Abschottung und Abschiebung allein sind keine Erfolg versprechende Antwort auf das Problem, dass mehr und mehr Menschen ihre Heimat verlassen und nach Deutschland einwandern. Wenn diese nicht ohne die Hilfe professioneller Schlepperdienste auskommen können, trägt der Staat mit repressiver Einwanderungspolitik zum Gedeihen international organisierter Kriminalität bei. Und wenn Menschen in die Illegalität getrieben, elementarer Menschenrechte beraubt und in sklavenähnlichen Verhältnissen ausgebeutet werden, wird der Rechtsstaat ausgehöhlt.
Von CORNELIA BÜHRLE und GEORG MEHNERT
Die "Illegalen" sind Menschen, über die Innenminister, Polizeichefs und Vertreter anderer Behörden selten gerne sprechen. Mitunter taucht dieser Personenkreis unter der Rubrik festgenommene "Kriminelle" in einschlägigen Statistiken und in politischen Programmen als "Problem der inneren Sicherheit und Ordnung" auf. Seltener ist hingegen etwas zu lesen oder zu hören über die möglichen Ursachen von Illegalität im Sinne des Ausländerrechts oder über die konkreten Lebensumstände von Menschen, welche ohne gültige Aufenthaltspapiere in Deutschland leben.
Der Migrationsexperten beim Deutschen Caritasverband, Hermann Uihlein, erinnert an grundlegende Standards: "Die allen Menschen zustehenden Menschenrechte müssen auch bei Menschen ohne legalen Aufenthalt respektiert werden. ... Zum Menschsein benötigt der Mensch weder Pass noch Aufenthaltsgenehmigung". Das sollte selbstverständlich sein. Wer aber Einblick in die Situation sogenannter Illegalen gewinnt, merkt schnell, dass das fehlende Aufenthaltsrecht die Menschen de facto auch nahezu aller anderen Rechte beraubt.
Was einen Teil des Ganzen berührt, berührt auch stets das Ganze. Der politische und soziale Umgang mit "Illegalen" ist mehr als eine ordnungsrechtliche Frage, von der man gemeinhin glaubt, sie mit Durchführungsverordnungen bewältigen zu können. Wie man mit diesen Menschen umgeht, ist vor allem ein Gradmesser für das herrschende Menschenbild. Und das bezieht sich nicht nur auf Ausländer, sondern auch auf Inländer, auf Deutsche. Es betrifft folglich uns alle.
"Bewegungsfreiheit ohne Aufenthaltsrecht hat mit der Hasenfreiheit zu Zeiten der Jagd eine verzweifelte Ähnlichkeit", schrieb Hannah Arendt in einer Analyse der allmählichen Entrechtung von Flüchtlingen zwischen den beiden Weltkriegen. In juristischen Kategorien sind "Illegale" Menschen ohne Aufenthaltsrecht und ohne Duldung, das heißt Ausländer, die nach den Bestimmungen des Ausländerrechts zur Ausreise verpflichtet und von Abschiebung bedroht sind. Wenn Ordnungshüter einen solchen "illegalen" Ausländer kontrollieren, mangels gültiger Papiere verhaften, ihn in Abschiebungsgewahrsam nehmen und von dort aus außer Landes bringen, üben sie ihre Dienstpflicht aus und wären verständlicherweise empört, wollte man ihnen entgegenhalten, ihr Handeln verletze Menschenrechte. Illegalität im Sinne des Ausländerrechts betrifft jedoch die Menschenrechte und stellt ihre universelle Geltung infrage.
Das ethische Problem ist dabei nicht, dass den Menschen ohne Aufenthaltsrecht Unrecht geschehen mag, sondern dass es nicht als Unrecht gilt, was mit und an ihnen geschieht. Niemand - auch nicht auf der Seite des Staates - würde ihnen explizit zu den Menschenrechten zählende Rechte aberkennen; da es aber keine Institution gibt, die ihnen die Durchsetzung dieser Rechte garantiert, sind sie de facto rechtlos.
In den meisten Verfassungen westlicher Länder - so auch im deutschen Grundgesetz - gibt es eine Tendenz, Grundrechte unabhängig von der Staatsangehörigkeit zu garantieren. Auch haben die meisten Verfassungen Immigranten nach und nach gewisse soziale Rechte gewährt - und auch Quasi-Bürgerrechte. Dennoch verdeutlicht das Phänomen der Illegalität wie kaum ein anderes die Spannung zwischen den Rechten, die nur für Staatsbürger gelten, und solchen Rechten, die alle Menschen haben.
