Für Urnengänge im Süden sind heute weniger ausländische Wahlbeobachter nötig - dafür mehr technische Hilfe
In den neunziger Jahren haben die Vereinten Nationen Wahlen auf der ganzen Welt unterstützt, beobachtet oder durchgeführt. Doch die Schwerpunkte der UN-Wahlhilfe haben sich verlagert: Anfang der neunziger Jahre sollte sie Konflikte beilegen helfen und den Übergang zu einem Mehrparteiensystem fördern. Heute haben die meisten Länder, die um Wahlhilfe bitten, bereits mehrfach gewählt. Nun geht es vor allem darum, Wahlexperten und -beobachter am Ort zu unterstützen.
von Robin Ludwig
Das formelle Wahlhilfe-Programm der Vereinten Nationen (UN) begann im Jahr 1992. Gestützt auf eine Entscheidung der Vollversammlung, wurde in der Abteilung für politische Angelegenheiten des UN-Sekretariats eine kleine Wahlhilfe-Einheit geschaffen. Seither sind 89 Mitgliedstaaten mit Gesuchen um Wahlhilfe an die UN herangetreten, viele davon mehr als einmal. Auch verschiedenen Territorien, die (noch) keine Mitgliedstaaten der UN waren, wurde Wahlhilfe gewährt, so zum Beispiel Osttimor, dem Kosovo und der Westsahara. Im Verlauf der vergangenen acht Jahre hat sich allerdings im Bereich der Wahlhilfe dreierlei deutlich verändert: die Art der eingegangenen Gesuche um Wahlhilfe, die Herkunft und Art der angebotenen Hilfe sowie das allgemeine Umfeld, im dem Wahlhilfe am häufigsten geleistet wird.
In den ersten Jahren des Programms kam der Anstoß für die Durchführung von Wahlen entweder von Friedensabkommen, die Wahlen als ein Mittel der Konfliktlösung einschlossen, oder von Regierungen, die den Übergang zu einem Mehrparteiensystem anstrebten. Im Fällen der ersten Art waren die Vereinten Nationen oft entweder für die Organisation und die Durchführung der Wahlen verantwortlich - so in Kambodscha 1994 - oder für die Überprüfung aller einzelnen Phasen des Wahlprozesses - so in Nikaragua 1990, in El Salvador 1993 und in Mosambik 1994. In Fällen des Übergangs zu einem Mehrparteiensystem organisierten oder koordinierten die UN vielfach die internationale Beobachtung der Wahlen - so in Malawi 1993 und 1994, in Südafrika 1994, in Nigeria 1998-1999.
In jüngster Zeit wird Wahlhilfe jedoch seltener als Mittel zur Konfliktlösung nachgefragt und öfter als Instrument eingesetzt, um nationale Wahlprozesse und -institutionen zu stärken und zu verbessern. Noch bis vor einigen Jahren deuteten viele Mitglieder der internationalen Gemeinschaft die Bekanntmachung von Wahlresultaten als Signal, dass eine politische Krise beendet war und der Wiederaufbau beginnen konnte. Da nach einer Wahl eine neue Regierung die Verantwortung übernehmen würde, sahen viele Geberländer Wahlen als Weg an, die vorrangige Unterstützung für das jeweilige Land zu beenden. Heute ist jedoch klar, dass glaubwürdige Wahlen keineswegs das Ende eines Prozesses darstellen, sondern den ersten Schritt auf einem langen Weg der Demokratisierung. Diese Einsicht hat die Wahlhilfe der Vereinten Nationen wesentlich verändert.
Bis 1993 hatten sich sechs Grundtypen der UN-Wahlhilfe herausgebildet: Die Organisation und Durchführung von Wahlen unter Leitung der UN; die Überwachung (supervision) von Wahlen; die Wahlüberprüfung (verification); die Koordination von und Unterstützung für die Wahlbeobachtung; technische Hilfe; sowie die Begleitung für und Berichterstattung über den Wahlprozess. Für die ersten drei Arten der Wahlhilfe wird ein Mandat entweder vom UN-Sicherheitsrat oder von der UN-Generalversammlung benötigt. Die letzten drei sind weniger zeit- und arbeitsaufwändig und erfordern kein Mandat (vgl. der überblick 1/93). Seit 1993 aber haben sich die Anträge der Mitgliedstaaten auf Hilfeleistung stark verändert.
