von Birte Krüger
Joris Luyendijk: Wie im echten Leben. Von Bildern und Lügen im Zeitalter des Krieges. Tropen Verlag, Berlin 2007, 256 S.
Fünf Jahre lang hat Joris Luyendijk als Korrespondent für niederländische Zeitungen und Fernsehen in der arabischen Welt gearbeitet. Sein jetzt ins Deutsche übersetzte Resümee ist resignierend: Journalistisches Arbeiten sei dort quasi unmöglich. Er beschreibt mit viel Selbstironie aber auch Empörung, wie etwa mangels eigener Sprach- und Ortskenntnisse, vor allem aber wegen fehlender oder falscher Informationen unter arabischen Diktaturen verzerrte Berichte entstehen. Und insbesondere dann, wenn die Heimatredaktionen via Nachrichtenagenturen sowieso schon schneller informiert seien als ihre eigenen Leute vor Ort, dienten Medienberichte zudem nur dazu, das eigene westliche Weltbild zu bestätigen.
Der niederländische Bestseller-Autor beklagt den "asymmetrischen Wortgebrauch in der Nahost-Berichterstattung: In den westlichen Medien würden Muslime leicht als Fundamentalisten etikettiert, radikale Christen dagegen als "evangelikal" oder "tiefgläubig" bezeichnet. Anhänger der Hamas würden als antiisraelisch, jüdische Siedler aber nicht gleichermaßen als antipalästinensisch eingeordnet. Luyendijk kritisiert die nur vermeintliche Information der Zuschauer oder Leser über Tatsachen.
"Wie im echten Leben" ist eine kurzweilige aber lohnenswerte Lektüre über das Dilemma der politischen Auslandsberichterstattung, der es häufig an journalistischer Distanz und Objektivität mangele.
Lynne Duke: Mandela, Mobutu and Me. A Newswoman's African Journey. Doubleday, New York 2003, 294 S.
In dieser spannend geschriebenen Bilanz ihrer Tätigkeit als Washington Post-Korrespondentin nimmt Lynne Duke ihre Leser mit auf eine beeindruckende Reise durch das Afrika der 1990er Jahre, einer Zeit des Um- und Aufbruchs. Brillant porträtiert sie den Kontinent, in dem Hoffnung und Menschlichkeit sich abwechseln mit Verwüstung und Schrecken.
Die Autorin reflektiert ihre Erfahrungen als Afrikakorrespondentin nicht nur aus dem Blickwinkel einer professionellen Journalistin. Ihren Arbeitsalltag erlebt sie auch als Afro-Amerikanerin mit Sympathie und Solidarität für den Kontinent und die Menschen. Zugleich sieht sie sich – nicht zuletzt durch ihre weißen männlichen Kollegen – konfrontiert mit Vorurteilen in dem jahrzehntelang rassistisch geteilten Südafrika, von wo sie aus über den Kontinent berichtet. Trotz Willkür und Gewalt lässt sie sich nicht zum Afrikapessimismus verführen und verbindet gelungen sachliche Informationen mit persönlichen Perspektiven.
Greg McLaughlin: The War Correspondent. Pluto Press, London 2002, 232 S.
Greg McLaughlin untersucht anhand einer Reihe von Interviews mit prominenten Kriegsberichterstattern den Job der Auslandsjournalisten. Basierend auf einer Fall-Studie zur wechselseitigen Beziehung zwischen Medien und Militär während des Kosovo-Einsatzes der NATO 1999 weist der Autor den westlichen Journalisten parteiische Berichterstattung nach. Er zeigt vergleichend zum Vietnam-Krieg auf, wie über Jahrzehnte hinweg fortschreitende Technologien und Marktkräfte den Charakter der Kriegsberichterstattung beeinflusst haben. Dabei erfährt der Leser, dass journalistische Professionalität im Medienwettstreit untergehen kann und berufliche Imperative nicht selten der militärischen Zensur und politischen Propaganda weichen.
Das Buch greift verschiedene Themen rund um den Beruf des Kriegsreporters auf, die die Art und Weise der Berichterstattung beeinflussen. So bezieht McLaughlin etwa ein sich wandelndes Geschlechterprofil in den letzten Jahren in seine Überlegungen mit ein: Auch Frauen berichten jetzt häufig aus Krisenregionen. Und er registriert ein "star system" in der eitlen Branche der Auslandsreporter, die sich über Vergütung oder Selbstdarstellung hierarchisch definiere.
Carolin Emcke: Von den Kriegen. Briefe an Freunde. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004, 314 S.
