Gespräch mit Albert Petersen, dem Leiter der DIFÄM-Arzneimittelhilfe
Wird heute noch Medikamentenhilfe benötigt oder können die Gesundheitseinrichtungen in der Dritten Welt vor Ort ihren Bedarf decken?Es gibt Regionen der Welt wie Ostafrika, wo sich die Privatindustrie sehr etabliert hat und man Medikamente lokal beschaffen kann. In Ländern wie Kenia und Uganda bestehen kirchliche Zentralapotheken. In anderen Ländern sieht es sehr viel schlechter aus, erst recht, wenn eine Katastrophe oder ein Krieg ausbrechen. Dann fehlen häufig wichtige Medikamente. Man muß also jeweils entscheiden, ob es sinnvoll ist, von Deutschland aus Medikamente zu schicken oder lokal einzukaufen.
Ist es unter diesen Umständen noch sinnvoll, Medikamente zu sammeln und in die Dritte Welt zu senden?
Man hat im Laufe der Jahre festgestellt, daß es keinen Sinn macht, viele Einzelpackungen zu verschicken. Diese haben Beipackzettel auf Deutsch, sind zum Teil in Übersee oder Osteuropa gar nicht bekannt und zudem häufig verfallen. Alle Hilfsorganisationen haben inzwischen das Sammeln von Medikamenten aufgegeben. Als bessere Alternative gibt es sehr wirksame Basismedikamente zu günstigen Preisen einzukaufen.
In welchem Umfang orientiert sich die Pharmaindustrie bei ihren Medikamentenspenden an solchen Erkenntnissen?
Es wurden vor drei Jahren "Leitlinien für Arzneispenden" veröffentlicht, die mittlerweile von 15 großen Hilfsorganisationen unterschrieben worden sind. Wir haben in Deutschland die Federführung dafür, diese 12 Thesen für sinnvolle Arzneispenden bekannt zu machen, und haben auch mit der pharmazeutischen Industrie Kontakt aufgenommen, um sie dafür zu gewinnen, sich bei Arzneispenden daran zu orientieren. Inzwischen hat der Pharmaverband Checklisten erarbeitet, die den Mitgliedsfirmen helfen, im Gespräch mit Hilfsorganisationen, die Spenden erbitten, verschiedene Fragen zu klären, etwa das Vorliegen einer Bedarfsliste aus dem Land selbst.
Eines der Ziele des DIFÄM ist es, daß Medikamente vor Ort produziert werden können. Was geschieht auf diesem Gebiet konkret?
Die DIFÄM-Arzneimittelhilfe unterstützt viele Missionskrankenhäuser dabei, Säfte, Salben und ähnliches herzustellen. Dies bedarf einer Anleitung und manchmal ist es notwendig, Rührschüsseln, Waagen oder einige Rohstoffe zu schicken. Wir bereiten gerade eine Broschüre vor, in der Anleitungen gegeben werden, in der aber auch Warnungen ausgesprochen werden, daß bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um die notwendige Qualität zu gewährleisten. Unsere katholische Schwesterorganisation in Würzburg hat sich darauf spezialisiert, Krankenhäuser bei der Herstellung eigener Infusionslösungen zu unterstützen. Allein in Tansania stellen inzwischen 50 Krankenhäuser ihre eigenen Infusionen her.
Gemeinsam mit dem Referat Katastrophenhilfe des Diakonischen Werkes der EKD helfen wir seit drei Jahren mit, daß in Nordkorea Medikamente hergestellt werden können, in diesem Jahr über 200 Millionen Tabletten. Wir haben die Rohstoffe und einen Teil der Laborgeräte geliefert. Wir organisieren gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation WHO Schulungen, um zu ermöglichen, daß die Medikamente in einer Qualität produziert werden, die dem internationalen Standard entsprechen.
Die Christliche Medizinische Kommission des Ökumenischen Rates der Kirchen und das DIFÄM haben gemeinsam mit anderen vor Jahren damit begonnen, Listen von Basismedikamenten zusammenzustellen, um die Partner in Übersee bei der Beschaffung von Medikamenten zu beraten. Diese Idee ist von der WHO aufgegriffen worden. Inwieweit orientieren sich heute die Krankenhäuser und staatlichen Gesundheitsbehörden an solchen Listen?
Die Liste der unentbehrlichen Medikamente ist vor 22 Jahren entwickelt worden und wird seither alle zwei bis drei Jahre aktualisiert. Alle großen Hilfsorganisationen richten sich nach dieser Liste. In 140 Ländern haben die Gesundheitsbehörden mit Unterstützung der WHO nationale Medikamentenlisten entwickelt, die lokale Gegebenheiten berücksichtigen, zum Beispiel die Verbreitung von Malaria.
In den staatlichen Krankenhäusern und bei staatlichen Hilfsmaßnahmen dienen die Listen als Grundlage für die Medikamentenauswahl. Auf dem privaten Medikamentenmarkt werden aber zahlreiche Medikamente angeboten, die nicht den nationalen Medikamentenlisten entsprechen. Man findet selbst offiziell verbotene Medikamente auf den Märkten oder in kleinen Geschäften. Auf diesem Gebiet sind stärkere staatliche Kontrollen erforderlich.
Zum Weiterlesen:
AIDS und die Kirchen, Eine Studie des Ökumenischen Rates der Kirchen, mit einer Einführung von Christoph Benn, Verlag Otto Lembeck, Frankfurt am Main 1997, 139 Seiten
AIDS und die Kirchen, Themenheft von Brot für die Welt und Lutherischem Weltbund, 48 Seiten, Bezug: Brot für die Welt, Stafflenbergstraße 76, 70184 Stuttgart (mit einem ausführlichen Beitrag von Dr. Christoph Benn)
Leitlinien für Arzneimittelspenden (eine Arbeitshilfe auch für Fachkräfte in der Dritten Welt, die solche Spenden erhalten),
Bezug: DIFÄM
Weitere Informationen sind erhältlich beim:
Deutschen Institut für Ärztliche Mission, Paul-Lechler-Straße 24, 72076 Tübingen,
Fax: 07071-206510
aus: der überblick 04/1999, Seite 113