Frauenalltag im Spiegel pakistanischer Autorinnen
In Pakistan haben Mädchen und Frauen kaum etwas zu sagen. Nur sehr wenige haben die Möglichkeit und den Mut, sich gegen Bevormundung und Gewalt zu wehren. Keeshwar Naheed und Neelam Ahmed Bashir haben es sich erkämpft, als Schriftstellerinnen zu arbeiten. In Gedichten und Prosa machen sie öffentlich, was ihnen und anderen Frauen widerfährt.
von Jörn Klare
Keeshwar Naheed ist eine »schlechte Frau«. Ihre Familie sagt das. Ihr Mann sagte das. Und viele andere Männer und Frauen ihrer Heimat sagen das auch. Keeshwar Naheed besuchte als erste Frau ihrer Familie ein College, sie suchte sich ihren Ehemann selbst aus, sie verdient ihr eigenes Geld, sie arbeitet mit Männern und sagt ihnen, was sie zu tun haben. Und zu alldem schreibt Naheed über all das auch noch Gedichte, die öffentlich machen, was sie erlebt. So hat die mittlerweile Sechzigjährige mit vielen Traditionen gebrochen. Das hat ihr Leben freier aber nicht unbedingt leichter gemacht, denn Naheed lebt in Pakistan und in Pakistan sind Traditionen wichtig, besonders wenn es darum geht, Frauen ihren Platz in der Gesellschaft zuzuweisen.
Im Westen ist das Bild von Pakistan allzu oft von geifernden Fundamentalisten und unterdrückten Frauen geprägt. Das stimmt. Und es stimmt eben auch nicht. Die Wahrheit ist wie immer komplizierter. Keeshwar Naheed ist ein Teil dieser Wahrheit. Ein sehr beeindruckender Teil.
Am frühen Morgen sitzt sie am Schreibtisch ihrer kleinen Firma in Islamabad, der am Reißbrett entworfenen Hauptstadt im Norden Pakistans. Naheed handelt mit Stoffen, die von Frauenkooperativen gewebt wurden. Das Lager beginnt praktisch direkt unter, vor und auf ihrem Schreibtisch. Der Raum ist knapp 20 Quadratmeter groß. Zwei Angestellte ein alter und ein junger Mann wuseln zwischen den Stoffbergen. Auf einem Regal stehen mehr als ein Dutzend Bücher. Auf allen Buchrücken ist der Name von Keeschwar Naheed zu lesen. Ihren Ruf als enfant terrible unter den pakistanischen Schriftstellerinnen begründete sie mit ihren ersten Gedichten im Jahr 1958. Sie wollte eine weibliche Stimme in die Poesie ihres Landes einführen, die in Pakistan eine wesentlich längere Geschichte hat als die vergleichsweise junge Prosa.
Naheeds Innovationen brachten ihr erst einmal jede Menge Ärger. Vor allem mit den männlichen Schriftstellerkollegen. »Was für eine Art zu schreiben soll das sein? Man kann doch nicht die Methoden und Ausdrucksweisen der Männer benutzen, um weibliche Haltungen damit auszudrücken! Kann man das überhaupt noch Dichtung nennen?« Naheed lacht, wenn sie sich an solche Reaktionen erinnert. Ihr Lachen klingt vielleicht ein ganz klein wenig bitter, vor allem aber kräftig und laut, denn sie hat sehr viel Energie. Dazu kommt ein unbeirrbares Selbstbewusstsein. Das sind die unverzichtbaren Voraussetzungen für eine weibliche Selbstbehauptung in Pakistan.
