Haarspaltereien
Viele gläubige Hindus in Indien lassen sich mehrmals im Leben den Kopf kahlrasieren. Das geopferte Haar ist Grundlage für Perücken - und für ein Millionengeschäft. Dies hat bei Religionsführern der jüdisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft eine hitzige Debatte ausgelöst. Sie verbieten Perücken mit indischem Haar, weil es bei einem Ritual gewonnen wurde, das ihrer Ansicht nach einer Götzenverehrung gleicht. Andere kritisieren, dass die Hindutempel einträgliche Geschäfte mit dem Haar machten, während die zumeist armen Spender leer ausgingen. Können Religion und Politik das Geschäft mit schönem Haar bremsen?
von Tirthankar Ghosh
Zweimal im Jahr reist Dr. Dhan Prakash Rastogi, ein Arzt aus Nordindien, zu dem bekanntesten Schrein des Landes in Tirupati im Bundesstaat Andhra Pradesh. Rastogi besucht dort keine Patienten, sondern betet zu Vishnu, der Tempelgottheit. Jedes Mal, wenn er sich auf den Weg macht, geht er, “weil der Herr mich ruft”, wie er sich ausdrückt und spendet einige Rupien als Opfergabe. Etwa 50.000 Pilger besuchen den Tempel täglich, spenden Geld wie Rastogi oder bedanken sich mit Gold- und Diamantenschmuck bei Vishnu für seine Gunst. Andere lenken ihre Schritte zum Kalyankatta, dem Haarschneidezentrum, um der Gottheit ihr Haar zu opfern. Früher haben auch der Arzt, sein Sohn, seine Schwiegertochter und viele seiner Verwandten regelmäßig ihr Haar geopfert. Heute begnügen sie sich damit, Geld zu geben.
Den Tempel von Tirupati suchen Hindu-Gläubige aus der ganzen Welt auf, doch die Mehrheit der Besucher kommt aus den vier südlichen Bundesstaaten Indiens, aus Andhra Pradesh, Tamil Nadu, Kerala und Karnataka. In Nordindien kennt man die Tradition des Haaropfers nicht, und Rastogi gehört zu den wenigen Gläubigen, die aus dieser Region stammen und dennoch ihr Haar gaben.
Das Bargeld und den Erlös aus den Spenden von Gold und Schmuck verwendet die Tempelverwaltung für den laufenden Betrieb. Und die Tirumala Tirupati Devasthanam-Stiftung ist kein Kleinbetrieb. Immerhin gilt es, die 14.000 Beschäftigten der Stiftung zu entlohnen, sechs Krankenhäuser zu unterhalten, ein Rehabilitationszentrum für Leprakranke, 29 Colleges und Schulen sowie Dutzende von Wohlfahrtsprogrammen zu finanzieren. Auch der Erlös, den die Haare einbringen, fließt in diese Einrichtungen. Das Haar wird versteigert, der Meistbietende erhält den Zuschlag. Bei 20 Millionen Besuchern jährlich, die sich den Kopf rasieren lassen, kommt eine Menge zusammen. Der Marketingmanager von Tirumala Tirupati Devasthanam, Surendra Babu, berichtet stolz, dass Haar aus Tirupati bei der Versteigerung im vergangenen Geschäftsjahr 2003-2004 ein Rekordergebnis eingebracht hat.
Auch wenn Indien von der Menge her betrachtet in seinen Zulieferungen zum internationalen Haarmarkt weit hinter China zurückliegt, ist das in seiner Struktur feinere Haar indischer Frauen eine hochgeschätzte Ware und erzielt die höheren Preise. Sorgfältig und regelmäßig kämmen indische Frauen ihr pechschwarzes Haar, nähren es mit Kokosöl, und nie färben sie es oder lassen sich Dauerwellen machen. So bleibt es gesund und wird nicht brüchig. Das sind genau die Qualitäten, die Händler und Perückenhersteller an indischem Haar schätzen. Der Wert der indischen Haarexporte betrug im vergangenen Jahr 77,4 Millionen US-Dollar, schreibt die Economic Times vom 18. September 2004. Allein bis Juli 2004 gingen 2 Tonnen indisches Haar im Wert von 259.000 US-Dollar in die Vereinigten Staaten von Amerika. Langes Haar aus Tirupati kann bis zu 165 US-Dollar pro Kilogramm kosten, während man für die kürzere Sorte etwa 100 US-Dollar pro Kilogramm zahlen muss.