Irreguläre Migration ist eine weltweit zu beobachtende Form der Wanderungsbewegung von Menschen über Staatsgrenzen hinweg. Sie ist meistens ein Zeichen dafür, dass geeignete Migrationskonzepte fehlen. Die Folge davon ist ein Missverhältnis zwischen der Anzahl der Personen, die auswandern müssen, und den rechtlichen Möglichkeiten, welche sie haben, anderswo einzuwandern. Statt sich dieser einleuchtenden Problematik inhaltlich und damit auch konzeptionell zu stellen, versuchen viele westliche Industriestaaten, sich unerwünschter Zuströme mit ordnungs-, insbesondere mit polizeirechtlichen Mitteln zu erwehren.
Aber die Erfahrungen anderer Staaten wie der USA oder Kanada, die seit Jahrzehnten versuchen, eine konzeptionell verfasste Einwanderungspolitik zu betreiben - der merkwürdige Terminus "Zuwanderung" ist diesen Ländern fremd -, und auch die Berichte aus anderen Staaten zeigen nachdrücklich: Irreguläre Einwanderung ist auf Dauer nicht zu verhindern. Vor allem Menschen, die, um ihr nacktes Überleben zu retten, auswandern müssen, werden sich nicht davon abhalten lassen, woanders einzuwandern und zum Beispiel weiterhin nach Deutschland zu kommen; zumal in Deutschland die Nachfrage nach billigen Arbeitskräften bei aller "Sonntagsrhetorik" über die Arbeitslosigkeit weiterhin hoch ist. Seriösen Schätzungen zufolge sind derzeit mindestens 500.000 Menschen ohne geeignetes Aufenthaltsrecht in Deutschland - und die Zahl wird trotz aller Zuzugsbeschränkungen sicher noch signifikant ansteigen, solange nicht auf die Ursachen eingewirkt wird.
Der Alltag vieler dieser Migranten ist von Angst geprägt; sie leben in ständiger Furcht vor der Polizei und vor der Denunziation. Manche halten deswegen ihre Lage selbst vor guten Freunden geheim. Werden sie zu Niedrigstlöhnen ausgebeutet oder um ihren Arbeitslohn betrogen, können sie nicht zur Polizei gehen, um Anzeige zu erstatten. Sie müssten dann damit rechnen, abgeschoben zu werden, bevor sie auch nur ein ordentliches Gericht anrufen könnten. Und um so unauffällig wie eben möglich zu leben, versucht - entgegen dem gängigen Klischee vom "kriminellen illegalen Ausländer" - der Großteil der Migranten, sich absolut korrekt und gesetzestreu zu verhalten. Besonders nüchtern kalkulierende Arbeitgeber stellen aus all diesen Gründen bevorzugt "Illegale" ein, was zu einem Anstieg an prekären, ungeschützten Arbeitsverhältnisse führt.
Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen enthält nicht nur ein Menschenrecht auf Arbeit, sondern auch das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit. In der Praxis wird dieses Recht insbesondere "Illegalen" nicht gewährt. Vielmehr sind die Meisten von ihnen gezwungen, gegen eine Bezahlung weit unterhalb des Tariflohns und ohne jede soziale Absicherung vorzugsweise in der Baubranche, dem Reinigungsgewerbe, der Gastronomie sowie in Privathaushalten zu arbeiten - meist unter überdurchschnittlich harten Arbeitsbedingungen.
Für den Arbeitgeber ist die Situation durchaus vorteilhaft, spart er doch lästige Sozialabgaben und Steuern. Die "Illegalen" ohne formelle Arbeitsverträge sind zudem eine äußerst flexible Arbeitsmarktreserve; sie können jederzeit angeheuert oder entlassen und länger als die gesetzliche Höchstarbeitszeit eingesetzt werden. Für den Migranten sieht die Situation wenig rosig aus. Sein Beschäftigungsverhältnis ist völlig unsicher. Wehrlos bei Unterbezahlung, bei Lohnbetrug, schlechten Arbeitsbedingungen oder anderen Formen der Ausbeutung, ist er zudem schutzlos im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Unfall.
