Erneuerbare Energien sind nicht nur für den Klimaschutz von Bedeutung
Erneuerbare Energien sind nötig, um den Klimawandel zu bremsen und Armut zu bekämpfen. Beides sind Kernanliegen von Kirchen und kirchlichen Werken, die sich deshalb auch für die Förderung von "grünen" Energien einsetzen. Die internationale Konferenz über Erneuerbare Energien in Bonn im Juni hat die Armutsbekämpfung jedoch vernachlässigt.
von Bernd Ludermann
Das Bonner Rheinufer war Anfang Juni Schauplatz einer Besetzung der besonderen Art: einer Strandnahme von der anderen Seite des Äquators. Zwei Vertreter von Kirchen aus den Inselstaaten des Pazifik nahmen symbolisch zwanzig Quadratmeter der Promenade in Besitz. Für das Südsee-Flair feinen Sand, Liegestühle, Sonnenschirme und ein Poster hatten Mitstreiter aus Deutschland gesorgt, darunter der EED und der evangelische Kirchenkreis Bonn.
Die fröhliche Aktion hatte eine bedrückende Botschaft: Die Erderwärmung bedroht viele Inselstaaten des Pazifik in ihrer Existenz. "Das Wetter bei uns wird weniger vorhersehbar", erklärt Bureieta Karaiti, der Generalsekretär der Protestantischen Kirchen Kiribatis. "Stärkere Fluten ruinieren unsere Fischfallen vor der Küste. Auch die Mangroven verschwinden und damit die Krabbenzucht. Einige kleine, vorgelagerte Inseln in der Lagune sind praktisch bereits verschwunden." Da viele Atolle nur wenige Meter über den Meeresspiegel ragen, werden sie unbewohnbar, wenn dieser so ansteigt, wie Klima-Experten befürchten.
Bureietas Hilferuf richtete sich nicht zuletzt an die Delegierten der Internationalen Konferenz über Erneuerbare Energien, kurz Renewables, die einige hundert Meter rheinaufwärts tagte. Vertreter von über 150 Regierungen, von internationalen Organisationen, Unternehmen und nichtstaatlichen Gruppen (NGOs) befassten sich dort mit Wegen, die Nutzung von Erneuerbaren Energien (EE) zu fördern und ihren Anteil am globalen Energieverbrauch zu erhöhen. Auch der EED und Brot für die Welt waren im Konferenzgebäude vertreten.
Für Kirchen und kirchliche Hilfswerke ist das Thema aus zwei Gründen wichtig. Der von Menschen verursachte Klimawandel kann nur noch verlangsamt werden, wenn der Ausstoß an Treibhausgasen stark vermindert wird. Die Hälfte dieses Ausstoßes stammt zur Zeit aus der Verbrennung fossiler Energienträger, die vier Fünftel des Welt-Energieverbrauchs liefern (für die andere Hälfte sind die moderne Chemie, die Waldvernichtung sowie die Landwirtschaft verantwortlich). Die globale Nachfrage nach Energie wird infolge der Industrialisierung insbesondere in Asien weiter ansteigen. Nur wenn sie bis Mitte des Jahrhunderts zu mindestens der Hälfte aus EE gedeckt wird, kann der Klimawandel wahrscheinlich in erträglichen Grenzen gehalten werden. Denn Wind- und Wasserkraft, Solarenergie, Erdwärme oder Biomasse tragen nicht zur Anreicherung der Atmosphäre mit Treibhausgasen bei.
Zum anderen sind EE ein wichtiges Mittel der Armutsbekämpfung. Rund zwei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Elektrizität. Manche für Arme zugängliche Formen moderner Energie wie Strom aus Batterien und Gas aus Flaschen sind zudem teurer als die für Reiche verfügbaren wie Strom aus dem Netz. Energiemangel ist nicht nur ein Kennzeichen, sondern auch eine Ursache von Armut. Zum Beispiel erhöht Holzsammeln die Arbeitsbelastung besonders von Frauen und Kindern. Traditionelle Holzherde verursachen Atemwegserkrankungen. Die meisten Wasserpumpen brauchen Diesel oder Strom. Und ohne Elektrizität können keine Medikamente und Impfstoffe gekühlt, keine Radios und Telefone betrieben und schlechter abends Schulaufgaben gemacht werden.
Die Investitionen für ein flächendeckendes Strom- oder Gasnetz sind jedoch sehr teuer. Arme Länder müssen zudem schon heute einen großen Teil ihrer Deviseneinkünfte für den Import von Erdölprodukten ausgeben. Will man Landgebiete in armen Staaten und selbst in Schwellenländern wie Indien und China mit moderner Energie versorgen, dann sind deshalb EE, die dezentral und nach vergleichsweise kleinen Investitionen genutzt werden können, die beste, oft die einzige Chance (vgl. das Gespräch mit Joe Madiath). Sie sind deshalb auch Bestandteil vieler kirchlicher Entwicklungsprojekte (vgl. Kasten).