Das eigene, wie ein Schatz gehütete Haar abzuschneiden und zu opfern geschieht aus dem Glauben heraus. Für Hollywood-Stars und Frauen, die sich gern mit fremden Federn schmücken, erwacht das Haar in Form von Perücken zu neuem Leben - als Modeartikel. Für andere hingegen ist das kleidsame Accessoire zum Politikum geraten und Kern einer Auseinandersetzung über Kontinente hinweg.
Im Mai dieses Jahres sorgte es für helle Aufregung unter orthodoxen Juden - vor allem den Frauen. Die Regeln besagen nämlich, dass verheiratete Frauen ihr Haar in der Öffentlichkeit nicht zeigen dürfen. Aus diesem Grund tragen sie Perücken - und zwar aus Echthaar, weil diese angenehmer zu tragen sind als aus synthetischem Haar hergestellte. Nun aber war dem Rabbi Yosef Shalom Elyashiv in Israel, einflussreiche Autorität in der Ultra-Orthodoxen Welt, zu Ohren gekommen, dass Perückenmacher auf indisches Haar zurückgreifen, das im Zusammenhang mit Tempelopfern gesammelt wurde - möglicherweise jedenfalls. Fiel das Haar in einer religiösen Hindu-Zeremonie an, die in der orthodoxen Lehre als Götzenanbetung gelten würde? Klassisches jüdisches Denken verbietet die Verwendung von allem, was “im Dienste Baals” steht. Wegen der Verwendung von Statuen, Malereien und anderer Bilder gilt die hinduistische Praxis dem jüdischen Gesetz nach als Götzenverehrung. Mit anderen Worten, es ist den orthodoxen Juden nicht erlaubt, irgendeinen Gegenstand zu verwenden oder von ihm zu profitieren, der ihrer Ansicht nach einem Götzenbild dargebracht oder geopfert wurde.
Einem Bericht der New York Times vom 14. Mai 2004 zufolge, sprach Rabbi Elyashiv in Israel einen Bann aus. Die dortige Zeitung Ha’aretz berichtete daraufhin, dass Gläubige Listen mit Läden zirkulieren ließen, die derartige Perücken verkauften. Einige verbrannten ihre eigenen Perücken auf einer Art Scheiterhaufen. Andere aber trugen erst einmal gar keine Perücke und warteten ab, was ihre Rabbis dazu sagen würden.
Was die internationale Presse beschäftigte, war die Tatsache, dass diejenigen, die sich das Haar scheren lassen, leer ausgehen, während der Tirupati-Tempel das Geld aus dem Geschäft einheimst. Tatsächlich wissen nur wenige der ländlichen Besucher des Tempels, dass ihr Haar verkauft wird. Aber es würde ihnen auch nichts ausmachen, schließlich bringen sie das Haar der Gottheit als Dankesgabe dar. Für einen Hindu ist es üblich, sich den Kopf mindestens dreimal im Leben kahl rasieren zu lassen: zum ersten Mal nach der Geburt, das zweite und dritte Mal nach dem Tod der Eltern.
Der Frisör ist nur mit einem karierten Tuch um seine Hüften bekleidet. Er gehört zu den insgesamt etwa 600 Beschäftigten seines Berufes im Tempel, deren Aufgabe es ist, die Männer und Frauen kahl zu scheren. Der Raum, in dem er arbeitet, ist Teil des riesigen Tempelkomplexes und liegt am Fuße des Hügels, auf dem ganz oben der Tirupati-Tempel steht. Hier unten bittet der Frisör die Gläubigen, sich vor ihn zu setzen und das Haar zu lösen. Die fromme Frau verharrt im Schneidersitz, nicht auf dem nackten Boden, sondern ein paar Zentimeter erhöht auf einem Hocker. Mit geübter Hand beginnt er sein Werk: Mit dem Rasiermesser arbeitet er sich zunächst auf einer Seite des Kopfes vom Nacken ausgehend bis zur Stirn vor. Dann nimmt er das Haarbüschel, knotet es zusammen und legt es zur Seite. Nun kommt die andere Seite des Kopfes an die Reihe. Innerhalb von ein paar Minuten ist der Kopf der Frau kahl. Beschäftigte des Tempels gehen in dem kleinen Raum umher, um das abrasierte Haar in Plastikbehältern einzusammeln. Säuberlich getrennt das Männerhaar in den einen Behälter, das Frauenhaar in den anderen. Das ist für Verkauf und Weiterverarbeitung wichtig. Die unterschiedlichen Qualitäten sollen nicht durcheinandergeraten, denn sortiert erzielen sie höhere Preise.
