Safari zum Traumkörper
Wer schön sein will... macht Urlaub! Zum Beispiel in Südafrika, wo einige der besten Plastischen Chirurgen der Welt den Traum von einem makellosen Körper erfüllen. Und das zu Schnäppchenpreisen. Da bleibt noch Geld übrig, um nach der Schönheitsoperation in Fünf-Sterne-Hotels die Wunden verheilen zu lassen, auf Großwildjagd zu gehen und den Tafelberg zu besteigen. Pauschalreisen für “Schönheitsoperations-Safaris” boomen.
von Bobby Jordan
Mit ihrer Sonnenbrille und dem Sonnenhut sieht Jodie Kirk in ihrem Liegestuhl, der zur Sonne nach Norden gerichtet ist, richtig glücklich aus. Sie sagt, sie fühle sich wie eine völlig neue Frau. Und tatsächlich ist sie eine neue Frau. Gerade hat sie eine Brustvergrößerung in einer Privatklinik im südafrikanischen Johannesburg hinter sich. Auch im vergangenen Jahr war sie hier, um einen Arm liften, die Nase korrigieren und eine kleine Bauchstraffung vornehmen zu lassen. Im Jahr davor waren ihre Augenlider dran, die Brüste auch schon einmal, und ein Facelifting hat sie auch bereits hinter sich. In wenigen Stunden wird sie ein Flugzeug nach Spanien besteigen und nach Hause fliegen - als bessere Person. Doch sie wird wiederkommen.
Neben Jodie sitzt Marion Clarke. Auch sie hat es sich mit einer Tasse Tee und einem Taschenbuch im Garten eines Hauses am Rande der Stadt bequem gemacht wie eine goldene Löwin und saugt den Anblick des afrikanischen Himmels in sich auf. Obwohl sie gerade erst 50 Jahre alt geworden ist, sieht Clarke wie 40 aus, sicher auch dank der Schönheitseingriffe an Bauch und Zähnen. Im letzten Jahr ließ sie sich ihren Hals und das Gesicht liften, was sie freudestrahlend als “das beste, was ich je in meinem Leben gemacht habe”, bezeichnet.
Kirk und Clarke sind Genossinnen in Sachen Fettabsaugen. Sie haben sich hier in Johannesburg getroffen, dieser sich überstürzenden, geschäftigen und verwirrenden de-facto-Hauptstadt des südlichen Afrika, die ein Wallfahrtsort für Arbeitssuchende, Haushälterinnen, Reisende und Taxifahrer ist und heute auch ein Pauschalreise-Mekka für Schönheitsoperations-Safaris.
Obwohl im Vergleich zu den medizinischen Sektoren in den Industrienationen winzig, ist Südafrikas Branche der Plastischen Chirurgie doch weltberühmt. Eine gute Ausbildung, angesehene Privateinrichtungen und zumeist günstige Devisenkurse sorgen für einen Boom an Aufträgen für die Chirurgen der Regenbogennation: Einst Paria wegen seiner Rassenpolitik genießt Südafrika heute den Ruf, die Menschen schöner zu machen. Bei all den unterschiedlichen Formen der Ironie des Schicksals, die ich über das vergangene Jahrzehnt hinweg bei meinen Besuchen dieses von dunklen Träumen und breiten Gewitterschauern durchwachsenen Landes begegnet bin, sind die Schönheitsoperationen eine, die lächeln macht. Wenn man ein schöneres Lächeln haben will, lässt sich das machen.
Selbstredend ist die Neugestaltung des Körpers nichts Neues. Das Aufkommen einer neuen Technik in der Medizin hat der Eitelkeit des Menschen, die nach verbreiteter Ansicht ein integraler Bestandteil seiner Psyche ist, einen anderen Ausdruck verliehen. Statt Löcher in die Nase zu bohren, um einen Knochen durchziehen zu können, ersetzen wir heutzutage die “Knochen” in der Nase, entfernen hier einige Zentimeter und setzen sie dort wieder ein. Spezialkrankenhäuser in Brasilien, Indien, Thailand und Russland - um nur einige Länder zu erwähnen, die am Handel mit der Verschönerung des Körpers gutes Geld verdienen - heißen schon seit Jahren Touristen, die zu Schönheitsoperation anreisen, willkommen.
