Nach der Flut: "Brot für die Welt" ermöglicht zweckgebundene Spenden
Nach den Zerstörungen infolge des Seebebens in Asien haben Hilfswerke eine Flut von Spenden erhalten. Um langfristig helfen zu können, wirbt "Brot für die Welt" erstmals um zweckgebundene Spenden, erklärt Yvonne Ayoub. Sie leitet die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Werbung von "Brot für die Welt", der Diakonie Katastrophenhilfe und "Hoffnung für Osteuropa".
Gespräch mit Yvonne Ayoub, Leiterin der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit von "Brot für die Welt".
Die Fragen stellte Bernd Ludermann
Die Diakonie Katastrophenhilfe hat inzwischen aufgerufen, für die Flutopfer nicht mehr an sie zu spenden, sondern die Aufbauhilfe von "Brot für die Welt" zu unterstützen. Der Bedarf an Nothilfe ist gedeckt?
Richtig, zumal wir davon ausgehen können, dass immer noch Spenden eingehen werden. Jetzt ist es wichtig, für die langfristige Entwicklungszusammenarbeit in vom Tsunami betroffenen Ländern Geld zu geben, besonders für die armen Bevölkerungsgruppen. Deshalb bitten wir um Spenden für "Brot für die Welt". Oberste Priorität muss ja sein, das Geld sinnvoll und im Sinne der Bedürftigen einzusetzen. Wir wollen keine Wiederaufbaumaßnahmen durchführen, die nur dazu dienen, Spendengeld "unterzubringen".
Bietet "Brot für die Welt" damit zum ersten Mal die Möglichkeit zu Spenden, die an einzelne Länder oder Projekte gebunden sind?
Ja. Wir haben mehrere Spenden-Stichwörter eingerichtet, zum Beispiel "Hilfe für Indien". Aus Spenden unter diesem Stichwort werden Projekte in Indien bedacht - solche, die etwas mit der Flut zu tun haben, aber auch andere.
Diese Spenden gehen nicht unbedingt an Flutopfer?
Es handelt sich um Projekte, die unsere Projektpartner im Zusammenhang mit der Flut zusätzlich beantragt haben, zum Beispiel wenn zerstörte Fischerboote ersetzt werden müssen. Aber wir wollen natürlich nach wie vor Projekte zur Armutsbekämpfung oder die Menschenrechtsarbeit fördern. Das geht über die akute Notlage hinaus. Nothilfe ist ja nicht das eigentliche Arbeitsgebiet von "Brot für die Welt. Uns geht es darum, ohnehin Benachteiligte, die von der Flut besonders getroffen wurden, dabei zu unterstützen, dass sie von ihrer Regierung Hilfe einfordern und beispielsweise ihre Land- oder Fischereirechte nach der Wiederaufbauphase durchsetzen.
Das Verfahren ist aber schon eine Abkehr von der Linie, dass "Brot für die Welt keine zweckgebundenen Spenden einwirbt, oder?
Wir haben in der Tat zum ersten Mal zur Bespendung sogenannter Projektbündel für die von der Flut betroffenen Länder aufgerufen. Das Bedürfnis von Spenderinnen und Spendern danach ist so groß, dass wir uns dem nicht verschließen können und wollen.
Das heißt Spenden für Länder, nicht für einzelne Projekte?
Wir bieten zum Einen an, ländergebunden zu spenden, also für Indien, Indonesien, Sri Lanka, Bangladesch sowie Somalia, das ja in geringerem Maß auch betroffen ist. Da sorgen wir dafür, dass das Geld angemessen auf einzelne Projekte verteilt wird. Zum anderen geben wir zum Beispiel Kommunen oder Unternehmen die Möglichkeit, Projekt-Patenschaften einzugehen.
Greifen Sie damit die Initiative der Bundesregierung auf?
In gewissem Sinne. Der Bundeskanzler ruft allerdings zu Partnerschaften auf. Dazu gehören rege Kontakte zwischen Kommune X in Indien und Kommune Y in Deutschland, mit Besuchen und so weiter. Das können und wollen wir nicht leisten. Wir bieten aber Kommunen, die sich an uns wenden, an, dass wir beispielsweise ein Projekt im Bereich Dorf- oder Slum-Entwicklung aussuchen, für das die Kommune dann 50.000 Euro oder mehr spenden kann. Dabei handelt es sich oft um Projekte, für die unsere Partner uns jetzt um Unterstützung gebeten haben wie im Fall der zerstörten Fischerboote. Wir unterstützen mit dem Geld aber zum Beispiel auch die Arbeit einer Frauenkooperative.
Kommen tatsächlich seit dem Aufruf des Bundeskanzlers Kommunen auf Sie zu und bitten um Hilfe beim Helfen?
Natürlich - nicht nur Kommunen, sondern auch Schulen und Unternehmen. Wir haben eine solche Menge von Anfragen bekommen, dass wir eigens Leute für die Bearbeitung abstellen mussten. Und das ist nicht nur bei uns so, sondern bei ganz vielen Hilfswerken.
