Nützlich, doch nicht immer bequem
Viele Fachkräfte, die bei Partnern des EED im Süden gearbeitet haben, leisten nach ihrer Rückkehr einen Beitrag als Ehrenamtliche in Deutschland. Sie unterstützen die Öffentlichkeitsarbeit oder bringen ihre Erfahrungen in die Gestaltung der Projektarbeit des EED ein. Das führt gelegentlich zu Konflikten mit dessen Zentrale in Bonn.
von Johannes Augel
Am Stand des Rückkehrerinnen-Ausschusses (RKA) und des Überseeregisters beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin sind die meisten Interessierten Jugendliche, denen mit dem Faltblatt des Arbeitskreises "Lernen und Helfen in Übersee" samt einigen Erläuterungen geholfen werden kann: Wo kann ich mich engagieren? Die Schokolade Sweet Solidarity von FairTrade oder Bio-Schoko-Orangen-Gebäck mit Zutaten aus dem Fairen Handel trösten sie über die Erkenntnis hinweg, dass Schüler, Studentinnen und Jugendliche ohne Berufserfahrung nicht als Fachleute zu vermitteln sind.
Aber die Frage ist ernst: Wieso wollen so viele junge Leute in einem Entwicklungsland arbeiten? Wo findet in der Gesellschaft und in den Köpfen von Gemeindemitgliedern die Verbindung statt zwischen menschlichem Elend "da unten" und persönlicher Lebensgestaltung bis hin zu dem Plan, seine berufliche Zukunft wenigstens auf ein paar Jahre mit dem Wunsch nach Weltverbesserung zu verbinden? Vielleicht ist ja unter den Kirchentagsbesucherinnen und -besuchern der Anteil der Optimisten und Willigen besonders hoch. Jedenfalls vermitteln ungezählte Besucher beim RKA-Stand den Eindruck, dass entweder das viel beklagte Ende der Dritte Welt-Bewegung nicht eingetreten oder der Wunsch zum Engagement konkreter, realistischer, ideologiefreier geworden ist.
Im Übrigen demonstrierte der RKA-Stand, welchen Wert der Einsatz von Ehrenamtlichen für den EED hat. Auch im Jahre Vier nach seiner Gründung ist der EED im Kirchenvolk noch weitgehend unbekannt. Den Besuchern von der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE) und vom Evangelischen Missionswerk zu sprechen, hilft der Erinnerung nach; auch "Dienste in Übersee" (DÜ) ist bekannt. Kritische Fragen werden gestellt: "Was bringt die Fusion?" Vor allem aber überzeugt die Standbesucher, was wir Fachkräfte, die auf Vermittlung von Dienste in Übersee bzw. des EED im Ausland waren und nun in Deutschland ehrenamtlich mitarbeiten von unserer Erfahrung vor Ort erzählen können. Manche Nachfragen sind erstaunlich gut informiert.
Doch bei aller Begeisterung der Beteiligten dürfte der EED längerfristig den RKA und das Überseeregister ebenso wie alle Ehrenamtlichenarbeit unter der nüchternen Frage ihrer Nützlichkeit beurteilen. Immerhin gibt es im Bereich des EED weit mehr als tausend zurückgekehrte Fachkräfte. Viele tauchen ab, aber andere halten auch Jahre nach ihrer Rückkehr die Verbindung zum RKA und zum EED. Oder sie lassen sich am Stand beim Kirchentag sehen. Der RKA erneuert sich mit Hilfe der Seminare für frisch Zurückgekehrte; dort werden seine Mitglieder gewählt, die das "Geschäft" dann ein paar Jahre weiterführen. Rund drei Dutzend Zurückgekehrte beteiligen sich regelmäßig am RKA.
Ihr Einsatz ist vielfältig und zum Teil kaum wägbar: Manche Zurückgekehrte arbeiten in Kirchengemeinden oder landeskirchlichen Gremien mit, in Kooperationsprojekten mit den ehemaligen Dienstgebern in Übersee oder in Informationsveranstaltungen. Der RKA ist auch eine Informations- und Vermittlungs-instanz für Anfragen aus Gemeinden und Verbänden, auch für Fachwissen zu einzelnen Ländern und Tätigkeitsfeldern. Für den EED lässt sich dieses Potential für die Öffentlichkeitsarbeit in Landeskirchen und Gemeinden nutzen, zum Beispiel auf Kirchentagen.