Das Land zwischen Indien und Afghanistan ist etwa doppelt so groß wie Deutschland. Es ist ein aus der Teilung der indischen Kolonie im Jahre 1947 (vergl. »der überblick« 4/2000) hervorgegangener Nationalstaat mit großen Gegensätzen innerhalb der Gesellschaft. Die soziale Bandbreite reicht von der westlichen Moderne in den Großstädten bis hin zu mittelalterlichen Feudalsystemen auf dem Land. Bis heute hat sich die Demokratie nicht durchsetzen können. Ein gutes Drittel der etwa 150 Millionen Einwohner lebt unterhalb der Armutsgrenze. Ein trauriger gemeinsamer Nenner aller sozialer Schichten ist die Benachteiligung von Frauen. In so gut wie allen Bereichen sind sie unterprivilegiert. Das reicht von der höheren Sterblichkeitsrate bei weiblichen Säuglingen, über unzureichende Bildungschancen und fehlende politische Mitsprachemöglichkeiten, bis hin zur mangelnden Rechtssicherheit und alltäglich erlebter körperlicher Gewalt.
Naheed erzählt eine Geschichte. Sie handelt von einer verschleierten Frau, die von ihrem Mann auf ein großes Fest mitgenommen wurde und verloren geht. »Wie heißt dein Mann?«, fragt man sie. Sie antwortet: »Ich weiß es nicht!« »Wo lebst du?« »Ich weiß es nicht!« »Kannst du deinen Mann wiedererkennen?« »Nein«, sagt sie. »Habt ihr Kinder?« »Ja, vier« »Wie könnt ihr Kinder haben, wenn du dich nicht mal an das Gesicht deines Mannes erinnerst?« »Wenn er in das Zimmer kommt«, sagt sie, »dann macht er das Licht aus. Und wenn ich morgens aufstehe, dann ist er schon weg.« Naheed lehnt sich zurück. »Das ist die Art von Beziehung, die ein Mann und eine Frau in dieser Gesellschaft führen.«
Sie trägt einen hellen, landesüblichen Salwar Kameez, eine Kombination aus Baumwollstoff, bestehend aus einer weiten Hose und einem langen Hemd, aber kein Kopftuch und auch keinen Schmuck. »Ich habe nie Schmuck getragen, keine Armreifen, keinen Ring. Ich bin überzeugt, dass die Unterdrückung der Frauen ihren Ursprung in der hinduistischen und muslimischen Mythologie hat, wo es heißt: 'Frauen, Euer Name ist Schönheit.' Sogar im Westen ist das so Frauen sollen schön und was sonst noch alles sein. Ich hasste es, irgendetwas zu tragen, was die Grundlage dieser Ausbeutung sein könnte. Meine langen Haare habe ich selbst abgeschnitten, weil ich keine Zeit hatte, mich hinzusetzen und mich um sie zu kümmern.« Naheed weiß, dass eine solch radikale Haltung auch in vielen anderen Gesellschaften zumindest für Irritationen sorgen würde. Auf die spontane Bemerkung, dass ihr diese selbstgeschnittenen Haare doch sehr gut stehen, lacht sie.
Ihr Mann starb vor zwanzig Jahren. Es war keine glückliche Ehe. Ihr Gedicht »Zuhause« gibt einen bedrückenden Einblick in diesen zermürbenden Seelennahkampf. Naheed schrieb und schreibt rücksichtslos über alle Erfahrungen. Anfangs durfte ihr Mann die Gedichte noch vor der Veröffentlichung lesen. Als er dann aber in hilfloser Wut gewalttätig wurde, hatte er dieses Privileg verwirkt und musste von da an die Bücher seiner Frau im Laden kaufen.
Im Grunde waren sie beide Opfer einer Nötigung. Während des Studiums besuchte Naheed literarische Veranstaltungen. Ein Kommilitone begleitete sie anstandshalber. Darüber beschwerte sich ihr jüngerer Bruder bei den Eltern, die wegen der ungewöhnlichen Interessen der Tochter sowieso schon um ihren Ruf fürchteten.
»Meine Eltern drängten mich, diesen Jungen sofort zu heiraten. Und mit 'sofort' meinten sie 'sofort'.« Die Alternative war das Studium zu beenden und mit irgend jemand anderen eine Ehe einzugehen. Innerhalb von einer halben Stunde war sie mit dem jungen Mann verheiratet. Der wurde zwar noch schnell gefragt, doch eine wirklich freie Wahl hatte er nicht. »Ich zwang ihn, sich zu entscheiden. Was sollte er tun? Er war ein wenig entscheidungsschwach. Und ich war da ein bisschen klarer.«
Ihr Witwendasein empfindet Naheed als Befreiung. Auf die Frage, ob sie denn überlegt hätte, danach noch einmal zu heiraten, reicht ein herzhaftes Lachen als Antwort.