Was passiert, wenn aufgrund dieser großen Hilfsbereitschaft für ein Land oder ein Projekt mehr Geld hereinkommt, als gebraucht wird?
Wenn bei einem bestimmten Projekt der Bedarf gedeckt ist, nehmen wir kein Geld mehr an. Wir werden dann mit dem Spender in Kontakt treten und sagen, entweder spendest du für etwas anderes oder wir geben das Geld zurück. Sollten wir für ein bestimmtes Land mehr erhalten als nötig, dann kommt das Geld den Projekten in anderen vom Tsunami betroffenen Ländern zugute. Das wird den Spenderinnen und Spendern auch vorher mitgeteilt.
"Brot für die Welt hat gerade das Bündnis "Entwicklung hilft mit gegründet. Soll damit die Spendenbereitschaft für die Opfer des Tsunami von Katastrophenhilfe auf den längerfristigen Wiederaufbau umgeleitet werden?
Das Bündnis ist nicht anlässlich der Flutkatastrophe gegründet worden. Die fünf beteiligten Hilfswerke waren darüber schon seit längerem in Gesprächen. Aber wir haben natürlich die Aufmerksamkeit nach dem Tsunami genutzt, gerade jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen mit der Botschaft: Es ist wichtig, Geld für langfristige Hilfe zur Verfügung zu haben. Der Ansatz von Entwicklung hilft ist , dem Trend entgegenzuwirken, Hilfe nur noch auf akute und spektakulär erscheinende Katastrophen auszurichten. Das Bündnis möchte dazu beitragen, die Ursachen von Not und Konflikten zu bekämpfen. Darüber hinaus haben wir uns zwei gemeinsame Projekte vorgenommen. Das eine ist, die entwicklungspolitische Berichterstattung zu fördern. Das andere ist, Lobby- und Advocacy-Arbeit zu bestimmten Themen der Entwicklungszusammenarbeit zu leisten. Damit unterscheiden wir uns von den beiden anderen Bündnissen, bei denen es nur um die Not- und Wiederaufbauhilfe geht.
Die Förderung der Berichterstattung hat zum Ziel, dass diese sich nicht auf Katastrophen fixiert?
Ja. Wir wollen dem Trend entgegenwirken, dass die langfristige, kontinuierliche Berichterstattung immer mehr zugunsten von Katastrophenberichten zurückgeht. Wir überlegen zum Beispiel, einen Fonds zu gründen, um Journalisten zu bestimmten Themen auf Recherchereise zu schicken.
Das Bündnis hat ein gemeinsames Konto. Wie werden die eingehenden Spenden auf die fünf Mitglieder verteilt?
Das kommt darauf an, ob alle Organisationen in den entsprechenden Ländern tätig sind. Jetzt in Asien ist das der Fall. Dann wird die Summe durch fünf geteilt. Für andere Fälle gibt es einen komplizierteren Schlüssel, der berücksichtigt, wenn zum Beispiel eine Organisation nicht im betroffenen Gebiet arbeitet und eine andere sehr intensiv.
Die Diakonie Katastrophenhilfe ist Mitglied im "Aktionsbündnis Katastrophenhilfe". Warum hat das kein gemeinsames Konto?
Ein Grund ist, dass die beteiligten Werke große Marken sind. Das Bündnis soll nur bei großen Katastrophen auftreten, und zwar mit der Spendenhotline, deren Nummer im Fernsehen genannt wird, oder einer Fernsehgala; daneben arbeiten die Werke getrennt. Ein weiterer Grund ist, dass jeder Spender wissen soll, wem er das Geld gibt. Wer bei der Hotline anruft, kann entscheiden, ob er oder sie an Unicef, Caritas, die Diakonie Katastrophenhilfe oder das Rote Kreuz spendet.
Die ARD sähe gern eine gemeinsame Kontonummer...
Die ARD möchte, dass es eine einzige Kontonummer für alle Hilfswerke dieser Republik gibt. Aber es gibt unterschiedliche Auffassungen unter den Hilfswerken, und vor allem arbeiten sie unterschiedlich. Wir wollen das nicht alles in einen Topf werfen.
Hilfe im VerbundIn der Nothilfe haben sich zwei Verbände von Hilfswerken gebildet. Der eine ist das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe; dazu gehören die Diakonie Katastrophenhilfe, Caritas, das Deutsche Rote Kreuz und Unicef. Es unterhält eine gemeinsame Spenden-Hotline, aber kein gemeinsames Konto. Die Aktion Deutschland hilft hat dagegen ein Konto. Zu ihr haben sich zehn Organisationen zusammengetan, die im Bereich Nothilfe eine kleinere oder mittelgroße Rolle spielen, darunter der Arbeiter-Samariter-Bund, Care Deutschland, die Johanniter Unfallhilfe und World Vision Deutschland. Ein drittes Bündnis Gemeinsam für Menschen in Not - Entwicklung hilft stellt nicht Nothilfe, sondern Wiederaufbau und langfristige Hilfe in den Mittelpunkt. Es besteht aus Brot für die Welt, Misereor, der Deutschen Welthungerhilfe, medico international und terre des hommes. : bl |
aus: der überblick 01/2005, Seite 114