In Kuba gedeiht der organische Landbau – nur am Export hapert es
Auslöser war der Mangel an chemischen Pestiziden und Dünger. Jetzt wird auf rund zwanzig Prozent der Anbaufläche in Kuba ökologischer Landbau betrieben. Mit Zucker, Honig, Kaffee und Mangos aus Bioanbau, aber auch mit biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln versuchen die Kubaner, auf dem Weltmarkt Fuß zu fassen. Bisher mit durchwachsenem Erfolg, denn politische Priorität genießt der Ökolandbau in Kuba nicht. Ein Grund dafür sind auch die Kosten der notwendigen Zertifizierung.
von Knut Henkel
Der Verkaufsstand des Vivero Organopónico Alamar ist gut bestückt. Mohrrüben, Kopfsalat, Rote Beete und Kartoffeln lagern in großen Plastikbehältern neben Auberginen und Paprika. Mit einer einladenden Armbewegung über den Tresen hinweg preist Miguel Angel Salcines die Ware an: »Alles aus ökologischem Anbau.« Neben Gemüse werden auch Zierpflanzen angeboten. Viele Bauern aus der Umgebung kommen auch hierher, um Setzlinge zu kaufen. Kleine, sorgsam herangezogene Tomaten- und Paprikapflanzen stehen derzeit hoch im Kurs. Für Miguel Salcines, den Direktor der Agrarkooperative mit dem offiziellen Namen Unidad Básica de producción cooperativa (UBPC), und die 55 Genossenschaftler laufen die Geschäfte gut. Das breite Angebot vom Vivero Alamar hat sich bis weit über die Nachbarschaft hinaus herumgesprochen. Längst kommen die Kunden nicht nur allein aus der von Plattenbauten dominierten Vorstadt Havannas.
Auf rund 3,8 Hektar Fläche wird dort ökologisch angebaut, und unter Insidern ist der Vivero Alamar so eine Art Musterbetrieb der grünen kubanischen Revolution. »Ökolandbau ist auf dem Vormarsch. Viele der Kleinbauern produzieren seit Jahren ohne den Einsatz von chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln, Kunstdünger und Co.«, erklärt Salcines. Der ergraute Agrarspezialist mit den optimistisch blickenden Augen kennt die kubanische Agrarstruktur wie kaum ein anderer. Mehr als 20 Jahre hatte er im Agrarministerium am Platz der Revolution gearbeitet bis er genug von der Theorie hatte und in die Praxis wechselte. Ein Entschluss, denn der 56-Jährige nie bedauert hat. »Ich habe mir einen alten Traum erfüllt. Ich wollte wissen, ob ich es besser kann«. Die Erfolge sprechen für sich: 160.000 Peso, umgerechnet fast 6000 Euro, hat die Kooperative auf der Bank. 108 Tonnen Gemüse wurden im letzten Jahr produziert, hinzu kommen 2,3 Millionen Setzlinge und einige Tausend Zierpflanzen. Die Geschäfte laufen gut, und an neuen Ideen mangelt es nicht.
Gemeinsam mit Vizedirektorin María Josefa und drei weiteren Genossen hat Salcines im Jahr 1996 auf 0,6 Hektar angefangen, Gemüse zu produzieren. Beim Start in die Selbständigkeit half ein deutscher Partner: die Welthungerhilfe. Die Agro Acción Alemana, wie sie in Kuba heißt, finanzierte unter anderem die großen, vor Hurrikans sicheren Gewächshäuser, in denen die Setzlinge unter Tröpfchenberieselung gezogen werden. Längst ist der deutsche Partner raus aus dem Projekt, erläutert Peter Sasse, Projektkoordinator in Havanna. »Die Kooperative steht auf eigenen Beinen und wartet mit immer neuen innovativen Ideen auf«. Die Tropfenberieselung gehört dazu, und zusätzliche Flächen hat Salcines auch im Visier. Beim Start war der Boom nicht absehbar.
Nahrungsmittel waren damals extrem knapp. Händeringend suchte die kubanische Regierung zu Beginn der neunziger Jahre nach Alternativen um die Nahrungsmittelversorgung zu verbessern. Ein Weg dazu war der Aufbau der agricultura urbana, einer Landwirtschaft mitten in der Stadt. Grün- und Freiflächen in den Städten wurden Anfang der neunziger Jahre für den Nahrungsmittelanbau freigegeben. Ein Konzept, das relativ gut gegriffen hat. Benzin und Kosten für den Transport von Lebensmitteln vom Land in die Stadt wurden gespart und die Versorgung der Bevölkerung in Kubas Großstädten verbessert. Geld von der kubanischen Regierung gab es dafür nicht. »Uns stellte der Staat das Land zur Nutzung zur Verfügung und erhob eine Steuer von fünf Prozent auf die Verkaufserlöse das war es schon«, erklärt Salcines die schwierigen Startbedingungen.