Neu ist allerdings, dass sich die Schönheitschirurgie wachsender Akzeptanz als Zeichen einer gesellschaftlich anerkannten Wahl eines Lebensstils erfreut, in gleicher Weise wie etwa das Haarefärben oder das Fitnesstraining zu Hause. Es ist wie mit extravaganten Sportwagen - wenn man sie sich leisten kann, dann stellt man sie zur Schau. Bauchstraffung und Gesichtslifting sind zum neuen Barometer für gesellschaftlichen Erfolg geworden. Viele Patienten bezeugen das, auch Marion Clarke: “Als ich letztes Jahr nach meiner Behandlung nach Hause kam, konnten meine Freunde es nicht glauben - ihre Kinnladen fielen vor Schreck buchstäblich bis zum Boden runter, weil ich so anders aussah.” Und Jodie Kirk erzählt: “Als ich zurückkam, habe ich meinen Freundinnen von meiner Erfahrung in Südafrika erzählt und drei von ihnen sind im nächsten Jahr auch dorthin geflogen. Das macht Frauen süchtig. Bei jedem Mal siehst du noch blendender aus.”
Das heißt aber auch, weite Wege in Kauf zu nehmen, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Südafrika wird wegen des Safari-Faktors als á la mode bezeichnet: plastisch erneuert und revitalisiert nach Hause zurückkommen, mit perfekter Sommerbräune von einer Woche Urlaub in der Sonne, keine blauen Flecken, keine Schwellungen, keine besonders auffälligen Narben, die vom verbesserten Ich ablenken. Für Kunden aus Westeuropa und Nordamerika bieten die Strände von Rio de Janeiro oder die Sonnenuntergänge über dem südafrikanischen Buschland die Chance, eine Weile nach der Operation heimzukommen und lässig Ethno-Kristallsteine auszupacken und aufgebesserte Wangenknochen mitzubringen, ohne mit dem plastisch erneuerten Augenlid zu zwinkern.
Eine Handvoll südafrikanischer Firmen hat den Trend schnell erkannt und vermarktet nun gezielt Pauschalreisen für Schönheitschirurgie-Safaris. Die meisten werden für Johannesburg oder Kapstadt angeboten. Marktführer Surgeon and Safari, im Jahre 1999 gegründet, erbringt heute sechs Millionen US-Dollar Umsatz jährlich für die südafrikanische Wirtschaft und wird aller Voraussicht nach mit einem Büro in London weiter wachsen. Das Geschäft ging aus einer einzigen Anfrage hervor, schmunzelt Geschäftsführerin Lorraine Melvill: “Ein Onkel von mir kam aus Amerika und sagte, er wolle ein Facelifting. Er ging und suchte einen Chirurgen und der Rest ist Geschichte.” Der Nachfrage gewahr meldete Melvill ihr Geschäft an und begann, den Wünschen ihrer Kunden nachzukommen.
Nicht nur die Weltklassechirurgie interessierte ihre Kunden, zugleich kamen Nachfragen nach touristischen Angeboten und entsprechender Unterkunft in einigen der beliebtesten Besuchsziele des Landes wie Kapstadt oder dem Krügernationalpark. Deswegen das “Safari” im Firmennamen und das Angebot, (fast) alles zu organisieren, was ein Tourist begehrt - Melvill wird es schaffen. Ihre Firma bietet Weintouren an, Besuche von Kulturstätten, Wildjagd oder Big Five-Safariausflüge zu Luxuslodges, die angefangen von Privattoiletten, mit einer Glasfront versehen zum eigenen kleinen Zen-Garten hinaus, alles offerieren. Dahinter steckt die Idee, sich bei Fünf-Sterne-Entspannung zu erholen, ohne dem kritischen Blick anderer ausgesetzt zu sein. Ein Konzept, dass für Kundin Jodie Kirk aufgeht: “In England kannst du, wenn dich das Krankenhauspersonal von oben bis unten mustert, sehen, wie sie denken: ‘Oh, wieder so eine reiche Zicke’.”
