Was allen Menschen zusteht
Zum vierten Mal hat im Januar das Weltsozialforum stattgefunden, jenes bunte Treffen von Globalisierungskritikern und Aktivistinnen aus aller Welt unter dem Motto "Eine andere Welt ist möglich". Erstmals wurde es nicht in Brasilien ausgerichtet, sondern in der indischen Metropole Mumbai (Bombay).
von Bernd Ludermann
Der Wechsel des Ortes hat den Berichten zufolge seine Spuren in der Veranstaltung hinterlassen. Indische soziale Bewegungen und Protestgruppen von der Basis haben das Treffen geprägt; die Bewegung der Kastenlosen (Dalits) hat dem Thema "Rechte für indigene Gruppen und Minderheiten" unter Globalisierungskritikern Aufmerksamkeit verschafft. Und in Mumbai ist die Vielfalt der Widerstandskulturen klarer zutage getreten als in frühere Sozialforen in Brasilien.
Kann aus dieser Vielfalt eine globale Bewegung werden - zumindest für einzelne Themenfelder? Die Frage ist offen. Einen Ansatz sieht Danuta Sacher, die für "Brot für die Welt" teilgenommen hat, im wachsenden Interesse an Fragen der Menschenrechte. Einen ähnlichen Eindruck hat die Veranstaltung bei Jürgen Reichel vom EED hinterlassen: Gerade Organisationen aus dem Süden greifen auf soziale, wirtschaftliche und kulturelle Menschenrechte aus dem UN-Pakt von 1966 zurück und fördern so die Bildung eines Konsenses darüber, was allen Menschen für ein würdiges Leben zusteht.
Der Entwicklungsarbeit ist die Vorstellung von Rechten nicht fremd. Viele kirchliche Werke unterstützen zum Beispiel seit längerem Partner im Kampf um den Zugang zu Land. Die Verknüpfung der Entwicklungsförderung mit international verankerten Rechten ist jedoch ein neuer Trend. Das könnte helfen, Regierungen stärker in die Pflicht zu nehmen - die im Süden natürlich, aber auch die im Norden und internationale Organisationen, etwa wenn es um Handelsschranken und Umschuldungen geht.
Wieweit das funktioniert, wird freilich davon abhängen, wie nachdrücklich die Betroffenen ihre Rechte einfordern können. Auch wenn zum Beispiel das Recht auf Trinkwasser allgemein akzeptiert wird, ergibt sich daraus ja nicht unmittelbar, welche Schritte im Einzelfall geboten sind, es zu gewährleisten. Darüber muss gestritten werden - ein Streit, den in Indien unter anderem Partner des EED und von "Brot für die Welt" führen. Internationale Vernetzung, wie sie auf dem Weltsozialforum stattfand, kann ihre Position dabei stärken. Zumal wenn sie auch Entscheidungsträgern aus dem Norden ihre Anliegen vortragen können, so wie Frauengruppen aus Indien und Menschenrechtler aus Nepal: Sie trafen in Mumbai die Staatsministerin im Auswärtigen Amt und einen deutschen Parlamentarier.
aus: der überblick 01/2004, Seite 137
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".