Die gesamte kubanische Landwirtschaft hatte zu Beginn der neunziger Jahre zu leiden. Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel, Arbeitsgerät, Maschinen und selbst Treibstoff wurden mit dem Ausfall der Lieferungen aus der Sowjetunion, der DDR und anderer sozialistischer Staaten knapp. Und »was noch da war, blieb der exportorientierten Landwirtschaft, etwa dem Tabak-, dem Zucker- oder dem Zitrusanbau, vorbehalten«, schildert Nilda Pérez von der Agraruniversität Havanna die damalige Situation. Der Rest der Landwirtschaft saß buchstäblich auf dem Trocknen das Ende des Agrarmodells, das auf intensivem Einsatz von Chemie und Technik basierte, war besiegelt.
»Kubas Landwirtschaft hatte Ende der achtziger Jahre ein Mechanisierungsniveau wie die in Europa. Beim Einsatz von chemischen Düngemitteln pro Hektar waren wir Weltspitze. Dann kam der große Einbruch: Der Einsatz von Düngemitteln ging binnen weniger Monate um 77 Prozent zurück, der von Pestiziden um 73 Prozent. Uns blieb gar nichts anderes übrig als umzustellen«, erzählt die 54-jährige Agrarspezialistin.
Allerdings waren die Kubaner nicht gänzlich unvorbereitet: Bereits Ende der achtziger machten abnehmende Bodenqualität, Erosion, Ödlandbildung und stagnierende Erträge nicht nur Fachleuten zunehmende Sorgen. Hohe Rückstände von Pestiziden und Düngemitteln in den Böden führten zum Umdenken: Man begann nach Alternativen zu suchen und entwickelte die ersten biologischen Schädlingsbekämpfungsmittel, die in den Labors und auf dem Land zügig erprobt wurden, erinnert sich Nilda Pérez. Sie ist seit der ersten Stunde dabei und jetzt Spezialistin für biologische Schädlingsbekämpfungsmittel an der Agraruniversität Havanna. »Wir haben damals sowohl das traditionelle Wissen wieder ausgegraben als auch neue Methoden entwickelt, um die Pflanzen vor Befall zu schützen, aber auch um die Bodenqualität zu verbessern.« Schon Anfang der neunziger Jahre wurden der Studiengang Agrarökologie an der Agraruniversität von Havanna eingeführt und die Forschung intensiviert.
Wie man den Süßkartoffelbohrer durch den Einsatz von Wächterameisen bekämpft oder wann man die Schlupfwespe am besten aussetzt, um das Zuckerrohr vor Schädlingsbefall zu schützen, wissen heute viele kubanische Bauern. Das Wissen wird von den Spezialisten der Agraruniversität in Havanna in Seminaren weitergegeben. Darüber hinaus kursieren zahlreiche Broschüren mit den wichtigsten Tipps im ganzen Land. Verteilt werden sie unter anderem durch die 14 von der Gesellschaft für Agrar- und Forsttechnik (ACTAF) betriebenen Musterfarmen des organischen Landbaus. Jede Provinz Kubas hat mittlerweile eine solche Muster-Finca, wo organischer Landbau betrieben wird, aber auch Seminare, Workshops und Informationsveranstaltungen zum organischen Landbau stattfinden. Die ACTAF ist ein wesentliches Instrument zur Verbreitung von Fachkenntnissen über Biolandbau. Zur ACTAF gehört auch einer der Väter der organischen Agrarwende in Kuba Fernando Funes Aguilar. Der ehemalige Präsident der Grupo de Agricultura Organica (GAO), die 1999 den alternativen Nobelpreis für ihre Verdienste um den organischen Landbau in Kuba erhielt, hat vor zwei Jahren ein Buch über den Umbau der kubanischen Landwirtschaft herausgegeben. Für ihn ist Kuba auf dem richtigen Weg, auch wenn bei den klassischen Exportprodukten wie Zucker, Tabak und Zitrusfrüchten nach wie vor das inputintensive Bewirtschaftungsmodell vorherrscht.