Keeschwar Naheed hat in ihrem Leben viel riskiert. Gefährlich war es vor allem in den Jahren 1977 bis 1988 während der Militärdiktatur des von den Amerikanern protegierten Generals Mohammad Zia ul-Huq. Anonyme Anrufer drohten ihr mit dem Tod ihrer Kinder, wenn sie sich nicht zurückhalten würde. Sie schickte die damals sechzehn und achtzehn Jahre alten Söhne ins Ausland. »Um mich einzuschüchtern, gab es in meinem Haus jeden Tag eine Razzia. Sie nahmen nie etwas mit, ruinierten aber das ganze Haus. Ich wurde überwacht. Und warum? Weil ich Gedichte schrieb.«
Als Mitglied der muslimischen Liga hatte ihr Vater nach 1947 zwei Jahre in indischen Gefängnissen gesessen. Naheed hatte ihn regelmäßig dort besucht und war daher mit der Situation vertraut, inhaftierte Familienangehörigen zu haben: »Und als die Polizei mich verfolgte, erklärte ich meinen Kindern von Anfang an, dass man sich deswegen nicht schämen muss, sondern stolz sein kann, weil ihre Mutter etwas Besonderes ist. Sogar dem Mann, mit dem ich arbeitete, sagte ich: 'Wenn ich eines Tages erschossen werde, verfall nicht in Panik. Man muss auf alle Fälle vorbereitet sein.'«
Naheed ist auf ihrem Weg kaum einer Herausforderung ausgewichen. Auf die oft auch obszönen Angriffe gegen ihre schriftstellerische Arbeit aber hat sie nie öffentlich reagiert. Ein Lehrer gab ihr den entscheidenden Rat: »Du hast begonnen zu schreiben, und wenn du beginnst zu reagieren, wirst du das Schreiben darüber vergessen. Es wird dich all deine Zeit kosten. Also schreib einfach weiter.«
Rund 200 Kilometer südöstlich von Islamabad liegt die Stadt Lahore mit ihren etwa sieben Millionen Einwohnern. Sie genießt den Ruf, die »Kulturstadt« oder auch das »Herz« Pakistans zu sein. Noch heute sind eine Reihe imposanter Bauwerke aus der Blütezeit der Mogul-Kultur im 16. Jahrhundert zu besichtigen. Doch große Geschichte hin oder her, was auf den ersten, den zweiten und auch den dritten Blick ins Auge, beziehungsweise in die Nase sticht, ist der Straßenverkehr. Nur mit Untertreibung kann er als »chaotisch« beschrieben werden. Ein großes stinkendes Weiter, Weiter, Weiter. Wer Rücksicht nimmt, riskiert alles, weil niemand hier mit Rücksicht rechnet.
Auch Neelam Ahmed Bashir macht in ihrem Kleinwagen keine Kompromisse. »Die Frauen hier kämpfen sich durch«, sagt sie beim nächsten Überholmanöver. »Sie erobern sich ihren Platz in der Gesellschaft.« Bashir ist Mitte vierzig. Ihre drei Kinder leben mittlerweile in den USA und stehen auf eigenen Füßen. Fünf Bücher hat sie geschrieben. Davon leben kann sie nicht. Niemand kann das in Pakistan. Baheer verdient ihr Geld als Werbetexterin.
Wenn man die Fähigkeit, ein Buch zu lesen als Maßstab nimmt, liegt die Analphabetenrate bei fast 70 Prozent. Und in den gebildeteren Kreisen wird Englisch immer populärer. Die Amtssprache Urdu und die weit verbreiteten Sprachen Punjbai, Sindhi, Paschtu und Baluchi dagegen werden in dieser Gesellschaftsschicht weniger gesprochen. Die Auflagen von Büchern liegen in der Regel bei 1000 Stück. Wenn davon über Jahre ein paar Hundert verkauft werden, ist das ein großer Erfolg.