In einem Land, in dem man sonst Frauen mit üppigem, hüftlangen Haar sieht, ist der Anblick kahler Köpfe zunächst erschreckend. Zwar liegt der Ursprung des Schädelrasierens im Dunkeln. Die Priester des Tempels wissen nicht, weshalb es heißt, Venkateswara, die vierarmige Inkarnation Vishnus, verlange Opfergaben von Haar. Doch eines der wichtigsten Attribute weiblicher Schönheit zu opfern ist ein alter Brauch.
Der Manager des Tempels, P. Krishnaiah, erklärt, der freiwillige Akt des Schädelscherens bedeute die Übergabe des Ichs an die Gottheit. Aus spiritueller Sicht sei es ein wundervoller Akt, sich von weltlicher Schönheit frei zu machen. Mit dem Glauben, der Berge versetzt, strömen Männer und Frauen zu Venkateswara, der nicht nur Schutz gewährt, sondern auch Wünsche erfüllt. Dafür erwartet er, sagt man, dass die Gläubigen ihm darbieten, was sie können, und für so manche Frau ist alles, was sie geben kann, ihr Haar. Verheiratete Frauen ebenso wie unverheiratete junge Mädchen unterziehen sich diesem Ritual.
Die Haarindustrie ist keine Nebenbeschäftigung mit einem netten Zubrot, sondern ein boomendes Geschäft. Jedes Jahr werden Tonnen von Haar zwischen den Köpfen auf verschiedenen Kontinenten ausgetauscht. Dafür sorgt ein Netzwerk von Haarhändlern, Zulieferern und Herstellern. Jede Art von Haar wird anhand der Herkunft in eine Qualitätskategorie eingeordnet und genießt entweder den Status einer Omega-Armbanduhr oder eines chinesischen Billigfabrikats. Haar- und Perückenexperten versichern, dass europäisches Haar für das Beste gehalten wird. Auch wenn es europäisch genannt wird, muss es nicht notwendigerweise aus Europa kommen. Gemeint ist das, was man als “babyfeines Haar” bezeichnet. Für eine handgearbeitete Perücke hoher Qualität aus europäischem Haar müssen 150.000 Einzelhaare von Hand geknüpft werden. Bis zu 10.000 US-Dollar kann ein solches Stück kosten.
Zwar zeigen Modetrends in den Vereinigten Staaten von Amerika, dass Perücken und Toupets nicht mehr so verbreitet sind wie in den sechziger Jahren, als fast ein Drittel aller Frauen in den USA und Großbritannien eine Perücke trugen. Dennoch macht die Branche ein gutes Geschäft. Dem führenden amerikanischen Perückenmacher Celebrity Signatures International zufolge werden die Branchenumsätze dieses Jahr zwischen 750 bis 800 Millionen US-Dollar erreichen, gegenüber 500 Millionen Dollar im Jahr 2003. Celebrity selbst erwartet, Perücken und Toupets im Wert von 150 Millionen US-Dollar zu verkaufen gegenüber 30 Millionen Dollar im vergangenen Jahr.
Ein großer Teil der Perücken wird aus synthetischem Haar hergestellt. Dies allerdings glänzt sehr stark und wirkt damit leicht unnatürlich. Auch deshalb geben viele dem Echthaar den Vorzug. Für die orthodoxen Juden ist Indien übrigens nicht die einzige Quelle für menschliches Haar als Ausgangsprodukt für die “sheitel machers”, wie die Hersteller von ihnen genannt werden. Perückenmacher der Orthodoxen wandten sich zunächst nach Singapur und China, um Haar einzukaufen, da europäisches Haar zu teuer war. Später entdeckten sie, dass sie genauso gut, jedoch bei weit niedrigeren Kosten, mit indischem Haar arbeiten konnten. Der größte Teil des benötigten menschlichen Haares kam von da ab aus Asien, vor allem aus China und Indien. Was indisches Haar abhebt, ist seine weichere Beschaffenheit und Erscheinung. Doch auch dieses Haar wird gründlich bearbeitet, bevor es auf den fremden Kopf kommt: zuerst in Säure getaucht, dann gefärbt, anschließend erhält es Dauerwellen. Schließlich bringen flinke Hände jede einzelne Haarsträhne auf einen Rohling auf, der als Grundlage für die Perücke dient.