Es fehlen - bei Schwarzarbeit liegt das in der Natur der Sache - gesicherte statistische Erkenntnisse darüber, wie viel an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen dem Staat und den Sozialversicherungen durch Nichtanmeldung der "Illegalen" entgehen. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung schätzt, dass die gut 2 Millionen bei den Sozialversicherungen gemeldeten Ausländer einschließlich des Arbeitgeberanteils jährlich knapp 50 Milliarden Euro an Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen einbringen. Geht man davon aus, dass von der geschätzten halben Million Menschen ohne Aufenthaltsrecht die Hälfte (nicht angemeldet) arbeitet, aber nur die Hälfte verdient wie Ausländer mit regulären Arbeitsplätzen, dann lägen die entgangenen Lohnsteuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge unter 3 Milliarden Euro. Die Menschen in der Illegalität tragen mit ihrer Arbeit aber erheblich zur Wertschöpfung in diesem Land bei. Der an der Universität Linz auf die Schattenwirtschaft spezialisierte Forscher Professor Friedrich Schneider schätzt deren Wertschöpfung in der Baubranche Deutschlands auf rund 6 Milliarden Euro. In Privathaushalten sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe seien es jeweils 2,75 Milliarden Euro und in der Landwirtschaft 1,5 Milliarden Euro.
An Sozial- und Lohndumping durch nicht registrierte Arbeitskräfte können die Arbeitnehmer in formellen Jobs ebenso wie die Gewerkschaften kein Interesse haben. Vertragliche und gesetzliche Regeln wie Tarifvereinbarungen und Arbeitsschutz werden dadurch systematisch unterhöhlt. Zwei Argumente stoßen dabei aufeinander: Die einen betonen, dass illegal Beschäftigte eine nach wie vor hohe Nachfrage bei oft schmutzigen, gefährlichen und schlecht bezahlten Jobs befriedigen, die durch deutsche Arbeitnehmer nicht gedeckt werden könne. Nur mit Hilfe ihrer (Lohn-)Flexibilität könnten die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Das Gegenargument lautet, dass irreguläre Migranten die regulär Beschäftigten insbesondere im untersten Segment des Arbeitsmarktes verdrängen.
Ein Ausweg aus dem Dilemma ist noch nicht gefunden. Eine Angleichung nach unten vorzunehmen, also Sozialstandards zu senken und untertarifliche Beschäftigung zu ermöglichen, birgt die Gefahr einer sozialen Spaltung der Gesellschaft. Legalisierung und sozialrechtliche Gleichstellung der illegalen Arbeitnehmer andererseits würden die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Gruppen zwar nicht aufheben, sie fände aber nicht mehr auf einem Niveau statt, das die legalen Arbeitnehmer ausschließt. Weiterzumachen wie bisher, also illegale Beschäftigung ausschließlich durch Kontrollen und restriktive Ausländerpolitik steuern zu wollen, ist jedenfalls keine dauerhafte Lösung.
Noch dramatischer ist die Situation von Migrantinnen, die Opfer von Menschen- und Frauenhändlern sind und gezwungen werden, in der Prostitution zu arbeiten. Häufig werden Frauen auch in Ehen oder ausbeuterische Arbeitsverhältnisse verkauft, die nicht selten mit sexuellem Missbrauch verbunden sind. Schutz vor Gewalt in der Ehe genießen allerdings nur deutsche Frauen vom Tag der Eheschließung an. Denn das Aufenthaltsrecht von Ausländerinnen ist nach Paragraph 19 Ausländergesetz in den ersten Jahren vom deutschen Ehegatten abhängig. Verlassen sie ihn, verlieren sie ihren legalen Aufenthaltstatus und sind von Ausweisung bedroht.
Wegen dieser Abhängigkeit wagen diese Frauen es kaum, sich an die Behörden zu wenden. Auch Zeugenschutzprogramme gelten ja nur solange, bis der Prozess gegen Zuhälter oder deren Hintermänner beginnt, sodass für die Frauen ein hohes Risiko verbleibt, dass diese sich rächen. Deshalb verweigern sie die Aussage lieber. Solche Verhältnisse können durchaus als "moderne Sklaverei" bezeichnet werden, wenn es sich auch nur um eine faktische und nicht etwa um eine institutionelle Sklaverei handelt.