In ihrem Buch erzählt die Spiegel-Auslandsreporterin Carolin Emcke über die klassische Berichterstattung hinausgehend von vergessenen Orten, die aus dem Blickfeld der Medien geraten sind. Aus dem Kosovo, dem Irak, aus Rumänien, Kolumbien und Afghanistan öffnet sie einen ganz besonderen, persönlichen Blick auf Krieg und besonders auf die alltägliche Gewalt, die es selten in die Nachrichten schafft.
Ihre Briefe an Freunde entstanden aus dem Versuch, die Sprachlosigkeit als Korrespondentin angesichts Tod und Zerstörung für die ihr nahestehenden Menschen in Worte zu fassen. Dadurch entwickelte sich über Jahre hinweg ein Augenzeugenbericht zu den Krisenherden der Welt.
Die Sammlung enthält sehr intime Passagen. Dabei lassen politische Kommentare und szenische Reportageelemente Emckes journalistische Hand erkennen. Authentischer kann Berichterstattung nicht sein.
Kai Hafez: Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung. Theoretische Grundlagen (Band 1). Das Nahost- und Islambild der deutschen überregionalen Presse (Band 2). Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2002, 211 S. und 401 S.
Die Habilitationsschrift von Kai Hafez bietet eine allgemeine Einführung in die Entstehungs- und Wirkungsbedingungen der Auslandsberichterstattung (Bd.1). Dabei stellt der Islam- und Kommunikationswissenschafter detailliert die Stärken und Defizite des Bildes heraus, das die deutsche Presse von Politik, Kultur und Gesellschaft einer anderen Weltregion – dem Nahen Osten und der islamischen Welt – zeichnet (Bd. 2).
Hafez unterstreicht mit seiner Langzeitanalyse über das Nahost- und Islambild seit den 1950er Jahren eine nicht allzu neue oder überraschende These: Undifferenzierte und einseitige westliche Berichterstattung über die Konflikte in Nah- und Mittelost hätten dazu geführt, dass der Islam häufig mit Gewalt assoziiert würde. Und diese starke Tendenz zu Negativismus scheint anzudauern, obgleich sich nach dem 11. September 2001 viele Medien auffällig um eine Trennung zwischen "dem Islam" und den Gewalt bereiten Fundamentalisten bemüht hätten. Hafez Erkenntnisse sind eine durchaus gelungene und lesenswerte Synthese aus Politik-, Kommunikations- und Islamwissenschaft.
Phillip Knightley: The First Causalty. The War Correspondent as Hero and Myth-Maker from the Crimea to Iraq. John Hopkins University Press, Baltimore 2004, 608 S.
Sechs Kapitel hat Phillip Knightley zur dritten Auflage seines Klassikers hinzugefügt. 1975 erschien die erste Ausgabe, in der sich der Investigativjournalist der Sunday Times weitsichtig und klar mit Journalisten und ihrer Rolle in der Kriegsberichterstattung auseinandersetzt.
Fesselnd erzählt er über Heldentum und Komplott, Zensur und Unterdrückung und enthüllt, wie es Regierungen seit dem Vietnam-Krieg geschickt verstehen, die Medien zu steuern und dadurch Korrespondenten Teil der Propagandamaschinerie werden. Auch in den Kriegen in Afghanistan und Irak, die in einem neuen Kapitel Platz finden, enttarnt der Autor die jüngsten Manipulationen durch Regierungen und die Mittäterschaft der Medien in Kriegsszenarien: Die vielfach notwendige Einbettung der Reporter in das Militär fördere eine unkritische, parteiische Kriegsberichterstattung. Knightley fordert die Kriegsjournalisten auf, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst zu werden und warnt das Publikum davor, sie unreflektiert als Helden zu betrachten.
Bettina Gaus: Frontberichte. Die Macht der Medien in Zeiten des Krieges. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2004, 193 S.
In Zeiten asymmetrischer Kriege werden Medien zu Waffen: Frontberichte beeinflussen die Massen vor den Bildschirmen zu Hause und Frontberichte werden durch Kriegsparteien beeinflusst. Bettina Gaus, lange Zeit Afrika-Korrespondentin für die "taz", reflektiert in ihrem Buch kritisch die Rolle der Medien bei der Verharmlosung von Kriegsszenarien. Dabei geht es ihr nicht um Schuldzuweisungen an Einzelne. Vielmehr legt sie unverblümt die Mechanismen und Strukturen moderner Kriegsberichterstattung offen, in denen sich Berichterstatter bewegen und arbeiten.