Dem steht das alternative Modell mit einer eigenen Infrastruktur gegenüber: Kuba verfügt über ein Netz von mehr als 300 Zentren zur Produktion von Pflanzenschutzmitteln, genannt Reproductores de Entomófagos y Entomopatógenos (CREE), erläutert der Agrarökonom Armando Nova von der Universität Havanna. Sieben verschiedene Arten von Schädlingsbekämpfungsmitteln, von Bakterien über Pilze bis zu Insekten, werden dort gezogen und vermehrt. Insektenfresser, die wie die Schlupfwespe Eier von Schädlingen frisst, werden bei der alternativen Schädlingsbekämpfung genauso eingesetzt wie Mikroorganismen oder aus ihnen gewonnene Toxine, die auf Insekten, Milben oder Fadenwürmer tödlich wirken. Zudem werden pflanzliche Extrakte zum Schutz der Kulturpflanzen vor Schädlingsbefall genutzt Tabakbrühe oder Extrakte der Früchte des Niembaums etwa, schildert er die Entwicklung der letzten Dekade. Drei neue industrielle Anlagen stellen zusätzlich konzentrierte Biopestizide her, so stellte die kubanische Tageszeitung Granma im Sommer 2004 groß heraus. Zwar werden deren Kapazitäten kontinuierlich erweitert, aber der Bedarf ist wesentlich größer als das Angebot. Derzeit werden rund 2500 Tonnen jährlich hergestellt.
Auch der Vivero Alamar kauft bei einer dieser staatlichen Einrichtungen alternative Pflanzenschutzmittel ein. »Wir versuchen aber auch durch Zwischensaat von Mais und anderen Pflanzen den Schädlingen möglichst wenig Angriffsfläche zu geben«, erklärt Direktor Salcines. Der Genossenschaftschef muss sich ständig um die Beschaffung von Kompost, Dung und Humus kümmern, denn die Nachfrage nach biologisch angebauter Ware steigt ständig. So schätzt Agronom Nova die jährliche Produktion von Humus auf 80.000 bis 100.000 Tonnen Tendenz steigend. »Die Nachfrage ist jedoch in den letzten Jahren explodiert. Dazu beigetragen hat auch das Zuckerministerium, dass angeordnet hat, vermehrt auf Kompostdüngung umzustellen, da für den Einkauf agrochemischer Düngemittel das Geld fehlt« erläutert Nova.
Trotz derartiger Signale ist für Nova nicht damit zu rechnen, dass der Ökolandbau die konventionelle Landwirtschaft in absehbarer Zeit ersetzen wird. Laut der Planung der Regierung soll der Biolandbau die konventionelle Produktion lediglich ergänzen und mindert Versorgungslücken mindern. »Nehmen sie das Beispiel des Kartoffelanbaus. Der wird in Kuba in großem Stil und mit einem erheblichen Einsatz von agrochemischen Mitteln betrieben, um die notwendigen Mengen zu erzielen«, erklärt Nova. »Zwar sind die Spezialisten der Meinung, dass man eine ähnliche Produktion auch auf organischem Weg erzeugen könnte, aber die Produktion ist so wichtig, dass das Risiko der Umstellung und damit auch von Produktionsausfällen erst gar nicht eingegangen wird«, schildert der Agrarspezialist bestehende Ängste. Nicht viel anders sehe es beim Tabakanbau aus.
Doch es gibt auch andere Signale: so wird das Programm Arroz popular (Volksreis) auf organischer Basis durchgeführt. Rund ein Drittel des Bedarfs, etwa 200.000 Tonnen, wird laut Nova bereits über dieses Programm erzeugt, das langfristig Importe in Höhe von 300.000 Tonnen ersetzen könnte.
Die Speerspitze der grünen Revolution in Kuba sind die kleinen Privatbauern, die rund zwanzig Prozent der Anbaufläche bestellen. Schätzungen Novas zufolge betreiben zwischen 70 und 90 Prozent von ihnen alternativen Landbau. Ihr Verband, die Asociacion Nacional de Agricultores Pequenos (ANAP), wirbt offensiv für die Abkehr vom konventionellen Modell. Vielleicht auch ein Grund, weshalb sich Ricardo Alarcón, der kubanische Parlamentspräsident, im Dezember 2003 in Europa mit Bioagrarspezialisten vom Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) getroffen hat. Seit 1997 betreuen deren Spezialisten Biolandbauprojekte in Kuba und helfen auch beim Verkauf der Erzeugnisse. Zudem bietet der Ökolandbau aus politischer Perspektive einen weiteren interessanten Vorteil. »Er ist arbeitsintensiv«, sagt Alberot Bahamonde. »Diese Anbauform bietet eine nicht zu unterschätzende Zahl von Arbeitsstellen, und die Bauern, die im Ökolandbau arbeiten, verdienen wesentlich besser als ihre Kollegen in der konventionellen Landwirtschaft, da die Preise für ihre Produkte ungleich höher sind«, betont der Agrarwissenschaftler im Dienste der Nürnberger Zertifizierungsgesellschaft »BCS Ökogarantie«. Diese zertifiziert Biolandbaubetriebe in Kuba, und die Geschäfte laufen dort gut: Rund die Hälfte der Betriebe, die bisher ein Gütesiegel haben, wurden von BCS zertifiziert. Das Agrarministerium in Havanna hat laut Bahamonde von BCS ein Angebot für die Beratung der Kubaner bei der Gründung einer eigenen Zertifizierungsagentur eingeholt. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass auf der Entscheidungsebene in Kuba über den verstärkten Export von Bioprodukten nachgedacht wird. Das Potential ist beachtlich, urteilt Armando Nova, der den internationalen Markt für Bioprodukte sondiert hat.