“Hierher zu kommen bedeutet, Freunde und Familie hinter sich zu lassen und die Schönheitschirurgie mit totaler Entspannung zu kombinieren. Wenn du dich in England operieren lässt, werden dich dein Mann und deine Kinder ständig beobachten. Doch hier sind sie alle höflich. Südafrika hat etwas sehr Wertvolles”, beschreibt es Kirk.
Selbstverständlich erfreuen sich Ausländer, die viel Geld ausgeben, im neuen Südafrika besonderer Beliebtheit. Doch Geschäftsführerin Lorraine Melvill meint, die tolerantere Atmosphäre habe darüber hinaus eine Menge zu tun mit Südafrikas Fähigkeit, Wandel anzunehmen: “Wenn ich mir mein Geschäft und meine Kundinnen anschaue - es geht immer um Wandel. Auch wenn vielleicht nur ein Teil ihres Körpers einer Änderung bedarf, so könnte dies doch das Bedürfnis nach einem tieferen Wandel spiegeln, vielleicht auf emotionaler Ebene. In gewisser Hinsicht könnte man das, was ich mache, also als eine Art therapeutischer Sitzung betrachten.”
Die Erholungsorte werden sorgsam ausgewählt, um den Kunden einen angemessenen “Rückzug” vom Auge der Öffentlichkeit zu ermöglichen. Das örtliche Personal hat gelernt, Menschen, die von schweren blauen Flecken im Gesicht gezeichnet sind, freundlich zuzunicken. Einige Kunden verbringen die Erholungszeit in abgelegenen Busch-Lodges und genießen Wildsafaris. Die meisten jedoch, sagt Melvill, ziehen den Komfort luxuriöser Unterkünfte in Kapstadt oder Johannesburg vor. Dort können sie sich vom Personal verwöhnen, unerwartete Schmerzen oder Leid lindern oder sich bei plötzlichen Komplikationen behandeln lassen.
Tatsächlich ist Surgeon and Safari ein Supermarkt der Plastischen Chirurgie, der seine Kunden durch alle Stationen seines oder ihres Besuchs geleitet: Transport, Unterkunft, chirurgischer Eingriff und Nachbehandlung. Melvill hat sich mit einigen der besten Fachärzte Südafrikas zusammengetan, die eine verhältnismäßig kleine Zunft innerhalb der Ärzteschaft bilden: Das Land verfügt über 156 eingetragene Plastische Chirurgen, während allein New York über 5000 hat.
“Viele unserer Ärzte haben Südafrika verlassen, um woanders ihr Glück zu suchen, doch die hier geblieben sind, sind immer noch verdammt gut.” Darauf ist Melvill stolz. “Weil einige Menschen immer noch ein negatives Bild von Südafrika haben, achten wir darauf, dass die von uns angebotenen Dienstleistungen absolut den Erste-Welt-Standards entsprechen”, fügt sie hinzu.
Das kleine Reservoir an Chirurgen bedeutet, dass die meisten mehr Erfahrung haben als ihre Kollegen im Ausland mit ähnlich langen Dienstjahren. So sieht es der Plastische Chirurg Rick Van der Poel, niedergelassen in Johannesburg: “Hier ist man schon in jüngeren Jahren mehr in der Praxis tätig. Ein vierzigjähriger Chirurg in Südafrika hat schon eine Menge selbst ausgeführt, während er in den Staaten bestimmt noch assistieren würde.”
Van der Poel hat die Erfahrung gesammelt, dass sich die Kunden entspannter fühlten, wenn sie den Schönheitseingriff im Ausland vornehmen lassen, weit entfernt von ihrem üblichen sozialen Umfeld: “Während sie hier sind, können sie sie selbst sein und ihre Erfahrung mit anderen in der gleichen Lage teilen. Wenn ich die Kunden zum ersten Mal sehe, sind sie ziemlich schüchtern, doch wenn sie hier erst einmal raus sind, werden sie in der Regel viel offener - das ist sehr interessant.”