In den frühen neunziger Jahren stellte die Entsendung von internationalen Beobachtern, die die einzelnen Phasen des Wahlprozesses verfolgen sollten, einen Schwerpunkt des Programms dar. Beobachter sollten hauptsächlich Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen vermeiden helfen. Doch ihre Anwesenheit erfüllte noch einen weiteren Zweck: Internationale Beobachter verliehen dem Prozess Glaubwürdigkeit und gaben den Wählern die Gewissheit, dass den Wahlen weltweit Bedeutung beigemessen wurde und das Verfahren ihr Vertrauen verdiente. Die Wahlbeteiligung war meistens sehr hoch. Heute, da sich Wähler für ihre dritte oder vierte Wahl registrieren lassen, ist der Bedarf nach umfassender internationaler Beobachtung deutlich gesunken. Seit Namibia 1989 hat es keine Überwacher-Mission mehr gegeben, und die letzte Überprüfung einer Wahl fand 1997 in Liberia statt. 1999 koordinierte die Wahlhilfe-Einheit im UN-Sekretariat die internationale Beobachtung für fünf Wahlen. Im Jahr 2000 hat sie bis Oktober erst einmal diese Art Unterstützung gegeben.
Während die Nachfrage nach Wahlbeobachtung abgenommen hat, ist die nach technischen Hilfsleistungen und Beratungsdiensten stetig gestiegen. Die Wahlbeamten vieler Staaten suchen mittlerweile nach besseren und kostensparenden Methoden der Wahlorganisation und bitten oft um ganz bestimmte Arten von Hilfe. Zum Beispiel werden Experten benötigt für die elektronische Erfassung der Wählerlisten, die Herstellung von Personal- und Wählerausweisen, die Bestandsaufnahme und Neueinteilung von Wahlbezirken, den Entwurf von Stimmzetteln und die Entwicklung des Wahlrechts. Die Nachfrage nach solchen speziellen Hilfsleistungen zeigt, dass die Kompetenz in den Ländern selbst wächst und die Wahlsysteme und -institutionen stärker werden.
1995 wurde in Mexiko eine neue Form der Hilfe entwickelt: Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden erstmals einheimische Wahlbeobachter ausgebildet. Dass mexikanische Bürger geschult wurden, ihre eigenen Wahlen zu beaufsichtigen, hat im Land das Bewusstsein für die Standards legitimer Wahlen gefördert und die Mexikaner ermutigt, sich an einem demokratischen Prozess zu beteiligen. Zusätzlich legitimiert es einen Wahlprozess in besonderem Maße, wenn Bürger aus dem eigenen Land ihn prüfen und billigen. Seit 1995 haben mexikanische Wahlbeobachter zwei landesweite Wahlen und kürzlich auch die in der Provinz Chiapas begleitet.
Einige Jahre gab es wenig Nachfrage nach groß angelegten Wahlmissionen; manche Wahlexperten dachten bereits, dass diese Art der Hilfe zur Seltenheit werden würde. Doch 1999 wurde den Vereinten Nationen im Zusammenhang mit den Großeinsätzen in Osttimor und dem Kosovo erneut die Organisation und Durchführung von Wahlen übertragen. In diesen Fällen ging es wieder - ähnlich wie in den frühen neunziger Jahren - hauptsächlich um die Konfliktbeilegung.
Doch der Bedarf an UN-Wahlhilfen ist im Verlauf der letzten acht Jahre insgesamt gestiegen und bleibt unvermindert hoch. Heute gibt es sieben Haupttypen der Wahlunterstützung. Geändert hat sich die Häufigkeit, mit der sie gewährt werden: Anträge auf technische Hilfe sind heute am häufigsten. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Kompetenz in den jeweiligen Ländern wächst, die mit Wahlen betrauten Institutionen dort gestärkt und die Wahlverfahren verfeinert worden sind. Fälle der UN-Wahlbeobachtung sind etwas seltener geworden. Das liegt zum Teil daran, dass die Wahlen nunmehr von regionalen Organisationen beobachtet werden, und zum Teil daran, dass internationale Beobachtung für Länder, in denen schon zum dritten oder vierten Mal Wahlen abgehalten werden, nicht mehr so wichtig ist. Groß angelegte Einsätze werden immer wieder nötig sein, aber im Vergleich zur Vergangenheit nur noch die Ausnahme darstellen.