Bisher liefert Kuba Kaffee, Kakao, Honig, Zitrusfrüchte und Zucker aus ökologischem Landbau ins Ausland, vor allem nach Japan, Kanada, England und in die Schweiz. Um den Handel auszuweiten, müsste im größeren Stile zertifiziert werden. Doch das ist kostspielig, weshalb eine nationale Zertifizierungs- und Kontrollgesellschaft eine Alternative sein könnte. Auch auf dem heimischen Markt kann eine Zertifizierung hilfreich sein. Vivero Alamar würde seine Produkte dann zertifizieren lassen. Nur allzu gerne würde Direktor Salcines Bio-Gemüse auch an die internationalen Hotels liefern und so neue Absatzmärkte in Kuba erschließen. Eine Option, die auch Agronom Nova im Blick hat, denn den Export auf den internationalen Markt hält er für ungleich komplizierter. Bürokratische Hürden auf kubanischer Seite und die unzureichende Infrastruktur sind dafür genauso verantwortlich wie der lange Prozess bis zur internationalen Anerkennung einer kubanischen Zertifizierungsgesellschaft.
An dieser Bürokratie ist der deutsche Naturkost-Großhändler »Elkershausen« laut Hermann Heidberg, der dort das Kuba-Geschäft betreut, gescheitert. Bis der Vertrag über die Lieferung von Biozucker an das Unternehmen zustande kam, hatte er es mit insgesamt siebzehn Ministerien zu tun, klagt Heidberg, der die Kooperation Ende 2003 auslaufen ließ. Bessere Erfahrungen hat Lukas Kilcher vom Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau gemacht. Er hat den Kontakt mit Wirtschaftsunternehmen vermittelt, und seit mehreren Jahren finden sich Biozitrussäfte von der Karibikinsel im Angebot der Schweizer Coop-Supermärkte. »Ausdauer und Fingerspitzengefühl sind nötig, um mit den Kubanern ins Geschäft zu kommen«, urteilt Kilcher. Das laufe so gut, dass Kokosnüsse Mangosaft, Kakao und Kaffee aus ökologischem Anbau in naher Zukunft die Angebotspalette ergänzen sollen. Ein Beispiel, dass Schule machen könnte.
KleinbauernErfahrung multipliziertFür nachhaltige Entwicklung in Kuba setzt sich nicht zuletzt der »Kubanische Kirchenrat« im Rahmen seiner Arbeit der »Ökumenischen Diakonie« ein. Dazu zählen auch Programme zur Förderung einer umweltverträglichen Landwirtschaft, die aus Deutschland vom »Evangelischen Entwicklungsdienst« und von »Brot für die Welt« unterstützt werden. Über einen Kleinprojektefonds fördert der EED beispielsweise in sechs Provinzen Kubas rund 50 Vorhaben der umweltverträglichen Landwirtschaft, biologischen Nahrungsmittelproduktion zur Selbstversorgung und zum Verkauf auf Bauernmärkten sowie der Nutzung erneuerbarer Energien. Im Rahmen solcher Programme werden Kleinbauern darin geschult, gemeinsam mit anderen ihre Projekte zu planen und ihr Wissen an andere Kleinbauern weiterzugeben. »Brot für die Welt« (BfdW) unterstützt seit Anfang der neunziger Jahre Bauernorganisationen in Lateinamerika, die nach dem Konzept der »von Bauer zu Bauer« Methode arbeiten. Ziel ist es, mit diesem Instrument das Wissen und die Methoden für umweltverträgliche und nachhaltige Landwirtschaft zu verbreiten. Inzwischen gibt es ein »PIDAASSA« genanntes Dialog- und Beratungsprogramm für nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherheit, an dem alle von BfdW in diesem Bereich geförderten Partnerorganisationen in verschiedenen Ländern Lateinamerikas teilnehmen und mit dessen Hilfe Bäuerinnen und Bauern auch länderübergreifend voneinander lernen können. In Kuba arbeitet BfdW mit dem dortigen Kirchenrat, dem nationalen Kleinbauernverband ANAP sowie sechs anderen Partnerorganisationen im Rahmen des PIDAASSA zusammen. Neben der Projektförderung erhalten die Organisationen fachliche Beratung in technischen, methodischen