Der Chirurg behandelt in einer Woche bis zu fünf ausländische Patienten, die meisten kommen aus Großbritannien. Die Nachfrage ist gleichbleibend, obwohl der Höhepunkt vor drei Jahren war, als der Kurs des britischen Pfund bei 16 Rand stand, derzeit sind es 11,5 Rand. Ein Gesichtslifting wird nach seiner Aussage am häufigsten nachgefragt, gefolgt von Brustvergrößerungen und Bauchstraffung. Kleine Eingriffe wie das Augenlifting sind weniger gefragt. “Die Menschen, die den ganzen weiten Weg hierher gemacht haben, ziehen eher einen größeren Eingriff vor.”
Es gibt auch eine Kehrseite im “Handel mit der Haut” - nämlich völlig überzogene Anfragen und übersteigerte Erwartungen auf Seiten der Kunden. Oft weisen die Chirurgen mögliche Kunden ab, selbst dann, wenn diese um den halben Globus gereist sind, um einen Termin zu bekommen. Van der Poel schüttelt den Kopf: “Viele Menschen glauben, sie könnten mit einer Fettabsaugung schlank werden. Wir aber versuchen ihnen zu erklären, dass es sich um einen Eingriff für Körperkonturen handelt und nicht um Gewichtsabnahme. Solche Leute siebe ich normalerweise aus. Hat jemand zum Beispiel zu viel Fett unter dem Kinn, schlage ich in der Regel vor, dass er oder sie erst mal Gewicht abnimmt, bevor ich ihn oder sie wiedersehe.”
Auf der anderen Seite der Skala landen einige Schönheitsoperations-Touristen bei einem wahren “Einkaufskorb” von Eingriffen, wie der Zahnarzt Peter Golatis meint. Eine zusätzliche plastische Operation sei oft die Folge einer ersten Nachfrage: “Es handelt sich oft um einen Fall wie: ‘Lassen Sie uns erst einmal die Zähne richten, dann sehen wir weiter, was Sie noch wünschen.’ Wenn Sie den Menschen eine gute Lösung anbieten, nehmen sie sie in der Regel an. Ich hatte Kunden, die eigentlich nur einen Zahn gerichtet haben wollten, die kamen mit einer vollständigen Verschönerung heraus.” Der Zahnarzt betrachtet das eher sportlich: “Ich sehe das so, dass diese Menschen dasselbe tun wie all jene, die Gymnastik machen: Je fitter man sich fühlt, desto mehr Power hat man, desto besser fühlt man sich. Das gleiche Prinzip gilt für die Zahnchirurgie.”
Und ein bisschen afrikanische Sonne kann bei einem schiefen Lächeln Wunder wirken, kommentiert Jodie Kirk von ihrem Liegestuhl aus. “Bevor ich hierher kam, fuhr ich in die Staaten, um mich an den oberen und unteren Augenlidern liften zu lassen. Ich wohnte in der 64sten Straße. New York war hektisch, laut und ich steckte in einer Wohnung fest. Sechs oder sieben Monate später las ich dann einen Artikel über Südafrika und ich sagte meinem Mann, ich würde gern für Brustimplantate und ein Facelifting hierher kommen.”
Bei Marion Clarke war es die gleiche Geschichte. Sie ließ sich zum ersten Mal operieren, bevor sie 50 wurde - sie wollte ihre Geburtstagsparty mit einem schlanken Hals feiern. Und sie wurde nicht enttäuscht. Der ganze Eingriff hat sie rund 9000 Pfund, etwa 13.000 Euro, gekostet, inklusive Rückflug und eine Woche in einem der schönsten Hotels von Südafrika. “In England hätte ich fast das gleiche ausgegeben.” Ein Facelifting sei eine neue Miete auf das Leben, schließt Marion Clarke und lehnt sich dabei zurück, um noch mehr Sonne abzubekommen - und es kümmert sie nicht, was irgend jemand anderes dazu zu sagen hat. Einmal ist sie einem hinduistischen Arzt begegnet, der ihr sagte, dass unser physischer Körper von unseren Handlungen in früheren Leben vorherbestimmt sei. Clarkes Antwort? “Woher können Sie wissen, ob ich in meinem früheren Leben nicht etwas gemacht habe, das vorherbestimmte, dass ich einen plastischen Eingriff haben würde?”
aus: der überblick 04/2004, Seite 65
AUTOR(EN):
Bobby Jordan:
Bobby Jordan arbeitet als Reporter der "Sunday Times", Südafrika.