Das Leben unter Bedingungen der Illegalität ist prekär und häufig nicht mehr menschenwürdig. So ist es menschenrechtlich höchst fragwürdig, wenn der Staat bestimmten Gruppen von Ausländern die Aufenthaltspapiere nicht mehr verlängert oder ihnen durch Gesetzesveränderungen ihren ursprünglich legalen Aufenthaltsstatus nimmt. Dazu gehören Ausländer, welche aus der Abschiebehaft entlassen wurden, weil sie nicht abgeschoben werden konnten, denen man aber statt Aufenthaltspapieren oder zumindest einer sogenannten Duldung lediglich eine "Grenzübertrittbescheinigung" ausstellt, die zum Verlassen des Landes auffordert. Eine gesetzliche Grundlage fehlt hierfür; höchstrichterlich wurde das umstrittene Papier sogar verboten, aber in der täglichen Verwaltungspraxis scheint die Grenzübertrittbescheinigung zu einer Art Passersatz mutiert zu sein - ein solcher allerdings, der keine Rechte verbürgt. Mehr und mehr Bürgerkriegsflüchtlinge wie Asylbewerber erhielten und erhalten noch solche Grenzübertrittbescheinigungen und werden damit gewissermaßen in die Illegalität gezwungen.
Seit dem verfassungsändernden "Asylkompromiss" von 1993 können viele von ihnen ohnehin nicht mehr auf einen Erfolg im Asylverfahren hoffen und tauchen deshalb in die Illegalität ab. Die in diesem Zusammenhang geschaffene "Drittstaatenregelung" hat zu absurden Konstruktionen geführt (nach dem neuen Artikel 16a Abs. 2 des Grundgesetzes hat ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat einreist, hierzulande keinen Anspruch auf Asyl, auch wenn der Asylgrund berechtigt ist). Da die Einreise nach Deutschland auf dem Festland jedoch immer nur durch einen sicheren Drittstaat möglich ist, können die Asylsuchenden nur illegal einreisen und müssen dann etwa behaupten, sie seien hierzulande "von Bord gesprungen", um im Asylverfahren überhaupt angehört werden zu können. Ein merkwürdiger Zustand in einem Land, das in den Medien so gerne den Terminus "Gesetzeslückenschließung" verwendet.
Wenn "Illegale" ungestraft ausgebeutet werden können, wenn Rechtlosigkeit in einem Staat möglich ist, der sich gerne als Rechtstaat darstellt, schwächt dies die ethischen Grundlagen seiner Gesellschaft. Besonders deutlich spiegelt sich das im Arbeitsleben wider: Werden bei Razzien "illegale" Ausländer aufgegriffen, dann werden sie oft abgeschoben, während die Arbeitgeber mit einem Bußgeld davonkommen. Dieses ist überdies paradoxerweise so niedrig, dass sich illegale Beschäftigung trotz Bußgeldzahlung bestens rentiert.
Eine überwiegend auf Repression aufgebaute Migrationspolitik erweist sich - wie in vielen anderen Ländern längst bewiesen - als Bumerang. Die Mechanismen des Zusammenwirkens von Ausländerpolitik und wirtschaftlichen Interessen vergrößern noch die Räume der Rechtlosigkeit. Potenzielle Einwanderer sind gezwungen, illegal einzureisen und dafür Dienste von professionellen Schleppern in Kauf zu nehmen. Wenn aber Migranten wegen des Versuchs, die Grenzen abzuschotten, in die Fänge krimineller Organisationen geraten, dann verhindert repressive Migrationspolitik nicht etwa Illegalität oder gar international organisierte Kriminalität, sondern sie ist ein fruchtbarer Boden für deren Gedeihen und Verbreitung. Die Rechtlosigkeit von Illegalen ist demnach häufig genug das Einfallstor für Kriminelle.