Nützlich und sinnvoll ist auch die Mitarbeit von Zurückgekehrten in den Gremien der Bonner Zentrale des EED. Die Riege der ehemaligen Auslandskräfte unter den jetzigen Hauptamtlichen des EED ist stark. Ihre Erfahrungen als Entwicklungshelfer oder entsandte Fachkräfte scheinen wichtig für die Arbeit in Bonn zu sein; das ist beim EED nicht anders als bei den anderen großen und kleinen Entwicklungshilfe-Organisationen. Ehemalige arbeiten aber auch ehrenamtlich in Gremien des EED mit: bei der Projektfindung und im Bewilligungsverfahren, von der "Anfo-Runde" (der ersten Beratung über Anforderungen der Partner in Übersee) über die Beiräte bis zum Bewilligungsvorstand.
Dabei hatte die Eingliederung von DÜ in den EED zunächst zu einer zähen und tiefen Sinnkrise bei der Vertretung der Zurückgekehrten geführt. Die grundsätzliche Überzeugung, dass es nützlich ist, die bei den Partnern gemachten Erfahrungen in die laufende Arbeit des EED einzubringen, schien mit (meist unausgesprochenen) Argumenten über DÜ-Traditionspflege und mit Vorstellungen von Veteranen-Nostalgie zu konkurrieren. Der EED-Vorstand zeigte "Verständnis" für die Anliegen des RKA wie für eine übernommene Verpflichtung, die ihm zuwuchs, mit der er aber wenig anzufangen wusste. Das hat sich inzwischen, nach vielen Gesprächen, geändert: Der RKA ist als selbstständiges Organ im EED akzeptiert, versteht sich als Teil des EED, und seine Mitarbeit wird von allen Seiten als nützlich begrüßt.
Aber die Aufgabe des RKA, authentische Informationen und persönliche Einschätzungen über kirchliche Entwicklungszusammenarbeit einzubringen und bei deren inhaltlicher Gestaltung mitzuwirken, ist nicht immer konfliktfrei. Den von den zurückgekehrten Fachkräften gewählten Vertreterinnen und Vertretern fallen immer wieder Aufgaben der Lobbyarbeit, der Interessenvertretung und der Konfliktschlichtung zwischen Fachkräften und der "Zentrale" zu. In einzelnen Fällen ist es zu Konflikten zwischen der entsandten Fachkraft und ihrem ausländischen Dienstgeber gekommen, in seltenen Fällen auch zu Problemen einer Fachkraft mit DÜ bzw. dem EED.
Eine so komplizierte Organisation wie die Entwicklungsagentur der evangelischen Kirchen steht natürlicherweise immer wieder zwischen strukturellen Notwendigkeiten und den persönlichen Interessen der vermittelten Fachkräfte. Wie entscheidet sie etwa bei einem Konflikt um die Nutzung des einzigen Fahrzeugs eines Krankenhauses, wenn ihr Partner, der Chef des Krankenhauses, das Fahrzeug auch als Dienstwagen in seiner Funktion als Bischof benutzt und die deutsche Fachkraft als Verwaltungsleiter die Notwendigkeiten des Krankenhauses (und der Kranken!) anders beurteilt als ihr Chef? Gibt die Jahre, vielleicht Jahrzehnte lange gute Zusammenarbeit mit dem Bischof den Ausschlag, auch wenn die deutsche Fachkraft das Fahrzeug für unentbehrlich für den laufenden Krankenhausbetrieb hält?
Die Erfahrungen der Fachkräfte können in Einzelfällen die Zusammenarbeit mit kirchlichen Einrichtungen in Drittländern in einem sehr anderen Licht erscheinen lassen, als sie sich unter dem Gesichtspunkt der zwischenkirchlichen Kontakte darstellen. Manchmal steht der RKA mitten in solchen Konflikten und bemüht sich zu vermitteln. So hat denn der EED mit dem RKA auch einen nicht immer einfachen Anwalt der Sichtweisen und Interessen der Fachkräfte von DÜ "geerbt". Es ist zumindest verständlich, wenn sich eine Organisation bemüht, potentielle Kritiker nicht zu nahe kommen zu lassen. Aber auch in solchen eher seltenen Fällen stand und steht die gemeinsame Suche nach den jeweils besten Lösungen bei allen Partnern an oberster Stelle. Und gerade wenn die Meinungen auseinandergehen, wird der RKA zu beweisen haben, dass er für den EED nützlich und sinnvoll ist.
aus: der überblick 04/2003, Seite 139
AUTOR(EN):
Johannes Augel:
Johannes Augel ist Mitglied des Forschungsschwerpunkts Entwicklungssoziologie der Universität Bielefeld. Er war mit "Dienste in Übersee" in Guinea-Bissau eingesetzt und ist seit 1997 Mitglied des Rückkehrerausschusses des Evangelischen ENtwicklungsdienst (www.rka-eed.de).