Gaus vermag mit einer kühlen, sachlichen Professionalität zu hinterfragen, welche Rolle Medien etwa dabei spielen, internationale Militäreinsätze als humanitäre Missionen zu verkaufen und welche Bedeutung dabei den Journalisten als Kommentatoren zukommt. Sie macht auf die häufig fehlenden Kenntnisse der Auslandsreporter von Land und Leute aufmerksam und auf den ständigen Druck, aktuelle Nachrichten produzieren zu müssen, um Heimatredaktion und Öffentlichkeit zu bedienen. In ihrem spannenden Erfahrungsbericht widerspricht sie nicht einer aus Sicherheitsgründen möglicherweise erforderlichen "Einbettung" von Journalisten. Sie plädiert jedoch dafür, als Korrespondent nicht zum Spielball der Parteien und damit zu einem Teil der Kriegsführung zu werden.
Pamela Constable: Fragments of Grace. My Search for Meaning in the Strife of South Asia. Brassey's Inc, Washington 2004, 288 S.
Pamela Constable hat einige Jahre für die "Washington Post" aus Südasien berichtet. In diesem Buch erzählt sie von ihren Reisen in Asien, von Menschen, denen sie dort auf der Suche nach Momenten der Würde begegnet ist. Von politischen Heilsversprechen war sie schon in ihrer Zeit als Lateinamerika-Korrespondentin geheilt worden. So geht sie in den Konflikten nüchtern und professionell mit den unterschiedlichen Sichtweisen um. Zwischendrin reflektiert sie immer wieder über ihren Beruf und den hohen Preis, den sie für das schnelle, selbständige Arbeiten an den gerade aktuellen Brennpunkten des Geschehens bezahlt. Die Spannung wischen Neugier und professionellem Ehrgeiz auf der einen und dem Wunsch nach emotionaler Nähe und Heimat auf der anderen Seite zieht sich durch das ganze Buch, an einer Stelle zu der Vermutung verdichtet, dass das, was sie zu einer guten Journalistin macht, auf der anderen Seite verhindert, dass sie Wurzeln schlägt und eine eigene Familie gründet.
Sybille Hamann: Dilettanten unterwegs. Journalismus in der weiten Welt. Picus Verlag, Wien 2007, 175 S.
Sibylle Hamann, Redakteurin des österreichischen Wochenendmagazins "Profil", erzählt in vier Vorlesungen zur Poetik des Journalismus ungeschminkt vom Alltagsgeschäft der Auslandsreporter. Mit ihren Schilderungen über mal banale, mal nervenaufreibende Arbeitstage entzaubert sie den Mythos des Traumberufs vieler Journalisten. Selbst hat sie als Reporterin aus Kuba, dem Kaukasus, dem Kosovo und dem Kongo, vom Konflikt zwischen Hutu und Tutsi in Ruanda und Burundi oder den Taliban aus Afghanistan berichtet. Hamann warnt eindringlich vor der Macht der Bilder und der Inszenierung von Katastrophen. Mit betont illustriertem Leid erzeuge der Journalismus zwar die richtige Stimmung für Krisenherde, produziere aber keine endgültigen Wahrheiten. Alles ist gemacht, nichts ist zufällig, lautet ihre Botschaft. Mit Biss und Witz appelliert sie deshalb an das Medienpublikum, den Journalismus nicht dilettantisch zu konsumieren, sondern immer und überall zu zweifeln.
Ute Daniel (Hrsg.): Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. bis zum 21. Jahrhundert. Vandenhoek & Ruprecht Verlag, Göttingen 2006, 264 S.
Mit diesem Sammelband ist der Historikerin Ute Daniel ein lesenswerter Überblick zur Geschichte der Kriegsberichterstattung gelungen. In insgesamt neun Beiträgen skizzieren Historiker, Kultur- und Medienwissenschaftler das von Auslandsreportern mitgeprägte öffentliche Bild des Krieges in den letzten zwei Jahrhunderten. Die Themen- und Kriegsschauplatzauswahl erfolgt chronologisch vom Siebenjährigen Krieg (1756-1763) bis zum 2003 begonnen Irakkrieg. Dabei korrigieren Autoren wie Andreas Gestrich, Gerhard Paul oder Lars Klein das immer noch gern romantisierte Berufsbild der Wort- und Bildkorrespondenten. Die Herausgeberin selbst betont, dass sich in den 250 Jahren internationaler Frontberichterstattung die Journalisten nur allzu oft als publizistische Verbündete und Handlanger der Militärs erwiesen hätten. Kriegsberichterstatter sind eben nicht nur "Augenzeugen" und "Aufklärer", sondern auch Kämpfende mit der Feder und tragen dazu bei, der Öffentlichkeit ein politisch gewünschtes Bild des Krieges zu vermitteln.
Die fundierten und interessanten Beiträge erschließen dem Leser, wie viel sich in der Medienberichterstattung seit Friedrich II. verändert hat, aber auch wie viel erstaunlicherweise gleich geblieben ist.