Einer der Käufer des Tempelhaares ist Mayoora Balsara aus Bangalore. Arbeiter in seiner Fabrik sortieren das Haar nach der Länge der Haarsträhnen und häufen es entsprechend auf. Eine Haarsträhne hat etwa zweihundert Einzelhaare. Sobald die Strähnen sortiert, gesäubert und geräuchert sind, sendet Balsara die Haare an seinen einzigen Kunden, den Exklusivabnehmer Great Lengths International in Italien.
Great Lengths kauft das Haar von Händler Balsara für etwa 30 US-Cent pro Strähne. In der Fabrik in der Nähe von Rom lässt Great Lengths das Haar färben und verschickt es an internationale Großhändler, die wiederum etwa 1,50 US-Dollar pro Strähne bezahlen. Kosmetiksalons in den USA verlangen zwischen 1500 und 3000 US-Dollar für die lange Zeit, die sie brauchen, um Strähnen für einen ganzen Kopf in das Haar eines Kunden einzuarbeiten.
Die beste Haarqualität wird Remy-Haar genannt und kommt aus Indien, hauptsächlich aus Tirupati. Die Struktur des indischen Haares ist der des europäischen Haares viel ähnlicher als das anderer Herkunftsländer. Chinesisches Haar ist zum Beispiel etwa 30 Prozent dicker. Die Sammlung und Verwendung von Remy-Haar in Haarprodukten bringt eine Reihe von Vorteilen für die Hersteller. Zunächst ist die äußere Schicht dieses Haares noch vollkommen gesund, da indische Mädchen nur selten Frisörsalons besuchen, um das Haar chemisch behandeln zu lassen. Es wird zudem üblicherweise vor dem Schneiden in ein Geflecht verwoben, so dass es vollständig in eine Richtung ausgerichtet ist. Außerdem ist das Haar gleichmäßig in Farbe und Dicke. Es behält lange seine Vitalität, Elastizität und Farbe bei und ist einfach zu kämmen und zu locken. Remy-Haar steht wegen des begrenzten Angebots hoch im Kurs.
Sehr viel billiger ist die Art von Haar, die täglich aus den Bürsten von Millionen von Frauen aus aller Welt kommt, “ausgefallenes Haar” genannt. Darin kann dunkles oder graues Haar enthalten sein, sowie Haar jedweder Länge und Dicke.
Die Frage, woher das Haar für die Perücke stammt, hat nicht nur wirtschaftliche und verarbeitungstechnische Gründe. Die Ursache, weshalb zum Beispiel Käuferinnen in den USA trotz seiner Qualität auf Haar europäischer Herkunft verzichten, ist durchaus ebenso politischer Natur. Haar aus Deutschland oder Österreich ist immer noch mit Tabus belegt. Viele ultraorthodoxe jüdische Frauen ziehen Haar aus Belgien dem aus Liechtenstein vor. Manche Frauen weigerten sich, französisches Haar zu tragen, bis Frankreich den Krieg im Irak deutlicher unterstützte. Da US-Präsident George Bush gute Beziehungen zum britischen Premierminister Tony Blair unterhält, wird englisches Haar in den USA akzeptiert.
Wenn man den Angaben der Tempelstiftung in Tirupati glauben kann, hat die Auseinandersetzung mit den orthodoxen Juden den Verkauf nicht beeinträchtigt. “Ich habe noch keine Auswirkungen dieser Entscheidung bemerkt. Perücken werden weiterhin von westlichen Firmen, die ihr Haar aus Tirupati beziehen, nach Israel verkauft”, wiegelt der Marketingmanager des Tempels, Surendra Babu, ab. Und dies trotz der Tatsache, dass als Reaktion auf den ausgelösten Wirbel im Mai dieses Jahres religiöse Autoritäten der Hindus entschieden, dass es Hindu-Frauen verboten sei, ihr Haar an Salons zu verkaufen, die es wiederum an jüdisch-orthodoxe Perückenmacher liefern. Die “Hindu-Vereinigung für religiöse Inder”, Hindu Association for Indians who are Religious (HAIR), brachte alle wichtigen Politiker dazu, ihre Unterschrift unter eine Erklärung zu setzen, die solchen Handel verbietet.