Kurz: Die Förderung von EE ist sowohl Bestandteil des Klimaschutzes als auch der Armutsbekämpfung. Der Ertrag der Renewables-Konferenz war in beider Hinsicht bescheiden jedenfalls was ihre Beschlüsse angeht. Die Bundesregierung versprach zusätzliche 500 Millionen Euro für Entwicklungszusammenarbeit im Bereich EE. Die Weltbank sagte zu, ihr Engagement dort in fünf Jahren zu verdoppeln, aber von einem niedrigen Niveau aus; ihre viel höhere Förderung für fossile Energieträger will sie nicht einstellen, obwohl das eine von der Bank selbst bestellte unabhängige Kommission gefordert hat. Und die meisten Aktionen, die Regierungen, Unternehmen und internationale Institutionen im Aktionsprogramm der Konferenz ankündigen, waren ohnehin geplant das Programm ist, so der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, in Wahrheit nur "eine Aktionsliste".
Doch ein Umsteuern von fossiler auf erneuerbare Energie wird ohnehin kaum Ergebnis eines internationalen Konsenses sein. Eher können entschlossene Vorreiter mit Anstoß-Subventionen EE wirtschaftlich lohnend machen und so eine Dynamik auslösen, der die Übrigen folgen müssen. Darauf setzen interessanterweise viele Bundesstaaten der USA. So hat Kalifornien für 2017 eine Quote von 20 Prozent Erneuerbaren am Energieverbrauch gesetzlich festgelegt und will das noch erhöhen, erklärt John Geesman von der staatlichen Energie-Kommission Kaliforniens. Die Regierung Bush strebe, anders als viele Staaten der USA, zwar keine Verminderung der Treibhausgase an. Aber, so Geesman, die Energiepolitik wird in den USA traditionell nicht in Washington gemacht; die Zentrale werde sich irgendwann den Realitäten beugen müssen, die Vorreiter wie Kalifornien schaffen. Bleibt nur die Frage, ob das für den Klimaschutz schnell genug geschieht.
Immerhin hat die Renewables-Konferenz wohl dazu beigetragen, unter den Spitzen der globalen Politik und Geschäftswelt das Image von EE zu verändern: Sie erscheinen zunehmend als modern und mit großem Potenzial. "Ohne diesen Mentalitätswandel gibt es keine politische Strategie zur Förderung von EE", erklärt Scheer. "Denn eine ernsthafte Strategie kann man nicht von Leuten erwarten, die EE für Pipifax halten." Zum Umdenken trägt auch die Einsicht bei, dass EE in den Industrieländern Arbeitsplätze schaffen und eine Verringerung der Abhängigkeit von Ölimporten versprechen. Infolge der Krisen im Nahen Osten sind sie zum Thema der Sicherheitspolitik geworden.
Einen gewissen Fortschritt sieht Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung auch darin, dass mehrere Länder des Südens EE nicht mehr als minderwertigen Ersatz, sondern als Weg zu Entwicklung ansehen als auch wirtschaftliche Chance. Insbesondere die Ankündigungen aus China, den Philippinen und Ägypten während der Renewables weisen auf einen neuen politischen Einsatz für diese Techniken hin.
Doch nicht zufällig sind das Schwellenländer. Was EE den ärmsten Ländern nützen, stand auf der Konferenz in Bonn ganz im Hintergrund. Auf Wilfried Steen vom EED, der zur deutschen Konferenzdelegation gehörte, wirkte die Veranstaltung deshalb stellenweise wie eine Verkaufsmesse. Und die ausgestellte Technik taugt nur teilweise zur Armutsbekämpfung.
Denn der Sammelbegriff "Erneuerbare Energien" verdeckt, dass in armen Ländern und abgelegenen Gebieten oft ganz andere "grüne" Energie-Techniken gebraucht werden als in Industrie- und Schwellenländern (zumindest in den Ballungszentren). Solarthermische Großkraftwerke oder Offshore-Windparks nützen den Dörfern im Sahel in absehbarer Zeit wenig. Die Ingenieurin Thera Aminata Fofana aus Mali erklärt, was sie dort statt dessen propagiert: Aus nicht essbaren Nüssen wird Öl gepresst, das Diesel ersetzt, der in abgelegenen Gebieten zeitweise nicht zu bekommen ist. Mit Sonnenlicht wird Wasser erhitzt oder Gemüse und Obst getrocknet, um es haltbar zu machen (in den Geräten dazu kann durchaus großes Ingenieurwissen stecken). Photovoltaik kommt, weil sie sehr teuer ist und die Geräte importiert werden müssen, in Mali nur für besonders wichtige Aufgaben in Frage: "Sie ist sinnvoll, um Licht in Schulen zu bringen oder Impfstoffe zu kühlen", sagt Fofana.
Völlig außen vor blieb auf der Konferenz in Bonn ein Thema, das den Strandbesetzern aus dem Pazifik besonders wichtig ist:
der Zusammenhang zwischen Energieverschwendung und der modernen Konsumgesellschaft. Sich von den fossilen Energien verabschieden heißt auch, diesen Lebensstil zu überdenken, betont der zweite Besetzer aus dem Süden, der Pazifik-Referent des Ökumenischen Rates der Kirchen Feilokitau Kaho Tevi. Er wünscht sich, dass die Kirchen, auch die deutschen, darüber deutlicher sprechen.