Christian F. Buck: Medien und Geiselnahmen. Fallstudien zum inszenierten Terror. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, 321 S.
"Inszenierter Terror" oder genauer, die Rolle der Medien bei Geiselnahmen ist das Untersuchungsthema der Promotion von Christian F. Buck. Der Autor vergleicht die Entführung der Göttinger Familie Wallert auf den Philippinen im Jahr 2000 mit anderen Fällen, wie zum Beispiel mit den "Sahara-Geiseln" in Algerien und Mali 2003 oder der Entführung von Susanne Osthoff im Irak 2005.
Aus verschiedenen Blickwinkeln – reales Geschehen, Medienberichterstattung und Regierungshandeln – rekonstruiert Buck die Ereignisse und zeigt auf, wie die mediale Aufbereitung durch Korrespondenten immer wieder das Regierungshandeln erheblich beeinflusst oder sogar durchkreuzt hat.
Stellenweise gleichen die detaillierten Ausführungen einem Handbuch über Verhaltensmaßnahmen bei Entführungen und weniger der Analyse von Fallstudien. Hier merkt der Leser die politische Praxiserfahrung des Autors, der mehr als zehn Jahre Pressesprecher beim Krisenstab des Auswärtigen Amts war und heute politischer Referent an der Ständigen Vertretung bei der EU in Brüssel ist.
Sonja Glaab (Hrsg.): Medien und Terrorismus – auf den Spuren einer symbiotischen Beziehung. BWV Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2007, 206 S.
Terroristische Kommunikationsstrategien, Medienberichterstattung über Terrorismus und die Wirkung der medialen Darstellung von Terrorismus – das sind die drei Hauptthemenbereiche in Sonja Glaabs zweitem Buch. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Internet als neues Medium für Terroristen, aber auch der Frage, inwiefern schon frühere terroristische Gruppierungen wie ETA und RAF die Massenmedien für ihre Zwecke zu instrumentalisieren verstanden.
Die Politikwissenschaftlerin konnte für den Sammelband namhafte Autoren gewinnen, die der symbiotischen Beziehung zwischen Medien und Terrorismus nachspüren. Darunter vertreten sind beispielsweise der ZDF-Terrorexperte Elmar Theveßen und Professor Gabriel Weimann von der Haifa-Universität in Israel. In aufschlussreichen Aufsätzen nehmen Kommunikations-, Geschichts- und Rechtswissenschaftler, sicherheitspolitische Praktiker sowie Journalisten aus ihrer Perspektive Stellung zu dem Thema. Dementsprechend vielfältig sind die Beiträge, die historische, empirische und normative Problemstellungen der Terrorismus- und Kommunikationsforschung beinhalten.
Sylvia Breckl: Auslandsberichterstattung im deutschen Fernsehen. Die Dritte Welt in Weltspiegel und auslandsjournal. Frank & Timme Verlag für wissenschaftliche Literatur, Berlin 2006, 213 S.
In ihrer Untersuchung der Fernsehberichterstattung über die Dritte Welt widmet sich Sylvia Breckl der wissenschaftlichen Betrachtung, Funktion und Analyse der beiden langjährigen deutschen Auslandsmagazine der öffentlich-rechtlichen Sender: dem "Weltspiegel" und dem "auslandsjournal". Die Kulturwissenschaftlerin interessiert die Frage, nach welchen Kriterien Auslandsberichterstattung im Allgemeinen und Dritte-Welt-Berichterstattung im Besonderen erfolgt. Darüber hinaus fragt sie nach dem Stellenwert von Auslandsberichterstattung für Völkerverständigung und den Dialog zwischen Kulturen – dem Programmgrundsatz bzw. -auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Im ersten Teil ihrer Studie gelangt sie über die Stereotypentheorie zu Rolle und Bedeutung der Medien in Konflikten. Im zweiten Teil erfolgt eine quantitative und qualitative Inhaltsanalyse der Dritte-Welt-Berichterstattung von je 12 "Weltspiegel- und "auslandsjournal-Sendungen aus dem Jahr 2003. Über den empirischen Teil ihrer Studie kommt Breckl zu der Erkenntnis, dass sich die Auslandsmagazine der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten durchaus als wichtige qualitative Ergänzung zu den üblichen katastrophenlastigen Nachrichtensendungen erweisen, wenngleich es Defizite im dialogischen Journalismus und der Transkulturellen Kommunikation gäbe. Im Vergleich mit anderen Studienergebnissen aus den 1980er Jahren vermutet sie, dass die Medienberichterstattung heute differenzierter und ausgeglichener sei.
aus: der überblick 04/2007, Seite 33
AUTOR(EN):
Birte Krüger