Dass man - wenn auch unwissentlich - mit etwas in Kontakt kommt, das in Handlungen verwendet wurde, die die Rabbis als Götzenverehrung betrachten, ist für orthodoxe Juden undenkbar. Nicht zum ersten Mal ist dieses Problem aufgetaucht. Rabbi Yisroel Belsky, eine Autorität der Orthodoxen Union in den USA auf dem Gebiet jüdischen Rechts wird in der New York Times vom 14. Mai 2004 dahingehend zitiert, dass ein ähnlicher Fall vor etlichen Jahren “ohne ein Verbot gelöst wurde”.
Aus Sorge, die religiösen Gesetze zu verletzen, handeln manche orthodoxe Frauen vorauseilend auf ein mögliches Verbot. Sie kaufen oder tragen keine Perücke mehr, die indisches Haar enthalten könnte. Manche beziehen sogar Perücken ein, die aus asiatischem oder europäischem Haar hergestellt wurden, aus der Unsicherheit heraus, dass sie vielleicht auch nur kleine Mengen indischen Haares enthalten könnten.
Die alles entscheidende Frage ist demnach, ob das Haareschneiden bereits ein Akt der Anbetung war oder lediglich das Vorbereiten der Anbetung. Was also geht im Kopfe des Frisörs vor, während das Messer gleitet und welches sind die Gedanken der Pilger? Haarige Fragen sind zu klären.
KleingewerbeGeld beim Schopf gepacktDas Haar hat sich auch zu einer Quelle entwickelt, den Lebensunterhalt zu sichern und zur Dorfentwicklung beizutragen. Ein Mikrofinanzierungsprogramm des Finanzdienstleisters Share Microfin Limited (SML) hat es vielen Frauen auf dem Land ermöglicht, Geschäftsideen in Heimarbeit zu verwirklichen. Dadurch hat sich ihr Leben verändert, und weil sie über etwas Geld verfügen, können sie heute ihre Kinder zur Schule gehen lassen. Eine Person, die großes Interesse für das Mikrofinanzierungsprogramm in Indien zeigt, ist Vinod Khosla. Er ist einer der erfolgreichsten Risikokapitalgeber in den Vereinigten Staaten von Amerika, Teilhaber von Perkins Caulfield & Byers, einem Risikokapitalunternehmen und Mitbegründer von Sun Microsystems. Khosla hat vor einiger Zeit ein kleines Dorf in der Nähe der Stadt Hyderabad im Bundesstaat Andhra Pradesh besucht und war fasziniert von der Geschichte der 35-jährigen Sivamma. Diese Frau hatte vor vier Jahren einen Kredit von nur 45 US-Dollar aufgenommen. Damit war sie in der Lage, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, das 250 Frauen beschäftigt, die Menschenhaar sammeln. Diese Frauen sammeln Haar von Dorfkindern im Austausch gegen kleine Spielzeuge. Das gesammelte Haar wird an einen Haarexporteur verkauft, der es ins Ausland sendet, um daraus Perücken herzustellen. Im Laufe der Jahre war Sivamma in der Lage, mit knapp 3000 US-Dollar ein Haus zu bauen. Darüber hinaus hat die Familie für 700 US-Dollar ein Motorrad gekauft und 1000 US-Dollar gespart. tg |
FinanzierungDie Summen des SchreinsEine Studie der angesehenen indischen Finanz-Tageszeitung Economic Times aus dem Jahr 2003, gibt Einblick in die Finanzen von Tirupati Tirumala Devasthanams. Zu den Einnahmen in Höhe von rund 116 Millionen US-Dollar gehören im Jahr 2003 unter anderem ungefähr 41 Millionen Dollar aus direkten Spenden von Gold, Schmuck und Geld, zirka 31 Millionen US-Dollar aus Zinsen auf Guthaben, rund 11 Millionen Dollar aus dem Verkauf von Prasad, das sind Speisen, die der Gottheit und dann den Gläubigen dargeboten werden, und mehr als 4 Millionen US-Dollar aus den Versteigerungen von Haar. Zum Vermögen des Tempels gehören rund 122 Millionen US-Dollar in festverzinslichen Anlagen und etwa fünf Tonnen Gold im Wert von etwa 54 Millionen US-Dollar. tg |
aus: der überblick 04/2004, Seite 61
AUTOR(EN):
Tirthankar Ghosh:
Tirthankar Ghosh ist freier Journalist in Neu Delhi, Indien. Er war lange Jahre verantwortlicher
Redakteur der englischsprachigen Ausgabe der "Hindustan Times" in Patna im Bundesstaat
Bihar und in Lucknow in Uttar Pradesh.