Bashir lebt allein in einer kleinen Wohnung im eher wohlhabenden Norden der Stadt, dem »McDonaldsViertel«, wie sie grinsend anmerkt. Auch hier orientiert sich die Kleiderordnung der Frauen am scheinbar obligatorischen Salwar Kameez. Muster, Farben und Materialien variieren, und einige Schnitte sind ausdrücklich figurbetont. Farblich passend, die Dupatta, der lange, leichte Schal, der über den Kopf gelegt aber nicht gebunden wird. Viele Frauen verzichten auch darauf. Strengere Formen der Verschleierung sind äußerst selten und eine komplett verhüllende Burka ist nirgendwo zu sehen.
Vor einigen Jahren hat sich Bashir scheiden lassen. Auch im Pakistan des 21. Jahrhunderts sind geschiedene, allein lebende Frauen eine absolute Ausnahme. Bashir hat den Schritt lange hinausgezögert. »Weil hier eine geschiedene Frau nie wieder heiraten wird. Im Westen geht das, sogar in Saudi Arabien aber nicht in Pakistan. Das liegt an den Hindus, mit denen wir jahrhundertelang zusammengelebt haben. Die hatten diese Tradition, dass eine Frau sich selbst opfert, wenn der Mann stirbt. Das ist ein psychologisches Problem. Wenn also dein Mann weg ist, bleibst du für immer allein. Das ist ein Grund, warum sich viele Frauen nicht scheiden lassen, weil niemand sie mehr heiraten wird.«
Wie in dieser Region üblich, war Bashirs Ehe arrangiert. »Wie ein Paket«, beschreibt sie, »wurde ich zu meinem Mann, einem in den USA lebenden Pakistaner geschickt. Er war sogar schon verheiratet, bevor wir uns trafen. Das hatte er mir aber nie gesagt.« Die Vorstellungen über eine Partnerschaft gingen weit auseinander. »Es war immer ein Problem, dass ich für mich schreiben und Leute treffen wollte, er mich aber als seine Magd betrachtete. Ich wollte und konnte das irgendwann nicht mehr. Das ist das Problem mit unseren Männern hier. Die Frauen entwickeln sich geistig weiter und die Männer nicht. Sie haben Angst.«
Bashir hat über Homosexualität, über sexuelle Bedürfnisse von Frauen und auch über Vergewaltigungen von Mädchen geschrieben. Einige nennen das »mutig«, andere »frech«. Eine Frau, die eine Vergewaltigung anzeigen will, muss vier männliche Zeugen für die Tat vorweisen können. Wenn das so gut wie Unmögliche nicht möglich ist, wird das Opfer selbst des verbotenen, außerehelichen Geschlechtsverkehrs angeklagt und ins Gefängnis geworfen. Schließlich hat sie ihr vermeintliches Vergehen ja zugegeben.
Bashir legt großen Wert darauf, dass man für solche Zustände nicht den Islam verantwortlich machen oder ihn als schlechten Glauben verurteilen darf. »Die Religion wurde in diesem Teil der Welt sehr, sehr missverstanden und verdreht.« Bashirs Kritik richtet sich gegen die Geisteshaltung der Männer. »Die haben die Kultur jahrhundertelang genutzt, um die Frauen einzusperren und als Objekte zweiter Klasse zu behandeln. Sogar mein Vater, der ist ein gebildeter Mann, ein liberaler Autor und all so was, aber wenn ich eine Entscheidung für mich treffe, ohne ihn einzubeziehen, dann gibt es Ärger.«
Um zu zeigen, wie mit Frauen umgegangen wird, nimmt Bashir eine aktuelle Tageszeitung. Auf den letzten Seiten des Lokalteils hat sie eine kleine Nachricht markiert. Auf fünf Zeilen wird da von einem Haushaltsunfall berichtet, bei dem ein Mensch verbrannte. Eine alltägliche Meldung, hinter der sich meist die in Pakistan alltägliche Tragödie einer Frau verbirgt, die von ihrem Mann und dessen Familie verstoßen oder ermordet wurde, weil vielleicht der Brautpreis nicht stimmte, oder auch die erhoffte Schwangerschaft zu lange auf sich warten ließ. Hunderte Frauen sterben jedes Jahr bei solchen fingierten »Unfällen«.