und konzeptionellen Aspekten nachhaltiger Landwirtschaft und Ernährungssicherheit sowie in Fragen der Gendergerechtigkeit, die wesentlicher Bestandteil nachhaltiger Entwicklung ist. Hier gibt es in dem von Machismus geprägten Land noch viel zu tun. So verfügt die ANAP bis jetzt nur über einen Frauenanteil von 10 Prozent. PIDAASSA trägt dazu bei, dass sich die Projektverantwortlichen dieser Problematik bewusst werden und in ihren Organisationen auf Änderungen hinwirken. Neben der Fachberatung ist vor allem der Erfahrungsaustausch unter den Organisationen wichtig. In Kuba spielen für die Ernährungssicherung neben der Landwirtschaft auch städtische Obst-, Gemüse- und Kräutergärten eine Rolle, nachdem die Regierung öffentliche Brachflächen in den Städten für die private Nahrungsproduktion freigegeben hatte, um Ernährungsmängel zu lindern. Allein in der Hauptstadt Havanna gibt es inzwischen über 1800 solcher Obst- und Gemüsebauern. »Brot für die Welt« unterstützt sie dabei, ihre Kenntnisse in der ökologischen Produktion und Konservierung von Lebensmitteln zu erweitern. Dabei wird die Methode der so genannten Permakultur vermittelt, die den ökologischen Anbau als System begreift, in dem Bodenverbesserung, die Kombinationen von Pflanzen, Futter und Tierzucht, bestäubende Insekten und die Lebensweise der Menschen als zusammenhängendes System gesehen werden. Vor allem Menschen mit kleinbäuerlichem Hintergrund, die in die Stadt abgewandert sind und jahrelang anderen Tätigkeiten nachgegangen sind, lassen sich, wenn sie pensioniert sind, oft ein Stück Land von der Regierung zuteilen, um das dann mit anderen zusammen zu bewirtschaften. Ein Beispiel ist die Finca el Paraiso unweit von Havanna an der Küstenstraße Richtung Mantanzas. Dort baut ein etwa 65jähriger pensionierter Militär Bohnen, Mais, verschiedene Gemüse, Obstbäume an und hält Schweine und Hühner. Ein Projektpartner BfdW hat ihn in den Methoden der Permakultur ausgebildet, die er jetzt ganz begeistert anwendet. Im Rahmen der »von-Bauer-zu-Bauer-Methode« tauscht er seine Erfahrungen mit anderen aus. Mit den Produkten, die er erwirtschaftet, kann er die Ernährung seiner Familie sichern und gibt einen weiteren Teil an die Regierungsstellen ab, die die Produkte zu günstigen Preisen an der Bewohner des Stadtviertels verkaufen. Darüber hinaus beliefert er Altenheime und Krankenhäuser. Wirtschaftliche Interessen verfolgt er nicht; er ist noch einer der alten Revolutionäre, denen die Ideale der Revolution viel bedeuten. Kuba ist weitgehend auf Eigenversorgung angewiesen, vor diesem Hintergrund spielt die nachhaltige Landwirtschaft, die auf die Nutzung eigener Ressourcen setzt, eine große Rolle. Deshalb stößt dieses Konzept auch auf so große Zustimmung. Die Führungsspitze des Kleinbauernverbandes ANAP will das Konzept jetzt auch über die von BfdW hinaus geförderten Projektregionen in anderen Teilen des Landes umsetzen. du |
Biolandbau KonferenzKontaktbörseAlle zwei Jahre findet in Havanna die internationale Biolandbau-Konferenz statt. Sie dient als Info- und Kontaktbörse, aber auch als Schaufenster für die kubanischen Erfolge und findet 2005 im Mai statt. Mit von der Partie wird auch die deutsche BCS sein, die ein biologisches Schädlingsbekämpfungsmittel namens Labiofam zertifiziert hat. Zudem steht die Zertifizierung für ein organisches Düngemittel an. Beides Produkte, die sich auch exportieren lassen. Knut Henkel |
aus: der überblick 01/2005, Seite 81
AUTOR(EN):
Knut Henkel:
Knut Henkel ist freier Journalist mit Schwerpunkt Lateinamerika und schreibt für die »Neue Zürcher Zeitung«, »die tageszeitung« und andere Medien.