Der Hamburger Historiker Lars Amenda erzählt in einer faszinierenden Dissertation von den verschiedenen Phasen chinesischer Zuwanderung nach Hamburg. Seit den 1890er Jahren kamen chinesische Heizer, Trimmer und Wäscher auf den Dampfschiffen der Handelsmarine in die Hansestadt. Die Reeder freute die "Hitzebeständigkeit" und die niedrigere Heuer der Chinesen, die Bevölkerung bestaunte und beargwöhnte sie beim Landgang, die Behörden sahen es mit Missvergnügen, dass sich bald einige Chinesen niederließen.
Mit dem verstärkten Zuzug chinesischer Migranten in den 1920iger Jahren entstand mit Ausrüstungsläden, Restaurants und Wäschereien ein kleines Chinesenviertel, dem Bevölkerung und Behörden bald allerhand kriminelle Aktivitäten zuschrieben: von Opiumhöllen war da die Rede, von Schmuggel und Glücksspiel. Fanden die Chinesen deutsche Freundinnen, konnte es sich nur um liederliche Frauenzimmer handeln. Insgesamt, so Amenda, praktizierten Polizeibehörde und Senat eine Art staatlichen Rassismus, der nur durch regelmäßige Interventionen der Chinesischen Gesandtschaft in Berlin gemildert wurde.
Während der nationalsozialistischen Herrschaft und verstärkt nach Kriegsbeginn kam es immer wieder zu Razzien, im Mai 1944 nahm die Gestapo im Rahmen ihrer "Chinesenaktion" 130 Männer fest, die ins Gefängnis Fuhlsbüttel gebracht wurden. Im September wurden schätzungsweise 60 bis 80 Chinesen in das "Arbeitserziehungslager" Wilhelmsburg überstellt, etwa ein Dutzend starb an den Folgen der "Chinesenaktion". Nach dem Krieg haben sich die Überlebenden vergeblich um Wiedergutmachung bemüht. Bald kamen erneut Chinesen nach Hamburg, jetzt als Flüchtlinge. Weil das wirtschaftlich wieder erstarkende Deutschland sich auch kulinarisch öffnete, fanden sie eine Nische als Betreiber von China-Restaurants.
Lars Amenda hat den langen Weg vom kolonialen Blick auf chinesische "Kulis" um die Jahrhundertwende bis zur internationalen Großstadtgastronomie auf der Basis einer gründlichen Auswertung einer Vielzahl von Quellen und gleichzeitig auf gut lesbare, streckenweise unterhaltsame Weise nachgezeichnet. Es ist ihm gelungen, die Sozialgeschichte der chinesischen Migranten in Hamburg mit der kulturgeschichtlichen Perspektive ihrer Wahrnehmung durch die Bevölkerung und die Behörden zu verbinden.
von Renate Wilke-Launer
aus: der überblick 04/2007, Seite 124