Die Bedingungen, unter denen die Vereinten Nationen Wahlhilfe leisten, haben sich im Verlauf der Zeit nur geringfügig geändert. Hilfsleistungen können nur auf schriftlichen Antrag gewährt werden, der von den Vertretern einer nationalen Regierung oder Wahlbehörde gestellt werden muss. Der Antrag muss früh genug eingereicht werden, um eine effiziente Vorbereitung der Hilfe zu ermöglichen. In den meisten Fällen wird eine Vorbereitungszeit von mindestens vier Monaten veranschlagt. Ein zu kurzer Vorlauf ist der häufigste Grund, aus dem die UN einen Antrag auf Wahlhilfe ablehnen.
Nach Eingang eines schriftlichen Antrags entsendet die Wahlhilfeeinheit normalerweise eine Prüfmission in das jeweilige Land, um dessen Pläne für die Wahlen sowie spezifische Bedürfnisse und Anliegen zu erörtern. Die Mission berät sich mit Vertretern der Regierung, den politischen Parteien, internationalen Gebern und anderen wichtigen Instanzen. Danach erstellt sie einen Bericht an den für Wahlhilfe zuständigen Vizegeneralsekretär der UN für politische Angelegenheiten. Dort wird entschieden, ob und welche Art von Hilfe die Vereinten Nationen leisten sollen.
Ist ein Antrag genehmigt, dann wird ein Projektdokument vorbereitet und das nötige Personal rekrutiert oder freigestellt. Die Abteilung für Wahlhilfe hält einen Stamm von internationalen Wahlexperten bereit, die in einer Reihe von speziellen Funktionen eingesetzt werden können - wie Wahlleiter, Rechtsberater, Logistikexperten, Computerspezialisten, Ausbildungs- und Staatskunde-Experten. Je nach Art der Hilfe können die einzelnen Projekte von einer Woche bis zu einem Jahr und länger dauern. Ein Ausbildungsprojekt für Wahlbeamte kann in rund drei Wochen abgeschlossen werden. Die Planung, Organisation und Durchführung der Wahlen in Kambodscha 1994 nahm dagegen etwa drei Jahre in Anspruch.
In den frühen neunziger Jahren gab es vergleichsweise wenige Organisationen, die Wahlhilfe gewährten. In jüngster Zeit unterstützen mehr Organisationen Wahlprozesse, weil diese als wichtiger Schritt in Richtung Demokratie erkannt worden sind. Einige, etwa die Foundation for Electoral Systems (Internationale Stiftung für Wahlverfahren, IFES), haben ihr Spektrum an Hilfsleistungen erweitert. Andere wie die Europäische Union haben Wahlhilfe und Demokratisierung in ihre Programme aufgenommen. Im Jahre 1995 wurde das International Institute for Democracy and Electoral Assistance (Internationales Institut für Demokratie und Wahlhilfe, IDEA) gegründet, ein zwischenstaatliches Gremium mit Sitz in Stockholm. Es soll weltweit Demokratisierungsprozesse fördern. Für die Vereinten Nationen stellt der Zuwachs an Organisationen, die Wahlhilfe leisten können, eine Möglichkeit dar, Partnerschaften einzugehen sowie koordinierte Projekte und umfassendere Hilfsprogramme durchzuführen.
Mit der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) beispielsweise haben die Vereinten Nationen von 1991 bis 1999 bei der Wahlhilfe für Haiti zusammengearbeitet: Die UN sorgten für die technische Hilfe, während die OAS die internationale Beobachtung organisierte. Durch die klare Aufgabenteilung konnten beide Organisationen unabhängig voneinander, aber zugleich wirksam koordiniert über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten.
Ab 1998 haben die Vereinten Nationen mit der Europäischen Union und den Commonwealth-Staaten zusammengearbeitet und ein umfassendes Paket von Wahlhilfemaßnahmen für Nigeria vorbereitet. Es beinhaltete langfristig angelegte technische Unterstützung für die Unabhängige Nationale Wahlkommission und die kurz- wie langfristige Beobachtung von vier Wahlen: Den Kommunalwahlen vom 5. Dezember 1998, den Wahlen der Gouverneure von Einzelstaaten sowie der Bundesversammlung vom 9. Januar 1999, der Wahl des nationalen Parlaments am 20. Februar und der Präsidentschaftswahlen am 27. Februar (vgl. der überblick 4/99).
In verschiedenen osteuropäischen Ländern haben die UN ihre Hilfsmaßnahmen mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) koordiniert beziehungsweise mit ihr gemeinsame Beobachtermissionen durchgeführt. Weiter arbeiten sie mit der IFES und IDEA zusammen. Gemeinsam haben sie EPIC (Election Process Information Collection) gegründet, ein Projekt zur Datensammlung über Wahlprozesse, das neueste Informationen über nationale Wahlprozesse und -institutionen weltweit im Internet verfügbar machen wird.