Zu diesem Thema hat Bashir eine Geschichte mit dem Titel »Das ist Männersache« geschrieben. Dabei geht es um einen Mann, seine neue Liebe und um seine Ehefrau. Eine Rolle spielt auch ein kleiner Ölkocher, ein ganz bestimmtes, in Pakistan sehr verbreitetes Modell, mit dem es immer wieder zu »Unglücken« kommt.
Die Hoffnung, dass »ganz, ganz vielleicht die Männer irgendwann anfangen, Frauen als Menschen, als gleichberechtigte Menschen zu sehen«, will Bashir nicht aufgeben, weil man die Hoffnung nie aufgeben darf. »Ich kämpfe gegen so viele Widerstände gegen meine Gesellschaft, gegen meine Familie und was sonst noch alles«, stellt sie zum Abschied fest. »Das ist oft hart. Aber was soll ich machen? Ich habe nur dieses Leben.«
Auszug aus der Kurzgeschichte
»Das ist Männersache«
(...)
Seine Mutter Ammah hatte die Angewohnheit, seine Frau Hameedan ohne Sinn und Zweck zu verhöhnen. Sie verpasste keine Gelegenheit über sie zu klagen. Tatsächlich hatte nicht sie, sondern ihr Sohn Shera diese Frau ausgesucht. Als er sie ins Haus brachte, hatte sie keine andere Wahl als das zu akzeptieren. Aber die größte Trauer in ihrer Brust, rührte von der Tatsache, dass Hameedan immer noch kein Kind geboren hatte. Für Ammah war das kein kleines Vergehen. Tag für Tag wurde dieser Vorwurf, ihr ein Enkelkind zu verweigern, größer.
(...)
Als Ammah ihren Sohn Shera fragte, was mit ihm los sei, schaute er schweigend weg. In seinen Augen aber entdeckte sie die neue Liebe. In ihrem Herzen keimte neue Hoffnung. Die freudige Erwartung, einen kleinen, rosigen Enkel in den Armen halten zu können und dazu den verlockenden Brautpreis einer neuen, jungfräulichen Schwiegertochter zu empfangen, ließen ihre Augen aufleuchten. Was aber sollte aus Hameedan, seiner jetzigen Frau, werden? In den nächsten Wochen brüteten beide Mutter und Sohn über der Lösung des Problems.
»Shera, warum sagst du ihr nicht, dass ich das Recht habe, eine Braut für dich auszusuchen? Einen Enkel werde ich nur dann bekommen, wenn ich eine andere Schwiegertochter habe.«
(...)
»Hameedan!«, er brüllte wie ein Löwe, als er das Haus betrat. »Ich werde eine andere Frau heiraten und keine Macht der Welt wird mich davon abhalten!« Shera nahm einen Holzklotz und schmiss ihn wütend ins Feuer.
»Aber... aber, du liebst doch nur mich. Du gehörst mir!« Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken.
»Ich habe dich mal geliebt, aber jetzt liebe ich sie! Ist das so schwer zu verstehen?
Und schmeiße ich dich etwa aus dem Haus? Du kannst bleiben. Aber dräng dich nicht auf. Ich habe dir nie etwas versprochen!«
Shera saß wie versteinert, kaum in der Lage ihre Gedanken zu ordnen. Sie hätte wohl noch lange so ausgeharrt, wenn nicht das kochende Wasser sie aus ihren Träumen gerissen hätte.
»Pass gefälligst auf, wenn du kochst. Soll ich heute etwa verhungern?« Murrend nahm er seinen Turban und ging.
(...)
Hameedans Welt war zusammengebrochen. Wieder suchte sie nach einer möglichen Behandlung für ihre Unfruchtbarkeit. Sie hörte, dass es im Nachbardorf einen neuen spirituellen Heiler gäbe. Weit und breit wurde er für seine Wundertaten gerühmt. Hameedan machte sich auf den Weg. Nach drei langen Wochen gab ihr der Körper das Zeichen, nach dem sie sich so gesehnt hatte.
