinderbestand verloren haben, ein elendes Leben fristen würden.”
Es gab deutscherseits aber auch den Gedanken der Vergeltung: “Je mehr das Hererovolk am eigenen Leibe nunmehr erst die Folgen des Aufstandes empfindet, desto weniger wird ihm auf Generationen hinaus nach einer Wiederholung des Aufstandes gelüsten. Unsere eigentlichen kriegerischen Erfolge haben geringeren Eindruck auf sie gemacht. Nachhaltigere Wirkung verspreche ich mir von der Leidenszeit, die sie jetzt durchmachen, ohne mit dieser Meinungsäußerung übrigens eine Lanze für die Proklamation des Generalleutnants v. Trotha v. 2. Oktober vorigen Jahres brechen zu wollen. Wirtschaftlich bedeutet der Tod so vieler Menschen allerdings einen Verlust.”
Was der stellvertretende Gouverneur Tecklenburg hier über das Lager in Swakopmund sagte, galt auch für das Lager auf der Haifischinsel vor der Lüderitzbucht. Dort waren die Bedingungen noch schlimmer, und es kam zu einer bewussten Politik der Ermordung durch Vernachlässigung. Kritik an den Internierungsbedingungen äußerten vor allem Geistliche. Auf die Bitte zweier Missionare, die Gefangenen von der Haifischinsel zu bringen, antwortete der für den südlichen Bereich des Schutzgebietes zuständige Oberst von Deimling jedoch, dass, solange er, (Deimling) etwas zu sagen hätte, “kein Hottentott die Haifischinsel lebend verlassen” dürfe. Auf der Haifischinsel starben binnen eines halben Jahres von 1795 Gefangenen 1032. Insgesamt kamen in Gefangenschaft 30 bis 50 Prozent der Internierten ums Leben. Verlässliche Zahlen für die in Gefechten und auf der Flucht Getöteten und für die Verhungerten und Verdursteten liegen nicht vor, sie gehen aber in die Zehntausende.
Zwar wurde das Ende der Krieges bereits am 31. März 1907 erklärt, jedoch wurde die Kriegsgefangenschaft erst am 27. Januar 1908, an “Kaisers Geburtstag”, aufgehoben und die letzten Herero und Nama entlassen. Die Entlassenen blieben auch danach einer straffen Kontrolle unterworfen. Denn mittlerweile war mit den drei so genannten Eingeborenenverordnungen von 1907 der Grundstock für ein deutsches “Eingeborenenrecht” geschaffen worden, das die rassische Privilegiengesellschaft festschrieb. Alle Afrikaner mussten Passmarken tragen und wurden in “Eingeborenenregister” eingetragen, ihre Freizügigkeit wurde aufgehoben. Es herrschte Arbeitszwang, und mehr als zehn Familien durften nicht zusammen wohnen.
Die Herero und Nama überlebten den Völkermord, es gelang ihnen, sich neu zu organisieren, alte Traditionen wieder zu beleben, neue zu integrieren. Wenn heute am Herero-Tag im August in Okahandja immer noch Herero in Uniformen paradieren, die an deutsche erinnern, so ist dies nicht Ausdruck einer besonderen Zuneigung zu den Deutschen, wie oft zu hören ist, sondern Resultat der Neuerfindung der Herero-Nation: Vor allem kriegsgefangene Kinder taten in der letzten Dekade vor dem Ersten Weltkrieg als Offiziersburschen, so genannten Truppenbambusen, Dienst in der deutschen Armee und übernahmen deren Organisation für ihr geheimes Unterstützungsnetzwerk.
Das Überleben von Herero und Nama ist auch kein Beweis gegen das Vorliegen eines Genozids. Wissenschaftliche Definitionen wie auch das Völkerrecht stimmen darin überein, dass, nicht die Vollendung den Tatbestand Genozid konstituiert, sondern der Beginn einer Tat, “die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören”, so die UN-Völkermordkonvention von 1948. Zu den genozidalen Akten, die aufgeführt werden, gehören die “Tötung von Mitgliedern der Gruppe” und die “Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe” ebenso wie das “vorsätzliches Auferlegen von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen”.
Letzteres trifft zu, weil die Herero in die Wüste getrieben und weil die Lebensgrundlagen der Nama im Anti-Partisanenkampf zerstört wurden. Die Vernichtung durch Vernachlässigung auf der Haifischinsel fällt ebenfalls darunter, da die Gefangenen nur deshalb interniert waren, weil sie Herero oder Nama waren. Dies macht die Ereignisse in Deutsch-Südwestafrika zum ersten von Deutschland begangenen Genozid und in der Geschichte des 20. Jahrhunderts - und zu einem Menetekel für das, was noch kommen sollte.
Der oft zu hörende Einwand, die UN-Völkerrechtskonvention habe zu dem Zeitpunkt des Krieges noch nicht gegolten, deshalb habe es auch den Tatbestand Genozid noch nicht gegeben, geht dagegen in die Irre, da es nicht um eine juristisch bindende Verurteilung geht, sondern die Konvention im Sinne einer historischen Analysekategorie verwendet wird, die weltweit anerkannt ist. Schließlich käme auch niemand auf den Gedanken, dass der Holocaust kein Völkermord war, nur weil die Konvention noch nicht existierte.
aus: der überblick 01/2004, Seite 83
AUTOR(EN):
Jürgen Zimmerer:
Dr. Jürgen Zimmerer ist Historiker am "Centro de Estudos Interdisciplinares do Século XX" der Universität Coimbra, Portugal. Er forscht unter anderem zur deutschen Kolonialgeschichte, zur Vergleichenden Historischen Genozidforschung und zur transnationalen Geschichte Europas im 20. Jahrhundert.