Einwanderer ohne AufenthaltsrechtDie (Welt-)Kirche - ein Volk aus allen VölkernDie katholische Kirche in Deutschland hat sich zum Thema Einwanderungspolitik unter anderem in einer umfassenden Stellungnahme der bischöflichen Kommission für Migrationsfragen geäußert, die im Mai 2001 mit dem Titel "Leben in der Illegalität - eine humanitäre und pastorale Herausforderung" veröffentlicht wurde. Der Text macht deutlich, dass die Kirche sich vom Evangelium her durch den Problemkomplex der Illegalität humanitär und pastoral gefordert sieht. Die Armen sind im Sinne der Bibel die ersten Adressaten der Botschaft vom ganzheitlichen Heil des Menschen, zu dem auch dessen alltägliche Lebensumstände gehören. Der kirchliche Seelsorgeauftrag umfasst daher auch Menschen, die in der Illegalität leben. Jesus identifiziert sich mit ausgegrenzten und vergessenen Menschen: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." Die Kirche kann es sich deshalb nicht nehmen lassen, für die Achtung der Menschenwürde aller Menschen einzutreten, "Illegale" eingeschlossen. Die pastorale und soziale Beratung dieser Personen stellt mittlerweile einen wichtigen und etablierten Bereich des kirchlichen Dienstes an den Menschen dar und ist nach dem Selbstverständnis der Kirche ein genuiner Teil ihres Verkündigungsauftrages. Es gilt die grundlegende Aussage des Apostel Paulus: "Es gibt nicht mehr Juden und Christen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus". Die Kirche ist "ein Volk aus Völkern" - ganz im Sinne des Epheserbriefes, der in der christlichen Gemeinde das Verbindende der Kinder Gottes gegenüber dem sozial und politisch Trennenden hervorhebt: "Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrechte, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes." Das Papier ist zu beziehen über das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Kaiser-Friedrich-Str. 9, 53113 Bonn. C. Bührle/G. Mehnert ----- Auf Seiten der protestantischen Kirchen ist seit dem "Asylkompromiss" von 1993 das "Kirchenasyl" ein heiß diskutiertes Thema. Eine Reihe von Gemeinden versuchen seither nämlich, Flüchtlinge, deren Asylantrag letztinstanzlich abgelehnt worden ist und die abgeschoben werden sollen, vor dem Zugriff der Staatsorgane zu schützen. Sie berufen sich dabei auf Gewissensgründe. Im September 1994 hat der Rat der EKD "Thesen zum Kirchenasyl" veröffentlicht. Darin heißt es in der These 8, dass eine "gewissensbedingte Rechtsverletzung ... nur persönlich verantwortet werden" kann. Die Kirche darf dabei "nicht ... als handelnde oder verantwortliche Institution in Anspruch genommen werden". Das hat in der Folge heftige Kontroversen ausgelöst, sodass sich die EKD veranlasst sah, noch einmal ausführlicher zur Frage des Gewissensentscheids Stellung zu nehmen. In der Thesenreihe der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD erschien 1997 der Text "Gewissensentscheidung und Rechtsordnung". Darin wird bekräftigt, dass "sich Menschen zu gemeinsamem Handeln auch aus Gewissensgründen verbinden" können (Ziff.29). Nachdrücklich wird jedoch daran festgehalten, dass die Gewissensentscheidungen für einen Verstoß gegen die staatliche Rechtsordnung nicht an die Institution Kirche abgetreten werden könne. Der Text verweist allerdings in Ziffer 44.3 auf die Denkschrift der EKD, die von "demonstrativen, zeichenhaften Handlungen, die bis zu Rechtsverstößen gehen können", spricht. Mit solcher "Zeichensetzung" durch Gewährung von Kirchenasyl haben Gemeinden erreicht, dass in einer Reihe von Fällen die Behörden die Abschiebungsanweisung noch einmal überprüft und schließlich doch eine "Duldung" gewährt haben, mit der die Flüchtlinge dann legal in Deutschland bleiben konnten. In einer gemeinsamen Stellungnahme des EKD-Ratsvorsitzenden, Präses Manfred Kock, und des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, zu den Vorschlägen der unabhängigen Kommission Zuwanderung des Bundesministers des Inneren wird jedoch betont, dass "noch erheblicher Handlungsbedarf" hinsichtlich des Umgangs mit Flüchtlingen, die in der Illegalität leben, bestehe "wie z.B. die Beschulung von Kindern, medizinische Versorgung, Anspruch auf einklagbaren Lohn". >du |
Schwester Cornelia Bührle, Mitglied der Ordensgesellschaft vom Heiligen Herzen Jesu (RSCJ), ist Juristin und erzbischöflich Beauftragte für Migrationsfragen des Erzbischofs von Berlin, Georg Kardinal Sterzinsky. Georg Mehnert ist Referent in ihrem Büro.
aus "der überblick" Heft 1/2002