(...)
Als Shera abends wie gewöhnlich nach Hause kam, war er erstaunt alles völlig verändert vorzufinden. Alles wirkte sauber, hübsch und neu.
»Hameedan.« Er rief mit weicher Stimme.
»Deine Augen mussten schon so lange diesen beißenden Qualm ertragen. Als du nach unserer Hochzeit in dieses Haus kamst, hatten sie noch den Glanz der Blumen.«
»Shera!« Von ihren Gefühlen überwältigt, wollte Hameedan ihm schnell die frohe Botschaft mitteilen, dass ihre Familie bald vollständig sein würde. Noch suchte sie nach den richtigen Worten.
Shera wurde ungeduldig.
»Komm, steh auf! Bist du denn verrückt, jetzt zu weinen? Komm und schau, was ich dir mitgebracht habe! Aber erst musst du die Augen schließen!«
So ließ er sie sitzen, während er von draußen etwas hereintrug. Dann bat er sie, die Augen zu öffnen.
»Was ist denn das?« Hameedan schaute voller Erstaunen auf den Gegenstand, der dort unter einem Tuch versteckt vor ihr lag. »Was hat du da mitgebracht?« Shera enthüllte einen Ölofen. »Von jetzt an kannst du damit kochen«, sagte er. »Schau, du brauchst kein Feuerholz mehr, keine getrockneten Kuhfladen, keinen Blasebalg, und der Rauch ruiniert nicht mehr deine Augen.«
»Oh, Danke! Aber Sheera, das hättest du doch nicht tun müssen! Ich habe mich nie beschwert. Diese Mühen wären doch nicht nötig gewesen!«
»Das waren doch keine Umstände! Für meine Hameedan mache ich das doch gern! Schau, das geht ganz einfach. Ich zeig's dir. Du sollst mir einen Eierpudding auf diesem Ofen machen heute, jetzt sofort. Seit Jahren habe ich so einen nicht mehr gegessen! Das wäre eine große Freude für mich!«
Shera stand auf, um den Ölofen von allen Seiten zu tätscheln. Er überprüfte das Öl im Tank. Er war bis zum Rand gefüllt. Dann zog er den nagelneuen Baumwolldocht heraus, und tauchte ihn zur Hälfte in das Öl. Nachdem er sich restlos davon überzeugt hatte, dass alles vorbereit war, stand er auf und streckte sich.
»Ich gehe mich umziehen. In der Zwischenzeit brauchst du nur einen Streichholz nehmen und hier anzünden.« Hameedan nahm die Streichholzschachtel.
Bevor er das Grundstück verließ, stoppte Shera kurz, um sicher zu stellen, dass die Tür, die hinaus in den Hof führte, sicher verschlossen war, so dass niemand das Haus verlassen konnte.
Von Neelam Ahmed Bashir
Übersetzung Jörn Klare
Literatur
Aamer Hussein, Mumtaz Shirin, Jamila Hashmi (Hrsg.): Hoops of Fire: Fifty Years of Fiction by Pakistani Women. Saqi Books. 2000
Yasmin Hameed, Asif Aslam Farrukhi (Hrsg.): So That You Can Know Me: An Anthology of Pakistani Women Writers (UNESCO Collection of Representative Works). Garnet Publishing, Ltd. 1999
POESIE AUS PAKISTANZuhauseDa ist ein anderer Mann in dir
Ich weiß, dass du beim Doktor warst
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Augen zwischen Feuer und SchneeDie Städte Europas liegen unter Schnee begraben
Schau wie die Wahrheit auf der Waage der Lüge gewogen wird.
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aus: der überblick 01/2005, Seite 85
AUTOR(EN):
Jörn Klare:
Jörn Klare lebt als freier Journalist in Berlin. Er schreibt Reportagen und Features für den Rundfunk sowie für die »Frankfurter Rundschau« und »Die Zeit«.