Was das Auftreten neuer Organisationen im Bereich der Wahlhilfe angeht, ist vielleicht der erfreulichste Trend, dass in den letzten fünf Jahren eine Reihe regionaler Zusammenschlüsse von Wahlbehörden gegründet worden ist. Im Jahre 1999 trafen sich erstmals Wahlhelfer aus einer Vielzahl von Organisationen in Afrika, Zentralasien, dem Pazifik, Lateinamerika und der Karibik, Osteuropa sowie Nordamerika zu einem Erfahrungsaustausch und um Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu sondieren.
Die wachsende Zahl der Organisationen, die bei einer Wahl Unterstützung anbieten, ermöglicht den Staaten, die solche Maßnahmen beantragen, genau die Hilfe zu erhalten, die sie benötigen. Gleichzeitig ist es immer wichtiger geworden, die Hilfen zu koordinieren, wenn sie wirksam sein sollen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass internationale Experten zuweilen uneins sind und gegensätzliche Vorschläge machen. Auch kann es vorkommen, dass sie für unterschiedliche Projekte verpflichtet werden, deren Aufgabenbereich sich aber überschneidet oder sogar identisch ist. Daher ist es wichtiger geworden, dass die Hilfsorganisationen sich international gegenseitig austauschen und koordinieren, damit knappe Ressourcen und Fachkenntnisse sinnvoll eingesetzt werden.
Langfristige Demokratisierungsprozesse bilden nunmehr das Hauptumfeld der internationalen Wahlhilfe. Wahlen oder Referenden sind zwar noch immer ein nützliches Mittel der Konfliktlösung (etwa in Osttimor 1999) oder des Übergangs zu einer neuen Ordnung (so in Südafrika 1994), aber sie werden heute mit wachsender Regelmäßigkeit als friedliches und allgemein anerkanntes Mittel abgehalten, die politische Führung auf nationaler Ebene zu bestimmen. Die Erfahrung der letzten acht Jahre hat gezeigt, dass sich die Bevölkerung an Wahlen, die sie für glaubwürdig hält, tatsächlich beteiligt und dass das Vertrauen in den Wahlprozess in vielen Ländern zugenommen hat. Deshalb wächst die Nachfrage nach Hilfe, welche die Fähigkeit der Staaten selbst stärkt, Wahlen korrekt durchzuführen. Gleichzeitig sinkt der Bedarf an internationalen Beobachtermissionen zur Kontrolle und Unterstützung des Wahlprozesses von außen.
Die Erkenntnis, dass Wahlen nur einen Schritt in einem umfassenden Demokratisierungsprozess darstellen, hat auch klar gemacht, dass verwandte Bereiche der Regierungstätigkeit gestärkt werden müssen. Ein funktionierendes Gesetzes- und Rechtswesen ist unerlässlich. Wenn in einem Land erfolgreich Wahlen durchgeführt werden können, dann deutet das darauf hin, dass eine Reihe grundlegender Rechte und Freiheiten gewährleistet sind. In erster Linie sind dies die Rechte auf freie Meinungsäußerung, auf öffentliche Versammlung und auf Information. Einzelne Bürger, die ihre Rechte wahrnehmen, sollten vom Gesetz und der Justiz vor Einschüchterung oder Strafe geschützt werden. Dies ist allerdings erst der Anfang.
Die Herrschaft des Gesetzes reicht weit über den Wahlprozess hinaus und umfasst alle Aspekte des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Das Vertrauen auf die Transparenz und Fairness des Justiz- und Polizeiwesens, auf die Verlässlichkeit des Bankensystems sowie auf Steuer- und Kartellbehörden und andere staatliche Institutionen ist unverzichtbar für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Der Neuanfang, den eine demokratische Wahl markiert, muss von andauernden Reformen untermauert werden, die den Rahmen für eine gerechte und transparente Regierung schaffen.
Die Betonung der Demokratisierung hat die Aufmerksamkeit auch auf einen vergleichsweise neuen, aber umso wichtigeren Bereich der UN-Wahlhilfe gelenkt: auf Kommunalwahlen. In den frühen neunziger Jahren wurden die Vereinten Nationen nur selten gebeten, bei Kommunalwahlen zu helfen; im Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit standen nationale Wahlen. Noch 1992 unterstützte die Abteilung für Wahlhilfe keine einzige Kommunalwahl; im Jahr 2000 dagegen wirkte sie an solchen Wahlen in Albanien, Guinea, dem Kosovo und in Pakistan mit.