Kirchliche Förderung für Erneuerbare EnergienMehr auf Wirtschaftlichkeit achtenSeit langem ist die Förderung von Erneuerbaren Energien (EE) Teil von Projekten des Kirchlichen Entwicklungsdienstes. Aus Anlass der Konferenz xxRenewablesyy in Bonn haben "Brot für die Welt" und der EED die Erfahrungen damit auswerten lassen. Die FAKT-Beratung für Management, Bildung und Technologie in Stuttgart hat die Akten von 65 Projekten gesichtet und einen Fragebogen an Projektpartner im Süden verschickt; von denen haben 19 zu 30 der Projekte Auskunft gegeben. Insgesamt bewerten sie den Beitrag von EE zur Armutsbekämpfung als hoch wegen des Beitrags zu Ernährungssicherung, Geschlechtergerechtigkeit, Gesundheit und Ausbildung sowie zum Erhalt der natürlichen Ressourcen. 13 der 30 Projekte bezeichnen die Partner als erfolgreich, 9 (die zum Teil noch laufen) als teilweise erfolgreich. Viele weisen aber auf Probleme beim Transfer des technischen Wissens und bei der Finanzierung von Investitionen hin und betonen, dass Neuerungen in den Dörfern stets nur langsam akzeptiert werden. EE haben der FAKT-Studie zufolge entscheidende Vorteile für die Armen. Sie verursachen keine laufenden Kosten für Brennstoffe, sind in der Nähe der Nutzer verfügbar und für dezentrale Nutzung besonders geeignet. Daher bleiben sie von den Wechselfällen der nationalen Politik und des Weltmarkts unberührt. Die andere Seite der Medaille ist, dass sie gemessen am Einkommen der Armen hohe Anfangsinvestitionen erfordern. Zudem sind sie nicht so universell einsetzbar wie Diesel oder Strom aus dem Netz, an den man jedes Endgerät anschließen kann. Solartrockner müssen zum Beispiel speziell auf die zu trocknenden Früchte zugeschnitten werden; Biogas dient vor allem zum Kochen und ist von der Art der lokalen Viehhaltung abhängig. Dies und die dezentrale Nutzung bedeuten, dass die Verbreitung dieser Techniken und der Unterhalt der Anlagen andere Organisationsformen und mehr Rücksicht auf die lokale Kultur erfordern als der schlichte Bau von Strommasten. Kirchliche Projekte haben vor allem auf Kleinwasserkraftwerke gesetzt, eine ausgereifte und wirtschaftliche Technik. An zweiter Stelle standen Biogas und Photovoltaik. Diese diente meist der Stromversorgung von Krankenhäusern oder Gesundheitsstationen oder ging mit der Montage kleiner Solarlampen einher. Für die Förderung der recht teuren Photovoltaik fehlen den kirchlichen Werken bisher klare entwicklungspolitische Maßstäbe, findet die Studie. Relativ wenig geschah für die Verbesserung von Kochstellen und für die Aufforstung. Möglicherweise, so FAKT, fanden viele lokale Partner diese vor allem für Frauen bedeutenden Schritte nicht so wichtig. Das Ziel der Förderung für EE muss laut FAKT sein, dauerhaften technischen Wandel anzuregen, der immer mit sozialem Wandel einhergeht. Das braucht Zeit. Daher müsse die Förderung, statt einzelne Projektinseln zu schaffen, langfristig angelegt sein. Nur so kann technisches Wissen an einheimische Fachleute weitergegeben und dann sichergestellt werden, dass diese es außerhalb ihres ursprünglichen Projekts nutzen und weitergeben. Teilweise sind kirchliche Werke so vorgegangen; so haben sie in den 1980er Jahren den Süd-Süd-Austausch über Kleinwasserkraft unterstützt. Manchmal haben sie aber einzelne Kraftwerke zum Beispiel für ein Krankenhaus gebaut, ohne dass ein Ausstrahlungseffekt eingetreten ist. Weiter rät FAKT, kirchliche Werke sollten bei der Förderung von EE stärker als bisher darauf achten, dass diese sich auch wirtschaftlich rechnen. Nur wenn die Vorteile klar erkennbar sind, werden arme Menschen zu Investitionen mit längerer Laufzeit bereit sein und damit die Technik verbreiten. Eine weitere Bedingung dafür ist, dass sie Kredite bekommen können. Kirchliche Werke sollten deshalb weniger Zuschüsse für EE zahlen und statt dessen darauf hinwirken, dass Kleinkredite für Investitionen in EE bereit stehen. Statt vorwiegend mit Dorfgemeinschaften als Projektträger zu arbeiten, sollten auch Kleinunternehmen und Keditgeber als Zielgruppe im Bereich EE begriffen werden. Bernd Ludermann |
aus: der überblick 03/2004, Seite 122
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".