Ein Fenster zur ganzen Welt
Willkommen in der bundu - der abgelegenen Wildnis -, hinter dem Jenseits und mitten im Nirgendwo", lacht Zolani Mkosi, ein Preissänger, freiwilliger Lehrer und begeisterter Anhänger der neuen Informations- und Kommunikationstechnologie, im kleinen Dorf Tswilita in Südafrikas Provinz Eastern Cape.
von Carol Paton
Dies ist ein schönes Fleckchen mit runden strohgedeckten Lehmhütten, eingebettet in Grashügel und beschattet von Gummibäumen. Die nächste Stadt ist das 40 Kilometer entfernte, an einer Schotterstraße gelegene Qumbu. Nach Umtata braucht man mit dem Wagen anderthalb Stunden. Im Jargon der Entwicklungspolitik würde man Tswilita eine abgelegene ländliche Gemeinde nennen.
Wie in vielen anderen Dörfer des ehemaligen Homelands Transkei holen die Leute ihr Wasser aus dem Bach. Elektrischer Strom kommt nur schwach und unregelmäßig, und die Kinder gehen mit leeren Bäuchen zur Schule. Und doch ist da ein großer Unterschied zu anderen Orten: Tswilita ist vernetzt.
In jedem anderen Dorf würde man in Mkosi, einem überschwänglichen jungen Mann mit Zahnlücken, der sich selbst zum Preissänger des Dorfes erhoben hat, nur einen Arbeitslosen sehen, der viel redet. In Tswilita jedoch, in seinem luftigen Büro direkt neben der Schulbücherei, ist er der stolze Besitzer von vier schönen PCs, einem Farbdrucker und einer Digitalkamera. Er und andere an PCs Ausgebildete können Hochzeitseinladungen, Programme kirchlicher Veranstaltungen oder individuelle Kalender für die Dorfbewohner entwerfen. Sie bieten auch Hilfe und Beratung für die Eröffnung von Kleinstgewerbe an und sind ausgerüstet, um Geschäftspläne und Kreditanträge zu erstellen.
In jedem anderen Dorf hätte sich der Schulleiter mit dem wenigen zufrieden gegeben, was er bei seinem Antritt vorfand. Nicht so Mzimkulu Jikijele, der Leiter der Qumbu Technical High School, die bald in Makhenkesi Stofile Technical High umbenannt wird. "Ich war auf der schlechtesten Schule. Da wollte ich etwas ändern. Ich will, dass hier das Beste zur Verfügung steht. Die Leute in dieser Gemeinde verdienen das", sagt Jikijele. Er hat das Interesse der Dörfler an Computern geweckt, indem er der Schule ihre ersten 15 PCs als Geschenk verschaffte.
In seiner Wolljacke an diesem brutheißen Tag, das Handy umklammert, wirkt Jikijele - ein städtischer, professioneller und vor Energie berstender Mann - in diesem betulichen ländlichen Flecken eher deplaziert. Doch das Dorf bietet mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Die Computer in Mkosis Büro beispielsweise sind der Nabel von Tswilita und den Dörfern in der Umgebung, das technische Nervenzentrum im Umkreis von Meilen.
Tswilita ist ein Pilotprojekt des Council for Scientific and Industrial Research (CSIR), finanziert aus dem Innovations-Fonds des Ministeriums für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Technologie. Tswilita ist dabei, ein globales Dorf zu werden. Wenn es Erfolg hat, eröffnen sich nicht nur für Tswilita neue Möglichkeiten, sondern das wird Südafrika auch Wege zeigen, das Problem der wachsenden weltweiten Kluft zwischen denen, die Technologie haben, und den abseits Stehenden anzugehen.
Ein drahtloses lokales Netz verbindet das Computerzentrum mit der Schule, der Krankenstation und der Polizei sowie mit den Schulen und einem Krankenhaus in zwei weiteren Dörfern. Jeder kann sich in einem bestimmten Umkreis ohne Telefonleitung in das Netz einloggen. Wenn das Projekt ausgebaut ist, kann man von jedem Punkt des Ortes aus über einen einzigen gemeinsam genutzten Netzknoten ins Internet.
Zurzeit ermöglicht das interne Netz den Bewohnern dreier Nachbardörfer, sofort und gebührenfrei miteinander zu kommunizieren. Über E-mail können sie mit dem Rest der Welt chatten, und mittels einer Digitalkamera, PC und E-mail kann die Krankenschwester Patricia Madikane - auch eine begeisterte Anhängerin der neuen Technik - von Ärzten Hunderte von Kilometern entfernt Diagnosen für Problem-Patienten einholen. Auch die Schule hat ihren gut ausgestatteten Computer-Raum mit mehreren Reihen von Terminals. Die Nachfrage von Lernwilligen aus dieser und anderen Schulen ist groß. Schüler, aber auch andere Dorfbewohner können die Geräte nutzen.