Im Rahmen eines umfassenden Demokratisierungsprozesses können Kommunalwahlen eine erste wichtige Verbindung zwischen den Wählern und ihrem gewählten Vertreter herstellen, der in diesem Fall ein Freund oder Nachbar sein kann. Je nach seinen Leistungen kann dieser Vertreter ab- oder wiedergewählt werden oder auch in ein höheres Amt gelangen. Diese Verbindung zwischen Wählern und Gewählten und deren Rechenschaftspflicht auf der lokalen Ebene bietet eine wichtige Schule der Demokratie. Zudem gehen aus der Gruppe der lokal gewählten und oft jüngeren Politiker die meisten zukünftigen Politiker auf regionaler und nationaler Ebene hervor.
Die zukünftige internationale Wahlhilfe muss auch berücksichtigen, dass Wahlverfahren und -institutionen national verankert werden müssen. In den frühen neunziger Jahren wurde unter dem Druck, Wahlen so früh wie möglich abzuhalten, oft eine Verfassung oder das Wahlgesetz übereilt entworfen oder überarbeitet - häufig mit gut gemeinter Hilfe von außen. In den folgenden Jahren erhoben sich dann Zweifel, ob die so entstandenen Gesetze auf lange Sicht mit der Kultur und den örtlichen Traditionen zu vereinbaren waren.
Eine Reihe von Ländern hat mittlerweile begonnen, Regeln und Verfahren zu überarbeiten, die derart übereilt eingeführt worden waren. Die Veränderungen gründen dabei auf den Erfahrungen und praktischen Erfordernissen der jüngsten Zeit wie auf der Anpassung an traditionelle Werte. Die Entstehung von regionalen Zusammenschlüssen von Wahlbeamten hat Diskussionsforen geschaffen für Probleme und Lösungsvorschläge, die den Verhältnissen der Region entsprechen; der Bedarf an Hilfe von außerhalb der Region geht dadurch allmählich zurück. Der Nachwuchs an Wahlexperten aus diesen Regionen erweitert nicht nur den Bestand an internationalen Wahlberatern, sondern sorgt auch dafür, dass Hilfsmaßnahmen lokale Traditionen und Werte respektieren.
Die lokale Verankerung der Wahlverfahren und die Förderung der Expertise am Ort ist nicht nur wichtig für zukünftige Wahlen, sondern vor allem von entscheidender Bedeutung für den Demokratisierungsprozess insgesamt. Demokratisierung bedeutet einen grundlegenden Wertewandel, nicht bloß die Einführung neuer Verfahren oder Institutionen. Der Erfolg der Demokratisierung wird weitgehend davon abhängen, inwieweit demokratische Ideale und Verfahren zu akzeptierten Normen staatsbürgerlichen Verhaltens werden. Diesen Prozess zu unterstützten, ist eine Aufgabe sowohl für die nationalen Behörden wie für die internationale Gemeinschaft.
Was die Zukunft der UN-Wahlhilfe angeht, so wird ihr Schwerpunkt weiterhin die technische Hilfe und der Aufbau nationaler Kompetenz bleiben. Obwohl die Vereinten Nationen in dringlichen Fällen auch in Zukunft für die Organisation und Durchführung von Wahlen zur Verfügung stehen werden, sollten solche Fälle die Ausnahme und nicht die Regel darstellen. Und die vielfältigen neuen Ansprechpartner für Wahlhilfe sowie die wachsende Kompetenz der Staaten selbst eröffnen die Aussicht auf koordinierte und umfassende Projekte, die nicht Wahlen unterstützen, sondern auch andere Institutionen, die für eine demokratische Regierung wesentlich sind.
Die Fortschritte werden nicht rasch oder leicht messbar sein, und Rückschläge wird es sicher geben. Doch in den vergangenen zehn Jahren haben mehr Menschen als je zuvor Stimmzettel ausgefüllt und an der Auswahl ihrer Regierung mitgewirkt. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt kreativ und konsequent die Anstrengungen in den Ländern selbst unterstützen, um auf den ersten Erfahrungen mit der Demokratie aufzubauen und sie zu festigen.
aus: der überblick 04/2000, Seite 88
AUTOR(EN):
Robin Ludwig:
Robin Ludwig ist seit 1992 "Senior Political Affairs Officer" in der Wahlhilfe-Abteilung der UN und war insbesondere mit den Wahlen in Malawi, Südafrika, Ost-Timor und im Kosovo befasst. Ihre hier vertretenen Ansichten müssen nicht mit denen der UN übereinstimmen.