Die Dörfler lernen nicht nur, wie PCs in Tswilita zu nutzen sind, sondern auch, wie man sie repariert. Drei von ihnen - zwei ehemalige Lehrer und ein arbeitsloser Jugendlicher - haben kürzlich einen Kurs abgeschlossen, der ihnen die Fertigkeiten vermittelt hat, Hardware und Software zu konfigurieren und das Netz zu warten. "Wir wissen, was diese Computer wert sind. Wir haben sie uns gewünscht; wir haben geradezu danach gefiebert. Das verdanken wir alles der Leitung dieses Dorfes", sagt Jikijele. In diesem Dorf singen alle ein Loblied auf Jikijele. Ohne Zweifel ist es seiner Führung und seinem Enthusiasmus zu verdanken, das CSIR sein Dorf für dieses Pilotprojekt ausgewählt hat.
Der Projektmanager Matthew Chetty von CSIR erklärt, es sei ein wichtiges Ziel des Projekts, "neue, innovative drahtlose Technologie zu entwickeln, die abgelegenen Gemeinden zu niedrigen Kosten Zugang bietet". Dieser Teil des Projekts war noch relativ leicht. Unter Nutzung eines vorhandenen Standards für drahtlose Verbindungen hat CSIR, so das Institut, ein funktionsfähiges und billiges Produkt entwickelt.
Schwieriger war es, die richtigen Bedingungen zu schaffen, damit die Menschen auf dem Lande diese für sie ganz neue Technik auch nutzten. "Die große Frage war, wie führt man eine solche Informations- und Kommunikationstechnik in ländliche Gebiete ein, wo es nicht einmal eine Grundversorgung gibt, etwa mit Wasser und Strom? Und wie erreicht man, dass die Technik trotzdem den Interessen dieser Leute dient und zu ihrem Nutzen eingesetzt wird?", sagt Chetty.
Er hat den Eindruck, dass der Versuch, die digitale Kluft zu überbrücken, ganz schön zermürbend ist. Obwohl beispielsweise alle PCs in den drei Dörfern über das interne Netz verbunden sind, haben sie immer noch keinen Zugang zum Internet. Laut Chetty steht dafür noch kein Geld bereit.
Wasser wird zwar aus einem nahe gelegenen Staubecken mittels des natürlichen Gefälles herangebracht, aber es gibt keine Pumpen, um Grundwasser hochzupumpen. Und obwohl Jikijele die Provinzregierung überzeugen konnte, Geld für die Stromversorgung seiner Schule bereitzustellen, fließt der Strom derzeit nur unregelmäßig und unberechenbar - und der Rest des Dorfes liegt weiter im Dunkeln. Die Krankenstation verfügt über Solarzellen, aber deren Leistung reicht oft nicht aus für Madikanes Computer. So steht dieser zwischenzeitlich abgeschaltet herum, geschützt unter einer staubdichten weißen Hülle.
Und obwohl Mkosi sich rastlos für privates Unternehmertum einsetzt, haben nur wenige eine neues Geschäft eröffnet. Bisher hat niemand seine Empfehlungen aufgegriffen, einen festen Laden oder Stand aufzumachen, etwas, was die Gemeinde dringend braucht. "Wir reden in der Schule über Unternehmertum. Die Theatergruppe hat auch ein Stück entwickelt, das wir in der Gemeinde aufführen. Doch man kann ein Pferd nur zum Wasser führen, saufen muss es allein", sagt Mkosi.
Die Kette der Abhängigkeiten ist endlos: Bevor ein kleines Problem gelöst werden kann, müssen zehn und mehr größere Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt werden. Das macht nachhaltige Entwicklung zu einem so immensen Kampf. Doch Jikijele und seine Partnerin in der Krankenstation, Schwester Madikane, die auch in der Schulleitung mitwirkt, sind entschlossen, die Aufgabe anzugehen.
Jikijeles Fähigkeiten, Geld einzutreiben und die Entwicklung voranzubringen, sind bemerkenswert. Er hat vom Stromkonzern Eskom und vom CSIR Computer beschafft sowie Backöfen und Maschinen zur Herstellung von Ziegelsteinen und eine Hebevorrichtung für Autoreparaturen organisiert. Er hat eine lukrative Beziehung zu zwei Partnerschulen in England aufgebaut, von wo ein begeisterter Freiwilliger nun an der Schule unterrichtet. Wenn Jikijele scheitert, kann das nur daran liegen, dass die Schwierigkeiten doch unüberwindlich waren.
aus: der überblick 02/2002, Seite 98
AUTOR(EN):
Carol Paton:
Carol Paton ist Journalistin bei der "Sunday Times" in Südafrika. Wir drucken ihren Beitrag mit freundlicher Genehmigung der "Sunday Times", wo er am 31. 3. 2002 zuerst erschienen ist.